2015-04
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Gesundheit<br />
gab mehrere. Egal in welchen ich auch hinein wollte, es<br />
war der falsche. Man kannte mich nicht und so ging ich frustriert<br />
in mein Zimmer zurück und aß dankbar die restlichen<br />
Butterbrote, die mir mein Mann Heinz-Dieter mitgegeben<br />
hatte. Dazu trank ich ein „schönes Glas Leitungswasser“.<br />
Meine Koffer waren inzwischen eingetroffen und so war<br />
ich beschäftigt.<br />
Am nächsten Morgen wurde ich abgeholt und dem<br />
Kurarzt vorgestellt. Es wurde besprochen, welche Behandlungen<br />
oder Anwendungen für mich in Frage kämen. Als<br />
erstes wurden Blitzgüsse angeordnet, jeden Morgen um<br />
sieben Uhr. Die Bademeisterin führte mich in einen gekachelten<br />
Raum mit einer Mulde, in die ich mich hineinstellen<br />
musste. Sie stellte sich mit einem Wasserschlauch hinter<br />
mich und zielte auf mich. Ich bekam Angst und fragte: „Ist<br />
das Wasser kalt?“ „Ei, nee, sie soll sich jo entspanne.“ Und<br />
dann ging es los! Das Wasser prasselte auf meinen Rücken,<br />
so dass ich mich nur mit Mühe an einem Gestänge festhalten<br />
konnte. Am nächsten Morgen musste ich mich mit dem<br />
Kopf über ein Gestell beugen, Mund und Augen schließen,<br />
und der kalte Wasserstrahl ergoss sich über Gesicht und<br />
Nacken. Der Gedanke an eine Guillotine lag nahe. Nach<br />
dem Frühstück ging es weiter mit isometrischen Übungen<br />
im Liegen, Fangopackungen, Kohlensäurebädern, Extensionsmassage<br />
für die Halswirbelsäule und als krönenden<br />
Abschluss Bewegungsübungen im Wasserbecken, die meine<br />
Hüfte mobilisieren sollten. Nach Ende, am frühen Nachmittag,<br />
hatte ich dann frei bis zum Abendessen.<br />
Nach vier Tagen meines Aufenthaltes kam ich abends<br />
aus dem Speisesaal und bemerkte, dass die Stühle im Vorraum<br />
im Kreis aufgestellt waren und in einer Ecke Musikinstrumente<br />
standen. Auf den Stühlen hatten sich einige<br />
ältere Frauen verteilt und ihre Handtaschen platziert. „Das<br />
Heidi“ sollte zum Tanz aufspielen. Ich setzte mich auf einen<br />
freien Stuhl (dachte ich) und wurde belehrt, dass er<br />
besetzt sei: und so ging es weiter. Wohin auch immer ich<br />
mich hinsetzen wollte, ich wurde verjagt. Nun kroch die<br />
kalte Wut in mir hoch. Ich eilte in mein Zimmer, zog Mantel<br />
und Stiefel an und verließ das Haus. Ich wollte in die<br />
Gastwirtschaft zu der freundlichen Wirtin. So lief ich die<br />
Serpentinen hinunter ins Tal und wanderte im schwachen<br />
Schein der Straßenlaternen die Landstraße entlang. <br />
S a n ato r i u m<br />
Was soll ich Worte viel verlieren:<br />
Ich zog mich aus dort zum Massieren!<br />
Erst hab’ ich mich nicht ganz getraut.<br />
„Ziehen Sie sich aus bis auf die Haut!“,<br />
wurde mir jetzt barsch erklärt.<br />
Wie man’s auch macht – es ist verkehrt!<br />
Da lag ich barfuß bis zum Hals,<br />
und der Masseur betatscht mich als.<br />
Zuerst hat er mich eingeschmiert<br />
und danach kräftig malträtiert.<br />
Der Schweiß mir von der Stirne rann<br />
und dann – zog ich mich wieder an.<br />
„Und wissen Sie, was Sie jetzt tun?“,<br />
sagt der Masseur, „ne Stunde ruh’n!“<br />
Den Bogen hatte ich nun schon raus:<br />
Zum Ruh’n zog ich mich wieder aus.<br />
’Ne Stunde, wie die Zeit verrann;<br />
ich zog mich hurtig wieder an<br />
und ging dann nach Zimmer zehn.<br />
Klopfte an, blieb draußen steh’n.<br />
Da hörte ich von drin’ den Satz:<br />
„Nehmen Sie noch etwas Platz!“<br />
Ich hab’ gesessen und gesessen,<br />
glaubte schon, ich sei vergessen.<br />
Doch endlich ging sie auf, die Tür:<br />
„Mein Gott, Sie sind ja als noch hier.<br />
Dann ziehen Sie sich ganz schnell aus.<br />
Ei, ich hab’ doch gleich Mittagspaus’!“<br />
Da stand ich nun in ganzer Größe,<br />
nichts verhüllte meine Blöße.<br />
Nahm ihren Silberblick in Kauf.<br />
Schicksal, nimm nun deinen Lauf!<br />
Leicht errötend haucht die Dame:<br />
„Wie war doch bitte gleich Ihr Name?“<br />
Und stellt dann fest auf ihrer Liste,<br />
dass sie nur Blutdruck messen müsste.<br />
Schnell zog ich mich jetzt wieder an<br />
– was ich schon ganz gut kann.<br />
Hin zum Essen, es war spät,<br />
auf meinem Teller lag Diät:<br />
Magerquark und Trockenpflaumen,<br />
welch ein Genuss für meinen Gaumen.<br />
Nach diesem Essen schnell zurück:<br />
Mittagsruhe, welch ein Glück.<br />
Ich zog mich also wieder aus,<br />
wollt’ zwei Stund’ schlafen nach dem Schmaus.<br />
Obwohl die Mittagsruh’ war Pflicht,<br />
es stimmten die Termine nicht!<br />
Nach einer Stunde, Mann oh Mann,<br />
zog ich mich ganz schnell wieder an.<br />
Zum Wassertreten, ei der Daus,<br />
dort zog ich mich dann wieder aus.<br />
Stieg später fröhlich aus dem Nass<br />
und zog mich an; es macht fast Spaß!<br />
Denn es geht jetzt froh und munter<br />
zu dem Abendessen runter.<br />
Fand auf meinem Teller, das war stark:<br />
Trockenpflaumen, Magerquark.<br />
Nach dem feudalen Abendbrot<br />
wankt’ ich aus dem Zimmer, fast halbtot.<br />
Zog mich aus, sucht’ meine Ruh’.<br />
Doch denkste – ich kam nicht dazu!<br />
Im Traum lief ich herum im Haus.<br />
Ich zog mich an – ich zog mich aus!<br />
Vollführte schließlich in dem Bau<br />
die perfekte Striptease-Schau!<br />
Ich wurde wach – und dachte nur:<br />
’Ne Anschlussheilbehandlungskur?<br />
KEINE SPUR!<br />
Eckhard Wilhelm<br />
4/<strong>2015</strong> durchblick 39