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2015-04

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Gute Zeiten – schlechte Zeiten?<br />

Gedanken und Fragen über das Alter und das Altern<br />

Wer nicht den Geist des Alters hat,<br />

hat seines Alters ganzes Ungemach<br />

Voltaire<br />

Essay<br />

Es gibt keine alternative Lebensroute<br />

als die über das Alter<br />

Zur Einstimmung<br />

Wir alle wollen gerne lange leben, aber keiner von<br />

uns will alt werden. Ein alter, über 2000-jähriger<br />

und wohl auch in Zukunft unerfüllbarer<br />

Wunsch des Menschen nach dauerhafter Jugend. Für den<br />

Kabarettisten Dieter Nuhr ist das Altern an sich schon eine<br />

Zumutung. Ein Leben in ewiger Jugend, ein Wunsch,<br />

über den es sich lohnt einmal ein wenig nachzusinnen und<br />

zu philosophieren. Dabei geht es mir in diesem Beitrag<br />

nicht um kluge Ratschläge für das Altern und Tipps für das<br />

Alter. Darüber gibt es umfassende und vielfältige Literatur<br />

mit so vielversprechenden Buchtiteln wie „Glücklich<br />

altern“ „Fröhlich altern“ „Die Kunst des Alterns“ oder<br />

„Glücksfall Alter“. Es geht mir auch nicht um den allseits<br />

bekannten und oft genannten<br />

demografischen Wandel<br />

(alternde Gesellschaft,<br />

längere Lebenszeit etc.) mit<br />

seinen vielfältigen Folgen<br />

und gesellschaftspolitischen Herausforderungen, ein in den<br />

Medien hinreichend diskutiertes Thema.<br />

Nein, meine Gedanken drehen sich hier um die – nennen<br />

wir sie – „Innenansicht“ des Menschen bei der Konfrontation<br />

mit seiner ganz persönlichen Endlichkeit. Nur der<br />

Mensch, als einziges Lebewesen auf diesem Planeten Erde,<br />

ist sich seiner eigenen Sterblichkeit bewusst. Nur er weiß,<br />

sein Leben, wie er es auch gestalten mag und wie lange es<br />

auch währt, kennt immer nur eine Richtung, die Todesrichtung.<br />

Es gibt keine alternative Lebens-Route als die über<br />

das Altern und das Alter, denn alt werden und alt sein sind<br />

Grundbedingungen (nicht nur) der menschlichen Existenz<br />

auf dieser Erde.<br />

Das Leben des Menschen ist in seinen Lebensphasen<br />

fest vorgezeichnet. Geburt, Kindheit, Jugend, Erwachsen,<br />

Alter, Tod. Der Mensch hat keine Wahl, es ist sein unumstößliches<br />

Schicksal: Das letzte Ziel seines Lebens, ob er<br />

will oder nicht, ist immer der Tod. Eine zunächst widersprüchliche<br />

und auch bedrückende Erkenntnis, denn wie<br />

passen zwei so gravierende Gegensätze wie Leben und<br />

Tod zusammen? Der Tod vernichtet das Leben, aber wir<br />

Menschen wollen leben, nicht tot sein. Somit ist der Tod<br />

der größte Widersacher des Lebens. Merkwürdig.Trotzdem<br />

gehören beide irgendwie zusammen. Ohne Leben<br />

kein Tod, ohne Tod kein Leben? Ein Blick in die Natur<br />

bestätigt es: Leben zerstört Leben um zu leben, denn die,<br />

die Leben erzeugen, töten ohne Gnade. 1) Von dem französischen<br />

Philosophen Michel Montaigne (1533-1592); der<br />

bei einem Reitunfall eine Nahtoderfahrung hatte; stammt<br />

die Aussage: Wer die Menschen lehren würde zu sterben,<br />

der würde sie lehren zu leben. Heißt dass, wir müssen den<br />

Tod und das Leben als eine Einheit betrachten? Müssen<br />

wir den Tod im Dasein unserer menschlichen Existenz<br />

mehr Beachtung schenken? Fragt sich nur wie? Denn genau<br />

das Gegenteil tun wir doch heute. Wir grenzen den<br />

Tod aus. Wir verdrängen ihn. Man kann auch sagen, der<br />

Tod wird im wahrsten Sinne des Wortes totgeschwiegen.<br />

Er spielt in unserer Grundeinstellung zum Leben keine<br />

Rolle. Das Thema Tod ist lästig, unbequem und ohne Zukunft.<br />

Wir halten uns lieber an den griechischen Glücks-Philosophen<br />

Epikur (341-270 v. Chr.) der gesagt hat: So ist also<br />

der Tod, das schrecklichste der Übel, für uns ein Nichts.<br />

Solange wir da sind, ist er nicht da, und wenn er da ist,<br />

sind wir nicht mehr. Also, nur keine Aufregung könnte man<br />

meinen. Aber mit zunehmendem<br />

Alter rückt der Tod<br />

immer mehr in das Blickfeld<br />

unseres Bewusstseins, die<br />

Distanz zu ihm wird immer<br />

kürzer. Der Tod steht sozusagen wie ein dunkler Stern über<br />

dem Alter, 4) denn die biologische Zellerneuerung des Körpers<br />

lässt nach und mit ihr die Spannkraft, Flexibilität und<br />

Mobilität von Körper und Geist. Ist es da ein Wunder, wenn<br />

alt werden und alt sein, mit all den Widrigkeiten die es mit<br />

sich bringt, heute, in einer Zeit, wo Anti-Aging in unserer<br />

Gesellschaft in so vielfältiger Form Hochkonjunktur hat,<br />

meist negativ besetzt sind? Man könnte auch sagen, dass<br />

Alter hat in unserer Zeit keinen sonderlich guten Ruf, ihm<br />

wird die Nähe des Todes zum Vorwurf gemacht.<br />

Hier gilt es einmal etwas genauer hinzuschauen. Altern<br />

und Alter ist ein eigener komplexer Wissenschaftsbereich<br />

(die Gerontologie) und beschäftigt sich mit der Beschreibung,<br />

Erklärung und Modifikation von körperlichen, psychischen,<br />

sozialen, historischen und kulturellen Aspekten<br />

des Alterns und Alters. 5) Sie alle anzusprechen würde den<br />

Rahmen dieses Beitrages schnell sprengen. Nachstehend<br />

daher nur einige, wie ich finde aber interessante Punkte,<br />

die unmittelbar mit dem Alter in Verbindung stehen und es<br />

wert sind einmal angesprochen zu werden.<br />

Die richtige Einstellung<br />

Zunächst einmal ist festzuhalten: Obwohl es gerne als<br />

solche angesehen wird, das Altern ist keine Krankheit die<br />

behandelt werden muss, sondern ein natürlich verlaufender,<br />

biologischer Prozess des Lebens. Wir können noch so sehr<br />

auf unsere Gesundheit achten, uns ausgewogen ernäh- <br />

4/<strong>2015</strong> durchblick 67

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