blu Dezember 2016
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MUSIK<br />
Eigentlich ist alles ganz einfach: „Ich fühle mich ewig jugendlich. Und ich folge meinen Gefühlen.<br />
In jedem Moment“, sagt Laura Pergolizzi aka LP und lacht. Sie lacht überhaupt sehr viel. Laura<br />
lebt irgendwo zwischen natürlicher Coolness und Rock Swagger, sie flechtet Schimpfwörter mit<br />
geradezu meisterlicher Leichtigkeit in ihre Sätze ein, und dazwischen gibt es immer ein lässiges<br />
„... you know what I mean, man?“. Manchmal erinnert sie einen fast an eine Performance von Al<br />
Pacino oder Joe Pesci – sie lebt ihre italienischen Wurzeln. Dabei sieht sie aus, als wäre sie eine<br />
der Darstellerinnen gewesen, die Bob Dylan in „I’m Not There“ gespielt haben.<br />
Laura fühlt sich offensichtlich wohl in ihrer<br />
Haut – und mit ihrem neuen Album „Lost<br />
On You“, das trotz einer angenehmen<br />
Schwere auch in den ruhigen Stücken<br />
frisch, dynamisch und aufregend klingt.<br />
Ewig jugendlich eben. Aber selbst Laura<br />
muss überlegen, warum genau das so ist.<br />
„Es könnte daran liegen, dass ich in einer<br />
neuen Beziehung bin“, lächelt sie dann.<br />
Obwohl sie in den Liedern vor allem die<br />
alte aufgearbeitet hat, spürt man ihr neues<br />
Leben – vor allem in der Pop-Hymne „Up<br />
Against Me“. „Weißt du, was cool an dem<br />
Lied ist? Ich lag eines Nachts wach und<br />
da kam dieser Titel und ich fragte meine<br />
Freundin, wie sie ,Up Against Me‘ fände.<br />
Sie sagte einfach: ,Schön, Liebling ...‘“ Ein<br />
kleiner Moment in einer neuen Liebe.<br />
Erstaunlich allerdings ist, wie plötzlich<br />
entschieden wurde, „Lost On You“<br />
überhaupt zu veröffentlichen. Es passierte<br />
alles sehr schnell, geradezu überstürzt.<br />
„Ich habe in meiner Karriere zu oft das<br />
Momentum verloren“, erklärt sie. „Und ich<br />
habe eine Menge Material. Also warum<br />
nicht?“ Ohne Frage ist das Momentum<br />
gerade auf ihrer Seite. Die Single „Lost<br />
On You“ hat sich in den letzten Monaten<br />
in Europa verselbstständigt. Es begann in<br />
Griechenland, wo sie die Spitzenposition<br />
im Radio für ganze 22 Wochen hielt. Dann<br />
kam Italien. Dann Israel, Polen … bis das<br />
Lied in 17 verschiedenen Ländern auf dem<br />
Spitzenplatz der iTunes-Charts stand und<br />
Platz vier der meistgesuchten Songs auf<br />
Shazam belegte – weltweit. Wieder kann<br />
sie nur lachen: „Ich bin ja nun schon eine<br />
Weile dabei und weiß, wie viel Handwerk<br />
und Glück es braucht, damit so etwas<br />
passiert.“<br />
„Eine Weile“ ist dabei ein schöne Untertreibung:<br />
LP ist seit über 15 Jahren im<br />
Musikgeschäft, und sie in hat in dieser Zeit<br />
mehrere, ganz unterschiedliche Anläufe<br />
genommen. Es war ein Zickzackkurs. „Ich<br />
habe einiges hinter mir – ein Künstler zu<br />
sein ist hart. Selbst wenn du auf Anhieb<br />
Erfolg hast, hast du dich auf eine schwierige<br />
Reise eingelassen.“ Es ist eine Frage<br />
der Einstellung. „Wenn du anfängst,<br />
denkst du, der Durchbruch ist nur einen<br />
Schritt entfernt. Der nächste Gig, in der<br />
nächsten Woche, jedes Meeting, jeder<br />
Song könnte es bringen. Dein Gehirn muss<br />
so drauf sein, sonst würdest du nie dabei<br />
bleiben. Wenn eine Fee zu mir gekommen<br />
wäre und gesagt hätte: ,Ey, es wird zehn<br />
Jahre dauern!‘“, schüttelt sie den Kopf,<br />
„dann hätte ich vielleicht gesagt: ,Ach,<br />
