19.04.2016 Aufrufe

TE KW 16

  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

„Nur heute nichts trinken!“<br />

Die RUNDSCHAU beim Lokalaugenschein der Anonymen Alkoholiker - Anonymiker-Treffen jeden Montag in Telfs<br />

Arbeiter, Angestellte, Beamte, Hausfrauen … die Volks- und<br />

Familienkrankheit Alkoholismus macht weder vor einer Berufsgruppe<br />

noch vor Alter, Geschlecht oder Herkunft Halt. Und so<br />

bunt gemischt die Gruppe der „nassen“ Alkoholiker in unserer<br />

Gesellschaft ist, so bunt gemischt zeigt sich auch die Gruppe der<br />

trockenen Alkoholiker, die sich allwöchentlich in den Räumen<br />

des Sozialsprengels Telfs und in Landeck treffen. Was sie alle verbindet,<br />

ist der Wille, „nur heute nichts zu trinken“.<br />

Von Agnes Dorn<br />

Ihr erstes Meeting haben sie alle<br />

ähnlich erlebt: Nervös und mit der<br />

Überzeugung, im schlimmsten Fall<br />

schnell das Weite zu suchen, haben<br />

sie den Fuß über die Schwelle<br />

gesetzt, ohne zu wissen, was sie<br />

erwartet. Wenn Helga, Ferdinand<br />

und Michael (Namen von der Redaktion<br />

geändert) über ihren ersten<br />

Besuch bei AA erzählen, schwingt<br />

viel Dankbarkeit in ihren Stimmen<br />

mit: Darüber, vom ersten Tag an<br />

herzlich aufgenommen worden zu<br />

sein, aber auch dankbar dafür, monatelang<br />

nichts erzählen zu müssen<br />

- sondern nur mit am Tisch sitzen<br />

zu dürfen und nicht mehr lügen zu<br />

müssen. Denn das Lügen hatten sie<br />

alle satt – das Lügen, das ihnen fast<br />

oder vollständig die Familie entrissen<br />

hat, das Lügen, das ihnen den<br />

Job gekostet hat, das Lügen, das ihren<br />

ganzen Tag ebenso begleitet hat<br />

wie der ständige Griff zur Flasche.<br />

„Wir gaben zu, dass wir dem Alkohol<br />

gegenüber machtlos sind und<br />

unser Leben nicht mehr meistern<br />

konnten“ – schon der erste der zwölf<br />

Schritte im Leben eines anonymen<br />

Alkoholikers greift tief in die verschüttete<br />

Seelenlandschaft des Kranken<br />

ein und legt das eigene Versagen<br />

offen. Doch sich dieses einzugestehen,<br />

wird für viele zur unüberbrückbaren<br />

Hürde.<br />

GLÜC<strong>KW</strong>ÜNSCHE<br />

HAPPY<br />

BIRTHDAY<br />

Domi & Jacky<br />

Es liegt an dir, ob du eintrittst - die Tür<br />

zum Meeting der Anonymen Alkoholiker<br />

steht jedem offen. RS-Foto: A. Dorn<br />

Dass Alkoholismus schon deshalb<br />

eine nahezu unheilbare Krankheit<br />

ist, der nur ein geringer Prozentsatz<br />

der Betroffenen entfliehen kann,<br />

ist gerade in einer Gesellschaft wie<br />

der unseren, in der Leistung und<br />

Erfolg als Forderung an jeden einzelnen<br />

permanent dominieren, eine<br />

tragische Tatsache. Anders bei den<br />

AAs, wo jeder sprechen darf, ohne<br />

beurteilt zu werden, und wo jeder<br />

schweigen darf, solange er will.<br />

Auch Nachnamen bleiben tabu und<br />

niemand muss etwas preisgeben, was<br />

er nicht will. Es gibt keine Vorschriften<br />

und vor allem keine Vorwürfe,<br />

dafür aber Menschen, die verstehen.<br />

Denn jeder im Raum kennt zumindest<br />

Teile der erzählten Geschichte<br />

