139-173_Orpund - DigiBern
139-173_Orpund - DigiBern
139-173_Orpund - DigiBern
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
ORPUND<br />
Die Gemeinde östlich von Biel-Mett erstreckt sich<br />
vom Nidau–Büren-Kanal bis hinauf auf die Mitte des<br />
Büttenbergs. Grossbrände des 19. Jh., bäuerlich-gewerbliche<br />
Entwicklung, teilweise Wandlung zum<br />
Vorort, dann eine mässige Industrialisierung brachten<br />
die Durchmischung von Bauarten und Bautypen<br />
hervor. Mit dem Klosterbezirk Gottstatt besitzt die<br />
Ortschaft ein wohl erhaltenes, landschaftlich eingebettetes<br />
Ensemble und ein Hauptmonument der Region.<br />
Nebst den zahlreichen, in der Juragewässerkorrektionszeit<br />
gehobenen Objekten ergaben sich im<br />
Moos- und Waldgebiet Streufunde von der Jungstein-<br />
und Bronzezeit an, ferner weiss man von latènezeitlichen<br />
Gräbern. 1 Beim unerklärten Ortsnamen<br />
dürfte es sich um eine romanische Bildung handeln.<br />
2<br />
Die mittelalterliche Pfarrei Büttenberg (S. 180)<br />
umfasste wohl bereits wie die reformatorische<br />
<strong>139</strong><br />
Kirchhöre Gottstatt die Dorfschaften <strong>Orpund</strong>, Safnern,<br />
Scheuren. Jedoch, wie jedenfalls seit Anfang<br />
15. Jh. belegt, gehörte das Gros des Ortes («halb <strong>Orpund</strong>»,<br />
«<strong>Orpund</strong> äusserer Teil», «<strong>Orpund</strong>-Mettseite»)<br />
bis 1864 zur Kirchhöre Mett. 3 Die namentlich hinsichtlich<br />
Zehnten wichtige March verlief anscheinend<br />
in der Strassenmitte durch den Hohlenweg bis<br />
in die heutige Hauptstrasse, bog vor dem alten<br />
Schulhaus (Nr. 201) zihlwärts ab und erreichte quer<br />
durch ein Doppelhaus einen Schiffsanlegeplatz.<br />
Ostwärts sprach man – offensichtlich von Gottstatt<br />
aus gesehen – von «<strong>Orpund</strong> innerer Teil». Beide<br />
Ortshälften bildeten zusammen eine Dorfgemeinde<br />
(wie Zilwil), nach der im vorgerückten 18. Jh. festgehaltenen<br />
Einteilung der «Grafschaft» im Viertel<br />
Scheuren. Das Moos innerhalb des einstigen Zihlbogens<br />
Zilwil–<strong>Orpund</strong>–Gottstatt 4 war bis zum Kanalbau<br />
als Allmend Teil der Gemeinde Schwadernau.<br />
176<br />
<strong>Orpund</strong>. Blick von der Ziegelmatte zihlaufwärts. Federskizze von Johann Joseph Hartmann, um 1800? MSch (Pl/BiD 7a).
140 ORPUND/GOTTSTATT<br />
Uhrmacherei war um 1860 präsent. Aus der weit<br />
zurückreichenden Schmiede ging 1916 eine Sägenund<br />
Maschinenfabrik hervor, ähnliche Betriebe folgten,<br />
so 1940 eine Juweliersägenfabrik. 5<br />
GEMEINDEWAPPEN<br />
In Rot ein goldener Flösserhaken, gekreuzt mit einem<br />
goldenen Ruder. 6 1924 lehnte die Gemeinde einen Vorschlag<br />
mit zwei gekreuzten Rudern ab; es sei eine Skizze<br />
vorhanden, neben dem Ruder wünschte man zunächst einen<br />
Schifferstachel («Chräiel», «Chräbel»), dann aber einen<br />
Flösserhaken. Anlass zur Bereinigung gaben ohne Zweifel<br />
die Wappenreliefs an den Schulhaus-Türstürzen.<br />
SIEDLUNGSGESCHICHTE<br />
UND ORTSGESTALT<br />
Es bleibt Spekulation, ob die Klostergründung<br />
auf die erwähnten territorialen Zuordnungen Einfluss<br />
hatte. Wahrscheinlich ist jedenfalls, dass sich<br />
die Ortschaft erst nach dem Erstarken der Abtei ostwärts<br />
entwickelte. Der Zihlbogen, heute noch am<br />
Verlauf der Brüggstrasse ablesbar, führte hart am<br />
Dorfkern vorbei, wo es vier bis fünf Anlegestellen<br />
gab. Dieser rückte mit dem Kanalbau vom Element<br />
Wasser ab.<br />
Nach OHM 1808 7 lagen die «vielleicht 40 Häuser»<br />
des Dorfes «so zerstreut, dass es sich eine halbe<br />
Stunde ausdehnt». Auch am Hohlenweg senkrecht<br />
zum Büttenberghang hatte unten dichte, weiter<br />
oben lockere Bebauung damals bereits eingesetzt.<br />
Die alten Binnenmatten sind teilweise noch erhalten.<br />
Bei derjenigen östlich des alten Schulhauses<br />
(Nr. 201) ist nicht ausgemacht, wann sich gegenüber<br />
dem Plan von 1785/86 der Bestand lichtete, vielleicht<br />
mit den Brandfällen von 1868.<br />
Am 8.5.1778 8 brannten acht Häuser (von sieben<br />
Besitzern) ab; der Landvogt liess einen Plan zeichnen,<br />
um diese «bey wieder aufbauung beßer aus einander<br />
zusetzen». Tief herabreichende Vollwalmdächer,<br />
Strohdächer und Doppelhausprinzip herrschten<br />
noch vor, als am 24.2.1868 drei Wohngebäude,<br />
am 28.6.1868 9 vom Schulhaus westwärts 26 Häuser,<br />
insgesamt über 30 Firste verbrannten. Von der Brandstifterin<br />
in einem Haus am Gässli hiess es, sie hätte<br />
eben lieber auf der Anhöhe wohnen wollen. Sogleich<br />
tauchte der Gedanke einer Strassenkorrektion zwischen<br />
Hohlenweg und Breitenrain West auf; die Gemeinde<br />
erwarb Landabschnitte und Hausplätze, teils<br />
durch Expropriation. Das Abschnüren hangseitiger<br />
Wege hatte neue Schrägmündungen und Strassendreiecke<br />
zur Folge. Die Stellung mehrerer Bauten<br />
zwischen dem alten Schulhaus und Breitenrain erinnert<br />
noch an den früheren, «zusammengewürfelten»<br />
Dorfplan. Tief greifende Veränderungen fielen<br />
zeitlich zusammen: Damals begann der Kanalbau.<br />
177–178<br />
<strong>Orpund</strong> 1:25 000. Topographischer Atlas 1876 und Landeskarte 2000.<br />
Statistikauszug inkl. Mettseite und Zilwil: 1764 45 Feuerstätten. – 1798 57 bewohnte Häuser, 24 übrige Gebäude. –<br />
1850er Jahre 71 Wohnhäuser (darunter wohl 4 Doppelhäuser, 1 Wohnstock, 3 Wohnstöckli), 11 Ofenhäuser, 4 Speicher,<br />
