als Datei - Freie Waldorfschule Heidelberg
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60 Leben Le L be ben n un uund d Le Lern Lernen rn rnen en<br />
Alles eine Frage der Selbstorganisation<br />
Betriebspraktikum – Hinaustreten aus dem Schutzraum des Schulalltags<br />
Der Nutzen eines Betriebspraktikums lässt sich<br />
doch leicht begründen, sollte man meinen. Angefangen<br />
damit, dass wir „ vom Leben lernen“ bis zu<br />
Fragen der Selbstorganisation „ Wie schaffe ich es,<br />
drei Wochen lang jeden Morgen um 5 Uhr aufzustehen<br />
und dann acht Stunden stehend Bleche in<br />
einer Bäckerei zu säubern“, enthält ein Betriebspraktikum<br />
alles, was einen jungen Menschen zu<br />
einer ersten ernsthaften Begegnung mit der<br />
Arbeitswelt und dem Arbeitsalltag von Erwachsenen<br />
führt. Kein Wunder <strong>als</strong>o, dass diese Praktika<br />
schon lange Bestandteil von Lehrplänen für die<br />
9. und 10. Klasse an Staatsschulen sind. Sie sind<br />
vor allem in der Haupt- und Re<strong>als</strong>chule nicht mehr<br />
wegzudenken, weil hier Schülern, die bald eine<br />
Ausbildung machen oder einen Arbeitsplatz<br />
suchen, Möglichkeiten der Information und<br />
Praxiserprobung geboten werden.<br />
All das gilt natürlich auch für Waldorfschüler.<br />
Auch sie werden bald oder doch in absehbarer<br />
Zeit Auszubildende sein, auch in einigen von ihnen<br />
leben Fragen danach, welchen Beruf, ja welche<br />
Berufsrichtung für sie wohl die richtige sei.<br />
Einige machen sich darüber Gedanken schon in<br />
der 9., öfter in der 10. Klasse, beispielsweise wenn<br />
Fragen nach Haupt- oder Re<strong>als</strong>chulabschluss<br />
Schüler und Eltern bewegen. Für viele unserer<br />
Schüler aber ist durch die zwölfjährige Waldorfschulzeit<br />
diese Frage noch lange nicht auf der Tagesordnung<br />
und die Auseinandersetzung mit<br />
Ausbildung, Beruf, Arbeitswelt, Leistung und Motivation<br />
in Hinblick auf einen bestimmten Abschluss<br />
noch völlig zweitrangig. Das ist gut so,<br />
könnte man sagen, denn die Schüler sollen noch<br />
frei von Einschränkung lernen und im geschützten<br />
Rahmen der Schule Bildung und ihrer Entwicklung<br />
angemessenes und förderliches Wissen erwerben.<br />
Warum <strong>als</strong>o Schulzeit opfern für eine Zeit im Betrieb,<br />
in der Schüler nur die Einschränkungen und<br />
Verengungen des spezialisierten Arbeitsvorgangs<br />
erleben, Pseudoalltagserfahrungen machen und<br />
dann ins sichere Nest (hinter die Schulbank) zurückkehren?<br />
Was kann ein Betriebspraktikum über<br />
dieses Hineinschnuppern hinaus leisten? Warum<br />
ist es gerade in der 9. Klasse, besser 10. Klasse ein<br />
großer Gewinn, der weit über die üblichen positiven<br />
Aspekte des Kennenlernens von Arbeitswelt<br />
hinausgeht?<br />
Das Hinaustreten aus dem Schutzraum des Schulalltages,<br />
das Abstreifen des Gewohnten im Tagesablauf,<br />
im Verhalten in der Gemeinschaft und das<br />
sich Bewähren in einer neuen Kommunikationssituation<br />
über einen Zeitraum von mehreren<br />
Wochen stellt in diesem Alter für manchen eine<br />
große Herausforderung dar.<br />
„Werde ich den Anforderungen gerecht werden?<br />
Nehmen mich die Kollegen freundlich auf? Werde<br />
ich mich zurechtfi nden? Werde ich pünktlich sein<br />
können? Was geschieht, wenn ich versage?<br />
Diese Fragen wecken auf, beunruhigen, machen<br />
wach in einer Zeit, in der man manches verschläft,<br />
weil man auf die soziale Hülle des Schulorganismus<br />
vertraut und auf die Nachsicht von Mitschülern,<br />
Lehrern und Eltern baut.