HANSEstyle 2 | 2016
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Beide Frauen wissen genau was<br />
sie wollen und haben bei jeder<br />
geschäftlichen Entscheidung<br />
das letzte Wort.<br />
KUNSt & UNTERHALTUNG<br />
Backstage:<br />
Frehn Hawel mit Boy<br />
54<br />
zwar darauf eingestellt, dass es mit englischsprachiger<br />
Musik in Deutschland nicht leicht werden könnte, aber<br />
das hat nichts an unserer Herangehensweise geändert“.<br />
Stichwort Herangehensweise: Schnell haben beide herausgefunden,<br />
dass es für sie zielführender ist, die Songs<br />
getrennt voneinander zu schreiben, statt gemeinsam in<br />
einem Raum darauf zu spekulieren, dass die Inspiration<br />
beide gleichzeitig trifft. Sonja Glass, die als Bassistin<br />
(u.a. Goldjunge, Bosse) schon lange von der Musik lebt,<br />
entwickelt Songs und Soundcollagen Zuhause in ihrem<br />
Studio – komplett mit Gesangsmelodien, die sie Valeska<br />
Steiner aber nicht mitschickt. Valeska Steiner entwickelt<br />
daraufhin eigene Linien und Texte, schickt sie zurück<br />
an Sonja Glass, die dann wiederum ihre Grundidee an<br />
den Gesang anpasst. „So fühlt es sich trotz räumlicher<br />
Trennung wie gemeinsames Schreiben an“, berichten<br />
die Musikerinnen. Im Studio bringen die beiden alles zusammen,<br />
sind dort allein mit ihrem Produzenten Philipp<br />
Steinke – so hatten sie es schon bei ihrem Debüt gehalten.<br />
Zusätzliche Musiker werden immer zu den Erfordernissen<br />
des jeweiligen Songs hinzugezogen.<br />
Zum Thema, wie es ihnen als Frauen im nach wie vor<br />
männerdominierten Musikgeschäft ergeht, ließ ihr Song<br />
„Boris“ vom ersten Album zunächst Schlimmes erahnen<br />
(der Protagonist dieses Songs hält sich in der Rolle des<br />
jovialen Geldgebers mit seiner immens plumpen Anmache<br />
für unwiderstehlich) – ihre eigenen unschönen Erfahrungen<br />
liegen jedoch in weiter Vergangenheit. Beide<br />
Frauen wissen genau was sie wollen und haben bei jeder<br />
geschäftlichen Entscheidung das letzte Wort. Klar gibt es<br />
ein Management das zurate gezogen wird, dennoch sind<br />
Valeska Steiner und Sonja Glass diejenigen, die den Takt<br />
vorgeben. So auch bei der klugen Wahl ihrer Mitstreiter.<br />
Sei es die Plattenfirma, der die Kunst der beiden wirklich<br />
am Herzen liegt und deshalb auf unnötigen Druck,<br />
das dritte Album schnell abzuliefern, verzichtet oder ihr<br />
Management. Und nicht zuletzt auch ihre Live-Band, die<br />
sich zu großen Teilen aus Mitgliedern der Band „Fotos“<br />
zusammensetzt und den Songs auf der Bühne einen<br />
zusätzlichen Energieschub verpasst. Die vielgeliebten<br />
Akustikversionen ihrer Songs sind übrigens nicht die Urversionen<br />
– es verhält sich interessanterweise exakt umgekehrt:<br />
Diese kunstvollen Soundcollagen werden extra<br />
dekonstruiert – noch etwas, was bei Boy anders ist als<br />
bei vielen anderen Bands. An Hamburg schätzen beide<br />
die Vielfältigkeit der Musikszene und das Bewusstsein<br />
der Stadt für ihre kulturellen Biotope. Doch die beiden<br />
würden sich mehr interdisziplinären Austausch unter<br />
den Hamburger Künstlern, die doch sehr gern innerhalb<br />
ihrer gewohnten Kreise bleiben, wünschen. Denn etwas<br />
mehr Offenheit würde den Hamburger Musikerinnen und<br />
Musikern sicherlich guttun!<br />
Tipp für Essen und Trinken<br />
Getroffen hat sich Autor Frehn Hawel mit Boy im<br />
„Klippkroog“, Große Bergstraße 255<br />
www.klippkroog.de<br />
Über den autor FrEHN HAWEL<br />
Wo er ist, spielt die Musik. Für die Konzertagentur<br />
Karsten Jahnke sorgt er mit dafür, dass die internationalen<br />
Stars nach Hamburg kommen und mit ihren<br />
Live-Shows die Fans begeistern. Er ist einer der Entscheider<br />
des Hamburger Reeperbahn Festivals und<br />
hat als leidenschaftlicher Garagenrocker selbst drei<br />
Platten aufgenommen.<br />
Foto: Frehn Hawel