Glareana_61_2012_#2
Martin Kirnbauer Armando Fiabanes lettera su Ganassi [italienisch/deutsch] S. 40-54 Georg Senn Abbau, Umbau, Umnutzung oder Zweckentfremdung S. 55-62 Jörg Fiedler Ein "Eisbohrkern" in Sachen "historische Intonation" Peter Prelleur: The Art of Playing on the Violin (in: The Modern Musick-Master, London 1731, Facs. Kassel usw. 1965) S. 63-74 CD-Neuheiten besprochen von Georg Senn - Jean-Louis Tulou et ses élèves. La flûte romantique à Paris (Sarah van Cornewal, Thomas Leininger) - Fanny Hensel-Mendelssohn: "Das Jahr" (Els Biesemans, Fortepiano) S. 75-77 Buchbesprechung Flötenmusik in Geschichte und Aufführungspraxis zwischen 1650 und 1850, Michaelsteiner Konferenzbericht Bd. 73, Augsburg 2009 (Ueli Halder) S. 77-78
Martin Kirnbauer
Armando Fiabanes lettera su Ganassi [italienisch/deutsch]
S. 40-54
Georg Senn
Abbau, Umbau, Umnutzung oder Zweckentfremdung
S. 55-62
Jörg Fiedler
Ein "Eisbohrkern" in Sachen "historische Intonation"
Peter Prelleur: The Art of Playing on the Violin (in: The Modern Musick-Master, London 1731, Facs. Kassel usw. 1965)
S. 63-74
CD-Neuheiten
besprochen von Georg Senn
- Jean-Louis Tulou et ses élèves. La flûte romantique à Paris (Sarah van Cornewal, Thomas Leininger)
- Fanny Hensel-Mendelssohn: "Das Jahr" (Els Biesemans, Fortepiano)
S. 75-77
Buchbesprechung
Flötenmusik in Geschichte und Aufführungspraxis zwischen 1650 und 1850, Michaelsteiner Konferenzbericht Bd. 73, Augsburg 2009
(Ueli Halder)
S. 77-78
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72 <strong>Glareana</strong> <strong>2012</strong> (Heft 2)<br />
wird heute in der sogenannten „historisch informierten“ oder gar „-kritischen“<br />
Aufführungspraxis kritiklos weitergeführt bzw. potenziert, indem<br />
schlicht statt der gleichschwebenden Temperatur eine der Tasten-Temperaturen<br />
des 18. Jahrhunderts adoptiert wird. Weniger schlimm, dass sich vermeintlich<br />
seriöse Geiger, Flötisten, Zinkenisten etc. der so nutz- wie grundlosen<br />
Übung unterziehen, mittels des Stimmgerätes historische Tastentemperaturen<br />
„einzuüben“ - derlei kostet nur Zeit und Kraft. Wenn hingegen z.B.<br />
Holzblasinstrumentenbauer in Unkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse ihre<br />
Produkte „historisch“ auf „Kirnberger III“ oder „mitteltönig“ zu trimmen versuchen,<br />
so verdreht das die historischen Verhältnisse und verstümmelt die<br />
subtile Aussage, die diese Instrumente machen könnten.<br />
So ehrbar es ist, Cembali, Orgeln oder Hammerklaviere den Temperatursystemen<br />
Werckmeisters, Kirnbergers, Valottis oder Youngs entsprechend<br />
zu stimmen – für Geiger, Sänger, Flötisten, Oboisten, Trompeter etc. ist diese<br />
Übung ohne jede Bedeutung (abgesehen davon vielleicht, dass es sich als Flötist,<br />
Oboist oder Geiger vielleicht mit der einen oder anderen Temperatur<br />
einen Hauch bequemer zusammenspielt).<br />
Der „intonatorische Polarstern“, der dem beweglich intonierenden Musiker<br />
noch in Prelleurs Tagen den Kurs wies, war die reine, schwebungsfreie Intonation<br />
der konsonanten Intervalle, eine Intonationsweise, die heute unter<br />
dem Namen „reinharmonische Intonation“ leider fast ausschliesslich in Theoretikerkreisen<br />
bekannt ist.<br />
Prelleur bezieht sich denn auch logischerweise auf keinerlei Tastentemperatur<br />
als missverstandenes „Tonsystem“ - das wäre einem durchschnittlich<br />
gebildeten Musiker dieser Zeit ohnehin nicht in den Sinn gekommen. Er zeigt<br />
ohne Zweifel ein reinharmonisches Tonmaterial. Vordergründigster und<br />
schlagendster Beleg dafür ist die Scheidung der #- und b-Töne. Aber auch die<br />
Grösse der Terzen wie die unüberhörbare Reinheit der Quinten schliessen<br />
jede Temperatur von vornherein aus.<br />
Prelleur weiss, so dürfen wir unterstellen, dass die ganze bunte Vielfalt<br />
der Stimm-Methoden ausschliesslich zweierlei Zwecken dient: zum einen den<br />
in intonatorischer Hinsicht beschränkten Tasten- und Bundinstrumenten zu<br />
grösstmöglicher Praxistauglichkeit zu verhelfen, zum anderen ihren Spielern /<br />
Stimmern in dem mühseligen und fehlerträchtigen Geschäft des Stimmens zu<br />
Erleichterung und grösstmöglicher Sicherheit zu verhelfen.