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MUSIK<br />
JAKUB<br />
ONDRA<br />
FOTO: DAVID KÖNIGSMANN<br />
„Wenn ich vielleicht<br />
gerade keine Lust<br />
darauf habe und keine<br />
Kompromisse<br />
mehr machen will,<br />
dann gehe ich<br />
wieder auf die Straße“<br />
Viele Sänger beginnen<br />
ihren Weg als Straßenmusiker<br />
und viele<br />
beenden ihn auch wieder<br />
so, aber Jakub Ondra<br />
gehört zu denen, die<br />
Straßenmusik nicht nur als Karriereanfang<br />
oder Sprungbrett ansehen, sondern<br />
die es wirklich lieben, spontan unter<br />
Leute zu gehen und Musik zu machen –<br />
sogar wenn es nur noch wenige Wochen<br />
bis zur Veröffentlichung seines ersten<br />
Albums sind.<br />
Wetter egal, Ort egal, Hauptsache Menschen<br />
in der Nähe, Hauptsache der direkte<br />
Kontakt und die direkten Reaktionen. So<br />
stand er sogar noch Anfang Februar, wieder<br />
nur mit Gitarre und in dicker Jacke, auf<br />
der Straße, um zu spielen. Er kann einfach<br />
nicht anders. „Übung macht den Meister“,<br />
schrieb der 22-Jährige auf Instagram zu<br />
dem dazugehörigen Bild. Jakub gibt sogar<br />
zu, dass es ein bisschen wie eine Sucht ist.<br />
„Es ist dieses Feedback. Ich liebe das. Es<br />
ist meine Leidenschaft.“<br />
Was man schon daran sieht, dass er sich<br />
sogar gegen eine Karriere<br />
als Teen-Star in seiner Heimat<br />
Tschechien entschied,<br />
nachdem er dort bereits<br />
einen Hit hatte. Statt darauf<br />
aufzubauen, packte er seinen<br />
Rucksack, schnappte sich seine Gitarre<br />
und reiste kreuz und quer durch Europa, um<br />
auf den Straßen seine Lieder zu präsentieren.<br />
Er braucht diese Herausforderung. „Bei<br />
einem normalen Konzert haben die Leute ja<br />
ihr Ticket bezahlt. Du musst dich gar nicht<br />
so sehr ins Zeug legen – sie sind ja sowieso<br />
wegen dir da. Aber auf der Straße ist es<br />
anders, da bitte ich die Menschen um ihre<br />
Zeit – um Zeit, die sie gar nicht vorhatten,<br />
so zu motivieren. Kann ich sie dazu<br />
bringen, stehen zu bleiben, und kann ich<br />
sie halten?“ Wenn ihm das nicht gelingt,<br />
dann sieht er den Fehler bei sich selbst und<br />
nicht bei den Passanten oder dem Wetter.<br />
Er zeigt einfach noch mehr Einsatz: „Es<br />
ist so wichtig, mit den Menschen Kontakt<br />
aufzunehmen, sie zum Teil der Show zu<br />
machen.“ Das ist es, was ihm am meisten<br />
Spaß macht – und dem Publikum.<br />
In all den Jahren habe er bereits über<br />
hundert Songs geschrieben, sagt er, doch<br />
die meisten bleiben als Aufnahmen in<br />
seinem Handy – nur dreißig hat er bisher<br />
wirklich ordentlich umgesetzt. Doch auch<br />
von diesen finden sich keine auf seinem<br />
Debüt „Old Town Square“. Alle Lieder sind<br />
für das Album entstanden und sie klingen<br />
hier kaum nach Straßenmusik, denn eine<br />
feine, poppige Produktion und eine Band<br />
geben den Singer-Songwriter-basierten<br />
Liedern viel Schliff und Leichtigkeit. Dabei<br />
ist es eine ganz andere Herausforderung,<br />
mit seinen Bandkollegen und seinen Produzenten<br />
zusammen die Lieder umzusetzen.<br />
„Wenn ich vielleicht gerade keine Lust<br />
darauf habe und keine Kompromisse mehr<br />
machen will, dann gehe ich wieder auf die<br />
Straße“, lacht Jakub, „und wenn ich gerade<br />
keine Lust mehr auf die Straße habe, gehe<br />
ich wieder ins Studio! Ich habe immer die<br />
Möglichkeit, etwas anderes zu machen.“<br />
Aber die Kompromisse machen gleichzeitig<br />
auch wieder den Reiz an dieser Arbeit aus,<br />
und darum ist es auch nicht dramatisch für<br />
ihn, dass er die Freiheiten der letzten Jahre<br />
ein wenig einschränken muss. Denn ändern<br />
wird sich eines nie: Die Straße wird ihn<br />
nicht loslassen. •fis