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2015-04

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Aus dem Siegerland<br />

Der Siegener Religionsvergleich<br />

So geschehen in der Gräflich Nassauischen Stadt Siegen<br />

Als anno 1648 durch den Vertrag von Münster<br />

und Osnabrück der 30-jährige Krieg beendet wurde,<br />

sorgt ein Passus dafür, dass in Siegen und dem<br />

Siegerland der Frieden keineswegs einkehrte. Es<br />

war dies die Bestimmung, wonach das Jahr 1624 als<br />

„Normaljahr“ zu gelten hatte. Der genaue Stichtag<br />

war der 1. Januar diesen Jahres. Die Kirchen und<br />

aller materieller Besitz sollten derjenigen Konfession<br />

zugesprochen werden, die sie am genannten Tag<br />

innegehabt hatte. Festgeschrieben war damit auch<br />

die Religionsausübung.<br />

Ein Jahr zuvor, also 1623, war Graf Johann der<br />

Mittlere gestorben. Er hinterließ die Grafschaft Nassau-Siegen<br />

seinen Söhnen Wilhelm, Johann Moritz<br />

und Johann zu je einem Drittel. Letzterer, elf Jahre<br />

zuvor zum Katholizismus übergetreten, erkannte<br />

das Testament nicht an und übernahm als „Johann<br />

der Jüngere“ dank kaiserlicher Rückendeckung die<br />

Regentschaft in Nassau–Siegen. Zunächst versicherte<br />

er, jedem Einwohner seinen Glauben zu lassen. Da<br />

Graf Wilhelm, genannt „der Reiche“, 90 Jahre zuvor<br />

im Land die Reformation eingeführt hatte, waren fast<br />

alle Einwohner evangelisch.<br />

Das später so wichtige Jahr 1624 und auch das<br />

Jahr 1625 vergingen, ohne dass sich an diesem Zustand<br />

etwas änderte. Ein Jahr später war dann aber<br />

für Johann der Zeitpunkt zum Handeln gekommen.<br />

Er verbot, einen anderen Gottesdienst als den<br />

katholischen abzuhalten. Die reformierten Geistlichen<br />

wurden vertrieben. Sechs Jahre später zog sein<br />

Halbbruder Johann Moritz mit Hilfe der Schweden<br />

in Siegen ein und stellte den gehabten Zustand wieder<br />

her. Drei Jahre danach – die Schweden waren<br />

weg und die Kaiserlichen hatten wieder das Sagen –<br />

führte Johann der Jüngere erneut das Zepter. Unter<br />

den Einwohnern schloss sich eine Anzahl ebenfalls<br />

dem Katholizismus an.<br />

Es war beim „Westfälischen Frieden“ ausdrücklich<br />

verboten worden, den Stichtags-Zustand mit<br />

Gewalt wieder herzustellen. Im Zweifelsfalle sollten<br />

Gerichte entscheiden. Doch die reformierten Grafen<br />

suchten eigenmächtig dasjenige zu erreichen, was<br />

ihrer Konfession zugesprochen war. Sie scheuten<br />

nicht davor zurück, Kirchengüter zu zerstören. Auch<br />

innerhalb der Bevölkerung gab es beinahe ständig<br />

kleinliche Zänkereien und Schmähungen der Religion<br />

der anderen. Gröbere Streitigkeiten endeten<br />

nicht selten in körperlichen Auseinandersetzungen.<br />

Schließlich waren sogar Tote innerhalb der Stadtmauern<br />

zu beklagen. Dies war der Zustand in Siegen,<br />

als man sich Ende 1651 nicht zuletzt dem Druck der<br />

Kirchen und der staatlichen Obrigkeit beugte und<br />

zu Friedensverhandlungen traf. Der nachstehende<br />

Bericht beschäftigt sich mit dem Ergebnis.Ulli Weber<br />

Foto: Hartmut Reeh<br />

Mit dem Satz „So geschehen in der Gräflich Nassauischen<br />

Stadt Siegen auf dem Rathaus, den 11.<br />

Dezember 1651“ endet die achtfach gesiegelte<br />

Urkunde. Die gleiche Anzahl Unterschriften trägt das siebenseitige<br />

Dokument, welches im Staatsarchiv zu Münster<br />

aufbewahrt wird. Unterzeichner sind die Nassauischen<br />

Grafen Johann Franz, Ludwig Henrich, Johann Moritz,<br />

Geörg Fritz und Ludwig sowie Ernestine von<br />

Ligne, Gräfin zu Nassau-Siegen. Daneben trägt der<br />

Vertrag die Unterschrift des Fürsten Johann Ludwig<br />

von Nassau sowie die des<br />

„abgeordneten, geheimen Raten<br />

dem wohledlen und hochgeehrten<br />

Herrn Sebastian Wilhelmen<br />

Meell“ 1).<br />

Gräfin Ernestine hat den<br />

Vertrag neben ihrem Sohn<br />

Johann Franz (Desideratus)<br />

unterzeichnet, da dieser zum<br />

Zeitpunkt der Vereinbarung<br />

erst 24 Jahre alt war. Sein Vater,<br />

Johann VIII (der Jüngere), war am 17.07.1638 verstorben.<br />

Nach dem Tode von Johann VII (dem Mittleren) am<br />

27.09.1623, kam es in der Teilgrafschaft Nassau/Siegen<br />

zu jahrelangen Erbstreitigkeiten, da die Söhne zwei Testamente<br />

und den Erbvertrag vom 31.12.1617 vorfanden 2) .<br />

Johann VIII war am 09.12.1612 in Rom zum katholischen<br />

Glauben übergetreten. Sein Vater und seine<br />

Geschwister folgten der reformierten Lehre. Daher<br />

kam es nach 1623 zu heftigen religiösen Auseinandersetzungen.<br />

So wurde beispielsweise im Jahr<br />

1632 in Netphen der katholische Pfarrer Leichlein<br />

entlassen. Das gleiche Schicksal hatte<br />

in 1626 sein evangelischer Amtskollege<br />

von Irmgarteichen,<br />

Justus Sartorius, erfahren.<br />

Johann Moritz unterzeichnete<br />

die Urkunde vom Dezember<br />

1651 noch als Graf von Nassau.<br />

Die Erhebung in den Reichsfürstenstand<br />

erfolgte erst ein<br />

Jahr später, am 25.11.1652.<br />

Zweiglaubenskirche in Wilnsdorf Rödgen<br />

62 durchblick 4/<strong>2015</strong>

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