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ego Magazin Trier - Ausgabe 4

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BREAKFAST AT BROADWAY<br />

:Seit 1994 betreibt Dirk Ziesenhenne das Kino – das sich erfolgreich neu erfunden hat<br />

wIFrank Göbel<br />

Nach mehr als 100 Jahren Kino ist die Technik keinesfalls<br />

zu Ende entwickelt – so auch im <strong>Trier</strong>er Broadway-<br />

Kino: Das ist am Vormittag zwar noch geschlossen,<br />

aber nicht verwaist: Hausherr Dirk Ziesenhenne und<br />

seine Mitarbeiter erneuern gerade in einem der fünf<br />

Säle die Tonanlage. Im Handwerker-Outfit nimmt sich<br />

der 51-jährige trotzdem Zeit für ein Gespräch mit dem<br />

<strong>ego</strong>-magazin. •<br />

EGO // Vor allem die Digitalisierung hat das Kino stark<br />

verändert. Vermissen Sie den ratternden Projektor und<br />

das Zelluloid?<br />

Dirk Ziesenhenne // Etwas Wehmut gibt es schon:<br />

in einem Saal steht noch ein 35-mm-Projektor – der seit<br />

der Umstellung nie mehr benutzt wurde. Die Vorzüge der<br />

neuen Technik lagen für mich aber sofort auf der Hand.<br />

EGO // Zum Beispiel?<br />

Dirk Ziesenhenne // Die 800. Vorführung sieht so<br />

gut aus wie die Premiere. Wir müssen auch nicht<br />

mehr Wochen oder Monate auf eine Kopie warten.<br />

Wir können Liveübertragungen zeigen, etwa aus der<br />

Metropolitan-Oper in New York. Und Filme können<br />

auch im fremdsprachigen Original laufen – was sehr<br />

gut ankommt.<br />

EGO // Aber die Kunst findet nur noch auf der Leinwand<br />

statt – und nicht mehr im Vorführraum.<br />

Dirk Ziesenhenne // Oh ja. Ich weiß noch, wie ich<br />

gestaunt habe, als ich das erste Mal in einem Projektorraum<br />

war, wo der Film über mehrere Rollen lief, zwischen<br />

denen ja auch umgeschaltet werden musste. Kein<br />

Wunder, dass Vorführer ein richtiger Lehrberuf war.<br />

EGO // Wo kam es zu dieser Erkenntnis?<br />

Dirk Ziesenhenne // In Bonn, wo ich aufgewachsen<br />

bin. Da gab und gibt es das Wochenkino, kurz Woki - eines<br />

der besten Programmkinos Deutschlands, mit vielen guten<br />

Ideen. Aber Film war in der Familie sowieso immer ein<br />

Thema. Mein Vater hat für einen Film-Verleih gearbeitet.<br />

EGO // Was hat Sie dann nach <strong>Trier</strong> verschlagen?<br />

Dirk Ziesenhenne // Es gab Kontakt zu den Betreibern<br />

des Atriums, die damals einen Nachfolger<br />

suchten. Weil mir mein VWL-Studium ohnehin zu<br />

theoretisch wurde, bin ich schließlich 1988 nach <strong>Trier</strong><br />

gekommen – genau zum richtigen Zeitpunkt: Die Kinowelt<br />

erholte sich gerade vom Schock durch den<br />

aufkommenden Videomarkt. Erster Film im Atrium war<br />

Dirty Dancing, der über ein halbes Jahr lief.<br />

EGO // Nicht gerade Arthaus.<br />

Dirk Ziesenhenne // Absolut nicht. Wir waren voll<br />

Mainstream und haben immer die Top-3-Filme gezeigt.<br />

EGO // Und dann brauchte es noch das Broadway?<br />

Dirk Ziesenhenne // Nachdem 1987 das Capitol in<br />

der Brotstraße zugemacht hatte, verfügte <strong>Trier</strong> mit<br />

Flimmerkiste, Atrium und Royal über gerade mal sieben<br />

größere Säle - eine echte Unterversorgung.<br />

EGO // Die Sie dann zum Glück beendet haben...<br />

Dirk Ziesenhenne // Als wir 1994 im ehemaligen Autohaus<br />

hier das Broadway eröffnet haben, sind wir von den<br />

anderen Kinobetreibern nicht gerade mit offenen Armen<br />

empfangen worden – für alle Beteiligten eine unschöne<br />

Zeit. 1997 hat dann die Flimmerkiste nach Jahren guter<br />

Programmkino-Arbeit ihre Pforten geschlossen. Das Royal<br />

haben wir kurzzeitig übernommen – solange, bis ein<br />

Kino-Multiplex in die Stadt zieht.<br />

EGO // Das dann im Jahr 2000 schließlich in Gestalt<br />

des Cinemaxx kam.<br />

Dirk Ziesenhenne // Ja, ab 2000 mussten wir eine<br />

neue Strategie finden. Mainstream gegen Mainstream<br />

zu setzen, wäre blanker Unsinn gewesen. Ich habe also<br />

beschlossen, das zu machen, was ich sozusagen von<br />

