Ärzteblatt November 2008 - Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern
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3. Studiendesign<br />
Angesichts der erhöhten Morbidität und der suchtspezifischen<br />
Unterversorgung der Angehörigen von Menschen mit<br />
Alkoholproblemen kommt den Ärzten eine wichtige Rolle<br />
in der Vermittlung von Hilfeangeboten zu. In einer im Vorfeld<br />
der Studie durchgeführten Fokusgruppe mit Angehörigen<br />
von Menschen mit substanzbezogenen Störungen<br />
wurde neben einer besseren öffentlichen Präsenz entsprechender<br />
Angebote, auch die Information zu solchen Behandlungsangeboten<br />
durch den Hausarzt ausdrücklich gewünscht.<br />
Vor diesem Hintergrund bietet die Studie zur Überprüfung<br />
des CRAFT-Ansatzes ein zwölfwöchiges, kostenfreies Behandlungsangebot<br />
für Angehörige von Menschen mit Alkoholproblemen.<br />
In Anlehnung an die Einschlußkriterien amerikanischer<br />
Studien werden erwachsene Angehörige von<br />
Alkoholabhängigen, die mit diesem zusammenleben oder<br />
mindestens 15 bis 20 Stunden pro Woche gemeinsam verbringen,<br />
in die Studie eingeschlossen.<br />
Ausschlußkriterien sind die alkoholspezifische Behandlung<br />
des Suchtkranken innerhalb des letzten Monats, die Polytoxikomanie<br />
des Suchtkranken, eine eigene substanzbezogene<br />
Abhängigkeitserkrankung (Ausnahme: Nikotinabhängigkeit)<br />
des teilnehmenden Angehörigen sowie eine Vorgeschichte<br />
gewalttätiger Übergriffe in der Partnerschaft, welche<br />
ärztlich versorgt werden mußten.<br />
Ärzte, Psychotherapeuten und Beratungsstellen haben die<br />
Möglichkeit, diese Patienten an die Evangelische Suchtberatungsstelle<br />
Rostock weiter zu vermitteln. Informationsblätter<br />
zur Studie können bei der Ev. Beratungsstelle (Tel.:<br />
(0381) 455128) angefordert werden. Patienten haben die<br />
Möglichkeit, sich unter dieser Telefonnummer für die Studie<br />
anzumelden oder weitere Informationen anzufordern.<br />
Die in Frage kommenden Patienten werden nach Durchführung<br />
einer Erhebung des Konsumverhaltens ihres Angehörigen,<br />
der Beziehungsqualität sowie diverser Belastungsfaktoren<br />
und Ressourcen randomisiert zwei Gruppen zugewiesen:<br />
einer sofortigen Interventionsbedingung, bei welcher<br />
das zwölfwöchige Programm unmittelbar beginnt, und einer<br />
Wartelistenbedingung, welche nach drei Monaten das<br />
CRAFT-Programm erhält und der für den Zeitraum zwischen<br />
Baseline-Erhebung und Programmbeginn der Besuch einer<br />
Selbsthilfegruppe für Angehörige nahegelegt wird. Nach<br />
drei Monaten, also zum Ende der Intervention in der sofortigen<br />
Interventionsbedingung und vor Beginn der Intervention<br />
in der Wartelistenbedingung erfolgt eine Erhebung zur<br />
Inanspruchnahme suchtspezifischer Hilfen durch den Indexpatienten<br />
sowie (wie bereits in der ersten Erhebung) zur<br />
eigenen psychosozialen Belastung. Diese Erhebung erfolgt<br />
AUSGABE 11/<strong>2008</strong> 18. JAHRGANG<br />
AKTUELLES<br />
erneut nach sechs und zwölf Monaten. Als zentrale Erfolgskriterien<br />
gelten die Inanspruchnahme suchtspezifischer Hilfen<br />
durch den Alkoholabhängigen und eine Verbesserung<br />
des psychosozialen Funktionsniveaus der am Programm teilnehmenden<br />
Angehörigen.<br />
4. Ausblick<br />
Es wird erwartet, daß die Ergebnisse der Studie sowohl zu<br />
einer Verbesserung der gesundheitlichen Situation von Angehörigen<br />
beitragen als auch einen neuen Zugangsweg zu<br />
Menschen mit alkoholbezogenen Störungen erlauben. Dies<br />
stellt die Grundlage für die weitergehende Implementierung<br />
des Ansatzes dar. Weitergehende Schritte sollten dabei<br />
neben Schulungsangeboten für Ärzte und im psychosozialen<br />
Bereich Beschäftigte insbesondere lokal verankerte<br />
Überweisungsmöglichkeiten zu spezialisierten Angeboten<br />
des Suchthilfesystems beinhalten. Vergütungsmodelle hierfür<br />
sind zu entwickeln.<br />
Literatur beim Verfasser:<br />
Dr. phil. Dipl. Psych. Gallus Bischof<br />
Universität zu Lübeck<br />
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />
Arbeitsgruppe S:TEP (Substanzmißbrauch: Therapie,<br />
Epidemiologie, Prävention)<br />
Ratzeburger Alle 160, 23538 Lübeck<br />
E-Mail: gallus.bischof@psychiatrie.uk-sh.de<br />
Seite 377