Taxi Times München - Juni 2015
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
INTERVIEW<br />
INTERVIEW<br />
GESCHÄFTSFÜHRERIN DER PHOENIX<br />
VERTRIEBS GMBH, JOSEFA HUBL<br />
„DER MINDESTLOHN IST<br />
NICHT DAS PROBLEM!“<br />
Josefa Hubl ist zwölf Jahre in der Nacht<br />
und drei Jahre am Tag in <strong>München</strong> <strong>Taxi</strong><br />
gefahren. Durch Zufall ist sie vor zwei<br />
Jahren wieder mit ihrem alten <strong>Taxi</strong>unternehmen,<br />
der Phoenix Vertriebs GmbH,<br />
in Verbindung gekommen. Ihr alter Chef<br />
wollte wissen, ob Sie schon ihr eigenes<br />
<strong>Taxi</strong> hat oder bei ihm als Nachfolgerin<br />
seines ausscheidenden Geschäftspartners<br />
einsteigen möchte. „Ich habe<br />
es mir lange und gut überlegt und bin<br />
trotz des sicher bevorstehenden Mindestlohns<br />
eingestiegen“, erzählt sie <strong>Taxi</strong><br />
<strong>Times</strong> <strong>München</strong>-Redakteur Florian Osrainik.<br />
Damals kam die Diskussion mit<br />
dem Mindestlohn auf. Wenn sich die<br />
Gelegenheit ergibt, fährt sie noch <strong>Taxi</strong>,<br />
um den Kontakt zu den Kunden nicht zu<br />
verlieren. Von einer Tariferhöhung hält<br />
die Chefin von 50 Fahrern mit 15 Fahrzeugen<br />
nichts. Sie möchte mehr konstruktive<br />
Diskussionen in der Branche und<br />
nicht wegen abweichender Meinung<br />
mundtot gemacht werden. „Ich sage ja<br />
nichts Schlimmes, will nur zum Nachdenken<br />
über andere Lösungswege anregen“,<br />
sagt sie. Problem und Herausforderung<br />
sieht sie nicht im Mindestlohn,<br />
Uber und der Stellenwert des <strong>Taxi</strong>s sind<br />
für sie die Probleme der Branche.<br />
TAXI TIMES: Wie funktioniert<br />
der Mindest lohn?<br />
JOSEFA HUBL: „Es geht nicht nur darum,<br />
wie er funktioniert, sondern darum, wie<br />
er leichter funktionieren könnte. Es geht<br />
darum, dass alle meinen, der Mindestlohn<br />
sei nur finanzierbar, wenn man den<br />
Tarif erhöht. Und da ist der Knackpunkt.<br />
Ganz im Gegenteil. Wenn ich jetzt den<br />
Preis erhöhe, dann ist das ein falsches<br />
Signal für die Fahrgäste. Es geht darum,<br />
dass man endlich die Situation für <strong>Taxi</strong>s<br />
verbessern sollte. Es gibt Chaos und<br />
Staus und wir dürfen nicht alle Busspuren<br />
nutzen. Warum gibt es keine <strong>Taxi</strong>spur<br />
zum Flughafen während der Hauptverkehrszeiten<br />
oder bei Messen? Je schneller<br />
der Fahrgast an sein Ziel kommt, desto<br />
günstiger wird für ihn die <strong>Taxi</strong>fahrt. Denn<br />
der Kunde zahlt den Stau mit. Wenn man<br />
sich an so viele Vorschriften und Gesetze<br />
zu halten hat, dann wäre es gut von<br />
der Politik, wenn man auch einige Rechte<br />
zugesprochen bekäme.“<br />
»Ein bisschen mehr<br />
Unterstützung<br />
vonseiten der<br />
Politik könnte nicht<br />
schaden.«<br />
Das ist die Verkehrspolitik der Stadt.<br />
„Da muss man ansetzen. Es gehört alles<br />
zusammen. Wenn man die <strong>Taxi</strong>s schneller<br />
macht, dann steigen auch mehr Leute auf<br />
das <strong>Taxi</strong> um. Will man den Individualverkehr<br />
in der Innenstadt nicht reduzieren?<br />
Es ginge einfacher, wenn man mit dem<br />
<strong>Taxi</strong> schneller durch die Stadt käme.<br />
Nach jahrelangem Hin und Her hat die<br />
Politik den Mindestlohn durchgesetzt.<br />
Wir sollen ihn anwenden. Doch in den<br />
Personen transport mischt sich mit Uber<br />