1 Schmiede. – 1900 87 bewohnte Gebäude, 1941 143, 1950 164, 1970 323, 1990 492, 2000 542.
179 –180<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Pfarrhaus. Ausschnitt<br />
aus der Vedute von Karl Ludwig Zehender,<br />
1794 (wie Abb. 181, Pl/BiD 28).<br />
Situationsplan Gottstatt. 1:2500 (Gesamtlegende<br />
vgl. Faltblatt S. 409, dort<br />
generelle Erläuterungen). Starker<br />
Strich: Baubestand 1785/1795. Grauraster:<br />
Baubestand 1871/1878. Etwas<br />
dunkler gerastert: Kirche und Konvent.<br />
Zwei hellere Rasterungen: Nidau–Büren-Kanal<br />
(Böschungen, Strassenbrücke),<br />
einstige Zihl (gestrichelte Begleitung,<br />
Inseli, Fährschiffandeutung).<br />
Gartenanlagen: 1795.<br />
1 Pfarrhaus.<br />
2 Gemeindehaus<br />
(«neues Kornhaus», «Waisenhaus»).<br />
3 Bauernhaus Gottstattstrasse 24.<br />
a Brückenzufahrt Scheuren<br />
um 1925.<br />
b Einstige «Schwelli» (Landeplatz)<br />
und Klosterscheune.<br />
c Klosterseitige Fährstelle.<br />
d Einstiger Landeplatz.<br />
e «Metzg», «alte Mühle».<br />
f Haberhaus oder Remise.<br />
g Scheune, später Bauernhaus;<br />
zihlseitig ehem. Pfarrgarten.<br />
h Ehem. Friedhof.<br />
i Tulpenbaum.<br />
k Ziegelmatt oder -äcker.<br />
l Einstiger Abkürzungsweg<br />
zur Bürenstrasse.<br />
w Weiher.<br />
SIEDLUNGSGESCHICHTE UND ORTSGESTALT 141<br />
Hauptstrasse<br />
Gottstattstrasse<br />
N<br />
0 50 m<br />
Scheuren
142 ORPUND/GOTTSTATT<br />
Ein isolierter Wohnstock auf der Breiten (spätes<br />
18. Jh.) und der hölzerne, strohgedeckte Gemeindespittel<br />
(erbaut 1807/1818, stillgelegt 1872) lassen<br />
sich bis jetzt nicht lokalisieren. 1952 sollen noch drei<br />
Bauernhäuser aus der Zeit um 1820 von Zimmermeister<br />
PETER ANTENEN mit beschrifteten Tennstorstürzen<br />
und Bügen bestanden haben. Um 1890/1910<br />
kamen «städtische» Einzelbauten auf. 10<br />
Zur ab etwa 1960 intensiven Bautätigkeit gehören<br />
auch diverse öffentliche und gewerbliche Anlagen<br />
im einstigen Zihlbogen (Bifangstrasse usw.).<br />
Einiger Freiraum, Kirchturm und heutiges Gemeindehaus<br />
machen Gottstatt von weitem kenntlich.<br />
GOTTSTATT<br />
Dank Kirche, Kirchgemeindehaus und -name,<br />
Verwaltungssitz der Einwohnergemeinde (im ehemaligen<br />
Kornhaus des Landvogts) und Pfarrhaus besteht<br />
der Charakter als zentraler Ort weiter. Ziegelmatte<br />
und Pfrundmatte schaffen etwas Distanz zum<br />
modernisierten Strassendorf, gegen Osten und teils<br />
auch gegen Westen dehnt sich Kulturland aus.<br />
Der heutige Nidau–Büren-Kanal lässt die einstige<br />
Situation am Wasserweg noch ahnen. In überschwemmungsgefährdetem<br />
Gebiet stand die Gebäudegruppe<br />
neben dem östlichen Knie einer markanten<br />
Flussschlaufe (nicht auf einer Halbinsel, wie<br />
man oft liest), das Kloster selbst erhöht auf hartem<br />
Felssporn 3–4 m über der Zihl. An dieser Stelle verläuft<br />
ein Molassefelsband vom Büttenberg gegen Süden.<br />
11 Hier waren auch eingetiefte Keller möglich.<br />
Trinkwasser liess sich vom Hang oberhalb des Dorfes<br />
leicht zuleiten.<br />
Der ummauerte ehemalige Totenhof nördlich der<br />
Kirche entstand sicherlich bald nach der Reformation;<br />
vielleicht ging er aus einem bestehenden Laienfriedhof<br />
hervor; Klosterherren und sonst Privilegierte<br />
waren ohne Zweifel im Kreuzgang, im Hof,<br />
gegebenenfalls in der Kirche bestattet worden, Laien<br />
vielleicht auch aussenher. 12 Das teilweise stark aufgeschüttete<br />
