66 Bürgermeisterin Stefanie Böhm: unterwegs im Revier
Sylt Spezial Bunte Mischung benötigt! Kampens Bürgermeisterin, Stefanie „Steffi“ Böhm, spricht über den echten Sylter Nachwuchs, sie fordert Vermieter dazu auf, ihre Verantwortung zur Wiederherstellung eines gesunden Dorf-Mixes wahrzunehmen und sie betont, dass ein altes Kampener Image auch heute noch Bestand hat. <strong>HANSEstyle</strong>: Was sagen Sie dazu, dass es auf Sylt keine Geburtenstation mehr und somit kaum noch „echten“ Sylter Nachwuchs gibt? Bürgermeisterin Steffi Böhm: Das ist wirklich sehr tragisch und es ist auch nicht gut für die Insel. Wir haben keine eigene Klinik; die klinische Versorgung ist privatwirtschaftlich organisiert. Bei der Entscheidung ging es ums Geld. Eine Geburtenstation rechnet sich nicht – es gibt zu wenige Geburten auf der Insel. Auch in Niebüll wurde eine Schließung thematisiert. Die meisten Sylter entbinden in Flensburg. Die Frauen gehen zum Beispiel 14 Tage vor dem Stichtag auf das Festland, warten bis es losgeht und hoffen, dass der Vater es noch rechtzeitig schafft. Einige lassen es aber auch drauf ankommen und entscheiden sich für eine Hausgeburt. So gibt es dann doch noch ein paar „echte Sylter Kinder“. Wie sind Sie in die Politik gekommen? Erstmals wurde ich in Kampen bei einem Dorffest angesprochen und gefragt, ob ich Gemeindevertreterin werden möchte. Ich war interessiert, anfangs aber auch recht blauäugig. Dann bin ich zu einer Mitgliederversammlung gegangen und ziemlich bald für die nächste Wahl aufgestellt worden. Nach der Auszählung der Stimmen wurde ich Gemeindevertreterin, so fix kommt man zu einem Amt. Wir suchen im Übrigen immer Nachwuchs – junge Menschen, die das Dorfleben aktiv mitgestalten möchten, werden gebraucht! Auf Sylt gibt es fünf Bürgermeister. Tauschen Sie sich untereinander aus? Besonders rege ist der Austausch mit den Bürgermeistern der Gemeinden, die nicht fusioniert haben. Das sind Frau Fifeik aus der Nachbargemeinde Wenningstedt-Braderup, Herr Benck in List und Herr Speth in Hörnum. Wir kommunizieren viel und sind uns einig, dass wir auch in Zukunft nicht fusionieren wollen. Wir möchten eigenständig sein. Aber auch mit Herrn Häckel, dem Bürgermeister der Gemeinde Sylt, gibt es Austausch. Für die Gemeinde Sylt, nicht für die vier eigenständigen Gemeinden, gilt fortan eine modifizierte Regelung: Ab einer Wohnfläche von 130 Quadratmetern müssen 60 Quadratmeter als Dauerwohnraum genutzt werden. Trotz Wohnraummangel waren und sind Sie gegen eine solche Quotenregelung in Kampen. Aus welchem Grund? Das einzige Instrument, um wirklich Dauerwohnraum zu sichern ist, dass diese Angelegenheit in kommunaler Hand bleibt. Danach streben wir. Das bedeutet, dass wir als Gemeinde die Vermieter sind – entweder auf Erbpacht oder dass wir selbst bauen und vermieten. Eine solche Regelung würde doch auch diejenigen bestrafen, die in Kampen noch Eigentum haben. Wir würden den Ausverkauf weiter antreiben. Es wäre wie eine kleine Enteignung. Als Hausbesitzer muss ich doch selbst darüber bestimmen dürfen, was ich auf meinem Grund und Boden mache. Wenn ich zwei oder drei Ferienwohnungen bauen möchte, dann ginge das zum Teil nicht mehr, da Dauerwohnraum gebaut werden müsste. Was nützen uns Dauerwohnungen, wenn die Miete überhaupt nicht bezahlbar ist – schließlich hat darauf natürlich keiner die Hand! Wie zufrieden sind Sie derzeit mit Kampens Infrastruktur? Früher gab es einen Fischladen, eine Fleischerei, drei Lebensmittelläden und eine kleine Tankstelle als Dorftreff. Außerdem gab es eine Post und drei Banken, einen Bücherladen und eine Massagepraxis. Es gab alles, was für ein intaktes Dorfleben nötig war. Heute haben wir sehr guten Einzelhandel mit vielen Top-Marken. Mir wäre ein Mix aus beidem am liebsten. Um einen solchen Mix zu schaffen: Sind Subventionierungen eine Überlegung? Wir subventionieren Wohnungen, die wir für die Einheimischen bauen. Leider mussten wir unseren Kindergarten schließen, dort gab es kein einziges Kampener Kind mehr. Nun entstehen auf diesem Grund zwölf neue Wohnungen. Das klingt vielleicht nicht nach viel, doch für unser kleines Dorf ist das schon toll. Und wir haben eine große Interessentenliste für diese Wohnungen. Wir können nicht 67