ForestFinest 2/2015
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KlimaWandeln<br />
Klima + Schutz + Politik = Kann das aufgehen?<br />
Der Politikwissenschaftler Wolfgang Obergassel am Wuppertal Institut<br />
für Klima, Umwelt, Energie beschäftigt sich seit rund 15 Jahren mit<br />
Klimapolitik. Im Interview mit <strong>ForestFinest</strong>-Redakteurin Christine<br />
Sommer-Guist gibt er Ein- und Ausblicke in das aktuelle klimapolitische<br />
Weltgeschehen und verrät, was uns bei der nächsten internationalen<br />
Klimakonferenz in Paris erwartet.<br />
Haben Sie persönlich das Gefühl, dass Klimaschutzpolitik<br />
funktioniert?<br />
Es passiert schon einiges, nicht unbedingt nur<br />
aus Klimaschutz-, sondern auch aus anderen,<br />
beispielsweise ökonomischen Gründen. So ist<br />
China zunehmend ambitioniert bei Energie effizienz<br />
und Aufforstung. Immer mehr Länder<br />
bauen erneuerbare Energien aus. Europa ist da<br />
inzwischen fast das Schlusslicht! Ich bin sehr<br />
optimistisch, dass der Umschwung kommt.<br />
Die Frage ist nur, ob er rechtzeitig kommt, um<br />
das Zwei-Grad-Ziel noch einzuhalten, denn da<br />
ist der Bremsweg ziemlich kurz.<br />
Was versprechen Sie sich von der COP 21 in Paris?<br />
Ich denke, dass da eine positive Dynamik drin<br />
ist. In Kopenhagen standen noch Fragen im<br />
Raum, wie Fortsetzung Kyoto-Protokoll, Unterscheidung<br />
zwischen Entwicklungs- und Industrieländern.<br />
Jetzt ist sehr viel klarer, dass alle<br />
Länder einen Beitrag leisten sollen und werden.<br />
Auch China und andere Länder bewegen<br />
sich – vor allem auf der nationalen Ebene. Und<br />
dann gab es 2014 diese US-chinesische Ankündigung<br />
auf Präsidentenebene dazu, was sie<br />
alles in Paris zusagen wollen.<br />
Kann die ernst genommen werden?<br />
Ja. Nur muss man sich in den USA die Frage<br />
stellen, was passiert, wenn der nächste Präsident<br />
ein Republikaner wird. Die derzeitige Administration<br />
ist sehr engagiert und erlässt Auflagen<br />
für Kohlekraftwerke und Effizienzstandards<br />
für Fahrzeuge etc., aber eben leider nur<br />
auf dem Verordnungsweg, weil es derzeit nicht<br />
möglich ist, Klimagesetze durch den Kongress<br />
zu bringen, wegen der republikanischen Blockadehaltung.<br />
Eigentlich ist inzwischen klar, dass alle etwas in<br />
Paris beitragen werden, erkauft dadurch, dass<br />
es erst mal nur unverbindliche Zusagen sein<br />
werden, also keine rechtlich bindenden Verpflichtungen<br />
wie noch im Kyoto-Protokoll. Entscheidend<br />
wird dann sein, dass zumindest ein<br />
vernünftiger Überprüfungsmechanismus etabliert<br />
wird, also die Länder dann auch wirklich<br />
transparent und verständlich darüber berichten<br />
müssen, welche Fortschritte sie machen.<br />
Hat es Konsequenzen, wenn diese Berichte<br />
negativ ausfallen?<br />
Es wird keine Sanktionen geben, wenn Länder<br />
ihre Zusagen nicht einhalten. Paris wird das<br />
Problem nicht lösen, aber es wird hoffentlich<br />
ein Meilenstein sein, auf dem man in weiteren<br />
Verhandlungen aufbauen kann. Ich denke, das<br />
Wichtigste ist, dass die Regierungen und andere<br />
Akteure überhaupt erst einmal handeln,<br />
denn unsere Überzeugung ist, dass Klimaschutz<br />
mannigfaltige Vorteile mit sich bringt,<br />
was die lokale Gesundheit angeht, Luftverschmutzung,<br />
Verringerung von Energieimporten<br />
etc. Wir glauben deswegen, dass es – sobald<br />
man handelt – zu einer sich selbst verstärkenden<br />
Dynamik kommt. Insofern sehe ich<br />
das als Meilenstein und nicht als Endpunkt.<br />
Sind die teilnehmenden Länder bei den COPs<br />
gleichberechtigt?<br />
Formal haben alle die gleichen Rechte, ein<br />
Land, eine Stimme und es gilt das Konsens -<br />
prinzip. Leider! Weil das Ländern wie Saudi<br />
Arabien und anderen, die von der klimaschädlichen<br />
Öl-Industrie leben, Tür und Tor öffnet, zu<br />
blockieren, wo sie nur können.<br />
De Facto ist natürlich nicht alles so gleichberechtigt,<br />
alleine schon von den Delegationsstärken<br />
her. Ärmere Länder haben vielleicht eine<br />
Person da, die reicheren Länder bis zu 100.<br />
Die können dann alle Themen verfolgen und<br />
sich bei den Sitzungen abwechseln bzw. überall<br />
dabei sein. Die ärmeren Länder müssen zusehen,<br />
dass sie möglichst viel mitbekommen<br />
und am Ende, wenn dann die Nächte durch<br />
verhandelt werden, sind sie auch massiv im<br />
Nachteil, weil sie einfach nicht so viel Personal<br />
haben.<br />
Was wäre denn die Alternative zum<br />
Konsens prinzip?<br />
Mehrheitsentscheidungen, wie es in anderen<br />
Umweltverträgen gemacht wird, beispielsweise<br />
beim Montreal-Protokoll zum Schutz der<br />
Ozonschicht. Mehrheitsentscheidungen sind<br />
durchaus in anderen Umwelt-Regimen gängige<br />
Praxis (Anmerkung der Redaktion: „Regime“<br />
ist der politikwissenschaftliche Begriff für ein<br />
Set von Institutionen, das mit der Bearbeitung<br />
eines bestimmten Problems zu tun hat). Das<br />
Ozon-Regime hat auch schwach gestartet, mit<br />
ziemlich weichen Zusagen, aber durch Mehrheitsentscheidungen<br />
war es dann möglich,<br />
das ziemlich schnell zu verschärfen und zu einem<br />
effektiven Regime zu kommen.<br />
62 FF www.forestYnance.de