Areal wurde im 18. Jh. und namentlich<br />
1868 vergrössert, aber 1883 durch den jetzigen<br />
Friedhof am Ortsrand Richtung Safnern ersetzt. 13<br />
Mehrere Kloster-Nebenbauten sind verschwunden<br />
(S. 168). Die letzte einschneidende Lockerung<br />
der Baugruppe trat ein mit dem Brand (10.12.1966)<br />
des um 1930 mit einem Ründi-Kreuzfirst versehenen<br />
Bauernhauses hart an der Strasse, der einstigen Landvogtsscheune.<br />
Beim Parkplatz ist übrig der mächtige<br />
Monolith-Brunnen mit klassizistischem Stock, wohl<br />
aus der Zeit der Zehender (ab 1807); Trog-Medailloninschrift<br />
unleserlich. Hier lag zwischen Garten,<br />
Westflügel, Kirche, Scheune und Haberhaus oder<br />
Remise der «äussere Hof» im Gegensatz zum «inneren»,<br />
dem Klosterhof.<br />
Die Strassenführung Richtung Kanal stammt aus<br />
dessen Bauzeit. Parkplatz und Trottoirbau 1989/90.<br />
Der Bauernhof bei der Brücke befindet sich südlich<br />
der verschwundenen landvögtlichen Wirtschaftsbauten;<br />
das Haus (Gottstattstrasse 24) 14 geht auf eine<br />
Scheune der Burgergemeinde Biel von 1906 zurück,<br />
wurde in den 1920er Jahren ausgebaut und erhielt<br />
gegen Westen eine eigenwillige Frontgestaltung.<br />
Kanalbrücke. 15 Die einstige Zihl-Fährstelle lag etwas<br />
flussabwärts. Nachdem sich 1858 und 1898 Bauwünsche<br />
nicht hatten durchsetzen können (Safnern<br />
erhielt 1875 seine Flurbrücke), bestand weiterhin<br />
eine Fähre nach Scheuren (ab 1889/90 an einer<br />
Drahtleine, ein «Limmefahr»), bis am 11.7.1926 ein<br />
Sappeurübergang eingeweiht werden konnte: fünfjochige<br />
Holzkonstruktion auf Eichenpfählen, Spannweite<br />
83 m, Breite 3,3 m. Teilneubau 1956 (Entfernung<br />
der Hängewerke über den drei mittleren, breiteren<br />
Jochen). 1988 fünfjochiger, aufgebogener Betonverbund-Neubau<br />
auf Eisenpfeilern.<br />
EHEMALIGES KLOSTER<br />
UND REFORMIERTE KIRCHE<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. 16 Geschichte und Baugeschichte<br />
1247/1255 Rudolf I. von Neuenburg-Nidau<br />
übergibt den Ort dem Prämonstratenserorden<br />
zum Bau einer Abtei<br />
1295 Erwähnung des Kirchweihfests<br />
1314/15 Neubauten sind im Gang, 1345<br />
Neuweihe der Kirche<br />
1375 Guglerkrieg, Zerstörungen unbekannten<br />
Ausmasses<br />
1450er Jahre Südostrisalit-Helmdach<br />
1510er Jahre Kapitelsaal<br />
1528/1533 Reformation, Schaffnerei, Teilabbrüche,<br />
Aufhebung der Kirche<br />
Büttenberg, Predigt in Gottstatt<br />
Ab 1600 Bau des Kirchturms, oberstes<br />
Geschoss 1605<br />
<strong>173</strong>0, 1795 «Schloss»: neue Südbefensterung<br />
<strong>173</strong>8 Formelle Umwandlung der Schaffnerei<br />
in eine Landvogtei
EHEMALIGES KLOSTER UND REFORMIERTE KIRCHE 143<br />
181–183<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Lavierte Tuschzeichnung<br />
von Karl Ludwig Zehender, 1794,<br />
starker Ausschnitt. Vom südlichen Klostereingang<br />
führt ein Weg zur Scheurenfähre.<br />
Berner Wappen am Südostrisalit<br />
wohl noch in der Renovierung durch<br />
Samuel Herrmann <strong>173</strong>9/40. Weiterer<br />
Ausschnitt, Pfarrhaus: Abb. 179. BHM<br />
(Pl/BiD 28).<br />
Gottstatt von Südwesten. Aquarellierte<br />
Federzeichnung, 1. Drittel 19. Jh., Ausschnitt.<br />
Kunsthandel 2002 (vgl. Pl/BiD<br />
29 Schluss).<br />
Radierung von Johann Ludwig Nöthiger,<br />
1743, Exemplar mit handschriftlichen<br />
Einträgen. KKBS (Pl/BiD 25).
