Ärzteblatt November 2008 - Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern
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Beratung für Angehörige von krankheitsuneinsichtigen<br />
Alkoholabhängigen nach dem<br />
Community Reinforcement Ansatz-basierten<br />
Familien-Training (CRAFT)<br />
Eine Interventionsstudie an der Evangelischen Suchtberatungsstelle Rostock<br />
Gallus Bischof*, Julia Iwen*, Zohreh Landji**, Christian W. Müller*, Hans-Jürgen Rumpf*<br />
1. Versorgungslage Alkoholabhängiger<br />
In Deutschland gelten nach Schätzung der Deutschen<br />
Hauptstelle gegen Suchtgefahren fünf bis sieben Millionen<br />
Angehörige von Alkoholabhängigen als von der Abhängigkeit<br />
unmittelbar mitbetroffen. Studien belegen die hohe<br />
Belastung dieser Menschen anhand erhöhter Raten streßbedingter<br />
Erkrankungen und psychosozialer Beeinträchtigungen.<br />
Für viele Ärzte stellt sich bei diesen Patienten das Problem,<br />
daß vor Ort kaum spezialisierte Behandlungsangebote<br />
vorhanden sind. Studien konnten konsistent belegen, daß<br />
die Einbeziehung Angehöriger in die Behandlung von Abhängigkeitserkrankten<br />
zu einer Verbesserung der kurz- und<br />
langfristigen Therapieerfolge führt. Zugleich nutzen jährlich<br />
nur etwa zehn Prozent der Alkoholabhängigen Angebote<br />
des Suchthilfesystems, Angehörige stellen lediglich<br />
etwa sechs Prozent der Nutzer des ambulanten Suchtkrankenhilfesystems<br />
dar. Studien an Krankenhauspatienten belegen<br />
zudem, daß die Mehrheit der Alkoholabhängigen<br />
keine aktuelle Behandlungsbereitschaft aufweist. Angehörigen<br />
von Behandlung ablehnend gegenüber stehenden<br />
Menschen mit Alkoholproblemen wird oftmals lediglich die<br />
Trennung angeraten; diejenigen, die diesen Schritt nicht<br />
gehen wollen oder können, finden nur schwer Unterstützung.<br />
Dabei konnte in verschiedenen US-amerikanischen<br />
Studien gezeigt werden, daß die Behandlung von Angehörigen<br />
einen starken Einfluß auf die Bereitschaft von Menschen<br />
mit Alkoholproblemen ausüben kann, fachliche Hilfen<br />
in Anspruch zu nehmen.<br />
Die Wirksamkeit solcher Ansätze soll nun in einem durch die<br />
Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen, dem Verband<br />
der privaten Krankenversicherung e.V. und dem Bundesministerium<br />
für Bildung und Forschung (Förderkennzei-<br />
* Universität Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />
** Evangelische Suchtberatungsstelle Rostock<br />
AUSGABE 11/<strong>2008</strong> 18. JAHRGANG<br />
AKTUELLES<br />
chen 01 GX 0702) geförderten Forschungsprojekt erstmalig<br />
in Deutschland überprüft werden. Durch eine Kooperation<br />
zwischen der Universität Lübeck und der Evangelischen<br />
Suchtberatungsstelle Rostock kann die Beratung nun auch<br />
in Rostock sowie den angeschlossenen Beratungsstellen in<br />
Bad Doberan und Kühlungsborn angeboten werden.<br />
2. Das Community Reinforcement Ansatz-basierte<br />
Familien-Training - CRAFT<br />
In der Behandlung alkoholbezogener Störungen steht die<br />
Schaffung günstiger Umgebungsfaktoren wie z.B. alkoholfreier<br />
Freizeitaktivitäten im englischsprachigen Raum bereits<br />
seit längerem im Fokus gezielter Interventionen und<br />
zählt nach neueren Meta-Analysen zu den wirksamsten und<br />
ökonomischsten Behandlungsansätzen bei alkohol- und<br />
drogenbezogenen Problemen. Aus dem Community Reinforcement<br />
Approach CRA (Meyers & Smith, 2007), der auf<br />
den Einfluß unterschiedlicher sozialer Quellen auf den Verlauf<br />
substanzbezogener Störungen fokussierte, wurde in<br />
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