stahlmarkt 3.2017 (März)
Aus dem Inhalt: Steel International / Stahlhandel & Stahl-Service-Center / Logistik, Lagertechnik & Handhabung
Aus dem Inhalt: Steel International / Stahlhandel & Stahl-Service-Center / Logistik, Lagertechnik & Handhabung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
6 K<br />
SEITENBLICK<br />
Guter Standort,<br />
schlechter Standort<br />
Deutschland ist ein guter Standort für Familienunternehmen – aber<br />
keineswegs konkurrenzlos. Eine Studie des Zentrums für Europäische<br />
Wirtschaftsforschung belegt, dass insbesondere kleinere Länder Westund<br />
Nordeuropas erhebliche Vorteile bieten. Nachholbedarf gibt es<br />
hierzulande auf vielen Feldern, u. a. in der Bildung.<br />
»Familienunternehmen, vorzugsweise<br />
aus dem Verarbeitenden Gewerbe, mit mindestens<br />
100 Mill. € Umsatz sucht eine Alternative<br />
zu einem Standort in Deutschland.<br />
Welches Land bietet die attraktivsten Bedingungen<br />
für eine Ansiedlung?« Dieser Frage<br />
geht alle zwei Jahre das Mannheimer Zentrum<br />
für Europäische Wirtschaftsforschung<br />
(ZEW) im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen<br />
nach.<br />
Das Ergebnis ist der<br />
»Länderindex Familienunternehmen«<br />
– eine vergleichende<br />
Analyse bedeutsamer<br />
Standortkriterien. Trauriges Ergebnis<br />
des Länderindex anno 2016: Elf der untersuchten<br />
18 Indus triestaaten schneiden besser<br />
ab als Deutschland. Die besser positionierten<br />
Standorte sind, neben den USA, vor<br />
allem kleinere Staaten West- und Nordeuropas<br />
(wie die Schweiz, Finnland und Dänemark).<br />
2016 weist übrigens erstmals auch<br />
der östliche Nachbar Tschechien bessere<br />
Standortqualitäten auf als Deutschland.<br />
Bei einem differenzierten Blick fällt auf,<br />
dass Deutschland über die Jahre in einigen<br />
Bereichen durchaus nennenswerte Fortschritte<br />
erzielt hat: z. B. bei den Finanzierungsbedingungen<br />
– wozu allerdings Sonderfaktoren<br />
wie Niedrigzinsen beigetragen<br />
haben, die die öffentlichen Haushalte sowie<br />
die sozialen Sicherungssysteme kräftig entlasteten<br />
– oder auch im Bereich der Produktund<br />
Arbeitsmarktregulierung. In anderen<br />
Disziplinen konstatieren die Autoren des<br />
Länderindex indes Stagnation oder allmähliche<br />
Verschlechterungen, z. B. bei Steuern.<br />
»Die positiven Folgen der Unternehmenssteuerreform<br />
2008 für die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit<br />
sind schon längere Zeit<br />
durch die seitdem zu beobachtende Passivität<br />
der deutschen Steuerpolitik und die<br />
handlungsfähigeren Nachbarn erodiert«,<br />
»<br />
Deutschland ist ein guter Standort für Familienunternehmen,<br />
darf aber seine Vorteile nicht verspielen.<br />
heißt es in der Untersuchung. Auch der<br />
Sachverständigenrat stellt in seinem Jahresgutachten<br />
2016/17 fest, dass die Bundesregierung<br />
»die gute ökonomische Entwicklung<br />
der vergangenen Jahre nicht ausreichend<br />
für Reformen genutzt hat.« Im Zuge<br />
der bereits novellierten Erbschaftssteuer,<br />
die für Familienunternehmen einige Veränderungen<br />
mit sich bringen wird, könnte<br />
Deutschland nach Ansicht der Stiftung Fa -<br />
milienunternehmen im Steuer-Ranking noch<br />
weiter abfallen. Dass die Arbeitskosten hierzulande<br />
steigen, hält das ZEW angesichts<br />
der hohen außenwirtschaftlichen Überschüsse<br />
und der Ungleichgewichte in der<br />
Eurozone für nahezu unvermeidbar. Ärgerlicher<br />
ist da sicherlich, dass Deutschland im<br />
Bereich Infrastruktur und Energie auf hin tere<br />
Plätze im Länderindex abonniert ist. Zu denken<br />
gibt auch die nur mittelmäßige Positionierung<br />
im Bereich der Bildung, zumal die<br />
großen Herausforderungen in diesem Be -<br />
reich erst noch bevorstehen, wenn es gilt,<br />
die Flüchtlinge zu qualifizieren.<br />
Die Stiftung Familienunternehmen ist be -<br />
sorgt, dass gegenwärtige politische Entscheidungen<br />
die ordentliche Position Deutschlands<br />
in den Bereichen Finanzierungsbedingungen<br />
und Regulierung wieder verschlechtern<br />
könnten – und ist damit auf einer Linie<br />
mit dem Sachverständigenrat. So sei das<br />
geplante neue Zeitarbeitsgesetz nach dem<br />
Mindestlohn das nächste Beispiel für ein<br />
Mehr an regulativen Lasten. Und die gute<br />
Finanzierungssituation der öffentlichen<br />
Haushalte und sozialen Sicherungssysteme<br />
werde durch eine Reihe bereits beschlossener<br />
oder diskutierter Leistungsausweitungen<br />
bei Rente, Gesundheit und Pflege in Frage<br />
gestellt.<br />
Der Länderindex ist ein Weckruf für alle,<br />
die meinen, Deutschland sei als Standort<br />
für deutsche Familienunternehmen nahezu<br />
konkurrenzlos. Aber das Ranking sollte auch<br />
nicht überbewertet werden. Mit Luxemburg<br />
nimmt ein Land die Spitzenposition ein, das<br />
aufgrund seiner geringen Größe und seiner<br />
stark dienstleistungsorientierten Struktur für<br />
gewerblich ausgerichtete Unternehmen<br />
nicht mit größeren EU-Mitgliedstaaten vergleichbar<br />
ist. Und das gute Abschneiden von<br />
Großbritannien auf Platz zwei ist kaum mehr<br />
als eine Momentaufnahme. Nach dem Brexit<br />
wird die Attraktivität als Investitionsstandort<br />
zumindest für eine Übergangszeit stark<br />
beeinträchtigt. Wenn England die EU verlässt,<br />
wird dies der Studie zufolge sehr stark<br />
kleine europäische Volkswirtschaften wie<br />
die Schweiz, Belgien und die Niederlande<br />
treffen – und damit voraussichtlich auch<br />
Standortfaktoren negativ beeinflussen.<br />
Dagegen ist ein größeres Land wie Deutschland,<br />
trotz seiner starken Ex portorientierung,<br />
weniger anfällig. Das mindert das Risiko.<br />
Es bleibt somit dabei: Deutschland ist ein<br />
guter Standort für Familienunternehmen,<br />
aber es muss aufpassen, seine Vorteile nicht<br />
zu verspielen. ber<br />
(sm 170304598) K<br />
<strong>stahlmarkt</strong> <strong>3.2017</strong>