144 ORPUND/GOTTSTATT<br />
1759 Neues Kornhaus (heute Gemeindehaus)<br />
1769 Umbau des Südflügels, neue Hoffassade<br />
1777/1780 Pfarrhausneubau, Teilneubau des<br />
Kloster-Westflügels<br />
1807 Veräusserung der Domäne an Pfarrer<br />
Zehender, der ein Knabeninstitut<br />
eingerichtet hatte (bis 1833);<br />
1855: F.-L. Bovet<br />
1873–1919 Burgergemeinde Biel: Pfründeranstalt,<br />
Waisenhaus<br />
1919/1926 Besitzesaufteilung, Umbauten<br />
1905, 1955/56, 1965 Renovationen Kirche, Kapitelsaal,<br />
Turm<br />
1971/72, 1995/96 Einrichtung des Kirchgemeindehauses<br />
im Ostflügel<br />
GESCHICHTE<br />
Mittelalter. Urkundliche oder chronikalische Hinweise<br />
besagen häufig, dass Klostergründungen mehrerer<br />
Anläufe bedurften, bauliche Realisierung schleppend<br />
vorankam und ausreichende wirtschaftliche<br />
Dotierung sich erst nach längerer Zeit abrundete.<br />
Ein Muster hiefür ist auch die späte Stiftung Gottstatt.<br />
17 Im Einverständnis mit seinen Brüdern (v. Aarberg,<br />
v. Strassberg und Heinrich, Probst, später Bischof<br />
von Basel) übergab Rudolf I. von Neuenburg-<br />
Nidau 1247/48 dem Prämonstratenserorden den Ort<br />
Gottstatt, der früher «Stadholz» hiess, um dort oder<br />
in der Nähe eine Abtei zu bauen. 18 Der vom Stifter<br />
oder vor seinen Beratern festgeschriebene Name<br />
Gottstatt (Locus Dei), 19 «Gottes Stätte», bezeichnet<br />
einen Ort, an dem ein Gotteshaus (Kloster) steht. Es<br />
sollte ein Hauskloster werden. 20 Welche Einflüsse<br />
bei der Wahl des bedeutendsten Priesterordens regulierter<br />
Chorherren nach Augustinerregel wirksam<br />
waren, bleibt Spekulation: vielleicht wünschte es der<br />
Basler Bischof, vielleicht dachte man an Fontaine-<br />
André (La Coudre NE) 21 der welschneuenburgischen<br />
Vorfahren und Verwandten. Als Mutterkloster<br />
war zunächst Weissenau bei Ravensburg vorgesehen.<br />
Die Neuenburger kamen weit herum. Durch<br />
Rudolf I. allein wurde der Gründungsakt acht Jahre<br />
später zweimal wiederholt und die Unterstellung<br />
unter Bellelay stipuliert. 22 Die Örtlichkeit hiess jetzt<br />
«Stadau», 23 wiederum bestimmt zum Klosterbau «dort<br />
oder in der Nähe», mit den Wassern von <strong>Orpund</strong> bis<br />
Meienried als ausdrücklicher Zugehörde.<br />
Detailliertere Überlieferung war im 17. Jh. 24 noch<br />
lebendig; sie wirft Licht auf die zögernde Standort-<br />
wahl und die Ursprünge des Dörfchens Scheuren:<br />
«Als das Graff Rudolff von Nüwenburg Herr zu˚ Nydauw<br />
das Erdtrich zwüschen beiden wasseren, da Jetzunder<br />
Schüren stadt, dem Orden von Praemonstrentz<br />
für frey ledig eigen vergabet, Alda ein Abtey<br />
vfzurichten. Wyl aber das ort von den wasseren wegen<br />
nitt füglich wellen syn, haben sy das Closter vff<br />
die andere sytten gesetzt, da es Jetzunder ist, vnd<br />
ehnethalb Ire Schüren davon es denn nammen bekommen,<br />
gehept …».<br />
Die in der Historiographie des 18./19. Jh. aufgekommene<br />
Vorstellung einer ersten Niederlassung<br />
auf dem Büttenberg (Namen Klostermatte, Klosterhubel,<br />
Klosterhohlen, Staldholz, auch «Stadelholz»,<br />
«Stattholz», «Stadtholz», Interpretation der Kirchenoder<br />
auch der Burgruine als Klosterrest; S. 180f.) ist<br />
fallen zu lassen.<br />
Die Widmung 1247/48 an die Dreifaltigkeit, Maria<br />
und alle Heiligen ist wohl formelhaft zu verstehen.<br />
Patronin war Maria. 25<br />
Die neuenburgische Abtei Erlach (St. Johannsen)<br />
lag von Nidau ziemlich entfernt; die dortige Kastvogtei<br />
verblieb den beiden Hauptzweigen des Hauses<br />
gemeinsam. Nach dessen Teilung ging es Rudolf<br />
in einer letzten Phase hochmittelalterlichen Landesausbaus<br />
wohl darum, in einer «strukturschwachen<br />
Region» zwischen den Burgsitzen der Brüder einen<br />
Mittelpunkt zu schaffen an einer Nord-Süd-Verbindung<br />
26 unweit des Zusammenflusses von Zihl und<br />
Aare und der Strassenachse Murten–Aarberg–Solothurn.<br />
Wirtschaftliche Entfaltung von Gottstatt durch anderweitige<br />
Schenkungen («aliorum») erfolgte langsam,<br />
27 die Abtei blieb verhältnismässig bescheiden.<br />
Die nachfolgenden, vielbeschäftigten Nidauer waren<br />
kirchlichen Schenkungen unterschiedlich zugeneigt,<br />
hatten anderweitige «Prioritäten» (Stadt Nidau,<br />
Laupenkrieg) oder waren fehdelustig und prunkliebend.<br />
Rudolf III. verbriefte Zollprivilegien für die<br />
Weintransporte grosser Abteien, an deren Wasserroute<br />
Gottstatt lag (St. Urban LU 1322, Engelberg<br />
OW 1326, Fraubrunnen 1327). 28<br />
Das Kloster gelangte in den Besitz der Patronatsrechte<br />
29 der Kirchen von Bürglen, Kappelen (beide<br />
1247/48 und 1255; als Tochter von Bürglen dann<br />
auch Nidau bis 1482), Büttenberg (1258; bis 1533),<br />
Sutz (1289), Mett (1305), Dotzigen (1336; bis 1531),<br />
Täuffelen (1357), Arch, Selzach/SO (1368, zusammen<br />
anstelle einer erwogenen Übergabe von Grenchen;<br />
Selzach bis 1539). Burgrechte bestanden mit
Biel, Nidau, Solothurn, vermutlich auch mit Büren<br />
a.A. (Hausbesitz).<br />