scheiß drauf!‘ – Ein junger Künstler muss<br />
überleben, und dass schafft er, indem er<br />
immer an den Durchbruch glaubt.“ Das<br />
Wichtigste ist, weiter Lieder zu produzieren,<br />
selbst wenn man denkt, man hat gerade<br />
zehn Hits nacheinander geschrieben.<br />
„Denn selbst wenn du recht hast – du<br />
brauchst die nächsten zehn!“<br />
Allerdings war Laura zwischenzeitlich<br />
vor allem damit beschäftigt, für andere<br />
Musiker Songs zu schreiben. „Es ist nicht<br />
so glamourös, wie selber ein Künstler zu<br />
sein, aber es macht definitiv Spaß!“ Doch<br />
es ist auch mehr eine reguläre Arbeit. „Du<br />
kannst nicht sagen, dass du gerade nicht<br />
inspiriert bist – ganz der weinerliche, jammernde<br />
Kreative. Als Songwriter musst du<br />
es einfach machen. Es gab Tage, an denen<br />
ich nicht ein einziges Wort im Kopf hatte,<br />
aber ich musste es trotzdem finden.“ Dafür<br />
waren die Ergebnisse beeindruckend<br />
– so schrieb sie Hits unter anderem für<br />
Christina Aguilera und Rita Ora. Doch vor<br />
allem war es „Cheers (Drink to That)“ von<br />
Rihanna, das Laura hinter den Kulissen etablierte.<br />
„Aber hast du eine Idee davon, wie<br />
viele Lieder es bis dahin gebraucht hat?“,<br />
lacht sie. „Ich war ja nicht mal ansatzweise<br />
ein Urban Music Songwriter. Und weißt<br />
du, wie viele Lieder für sie geschrieben<br />
werden? Eine unglaublich hohe Anzahl.<br />
Das war wie ein Lottogewinn.“<br />
Logischerweise dachte sie eine Zeit lang:<br />
„Ich bin Songwriterin. Fertig.“ Aber dann<br />
gab es eben doch Lieder, die von niemand<br />
anderem als ihr selbst gesungen werden<br />
konnten. „Es ist nicht der Ruf der Bühne,<br />
es ist mehr der Ruf, meinen eigenen<br />
Scheiß zu machen. Meine eigenen<br />
Gedanken in meinen eigenen Melodien.“<br />
Und obwohl sie mit dieser Einstellung<br />
alles alleine hätte machen können, ging<br />
sie einen anderen Weg. „Ich liebe es zu<br />
kooperieren! Das ist mein Leben. Meine<br />
Familie brach auseinander, als ich jung war,<br />
deshalb suche ich nach ihr in der Musik.“<br />
Sie schreibt einen Song zwar zunächst<br />
ganz allein, „aber dann spiele ich ihn jemandem<br />
vor. Ich brauche diese Rückmeldungen,<br />
diese Bestätigung.“ Anderseits<br />
gilt auch: „I run the Show! Es sind 95 Prozent<br />
meine Gedanken ... aber ich mache<br />
Dinge musikmäßig gerne komplizierter, als<br />
sie sein müssen.“<br />
Auch karrieremäßig war es immer<br />
kompliziert. Wenn sie in ihrem Leben ein<br />
Problem hatte und hat, dann, dass man<br />
kein Label für sie fand, keine Marke, keine<br />
Schublade. „Aber ich denke, jetzt habe ich<br />
eine – genau diese besondere Vielfältigkeit“,<br />
und schon wieder muss sie lachen.<br />
„Wenn Leute mich fragen: ,Was ist dein<br />
Sound?‘, dann käme ich mir wie ein totales<br />
Arschloch vor, wenn ich sagen würde: ,Oh,<br />
man kann mich nicht klassifizieren! Mein<br />
Sound ist zu groß!‘“ Aber es war und ist<br />
eben nicht nur Folk oder Rock oder Pop.<br />
Selbst wenn es am einfachsten wäre, sie<br />
in die letzte Kategorie zu stecken.<br />
„Ich mache einfach, was auch immer aus<br />
meinem Kopf rauskommt, ich habe keine<br />
klaren Vorlieben für ein Genre. Ich liebe<br />
so viele verschiedene Arten von Musik“,<br />
und auf einmal ist diese Laura Pergolizzi<br />
wirklich ernst und sehr ruhig: „Wirklich:<br />
lieben.“ Ganz einfach.<br />
•Interview: Christian K. L. Fischer