am eigenen Leib und jeder war<br />

einmal in der Überzeugung, er sei<br />

der einzige, der „mit diesem Fluch<br />

behaftet“ sei. Geschichten über<br />

Versagen und Neubeginn. Camilla<br />

trinkt schon seit dreißig Jahren<br />

keinen Alkohol mehr. Auch sie hat<br />

eine ruhmlose Vergangenheit mit<br />

der Volksdroge Nummer eins hinter<br />

sich. Auch sie weiß vom Kampf<br />

gegen das Verlangen, den sie tagtäglich<br />

wieder und wieder verloren<br />

hat. Dass die Kinder ihr das heute<br />

nicht mehr übel nehmen, ist für sie<br />

ebenso wenig ein Selbstverständnis<br />

wie der eigene Sieg über die<br />

Suchterkrankung. „Abstinenz war<br />

für mich immer eine Bankrotterklärung,<br />

Alkoholiker waren für mich<br />

Menschen, die in der Gesellschaft<br />

ganz unten angekommen sind. Ich<br />

lebe nicht abstinent, sondern trinke<br />

nur heute nicht“ – wenn Ferdinand<br />

seine Geschichte erzählt, wird auch<br />

dem Außenstehenden die Tragweite<br />

seiner früheren Not klar. Der junge<br />

Mann, der nun schon seit zwei Jahren<br />

keinen Schluck mehr getrunken<br />

hat, hatte den Alkohol seit seiner<br />

Jugend als ständigen Begleiter dabei.<br />

Zunächst noch gesellschaftlich anerkannt<br />

im Kreise seiner Kumpels,<br />

dann stetig mehr als heimlichen<br />

„Freund“, der die Party der Jugend<br />

nie enden lassen wollte. Doch der<br />

Preis war hoch, denn Partnerschaft,<br />

Job und Selbstwertgefühl mussten<br />

im ewigen Reigen der Lügen auf<br />

der Strecke bleiben. Eines hat Ferdinand<br />

gelernt im Kampf gegen sich<br />

selbst – man muss sich nicht schämen<br />

fürs eigene Versagen, sondern<br />

man muss was dagegen tun. Und<br />

auch wenn der Weg raus aus dem<br />

Sumpf ein beschwerlicher war, der<br />

Einsatz hat sich eindeutig gelohnt:<br />

Heute denkt Ferdinand gemeinsam<br />

mit seiner Freundin über die zukünftige<br />

Familiengründung nach,<br />

ist wieder zufrieden im Berufsleben<br />

und kann seinen Alltag wieder ohne<br />

Lügenkonstrukt bewältigen: „Ich<br />

bin kein armer Hund, weil ich nicht<br />

mehr trinken darf, sondern ich bin<br />

glücklich, weil ich nicht mehr trinken<br />

muss“, so seine Erkenntnis nach<br />

dem schwierigen Ausstieg aus dem<br />

ewigen Kreislauf des Alkoholismus.<br />

Die Anonymen Alkoholiker treffen<br />

sich jeden Montag in den Räumen<br />

des Sozial- und Gesundheitssprengels<br />

Telfs. Kontakt unter Tel.<br />

0664 5<strong>16</strong> 58 80.<br />

„Road Trip 78“<br />

22.04.<br />

24.04.<br />

RUNDSCHAU Seite 10<br />

19 18<br />

(IH) Hoher Besuch: „Motocross-Familie Kinigadner“ gratuliert „Road Trip 78“, dem<br />

neuen Motorradverleih von Elke Ramsak und Florian Praxmarer, zur Geschäftseröffnung<br />

und wünscht vor allem allen BikerInnen unfallfreie Fahrt und viel Spaß bei<br />

der Fahrt über die Traumstraßen der Alpen. Im Bild: Stefan Angerer (GF Kinishop<br />

Wiesing), Florian Praxmarer, Elke Ramsak, Heinz Kinigadner, Benni Schöpf (Endurowerksfahrer<br />

KTM) und Hannes Kinigadner (v.l.)<br />

RS-Foto: Bundschuh<br />

20./21. April 20<strong>16</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!