Wie Fraubrunnen, St. Urban LU oder Fontaine-<br />
André NE erlitt Gottstatt im Guglerkrieg 1375 Besetzung<br />
und Verwüstung. Der einschneidende Rückschlag<br />
wird noch 1385 beklagt. 30 Die Bestattung des<br />
vor Büren gefallenen Rudolf IV. erfolgte nicht bei<br />
seinen Vätern, sondern in der Stiftskirche Neuenburg,<br />
31 wobei man auch beachtet, dass seine Frau<br />
Isabella von Welschneuenburg war. Gottstatt ging<br />
seiner Funktion als gräfliche Grablege verlustig,<br />
nachdem Rudolf noch in seinem Testament 1368 eine<br />
Garantie von 12 residierenden Chorherren (nebst<br />
dem Abt) angestrebt hatte. Rund hundert Jahre später<br />
wurde das Haus «mehr Landkapitel als Mönchskonvent»<br />
in einer Art Unterscheidung «innerer» und<br />
«äusserer» Chorherren (UTZ). 32<br />
Im 13. Jh. war neben der Bestimmung zum Begräbnisort<br />
noch offen gewesen, ob sich Gottstatt<br />
(1357 33 : «plantula») stärker in der Richtung Gutswirtschaft<br />
oder Pfarrdienste entwickeln würde. Mit den<br />
schliesslich neun bis zehn Kirchensätzen war dann<br />
letzteres der Fall. Landwirtschaft: Kolonisationsspielraum<br />
war in altbesiedelter Gegend begrenzt,<br />
ausser in Scheuren (Erblehen <strong>139</strong>8) und in Safnern<br />
sind keine Hofgüter bekannt, 1276 wird ein Acker<br />
innerhalb des Klosterzauns erwähnt, Laienbrüder<br />
(Konversen) kommen ein einziges Mal 1297 formelhaft<br />
vor 34 – man weiss also nicht, ob solche einmal<br />
eine wichtigere Rolle spielen sollten oder vorgesehen<br />
waren. Im Kornland hatte Mühlenwirtschaft einige<br />
Bedeutung.<br />
Als Nacherbin der Grafen von Neuenburg-Nidau<br />
gelangte Bern 1388/<strong>139</strong>3 in den Besitz der Kastvogtei,<br />
ausgeübt durch den Landvogt von Nidau.<br />
Wie andere Abteien wurde Gottstatt von der Stadt<br />
für wichtige Beitragsleistungen herangezogen. Unter<br />
den späten Äbten seien genannt Niklaus Krebs<br />
1478–1502/03, zuvor Kirchherr zu Sutz, Backsteinfliesenproduzent,<br />
und Konrad Meyer 1503/04 bis<br />
jedenfalls 1516, der Bau- und Ausstattungsfreudigkeit<br />
seiner Epoche teilte. 35<br />
Reformation. Für die damals sieben «Mönchspfarrer»<br />
verlief der Umbruch glimpflich. 36 Anfang<br />
Mai 1528 kam es kurz zu Bauernunruhen wie in Interlaken<br />
(jedenfalls sah es VALERIUS ANSHELM so),<br />
ein gutes Vierteljahr verspätet sollten Ende Mai die<br />
Altäre liquidiert werden, 1529 gelangten Abtstab,<br />
Kelche, Becher, Schalen in die Silberschmelze. 37 Der<br />
EHEMALIGES KLOSTER, GESCHICHTE 145<br />
letzte Abt, Konrad Schilling 38 aus Solothurn, einer<br />
der vier Präsidenten der Berner Disputation vom<br />
Januar, wurde obrigkeitlicher Klosterschaffner, baute<br />
1533 in Nidau ein Haus (S. 58) und ging wohl<br />
1538/39 als Pfarrer nach Twann.<br />
Mit der Klosterkirche in der Ebene und der alten<br />
Patronatskirche auf dem Büttenberg verfügte das<br />
Kirchspiel faktisch über zwei Kultorte, wahrscheinlich<br />
gab es vorübergehend auch beiderorts Predigt,<br />
bis der Kirchensatz Büttenberg 1533 formell aufgehoben<br />
und Gottstatt alleinige Predigtkirche wurde<br />
(S. 180).<br />
Neuzeit. 39 Administrativ hielt man die Rechts-,<br />
Wirtschafts- und Gebäudeeinheiten «Kloster» (Schaffnerei<br />
bzw. Landvogtei; später auch «Schloss») und<br />
Pfarrpfrund (Westflügel bis 1777) auseinander. Die<br />
1720/1726 einkünftemässig aufgebesserte Schaffnerei<br />
wurde <strong>173</strong>8 in eine Landvogtei dritter Klasse (wie<br />
Nidau) umgewandelt, doch führte der Schaffner<br />
oder Amtmann schon vorher oft den Titel «Vogt»,<br />
und Gottstatt, die bescheidenste unter den bernischen<br />
Klosterlandvogteien, erschien mit dem Neuenburgerschild<br />
in Ämterwappenreihen (S. 23, 146).<br />
Die hohen Gerichte lagen in Nidau. Die mittlere und<br />
niedere Gottstatt-Gerichtsbarkeit beschränkte sich<br />
auf die Ausdehnung des Klosterhofs und der Dominialgüter<br />
(1714).<br />
Unter den Amtleuten des 17. Jh. sind hervorzuheben<br />
der Glasmaler Hans Rudolf Lando 1626–1632<br />
und der Gartenkunde-Pionier Daniel Rhagor 1612–<br />
1620, der sich die milde klimatische Lage des Ortes<br />
für Versuche und Beobachtungen zunutze machte, 40<br />
wie später die agrarischen Zehender.<br />
1798 waren Plünderungsschäden beträchtlich. 41<br />
Die Nationalschaffnerei wurde 1801 in eine Nidauer<br />
Unterschaffnerei umgewandelt, deren Funktionen<br />
erst 1831 ganz erloschen. Verkaufsabsichten der helvetischen<br />
Regierung 1801 führten im Falle der Klosterdomäne<br />
zu keinem Erfolg. Diese wurde weiterhin<br />
Pfarrer Gottlieb Samuel Zehender verpachtet,<br />
der sie 1808 kaufte und hier ein Knabeninstitut führte.<br />
1855 gelangte Gottstatt zur Einrichtung einer<br />
Heimpension an den Neuenburger Arzt François-<br />
Louis Bovet, 1872/73 (diesmal samt dem Kornhaus)<br />
zu Anstaltszwecken an die Burgergemeinde Biel,<br />
1919/1922/1923/1926 wieder an Private. Sie nahmen<br />
Aufteilungen vor. Seit 1965 konnte die Kirchgemeinde<br />
nach und nach Abschnitte des Klosters erwerben.
