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TSCHERNOBYL FOREVER / ALLEMAND

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In den geräumten und gesperrten Zonen, in der<br />

Gegend von Slavgorod in Weißrussland habe ich<br />

einen Mann getroffen, der alleine lebt in seinem<br />

Haus mitten am Land. Ein Mann der sich geweigert<br />

hat, wegzuziehen. Hier war er, vergraben unter unermesslichen<br />

Mengen an wildem Unkraut, Wäldern,<br />

verwahrlosten Leitungsmastern und aufgegebenen<br />

Kolchosen.<br />

Entrée du kolkoze Kuybycheva - Belarus<br />

Am Eingang zu seinem Garten sitzend sah er<br />

uns näherkommen. Er bewegte sich nicht. Seine<br />

blaugrauen Augen glänzten. Sie glänzten wirklich,<br />

wie weiße Scheinwerfer am hellen Tag. Niemand<br />

kommt ihn mehr besuchen. Manchmal Miliz-soldaten<br />

und Fremde, die ihm Fragen über seine Gesundheit<br />

stellen, ihn messen, immer eilig wieder fortzukommen.<br />

Es war Wochen her, dass er jemanden gesehen<br />

hatte. Die Leute kommen hier nicht her, sie haben<br />

Angst. Das Schlimmste, sagt er, ist dass er niemanden<br />

zum reden hat. Er hat große Schwierigkeiten<br />

zu schlafen. Darum lauscht er in der Nacht dem<br />

Heulen der Wölfe und spricht mit den Sternen. Der<br />

Himmel ist nicht mehr derselbe seit dem Vorfall, man<br />

kann die Sterne viel besser ausmachen als vorher.<br />

„Wie in der Wüste“, sprach er. Die Milchstraße ist so<br />

schön, so dicht.<br />

Er geht fast nicht mehr ins Dorf, denn dort behandelt<br />

man ihm wie einem Pestverseuchten. „ Sie sagen<br />

ich komme von den Ländern des Teufels.“ Er ernährt<br />

sich von seinen Garten, von der frischen Luft und ein<br />

wenig von der Jagd. Das Brunnenwasser ist immer<br />

noch klar. Und dann fühl er sich müde, immer mehr.<br />

Er weiß, dass er bald sterben muss.

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