Kindesbeinen auf kannte, nämlich Programmkino.<br />

EGO // Mit Zuversicht oder Muffensausen?<br />

Dirk Ziesenhenne // Letzteres. Unsere Besucherzahlen<br />

gingen auch stark zurück – und zwar jahrelang!<br />

2007 war ein Entscheidungsjahr: Unser Pachtvertrag<br />

lief aus und der Laden war nach 14 Jahren etwas angestaubt.<br />

Ich habe dann gemerkt: Es geht nur weiter,<br />

wenn ich noch mal richtig Geld in die Hand nehme.<br />

Also haben wir im Foyer den pastelligen Fifties-Look<br />

gegen eine klare, warme Architektur getauscht, die<br />

unser Publikum besser anspricht. Mit der Umstellung<br />

auf digital habe ich noch etwas abgewartet. Ab 2013<br />

wurden aber alle fünf Säle umgerüstet.<br />

EGO // Wie wichtig ist 3D für das Broadway?<br />

Dirk Ziesenhenne // Das überlassen wir gerne anderen.<br />

Vielen unserer Kunden ist das zu anstrengend. Wir<br />

zeigen jedenfalls nur echte 3D-Filme. So nachträglich<br />

berechnete Sachen finde ich nicht überzeugend.<br />

EGO // Welche Events laufen denn richtig gut?<br />

Dirk Ziesenhenne // Alles kulinarische - das Frühstück<br />

ist der Hammer! Das macht meine Frau, die sehr darauf<br />

achtet, dass alles hübsch aussieht. Das läuft so gut, dass<br />

wir auch eine ähnliche Schiene mit Kaffee und Kuchen<br />

auflegen. Da ist der Film eigentlich nur noch Beiwerk.<br />

EGO // Und wie sieht es bei den Filmreihen aus, wie<br />

„Psychiatrie im Film“ oder „Rollenwechsel“?<br />

Dirk Ziesenhenne // Die tun sich oft schwer, weil das<br />

wohl als belastendes Thema wahrgenommen wird – obwohl<br />

viele Filme gar nicht bedrückend sind. „Rollenwechsel“,<br />

die langjährige Zusammenarbeit mit dem Generalvikariat,<br />

läuft ziemlich gut. Ins Agenda-Kino kommen mal<br />

fünf Leute oder der Saal platzt aus allen Nähten – oft<br />

völlig unvorhersagbar!<br />

EGO // Gab‘s auch mal echte Flops?<br />

Dirk Ziesenhenne // Ein paar Horror-Fans aus der<br />

Belegschaft hatten mal die Idee, alles ganz retro zu<br />

machen: Mit einer Rollenkasse und einem Kasten Bier<br />

und rein ging’s über den Hinterhof. Sehr charmant, hat<br />

aber leider nicht funktioniert.<br />

EGO // Heute stellen Dienste wie Netflix Tausende Filme<br />

bereit - auf Riesenfernsehern mit Surroundsound. Ist<br />

das ein Problem?<br />

Dirk Ziesenhenne // Das kann man nicht wegdiskutieren.<br />

Völlig tot sind jedenfalls so Sachen wie das<br />

Sommerkino mit lauter ollen Kamellen, die die Leute<br />

x-mal gesehen haben. Aber die Menschen haben nach<br />

wie vor das Bedürfnis zum sozialen Miteinander des<br />

Kinos. Darum muss man über die Filme hinaus ein attraktives<br />

Angebot machen!<br />

EGO // Also trotzdem ein optimistischer Blick in die<br />

Zukunft?<br />

Dirk Ziesenhenne // Ich denke jedenfalls, dass ich<br />

die Kurve noch kriegen werde – aber ich bin ja auch<br />

schon in dem Alter, wo ich in Pensionshorizonten<br />

denke. Ehrlich gesagt habe ich meinen Kindern aber<br />

nicht empfohlen, weiter Kino zu machen.<br />

EGO // Wie viele Filme schauen Sie denn so?<br />

Dirk Ziesenhenne // Ich bin leider ein bisschen ein<br />

Gefangener meines Büros. Mehr als zehn sicher nicht<br />

- pro Jahr.<br />

EGO // Das überrascht jetzt aber doch. Gibt’s es denn<br />

wenigstens einen Lieblingsfilm?<br />

Dirk Ziesenhenne // Seit vielen Jahren unverändert:<br />

„Manche mögen’s heiß“. Den habe ich schon<br />

weit mehr als zehn mal gesehen. Die Ausstattung ist<br />

prächtig, die Dialoge sind pointiert. Und Billy Wilder ist<br />

sowieso ein interessanter Charakter.<br />

EGO // Also Handwerk alter Schule, ganz analog.<br />

Dirk Ziesenhenne // Ich gebe zu, dass ich mit den<br />

heutigen Sehgewohnheiten meine Schwierigkeiten<br />

habe: Diese schnellen, harten Schnitte, diese Hektik vor<br />

allem der Blockbuster - da kann ich oft kaum folgen.<br />

EGO // Schnitt. Abspann. Vielen Dank.<br />

Dirk Ziesenhenne // Bitte sehr!<br />

60 <strong>ego</strong> Broadway<br />

Broadway <strong>ego</strong> 61

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