ForestFinest 2/2015
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WaldWirtschaft<br />
Artenvielfalt ist die Grundlage unserer Existenz<br />
Unser Planet besticht durch seine ungeheure<br />
Artenvielfalt. Von geschätzt etwa zehn Millionen<br />
Pflanzen- und Tierarten sind nur rund 1,8 Millionen<br />
wissenschaftlich erfasst. „Sie sind die Grundlage unserer<br />
Existenz, weil sie das Erdklima stabi li sieren<br />
und uns Nahrung und Atemluft verschaf fen“, sagt<br />
Prof. em. Wilhelm Barthlott von der Universität<br />
Bonn. „Vieles deutet darauf hin, dass wir vor einer<br />
Aussterbekatastrophe erdgeschichtlichen Ausmaßes<br />
stehen.“ Seine Arbeitsgruppe hat sich mit der<br />
Erfassung der sich dramatisch verarmenden Diversität,<br />
ihrer globalen Verteilung, aber auch ihrer<br />
technischen Anwendung befasst. Eine biologisch<br />
interessante Erkenntnis: Inseln schützen Arten.<br />
Sie umfassen zwar nur fünf Prozent der Landfläche,<br />
Löwenzahn rettet Regenwald<br />
Naturkautschuk ist in 40000 Produkten unseres<br />
täglichen Lebens enthalten. Ob Matratzen, Handschuhe,<br />
Klebestreifen oder Reifen – erst der Rohstoff<br />
verleiht extreme Elastizität, Zugfestigkeit und Kälte<br />
flexibilität. Naturkautschuk wird derzeit ausschließ<br />
lich aus dem Baum „Hevea brasiliensis“ gewonnen,<br />
eine Pflanzenart der Subtropen. Eine<br />
wachsende Nachfrage und zunehmende Probleme<br />
mit Schadpilzen machen Naturkautschuk, aber<br />
auch Wäldern zu schaffen. Denn um den steigenden<br />
Verbrauch zu decken, werden Regenwälder gerodet<br />
und in Agrarland umgewandelt. Das kann sich ändern!<br />
Und zwar mit „Taraxacum koksaghyz“, dem<br />
Russischen Löwenzahn. Darin fanden Fraunhofer-<br />
Forscher einen effizienten Ersatz für den Kautschukbaum.<br />
„Die Pflanze ist extrem anspruchs los. Sie<br />
kann in gemäßigtem Klima und selbst auf Böden kul-<br />
beherbergen aber allein etwa 25 Prozent aller<br />
Pflanzenarten. Auch „Inselberge“ in den Regenwäldern<br />
durchlaufen – wie Eilande weitgehend abgeschottet<br />
von der Umgebung – eine ganz eigene<br />
Artenentwicklung und beherbergen Pflanzen, die<br />
Menschen als Ideengeber dienen: Dazu zählt zum<br />
Beispiel die Selbstreinigungs fähigkeit von Lotusblättern,<br />
die Menschen mittlerweile nachbauen.<br />
Auch der unscheinbare Schwimmfarn Salvinia,<br />
der permanent eine dicke Luftschicht unter Wasser<br />
hält, dient als Vorbild für treibstoffsparende<br />
Schiffsbeschichtungen. Informationen zum Projekt,<br />
der sich wandelnden Natur und wie sie unsere Wirtschaft<br />
prägt, erhalten Sie auf www.lotus-salvinia.de<br />
tiviert werden, die für die Produktion von Nahrungsund<br />
Futtermitteln nicht oder nur begrenzt geeignet<br />
sind“, erklärt Christian Schulze Gronover, der Leiter<br />
der Studie. „Außerdem hat Löwen zahn den Vorteil,<br />
dass er von Jahr zu Jahr wächst. Der Kautschukbaum<br />
bringt erst nach sieben bis zehn Jahren einen Ertrag.“<br />
In Auto-Reifen hat sich der Löwenzahn-Kautschuk<br />
bereits bewährt. Der Hersteller Continental hat ein<br />
erstes Modell auf Asphalt getestet. „Der Kautschuk<br />
aus Löwenzahn hat optimale Rohstoff- und Material -<br />
eigenschaften“, ist das Unternehmen überzeugt.<br />
Der Russische Löwenzahn eignet sich dabei am<br />
besten, denn die Menge an Latex – dies ist Kautschuk<br />
in flüssiger Form – reicht im heimischen Löwenzahn<br />
nicht aus, um ihn industriell zu nutzen. Wenn Sie<br />
mehr lesen wollen, finden Sie die Informationen auf:<br />
www.forestfinest.de/go/loewenzahn<br />
Der unscheinbare kleine Schwimmfarn<br />
Salvinia zeigt unter der Lupe sein<br />
Geheimnis: schneebesenartige Haare,<br />
die eine Luftschicht halten und den<br />
Wassertropfen gewissermaßen festkleben.<br />
Foto: Wilhelm Barthlott/Uni Bonn<br />
Russischer Löwenzahn,<br />
Taraxacum koksaghyz.<br />
Grafik: www.pflanzenforschung.de<br />
500 Jahre Ausrottung<br />
Seit 1500 bis heute ist Landwirtschaft und Landnutzung durch den Menschen für einen Artenschwund von 13,6 Prozent in<br />
regionalen Ökosystemen verantwortlich. Eine Studie unter Federführung des Natural History Museums in London zeigt, wie<br />
sehr der Mensch in den vergangenen 500 Jahren durch die Landbewirtschaftung auf das regionale Artenvorkommen eingewirkt<br />
hat. Das Team schlussfolgert, dass, wenn die Menschheit weiter so verfährt wie bisher, sich der zukünftige Artenrückgang<br />
besonders in den artenreichen, aber ökonomisch schwachen Ländern konzentrieren wird. Durchschnittlich wäre<br />
ein weiterer Rückgang des Artenreichtums um 3,4 Prozent bis 2100 zu erwarten. Achim Steiner vom UN Umweltprogramm<br />
UNEP erklärt: „So wie unser Verständnis über die Auswirkung unseres Handels und der dramatische Artenverlust wachsen,<br />
sollten im gleichen Zug auch unsere Bemühungen wachsen, das Ruder herumzureißen. Die Einführung solider Richtlinien<br />
zur Unterstützung effektiver Kohlenstoffmärkte und die Einführung von Landnutzungspraktiken zur Erhaltung natürlicher<br />
Habitate sind nur ein Beispiel dafür.“<br />
Sie finden die Studie und viele weiterführende Informationen zu dem Thema auf Englisch unter www.predicts.org.uk<br />
www.forestfnance.de FF 77