146 ORPUND/GOTTSTATT<br />
184 –187<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Siegelbeispiele (alle StAB): links ein Abtssiegel von 1306 (Vorder- und Rückseite); rechts wie häufig<br />
gebräuchlich Konvents- und Abtssiegel nebeneinander, 1370.<br />
WAPPEN, SIEGEL<br />
Abtei- und Landvogteiwappen war der Nidauerschild<br />
(S. 23). 42 – Siegel. 43 Gegen 50 Belege, meist StAB. Konvents-<br />
und Abtssiegel nebeneinander bereits 1279 (FRB III<br />
Nr. 287). Konventssiegel (14./15. Jh.): sitzende Madonna.<br />
Abtsstempel, in der Regel ohne Name («S. ABBATIS ECCLE-<br />
SIE LOCI DEI»), wiederholt ausgewechselt; Bild: stehender<br />
Abt mit dem Stab, seit etwa 1370 auf Damast-Hintergrund.<br />
Vereinzelt ist ein kleines rückseitiges Siegel erhalten<br />
(Kontrasigill, 1306). – Schaffner, Landvögte: die jeweiligen<br />
Privatsiegel.<br />
FUNKTIONEN<br />
Die Begräbniskirche der drei Rudolfe (Standort und<br />
Form der Grablege sind völlig offen) diente auch Bestattungen<br />
von Ministerialen und Stadtbürgern; Jahrzeiten<br />
waren anscheinend zahlreich, Rudolf IV. testierte eine tägliche<br />
Seelenmesse. 44 1300 wird ein Schüler erwähnt. 45<br />
Nach der Reformation wurde das Laienhaus zur Predigtkirche.<br />
Almosnerei und Spendausteilung, insbesondere von<br />
Brotmütschen aus der Pfisterei im Nordflügel, wurden<br />
von den Schaffnern und Landvögten fortgeführt (1806:<br />
«das Schloss mit beiden Flügeln und Bekerey» im Norden<br />
des Hofes). 46 Sie betrieben eine umfangreiche Mattland-,<br />
Heu-, Kornzehnt- und Naturalzinswirtschaft, im 18. Jh.<br />
auch eine Küherei. Ihnen verblieb das Stubenrecht des<br />
Klosters; die Pinte47 befand sich im 17. Jh. sehr wahrscheinlich<br />
über der Kirchenvorhalle, ab 1780 bis zur Aufhebung<br />
1809 im nördlichen Westflügel.<br />
Anfänglich im Pfarrhaus, ab 1801 mietweise im «Schloss»<br />
führten der landesökonomisch interessierte Pfarrer Gottlieb<br />
Samuel Zehender (1756–1840) und sein Sohn Friedrich<br />
Emanuel (1791–1870), hervorragender Obstbaumzüchter,<br />
bis 1833 ein angesehenes Erziehungsinstitut, das<br />
Berner, Waadtländer, Neuenburger Patriziersöhnen und<br />
auch Ausländern eine Alternative zum liberalen Hofwil<br />
bot. 48 Hier war der später berühmte Physiker Georg Simon<br />
Ohm von 1806 bis 1811 Lehrer.<br />
Weniger weiss man über die Heiminstitution des Arztes<br />
François Louis Bovet ab 1855 und die burgerlichen Anstalten<br />
der Stadt Biel von 1873 bis in die 1910er Jahre, 49 im<br />
Kloster das Pfründerhaus, im «neuen» Kornhaus das Waisenhaus;<br />
Letzteres löste die Armenerziehungsanstalt im<br />
Berghaus bei Leubringen ab, die auf das Legat von Schultheiss<br />
Charles Neuhaus zurückging. Nach 1920 kam es zu<br />
aufgeteilten Wohnnutzungen, im Erdgeschoss des Westflügels<br />
auch zu landwirtschaftlichen Schlachthauseinrichtungen.<br />
Der Ostflügel dient seit 1972 als Kirchgemeindehaus.<br />
KLOSTER- UND SCHLOSSDOMÄNEN 50<br />
Streubesitz und recht umfangreiche Zehntrechte verteilten<br />
sich im Raum der Zihl, sonst im unteren Seeland<br />
und in der solothurnischen Nachbarschaft. Dazu gehörten<br />
Mühlen in Brüttelen (1256), Safnern (1295, nebst dem<br />
späteren Hof), Gottstatt und Brügg (1333, nebst Stampfen),<br />
Mett (1351), Hauseigentum in Biel, Vingelz, Alfermee,<br />
Nidau, Sutz, Büren a.A., Kappelen, Bern. Reben, begünstigt<br />
durch den kurzen Wasserweg, lagen in Alfermee,<br />
Tüscherz, Vingelz (bis 1801), Biel, im 14. Jh. auch in<br />
Neuenstadt. 1450 wurden Güter in Klosternähe arrondiert,<br />
wohl das späterhin erwähnte Mattland von sechs Mähdern<br />
auf der Ostseite. Äbte und Landvögte wussten ihre<br />
Fischenzen in der Zihl samt der Insel gegen die Dorfleute<br />
zu verteidigen. Dem Vogt verblieben ausser den Nebengebäuden<br />
im Westen auch die Scheune in Scheuren und<br />
der Hof in Safnern. Auch nach den Umwälzungen blieben<br />
Konvent und mehrere Nebengebäude in ein und derselben<br />
Hand bis 1919; das Kornhaus veräusserte der Staat<br />
erst 1872/73.
