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2015-04

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Wir Menschen müssen uns alle, ohne jede Ausnahme,<br />

den vielfältigen und oft schwierigen Herausforderungen des<br />

Lebens stellen. Um sie besser anzunehmen und meistern zu<br />

können, gehört für mich eine realistische Einstellung und<br />

Haltung zum Leben selbst, das heißt, die Endlichkeit des Lebens<br />

nicht zu verdrängen, sondern bewusst“ zu akzeptieren,<br />

auch, oder vielleicht sogar ganz besonders, im Alter. Ist es<br />

doch, entgegen der weit verbreitenden Meinung, in keiner<br />

Weise destruktiv, sondern durchaus konstruktiv, dass Leben<br />

vom Ende her zu sehen und dabei kreativ und aktiv, vor allem<br />

aber sinnvoll zu gestalten. Der Gedanke an den Tod ist eine<br />

Triebfeder des Lebens. Nicht ohne Grund lautet eine philosophische<br />

Einsicht: „Die Freiheit des Menschen besteht darin,<br />

das eigene Leben zu ende zu denken.“<br />

ren, uns geistig wie körperlich fit halten und dadurch unsere<br />

Lebensqualität verbessern und vielleicht auch unsere<br />

Lebenszeit ein klein wenig verlängern, dass Altern selbst,<br />

der genetische Abbau der Zellerneuerung im Körper, ist von<br />

Mensch zu Mensch zwar unterschiedlich, aber grundsätzlich<br />

nicht aufzuhalten.<br />

Diesen biologischen Sachverhalt nicht nur rational zu<br />

wissen, sondern ihn bewusst anzunehmen, ist für mich ein<br />

wesentlicher Punkt, dem Alter positiv entgegenzutreten und<br />

es sinnvoll zu gestalten. Warum? Weil mit der bewussten<br />

Akzeptanz<br />

Das Altern ist keine Krankheit dieses biologischen<br />

Pro-<br />

die behandelt werden muss<br />

zesses die<br />

Einzigartigkeit<br />

und damit die Kostbarkeit des einzelnen Lebens, in all<br />

seinen einzelnen Lebensphasen deutlich sichtbar wird. Unser<br />

ganzes Leben ist in allen Lebensstufen von Einmaligkeit<br />

und Endlichkeit geprägt. Nur einmal Kind, nur einmal jung,<br />

nur einmal das Erwachsen werden, nur einmal alt werden<br />

und alt sein. Unsere menschliche Existenz ist ein ständiges<br />

Werden zu sich selbst, verbunden mit persönlich tiefgreifenden<br />

Wandlungen in den einzelnen Lebensphasen. Von<br />

Jean Jacques Rousseau (1712-1778) einem französischen<br />

Schriftsteller und Philosoph stammt die Aussage: Nicht<br />

der Mensch hat am meisten gelebt, welcher die höchsten<br />

Jahre zählt, sondern der, welcher sein Leben am meisten<br />

empfunden hat.<br />

Anti-Aging, Altern ohne Endlichkeit?<br />

Es gibt tatsächlich Naturwissenschaftler, die im Rahmen<br />

der Anti-Aging Forschung davon ausgehen, dass Altern in<br />

20-30 Jahren eine behandelbare Krankheit sein wird, so wie<br />

Diabetes oder HIV. Dabei liegt die Hoffnung der Forschung<br />

nicht so sehr auf eine verbesserte Prävention (Vorbeugung),<br />

sondern mehr auf eine Regeneration (Erneuerung) durch<br />

Stammzellen. Der Alterungsprozess wird aufgehalten. Das<br />

Credo der Befürworter einer radikalen Lebensverlängerung<br />

lautet: Altern ist besiegbar und wird abgeschafft. Wer<br />

die nächsten<br />

zwanzig Jahre Durch Anti-Aging geht die<br />

überlebt hat Würde des Alters verloren<br />

große Chancen<br />

nicht<br />

mehr an einer Alterskrankheit zu sterben. Toll. Die Frage<br />

ist nur: Wollen wir das überhaupt? Wollen wir das Altern<br />

wirklich besiegen und ein endloses Leben führen? Es gibt<br />

andere Wissenschaftler, für die sind solche Aussagen der<br />

Todesvermeidung (eine „Entendlichung“ des Lebens) durch<br />

dauerhafte Zellerneuerung, abenteuerliche Versprechen.<br />

Dabei frage ich mich: Warum streben wir Menschen eigentlich<br />

nach einem ewigen Leben, wenn wir schon an einem<br />

verregneten Sonntagnachmittag nicht wissen, was wir tun<br />

sollen? Aber im Ernst, bei solch einer Entwicklung laufen<br />

wir Gefahr, den Sinn der Endlichkeit zu verlieren. Wir verdrängen<br />

den Tod, denken nicht mehr an ihn. Dabei wäre es<br />

ratsam und wertvoll, an die Begrenztheit unseres Lebens<br />

zu denken, um Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden<br />

und die Unwiederholbarkeit gelebter Augenblicke zu<br />

erkennen. Erst die Begrenzung durch den Tod verleiht dem<br />

Leben Sinn und Bedeutung. Außerdem wäre es für die Lebensqualität<br />

fatal und langweilig, wenn wir viele Dinge und<br />

Entscheidungen, ohne zeitliche Begrenzung und Nachteile,<br />

einfach auf morgen verschieben können nach der (abgewandelten)<br />

Devise: „Was du heute kannst besorgen, verschieb<br />

getrost auf morgen.“ Wäre ein solches Leben nicht nur ewig<br />

lang, sondern auch ewig langweilig? Bestünde bei einem<br />

„todlosen Leben“ nicht die Gefahr, dass wir vor lauter Langeweile<br />

sterben möchten?<br />

Durch Anti–Aging geht die Würde des Alterns und des<br />

Alters verloren. Wir verlieren den Blick dafür, dass unser<br />

Leben, in all seinen Phasen, ein einmaliges und einzigartiges<br />

68 durchblick 4/<strong>2015</strong>

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