FINE Ein Magazin für Wein und Genuss 2|2015
FINE Ein Magazin für Wein und Genuss 2|2015 - Sonderbeilage in der Süddeutschen Zeitung
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Craft-Stoff<br />
<strong>für</strong> den biergourmet<br />
Von Bernd Fritz Foto Guido Bittner<br />
Dem deutschen Craft-Bier-Wesen kann man ja vieles nachsagen: dass es gerade mal fünf<br />
Jahre jung ist, dass seine Protagonisten »junge wilde Brauer« (FAZ) sind, dass deren<br />
Experimentier lust keine (Landes)grenzen kennt, dass man bei den Biernamen hochkreativ<br />
ist <strong>und</strong> anderes mehr. Nur eines muss entschieden dementiert werden: dass in<br />
den Craft- Braukesseln indisches Bier nachgebraut werde. Ja aber, fragt Seine Unbedarftheit,<br />
der gewöhnliche Tresen trinker, die haben doch alle so ein »Indien« Pale Ale im<br />
Angebot? Da lacht die Korallenkette der Braumeistersgattin, <strong>und</strong> wir wenden uns, nach<br />
dieser mustergültig aufgebauten Pointe, dem spannenden Bierstil zu, nicht ohne vermerkt<br />
zu haben, dass im heutigen Indien tatsächlich Bier gebraut werden darf, beispielsweise<br />
ein Premium Lager von den United Breweries in Bangalore.<br />
Das war vor zweih<strong>und</strong>ert Jahren noch anders.<br />
Da regierten die Briten die Kron kolonie,<br />
mit Hinduismus <strong>und</strong> Buddhismus herrschten<br />
alkohol feindliche Religionen, <strong>und</strong> der Bierdurst<br />
der Kolonial truppen musste mit britischem<br />
Gersten saft gelöscht werden. Vorzugsweise mit<br />
Pale Ale, dem beliebten hellen, trocknen Obergärigen.<br />
Dieses hatte allerdings eine enorm lange<br />
Seereise zu überstehen, einen mehrmonatigen<br />
Segeltörn ohne Kühlung. Da<strong>für</strong> war es tauglich,<br />
will heißen, haltbarer zu machen, was den schottischen<br />
<strong>und</strong> englischen Brauereien durch Erhöhung<br />
des Alkohol gehalts <strong>und</strong> vermehrte Hopfengaben<br />
gelang. <strong>Ein</strong> neuer Bierstil war geboren <strong>und</strong><br />
alsbald auch getauft: India Pale Ale.<br />
Die Abkürzung ließ ebenfalls nicht lange auf<br />
sich warten. <strong>Ein</strong> IPA ordert man an der Bar, knapp,<br />
klar <strong>und</strong> souverän. Und wen hätte es gew<strong>und</strong>ert,<br />
wenn im Craft-Brauwesen mit den drei Buchstaben<br />
nicht schon auf den Etiketten Scherz<br />
getrieben worden wäre: »Ei Pi Ai« nennt die<br />
Chiemgauer Brauerei Camba ihr indisches Ale,<br />
ein Stoff mit 8 Volumenprozent Alkohol <strong>und</strong> gut<br />
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ein geb<strong>und</strong>ener Hopfenbittere – trotz eines IBU-<br />
Werts von 62. Womit wir bei der nächsten Abkürzung<br />
wären, die <strong>für</strong> »International Bitter Unit«<br />
steht. Und was 62 IBU bedeuten, sei kurz durch<br />
einen Vergleich veranschaulicht: <strong>Ein</strong> herbes Pils<br />
bringt es auf maximal 40 IBU.<br />
Für <strong>Ein</strong>steiger könnte sich daher ein schottisches<br />
IPA empfehlen, das sich bei mäßigem<br />
Alkohol (5,6 Prozent) mit 45 IBU begnügt. Auch<br />
trägt es, ganz wie die Brauerei, einen zünftigen<br />
Craft-Namen: das »Punk IPA« von Brew Dog.<br />
<strong>Ein</strong> Bier keineswegs <strong>für</strong> Underdogs, sondern mit<br />
