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Kongressjournal Allgemeinmedizin Ausgabe 25. November 2016

Das Kongressjournal ist eine Live-Berichterstattung für Kongressteilnehmer des Allgemeinmedizinkongresses der stafam in Graz. Da viele Themen auch für Interessierte oder Betroffene wichtig sind, wurde eine eigene Publikumsausgabe hier in digitaler Form zusammengestellt. Hinweis: Aus rechtlichen Gründen wurden sämtliche Werbeeinschaltungen, die nicht für die Allgemeinheit erlaubt sind, herausgenommen.

Das Kongressjournal ist eine Live-Berichterstattung für Kongressteilnehmer des Allgemeinmedizinkongresses der stafam in Graz. Da viele Themen auch für Interessierte oder Betroffene wichtig sind, wurde eine eigene Publikumsausgabe hier in digitaler Form zusammengestellt. Hinweis: Aus rechtlichen Gründen wurden sämtliche Werbeeinschaltungen, die nicht für die Allgemeinheit erlaubt sind, herausgenommen.

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KONGRESS<br />

JOURNAL<br />

Essstörungen<br />

Anorexia & Co.<br />

200.000 Österreicher waren laut Gesundheitsministerium<br />

zumindest einmal in ihrem Leben an einer Essstörung erkrankt.<br />

Betroffen sind vor allem 15- bis 20-jährige Mädchen. Die Zahl<br />

der Erkrankten hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch<br />

erhöht - innerhalb von 20 Jahren verzehnfacht.<br />

1989 wurden 269 Personen mit Essstörungen<br />

registriert – schon damals<br />

waren 89 % davon Frauen. Im Jahr<br />

2000 waren es bereits 1.471 registrierte<br />

Spitalsaufenthalte – 2008<br />

verzeichnete man schon 2.734 Spitalsaufenthalte<br />

aufgrund von Essstörungen.<br />

Von allen 15- bis 20-jährigen<br />

Mädchen in Österreich leiden 2.500<br />

an Magersucht und über 5.000 an einer<br />

subklinischen Essstörung, also an<br />

einer leichteren Verlaufsform. „Diese<br />

Zahlen stellen jedoch nur die Spitze<br />

des Eisberges dar, da sie nur die<br />

wirklich schwer Erkrankten widerspiegelt.<br />

Die Dunkelziffer dürfte noch viel<br />

höher sein“, erläurtert Dr. med. Aida<br />

Kuljuh, Klin. Abt. für allgemeine Pädiatrie<br />

Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde<br />

Med. Universität Graz,<br />

bei ihrem Vortrag.<br />

Je früher, desto besser<br />

Je früher eine Essstörung erkannt<br />

wird, desto erfolgreicher kann sie behandelt<br />

werden. Hier einige Merkmale,<br />

die helfen, auf eine Essstörung<br />

rechtzeitig aufmerksam zu werden:<br />

• Das nähere Umfeld macht sich Sorgen<br />

wegen des Essverhaltens.<br />

• Es besteht Angst vor dem Essen,<br />

gekoppelt mit einer panikartigen<br />

Furcht vor Gewichtszunahme.<br />

• Mädchen und Burschen können<br />

von einem asketischen Stolz erfüllt<br />

sein, überlegen zu sein und „nicht<br />

so schwach wie die anderen“.<br />

• Das Überlegenheitsgefühl geht oft<br />

einher mit einem starken Ehrgeiz<br />

und einer erstaunlichen Leistungsfähigkeit<br />

in der Schule, im Beruf<br />

oder im Sport. Dabei haben sie einen<br />

ausgeprägten Willen, ihren Körper<br />

zu beherrschen.<br />

•Es besteht übertriebene Angst, zu<br />

dick zu sein oder Angst zuzunehmen,<br />

auch wenn untergewichtig.<br />

Maßstäbe zur Erkennung<br />

Zusätzlich helfen verschiedene Definitionen,<br />

Schweregrad und Art der Störung<br />

festzustellen. In erster Linie gilt,<br />

wenn das tatsächliche Körpergewicht<br />

mindestens 15 % unter dem erwarteten<br />

Gewicht oder Quetel ets-Indes von<br />

17,5 oder weniger liegt. Zudem, wenn<br />

der Gewichtsverlust durch selbstinduziertes<br />

Erbrechen bzw. Abführen oder<br />

auch durch übertriebene körperliche<br />

Aktivität herbeigeführt wurde. Zweitens<br />

stellt sich die Frage nach einer<br />

Körperschematastörung. Das heißt:<br />

Wird die eigene Gewichtsschwelle sehr<br />

niedrig angelegt? Besteht die überwertige<br />

Angst, dick zu werden? Empfindet<br />

sich die Betroffene trotz Untergewicht<br />

als „zu fett“? Zu guter Letzt können<br />

auch endokrine Störungen gute Hinweise<br />

auf eine Essensstörung geben.<br />

Wenn z.B. die Hypothalamus-Hypophysen-Gondaden-Achse<br />

betroffen<br />

ist, wenn persistierende Blutungen<br />

bei Kontrazeptionsgabe auftreten<br />

oder bei Männern ein Libido- und Potenzverlust<br />

besteht. Aber auch erhöhte<br />

Wachstums- und Cortisolspiegel,<br />

Änderungen des Schilddrüsenhormonmetabolismus<br />

und der Insulinsekretion<br />

können bei Essensstörungen<br />

vorliegen.<br />

Therapie: Case-Manager über Jahre<br />

Neben der unbedingt notwendigen<br />

allgemeinmedizinischen bzw. pädiatrischen<br />

Diagnostik und den regelmäßigen<br />

fachärztlichen Kontrolle<br />

ist in allen Fällen unbedingt eine<br />

Psychotherapie indiziert. Für den<br />

Erfolg wichtig ist die Erstellung eines<br />

Gesamtbehandlungsplanes und<br />

die Definition eines für die Therapie<br />

verantwortlichen „Case-Managers“.<br />

Da die Therapie oft über viele Jahre<br />

und im Rahmen verschiedener Settings<br />

stattfindet, ist Case-Management<br />

besonders bei Magersucht und<br />

Bulimie sehr wichtig. Cave: An den<br />

Übergängen der Settings kann es im<br />

ungünstigsten Fall zum Abbruch der<br />

Behandlung kommen.<br />

Die Körpergewichtsnormalisierung<br />

durch Etablierung eines geregelten<br />

Essverhaltensplanes ist unabhängig<br />

vom Setting essentiell, um das durch<br />

Mangelernährung funktionell beeinträchtigte<br />

Gehirn wieder ausreichend<br />

mit essentiellen Nahrungsmitteln zu<br />

versorgen.<br />

30 KONGRESSJOURNALGraz/<strong>25.</strong> <strong>November</strong> <strong>2016</strong>

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