KIRCHE UND KONVENT<br />
ALS GANZES<br />
INTERPRETATIONEN UND FORSCHUNGEN:<br />
RÜCKBLICK<br />
Baugeschichtliche Zusammenfassung und Detaillierung<br />
(vgl. auch den Abschnitt «Rekonstruktionsfragen»)<br />
51 sind erschwert durch mannigfaltige, dokumentarisch<br />
nicht oder zu wenig genutzte Eingriffe<br />
der letzten 50 oder 150 Jahre in den meisten Teilen<br />
des Ensembles. Aus manchen Teilbefunden lassen<br />
sich vor weiteren allenfalls möglichen Untersuchungen<br />
bloss begrenzte Einblicke gewinnen.<br />
Man hat den Eindruck, dass RAHN 1881 (der die<br />
dann oft wiederholte Datierung der Kirche «um<br />
1295» nach dem Akt dieses Jahres ZEERLEDERS Urkundenbuch<br />
entnahm) das Äussere der Ostpartie<br />
aus irgendwelchen Gründen nicht besuchte. Für ihn<br />
war die Prämonstratenserkirche vierjochig, so dann<br />
auch für GANTNER, der sie unter einem anderen Gesichtspunkt<br />
zerstreuten Vergleichsbeispielen gerader,<br />
äusserlich nicht ausgeschiedener Chorschlüsse<br />
zur Seite stellt. Beide Autoren kannten ohne Zweifel<br />
Rüti ZH (ab 1208/um 1298). 52<br />
Die Handänderung 1919 veranlasste die Kunstaltertümerkommission<br />
zur Berichterstattung und zur<br />
Bekräftigung der 1909 erfolgten Unterschutzstellung<br />
des Kapitelsaals; das Technikum in Biel wurde beauftragt,<br />
«Pläne der gesamten einstigen Klosteranlage<br />
in ihrem jetzigen Zustande aufzunehmen» und «auf<br />
einem besonderen Plan den Versuch einer Rekonstruktion<br />
des ursprünglichen Klosters zu machen». 53<br />
1923 lancierte RAOUL NICOLAS im «Kleinen Bund» einen<br />
Aufruf zur Erhaltung, insbesondere des Kapitelsaals;<br />
eine grossrätliche Interpellation, der Staat<br />
möge den Komplex erwerben, wurde abgelehnt.<br />
1926 nahmen PAUL AESCHBACHER und sein Kreis<br />
– in erster Linie sollte es um Auffindung der gräflichen<br />
Grablege gehen – Sondierungen im Ostbereich<br />
der Kirche vor. 54 Sie sind praktisch nicht dokumentiert,<br />
obwohl Geometer BENDICHT MOSER beigezogen<br />
wurde, dessen Rekonstruktionsgrundriss und<br />
-isometrie Verbreitung fanden. Die angenommene<br />
Dreischiffigkeit, von ALFRED WYSS aus Anlass von<br />
Bellelay I/II schon 1960 bezweifelt, wurde seither<br />
ausreichend widerlegt.<br />
Eine weitere bevorstehende Handänderung des<br />
Ostflügels mit dem Kapitelsaal führte 1949/1952<br />
zur Gründung der Vereinigung «Pro Gottstatt» (bis<br />
KIRCHE UND KONVENT, INTERPRETATIONEN UND FORSCHUNGEN 147<br />
1985), 55 die auch dokumentarisch interessiert war.<br />
Erstmals ausreichend fotografiert wurde 1955/56<br />
(Kapitelsaal). Die Arbeiten von Architekt ALFRED<br />
SCHAETZLE in der Kirche 1965/66 waren mit Teilgrabungen<br />
verbunden.<br />
Die Sanierung des «Hof-Nordflügels» 1991, Treppenhausumbau<br />
und Liftinstallation im Osttrakt 1995<br />
gaben Anlass zu eigentlichen, allerdings sektoriellen<br />
archäologischen Erfassungen, über die PETER EG-<br />
GENBERGER berichtete; dazu erarbeitete GABRIELE<br />
KECK namentlich anhand der Bauskulptur Erwägungen<br />
zu Baugeschichte und Datierung der Kirche.<br />
2003 untersuchte URS BERTSCHINGER, unterstützt<br />
durch einige dendrochronologische Analysen HEINZ<br />
EGGERS, unberührte, bis jetzt übergangene Abschnitte,<br />
insbesondere den Estrich des Vorhallenbaus;<br />
über diesen ist man jetzt sehr genau unterrichtet,<br />
anderweitige Beobachtungen bleiben provisorisch.<br />
2003/04 nahm HANS-JÖRG GERBER eine<br />
technische Neuuntersuchung des Kapitelsaals und<br />
des Chors an die Hand.<br />
KATHRIN UTZ TREMP legte 2001/2003 in der «Helvetia<br />
Sacra» und in einem wichtigen Aufsatz historische<br />
Neuinterpretationen und einige bisher unbeachtete,<br />
baugeschichtlich relevante Schriftquellen vor.<br />
Die Vorliebe der Altertumsfreunde und Regionalhistoriker<br />
für den klosterzeitlichen Zustand führte<br />
vielfach zu wenig kritischer Übertragung bekannter<br />
Normen, etwa betreffend möglicher Raumfunktionen.<br />
56 Allenfalls aufschlussreichen nachreformatorischen<br />
Nachrichten ging man kaum nach. Die Amtsrechnungen<br />
der Vögte und Schaffner geben zahlreiche,<br />
allerdings vielfach wenig sicher lokalisierbare<br />
Bauteil- und Raumbezeichnungen. Die Privatbesitz-<br />
Zeitabschnitte seit 1808 bedeuten faktisch eine Archivquellenlücke.<br />
Gemeinde- und Kirchgemeindearchivalien<br />
setzen erst im 18. Jh. allmählich ein.<br />
BAUGESCHICHTLICHE HAUPTPHASEN<br />
1255 sollte der Bau, sobald genügend wirtschaftliche<br />
Mittel beieinander wären, unter dem Ratschlag<br />