seinem blumig-fruchtigen Aromahopfenduft <strong>und</strong><br />
der frischen Kohlensäure etwas <strong>für</strong> den anspruchsvollen<br />
Biergourmet.<br />
Überhaupt sollte man sich von getränkefernen<br />
Kreativnamen nicht abschrecken lassen.<br />
Das gilt vor allem <strong>für</strong> »Aufwind«, das IPA der<br />
Brauerei Propeller im westfälischen Bad Laasphe,<br />
<strong>für</strong> »Amarsi« aus dem Odenwälder Braukunstkeller<br />
<strong>und</strong> sogar <strong>für</strong> das brachiale »Backbone<br />
Splitter«, mit dem die Aschaffenburger Hanscraft-<br />
Neuland betritt die Brauerei Bitburger<br />
mit ihrer Sparte Craftwerk Brewing.<br />
Im Sommer 2013 präsentierte sie die<br />
Craft-Biere Howly Cowl, ein intensiv<br />
malziges Belgian Style Tripel mit<br />
bemerkenswerten Bittertönen <strong>und</strong><br />
stattlichen 9 Prozent Alkohol, Hop<br />
Head, ein frisch-fruchtig-herbes IPA,<br />
<strong>und</strong> Tangerine Dream, ein Pale Ale<br />
mit anhaltender Hopfennote; ein<br />
Jahr später vervoll ständigte Skipping<br />
Stone mit nur 4,8 Prozent Alkohol das<br />
Glückskleeblatt <strong>für</strong> Hopfenfans.<br />
Brauerei dem Bierfre<strong>und</strong> nicht das Kreuz brechen<br />
will, sondern, unter <strong>Ein</strong>satz von fünf Hopfen<strong>und</strong><br />
vier Malzsorten, den Widerstand gegen die<br />
Craft-Bier-Preise.<br />
Freilich machen nicht alle die sprachlichen<br />
Extra vaganzen mit. Die Brauerei Riedenburg im<br />
Altmühltal etwa hat ihr »Bavarian« IPA nachgerade<br />
sittsam »Dolden Sud« getauft. Und dementsprechend<br />
nimmt es sich aus: in der Nase unaufdringlich,<br />
ebenso fein die Bittere, eingeb<strong>und</strong>en in<br />
ein zartes, erfrischendes Mousseux. Da dürfte auch<br />
manch frommer Hindu schwach werden.<br />
Womit aber wäre wohl ein Buddhist zu verführen,<br />
dem das Fünfte Gebot Buddhas den<br />
<strong>Genuss</strong> berauschender Getränke eigentlich strikt<br />
untersagt? Zwei Kandidaten bieten sich an: Das<br />
»Progusta Harvest« von Braufactum, dem deutschen<br />
Craft-Pionier, <strong>und</strong> das »Double Jack« von<br />
Firestone Walker aus den Vereinigten Staaten, wo<br />
die Craft-Bier-Bewegung vor gut dreißig Jahren<br />
ihren Anfang nahm. Das Braufactum-IPA besticht<br />
mit samtig-frischem Mousseux, verwöhnt die<br />
Nase mit Litschi- <strong>und</strong> Aprikosenduft, die starke<br />
Bittere wird im Aroma der Cashewnuss <strong>und</strong> in<br />
Curry-Noten eingeb<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> der mit 6,8 Prozent<br />
moderate Alkohol macht das Ganze zu einem<br />
irdischen Vergnügen der reinen Art.<br />
In Richtung Nirwana aber lässt uns das »Double<br />
Jack« segeln. Nicht weniger als sechs Hopfensorten<br />
komponieren ein wahres Mandarine-<br />
Grapefruit-Parfüm, knapp 10 Prozent Alkohol<br />
erschaffen einen üppigen Körper, Karamellmalz<br />
bändigt die hohe Bittere aufs Eleganteste, <strong>und</strong> das<br />
<strong>für</strong> eine halbe Ewigkeit angelegte Mousseux verteilt<br />
alles auf sämtliche Geschmacksknospen <strong>und</strong><br />
Riechzellen. Kurzum: Zu einem kühlen Glas dieses<br />
göttlichen Craft-Stoffs Nein zu sagen hätte selbst<br />
Buddha seine liebe Mühe gehabt. •<br />
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