illegale Konkurrenz. Hier werden Gesetze<br />
missachtet. Kann das wirklich sein?“<br />
Uber fährt trotz Verbot.<br />
„Ja, ich habe es selbst gesehen. Ist derjenige,<br />
der sich an die Gesetze hält, der Dum me?<br />
Uber wartet nur auf das Freihandels abkommen.<br />
Und wenn es so weit ist, dann<br />
können wir unsere <strong>Taxi</strong>s pink anmalen<br />
und machen, was wir wollen? Armer<br />
Fahrgast, arme<br />
Zukunft.“<br />
Ist der Mindestlohn<br />
ein Problem für euch?<br />
„Nein! Ich wusste, dass der<br />
Mindestlohn für uns kein Problem<br />
ist, da viele Fahrer schon vorher<br />
auf den Mindestlohn gekommen<br />
sind. Das Thema Mindestlohn ist nicht<br />
wirklich ein Problem, sondern das ganze<br />
Drumherum.“<br />
Sie meinen die Arbeitszeitaufzeichnung?<br />
„Die kostet einfach nur Zeit. Wir haben<br />
schon vor der dem Mindestlohn ein wunderbares<br />
System entwickelt. Das ist wirklich<br />
nur ein Zeitproblem. Man erstickt in<br />
Bürokratie.“<br />
Verraten Sie mir, was ihr macht?<br />
„Wir haben tägliche Schichtzettel, Arbeitszeitzettel,<br />
die bei uns jeder Fahrer ausfüllt.<br />
Anfang, Ende, Pause, Datum, Uhrzeit<br />
der Schicht, und dann wird gegengezeichnet.<br />
Wir sagen den Fahrern auch, dass sie<br />
erscheinen müssen. Das funktioniert bei<br />
uns, alle machen mit. Das Problem ist,<br />
dass die Fahrer dem Zufall draußen so<br />
ausgeliefert sind, dass sie manchmal länger<br />
arbeiten wollen oder das Auto schon<br />
nach drei Stunden abstellen.“<br />
Haltet ihr die Fahrer, die den Mindestlohn<br />
nicht einfahren?<br />
„Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich<br />
sie halten möchte, weil ich es verwerflich<br />
finde, wenn man diese Fahrer rauswirft.<br />
Diese Fahrer haben jahrelang so gearbeitet.<br />
Jeder Fahrer ist anders. Was bei mir funktioniert,<br />
das funktioniert bei einem anderen<br />
nicht. Ich bin nach zwölf Jahren in der<br />
Nacht in den Tag eingestiegen. Ich wusste<br />
nichts vom Tag. Ich habe feste Schüler<br />
FOTO: Florian Osrainik<br />
fahrten<br />
angenommen<br />
und versucht, Stammkunden<br />
aufzubauen, um den Tag<br />
bes ser auszunutzen. Stammkundschaft<br />
ist etwas Persönliches und passiert im<br />
richtigen Moment. Beim <strong>Taxi</strong> kommt die<br />
Arbeit nicht vorbei, und deshalb ist nicht<br />
der Mindestlohn das Pro blem, sondern die<br />
Gegebenheiten für das <strong>Taxi</strong>gewerbe im Allgemeinen.<br />
Da setzt keiner an!“<br />
Ich würde den Mindestlohn auch nicht<br />
als Problem bezeichnen. Die Fra ge ist,<br />
wie man damit umgeht, da das <strong>Taxi</strong>gewerbe<br />
eine spezielle Branche ist.<br />
„Ich bin überzeugt, dass es, solange der<br />
Sprit preis so günstig ist, keine Preiser höhung<br />
geben darf, weil der Kunde preis wert<br />
fahren will. Sicherheit und Personenbeförderungsschein<br />
sind der neuen Generation<br />
wohl egal, Hauptsache billig. So sollten wir<br />
eine goldene Mitte finden. Die Illegalen<br />
endlich stoppen, bessere Fahrt für <strong>Taxi</strong>s<br />
in der Stadt und vielleicht einen Kurzstreckentarif,<br />
dann hätte man weniger<br />
• Verkehrsunfallabwicklung<br />
• Verkehrsrecht<br />
• Bußgeldsachen<br />
• Zivilrecht<br />
• Strafrecht<br />
Leerkilometer. Denn<br />
die kosten richtig.“<br />
Wenn Sie den Fahrpreis<br />
senken, dann<br />
würden Sie ziemlich<br />
alleine dastehen.<br />
