Sektionsheft 2009 - 2 (.pdf) - Deutscher Alpenverein - Sektion ...
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TOURENBERICHT<br />
45<br />
ich da. Sieh, wie vergleichsweise sanft<br />
ich mich emporwinde, einen eigentlich<br />
auf Rädern nicht zu bewältigenden Anstieg<br />
in fahrbare Abschnitte zerlegend.<br />
In fließender Regelmäßigkeit schieben<br />
und winden sich die Kurven übereinander.<br />
Der Asphalt bildet einen einladenden<br />
Kontrast zur Schroffheit der Felsflanken,<br />
zumindest wenn man vom Rennrad her<br />
denkt. Anderthalb Zentimeter breit sind<br />
die Reifen – in solcher Landschaft wäre<br />
ein derart filigranes Konstrukt normalerweise<br />
sofort zuschanden. Die Serpentine<br />
schließt den Berg auf. Sie öffnet ihn, der<br />
sonst spröde eine Fußbesteigung heischen<br />
würde, der Geschwindigkeit.<br />
Und ich will unbedingt hinauf.<br />
An welche Kurven die „sieben Serpentinisten“<br />
(Jürgen Domjahn,<br />
Jörg Michel, Michael Stede, Hartmut<br />
Lürman, Klaus Trebing, Matthias<br />
Thiele und Gert Blankenstein) von der<br />
Dortmunder <strong>Sektion</strong> des <strong>Alpenverein</strong>s<br />
bei ihren Tour-Vorbereitungen letztlich<br />
gedacht haben, bleibt offen; jedenfalls<br />
versprach der akribisch ausgearbeitete<br />
Tourenplan insgesamt knapp 800 Kilometer<br />
Länge, fast 16 Kilometer Höhe und<br />
das alles quer über die Alpen, von Basel<br />
in der Schweiz bis Finale am Mittelmeer.<br />
Dass dabei u.a. Pässe wie der Große und<br />
Kleine St.Bernard, der Col de San Carlo,<br />
Col de la Iseran und der Col du Mont<br />
Cenis zu bezwingen waren, spricht überzeugend<br />
für die Passion der Serpentinisten,<br />
die von solchen Kurven und Anstiegen<br />
auf ihren bekannten und bewährten<br />
Sauerland-Touren nur träumen können.<br />
Von Basel bis Freiburg zeigte sich der<br />
Wettergott am ersten Tour-Tag von seiner<br />
allerbesten Seite (und behielt diese<br />
wohltuende Eigenschaft bis zum Ende<br />
bei) und ließ sich das Schweizer Voralpenland<br />
„postkartengerecht“ den Rennradlern<br />
präsentieren. Was eigentlich als<br />
„Flachetappe“ zum einrollen gedacht war,<br />
entpuppte sich jedoch schon gleich hinter<br />
Basel als überraschender Vorgeschmack<br />
auf die kommenden Herausforderungen:<br />
wie aus dem Nichts sprang die Straße<br />
plötzlich auf 20%-Steigung und testete<br />
gnadenlos die Trainingsvorbereitungen.<br />
Als „Goldene Rose von Montreux“ war<br />
diese Stadt am Genfer See von 1961 bis<br />
2003 Austragungsort des weltweit größten<br />
Festivals der Fernsehunterhaltung.<br />
Am zweiten Tag durften die Etappenfahrer<br />
nach rund 65 Kilometern an den Gestaden<br />
des Genfer Sees dieser berühmten<br />
Atmosphäre nachschnuppern, bevor<br />
es weitere 50 Kilometer bis ins nächste<br />
Ziel ging, eine gemütliche Herberge in<br />
Vernayaz bei Cecile & Bob.<br />
Was am Abend zuvor wie eine schöne,<br />
große weiße Wolke über dem nächsten<br />
Berg ausgesehen hatte, war in Wirklichkeit<br />
der schneebedeckte Gipfel des Großen<br />
St. Bernard, dessen Pass in 2.469 m<br />
Höhe am dritten Tag der Tour auf uns<br />
wartete.<br />
„Manche Berge scheinen unüberwindlich,<br />
bis wir den ersten Schritt tun“. Dieses Zitat<br />
von Anke Maggauer-Kirsche, (*1948),<br />
deutsche Lyrikerin, Aphoristikerin und<br />
Betagtenbetreuerin in der Schweiz stand<br />
am Morgen des Aufstiegs auf diesen Pass<br />
bezeichnend für alle Serpentinen und<br />
Klettereien, die in den folgenden Tagen<br />
von der Gruppe zu bewältigen waren. 35<br />
Kilometer mit einer durchschnittlichen<br />
Steigung von 11 % - nur Eingeweihte<br />
können diese nüchternen Zahlen einer