Weilroder Heft 17
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<strong>Weilroder</strong> <strong>Heft</strong> <strong>17</strong><br />
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Willi Seel<br />
Inzwischen war Willi Seel (Jahrgang 1920) aus der Gefangenschaft zurückgekommen<br />
(kriegsversehrt, er hatte den rechten Arm verloren). Von ihm wusste man, dass er kein<br />
Dummkopf war, er hatte Abitur gemacht und musste Arbeit haben. Man machte ihn<br />
kurzerhand zum Bürgermeistersekretär, was dann bei Otto Eist und besonders dessen<br />
Ehefrau Lina in der Folge nicht täglich Freude bereitete. Willi Seel hatte mit der linken<br />
Hand bald schreiben gelernt, konnte auch die Schreibmaschine bedienen und war Otto<br />
Eist bald in allen Belangen des Bürgermeisteramtes überlegen. Das führte zu Streitereien,<br />
die oft sehr lautstark ausgetragen wurden (später wurde behauptet, es sei auch zu<br />
Handgreiflichkeiten gekommen), ein Zustand, der mittlerweile untragbar war. Die Gemeindevertreter<br />
von Mauloff (wer das alles war, weiß ich nicht mehr) beschlossen, Otto<br />
Eist abzusetzen und Willi Seel zum Bürgermeister zu wählen. Nach meiner heute noch<br />
gültigen Überzeugung hätte man in Mauloff zu der Zeit auch keinen fähigeren Mann<br />
finden können, vielleicht gibt es in Mauloff deswegen auch heute noch andere Ansichten<br />
– die wären in jedem Fall erlaubt.<br />
So wurde Willi Seel noch im Jahr 1948 zum Bürgermeister gewählt. Das Amt zog um<br />
in das Haus von Willi Seel und auch dort gab es ein Bürgermeisterstübchen.<br />
Dort bin ich sehr oft gewesen, denn ich habe in späteren Jahren (ich hatte dann einen<br />
Handelsschulabschluss und konnte Schreibmaschine schreiben) etwa ab 1957/1958 für<br />
Willi Seel geschrieben. Die Schreibarbeit wurde ihm zu viel mit dem einen Arm. Er war<br />
auch Vorsitzender des Wasserbeschaffungsverbandes Tenne geworden, das brachte zusätzliche<br />
Außentermine mit. Ich habe diesen Nebenjob gerne gemacht, er brachte mir,<br />
wenn viel zu tun war, im Monat manchmal fast so viel ein, wie ich aus meiner kaufmännischen<br />
Tätigkeit in Neu-Anspach heimbrachte. Willi hat sehr gut bezahlt, dafür<br />
aber Pünktlichkeit und sehr genaue Leistung verlangt. Ich habe unheimlich viel erfahren<br />
und noch mehr gelernt bei ihm, vor allem Genauigkeit, Gradlinigkeit und Durchsetzungsvermögen<br />
(letzteres kann man, wenn man will, als Sturheit oder Dickköpfigkeit<br />
bezeichnen). Das alles hat mich wohl sehr geprägt, vieles davon ist mir in den folgenden<br />
Jahren und bis heute sehr zugute gekommen. Dafür kann ich bis heute nur „Danke,<br />
Willi“ sagen.<br />
Natürlich waren wir uns nicht immer einig, auch zwischen uns gab es öfter mal Krach<br />
(ich glaube wir waren uns in der Art sehr ähnlich). Willi konnte überhaupt keinen Widerspruch<br />
vertragen (weder von einer Person noch in einer Sache), und ich habe auch<br />
nicht immer nachgegeben, besonders wenn es um meine Familie bzw. unseren Grundbesitz<br />
ging.<br />
Ich erinnere mich an einen Sonntagmorgen im Sommer, wir waren derart aneinander<br />
geraten, dass er in seiner unbändigen Wut mit seinem einen Arm einen Stuhl schnappte<br />
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