„Das weiß ich. Gesenkt<br />
wird sowieso nicht. Ich<br />
sage nur, dass es ein<br />
Si gnal wäre. Aber wenigstens<br />
nicht erhöhen. Mich<br />
stört, dass sich niemand aus<br />
unserem Gewerbe dafür einsetzt,<br />
dass sich verkehrspolitisch<br />
etwas für das <strong>Taxi</strong> verbessert und<br />
wir nicht als Abfallgewerbe behandelt<br />
werden. Wir müssen als geprüfte<br />
Unter nehmer mit gewarteten Autos<br />
wahr genommen werden. Wir sind das<br />
Personenbeförderungsgesetz. Wir absolvieren<br />
eine Ortskundeprüfung, gehen zum<br />
Gesundheits check, müssen uns einem<br />
Eignungs test unterziehen, diese Untersuchungen<br />
regelmäßig durchführen lassen<br />
und viel Geld dafür bezahlen. Ein bisschen<br />
mehr Unterstützung vonseiten der Politik<br />
könnte nicht schaden.“<br />
Der Mindestlohn kam zum 1. Januar<br />
<strong>2015</strong>, aber die Verkehrspolitik in<br />
<strong>München</strong> lässt sich nicht von heute<br />
auf morgen ändern.<br />
„Nein, und wenn man nicht anfängt, dann<br />
wird es nie besser. Aber das sollten wir.<br />
Bald. Sehr bald.“<br />
Und die Wartezeiten? Gibt es in<br />
<strong>München</strong> zu viele <strong>Taxi</strong>s?<br />
„Ja, aber man kann nicht einfach hergehen<br />
und schnell mal 500 Lizenzen<br />
einziehen. Man sollte verkehrspolitisch<br />
etwas machen und die Arbeitszeiten für<br />
<strong>Taxi</strong>fahrer differenzierter und flexibler<br />
betrachten.“<br />
Wie sollte diese Flexibilität aussehen?<br />
„Das liegt doch auf der Hand. Der Fahrer<br />
steigt ein, steht die ersten zwei Stunden am<br />
Stand – und ich muss mindestens 8,50 Euro<br />
pro Stunde zahlen. Man braucht eine Ausnahmeregelung<br />
für unser Gewerbe.<br />
Im Umgang mit Wartezeiten, also was<br />
die Arbeitszeit betrifft?<br />
Flexiblere Arbeitszeiten wären der vernünftigste<br />
Vorschlag. Und wenn wir im<br />
Verkehr schneller vorankämen, wäre das<br />
effektive Arbeitszeitnutzung.<br />
Nehmt ihr für die Fahrer bewusst<br />
Mehrkosten in Kauf?<br />
„Ja, und das bleibt so! Ich werde auch in<br />
Zukunft keinem kündigen, weil er den<br />
Mindestlohn nicht bringt. Ich rede mit<br />
den Fahrern. Einige haben sich auch verbessert.<br />
Zu den schlechten Zeiten stellen<br />
unsere Fahrer das Auto ab und machen<br />
Pause. Sie bemühen sich, aber wenn es<br />
manche nicht schaffen, dann zahle ich<br />
eben drauf. Mein Geschäftspartner sieht<br />
das genauso.“<br />
Das geht doch nur bis zu einem<br />
gewissen Grad!<br />
„Es sind nicht so viele, vielleicht drei oder<br />
vier Fahrer. Es geht nicht um Tausende<br />
von Euro, es geht um ein paar Hundert<br />
Euro! Das geht nicht an die Substanz.<br />
Noch nicht. Ich hoffe, dass uns die Politik<br />
ein bisschen unterstützt, damit unser<br />
ganzer Aufwand auch von Nutzen ist.<br />
Wenn man einem Fahrer kündigt, weil<br />
er den Mindestlohn nicht verdient, dann<br />
hätte man ihm schon vor Einführung des<br />
Mindest lohns kündigen müssen, weil er<br />
zu schlecht war. Zeiten des Umbruchs<br />
sehe ich als Chance.“<br />
Das Gespräch führte <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> <strong>München</strong>-<br />
Redakteur Florian Osrainik. <br />
Leopoldstr. 30<br />
D-80802 <strong>München</strong><br />
Tel. 089 - 55 06 67-0<br />
Fax. 089 55 06 67-129<br />
www.artz-partner.de<br />
artz@artz-partner.de<br />
14 TAXI JUNI / <strong>2015</strong><br />
15