der Äbte von Lac-de-Joux, Bellelay, Fontaine-André<br />
(aufgezählt in der Anciennitätsreihenfolge der Häuser)<br />
und des Stifters selbst verwirklicht werden,<br />
nach der dritten Gründungsurkunde unter dem Mutterkloster<br />
Bellelay allein. 57<br />
Der Kirchweihtag bzw. der damit verbundene<br />
Ablass werden 1295 erwähnt; 1300 wird das Grab<br />
Rudolfs I. genannt (verstorben 1258 oder kurz vor-
148 ORPUND/GOTTSTATT<br />
her). 58 Möglicherweise waren Fertigstellung und<br />
Ausstattung der Kirche in vielem noch behelfsmässig.<br />
1295 und bei nachfolgenden Nachrichten ist offen,<br />
ob Kirchen- oder Konventsbauten unterstützt<br />
werden sollten. 1314/15 59 lösen «bereits begonnene,<br />
umfangreiche Bauten» Ablassprivilegien aus. 1326/<br />
1333 steht der Steinmetz AYMO, Burger von Büren<br />
a.A., mit dem Kloster in Verbindung, 1333 treten<br />
Zimmermann SIMON, Steinmetz KONRAD sowie<br />
Meister BURKHARD, der Werkmeister von Bern, als<br />
Zeugen auf, 1343 wurden zwei Steinhauer aus Altreu<br />
SO, BURKHARD und JOHANNES, als Pfründer aufgenommen.<br />
60 Man kann daraus schliessen, dass immer<br />
noch oder wieder gebaut wurde; waren die Erwähnten<br />
teils Laienbrüder? Die Weihe der Kirche<br />
mit drei (nicht benannten) Altären erfolgte 1345. 61<br />
Ein Augustinusaltar kommt <strong>139</strong>8 vor. 62<br />
Der Ostflügel hatte jedenfalls im Norden einen<br />
Vorgängerbau. 63<br />
Isolierte Information: Der Keller des Kloster-Südostrisalits<br />
ergab dendrochronologische Daten um<br />
1370/1380. Gleicher Zeitraum: Im Nekrolog von<br />
Humilimont FR 64 erscheint die Jahrzeit des Gottstatter<br />
Abts «Johannes von Solothurn, der das Kloster<br />
dieses Ortes gebaut hat», aller Wahrscheinlichkeit<br />
nach Johannes Schoebinhut 1354–1381; «claustrum»<br />
bedeutet Kloster-Wohngebäude gesamthaft oder<br />
einzeln. 65 Ausmass und Lokalisierung der Zerstörungen<br />
und Beschädigungen im Guglerkrieg 1375<br />
(S. 145) sind nicht zu fassen; sie wurden anscheinend<br />
bis gegen 1385 behoben; eigentliche Brandschatzungen<br />
sind archäologisch bis jetzt nicht festgestellt.<br />
Nebengebäude befanden sich vielleicht<br />
wie späterhin westlich des Klostergevierts, und es<br />
wäre denkbar, dass vor allem auch diese betroffen<br />
waren. AESCHBACHERS Annahme ist unbelegbar, dass<br />
die Kirche besonders zu Schaden kam, eventuell<br />
sogar die Nidauer Grabstätten bereits damals verschwanden.<br />
Auch spätgotische Bautätigkeit verteilte sich über<br />
mehrere Jahrzehnte. Die Hölzer für das Südostrisalit-Helmdach<br />
wurden im Herbst/Winter 1452/53 gefällt.<br />
Fliesen mit dem Abtwappen Krebs 1486 fanden<br />
sich an diversen Stellen, namentlich auch im Kreuzgang,<br />
dessen nachträgliche Einwölbung (EGGEN-<br />
BERGER) in diesen Zeitraum fallen könnte. 1490 66<br />
stiftete Solothurn ein Glasgemälde von HANS NOLL<br />
«in das closter». 1505 67 beabsichtigte die Abtei, «im<br />
büttenberg an der halden» einen Steinbruch zu «suchen».<br />
Das Westportal der Kirche dürfte dem vorgerückten<br />
15. Jh. angehören, die Neugestaltung des<br />
Kapitelsaals folgte wohl in den 1510er Jahren.<br />
Die so genannte Klosterreformation 1533/34 bedeutete<br />
die Liquidation der nicht als Predigtorte benutzten<br />
Klosterkirchen und gleichzeitig der noch<br />
verbliebenen unnötigen Kapellen sowie der Beinhäuser;<br />
der Seckelmeister sollte «mitt dem werchmeyster<br />
In die clöster rytten vnd anschlachen was<br />
man nitt bedarf schlissen etc.». 68 Dadurch wurde<br />
zweifelsohne auch die Aufhebung der Büttenbergkirche<br />
ausgelöst. Im Gegensatz zu weitaus den meisten<br />
anderen säkularisierten Häusern blieb in Gottstatt<br />
dank der Nutzungskombination Schaffnerei,<br />
Kornwirtschaft, Pfarrpfrund, Kirche das ganze Klostergeviert<br />
bestehen, samt Kreuzgang. Hingegen erfuhr<br />
die auf das ehemalige Laienhaus verkürzte Kirche<br />
einschneidende Änderungen: sie verlor Querhaus<br />
und Chor, erhielt teilweise eine neue Befensterung<br />
und später einen Westturm. Dass zwischen<br />
jenen Abbrüchen und den Terrainaufschüttungen im<br />
Norden und Nordosten ein Zusammenhang bestanden<br />
hätte, ist Spekulation; Letztere können durchaus<br />
andere Gründe gehabt haben. Ob 1535/1537 69 «der<br />
buw» für über 1300 Pfund weitgehend Ufersicherung<br />
betraf («landtveste»), ist nicht auszumachen.<br />
Offen ist auch, ob der hofseitige Treppenturm in<br />
der Mitte des Südflügels (Abb. 183) auf einen spätgotischen<br />
Umbau oder ins nachreformatorische 16. Jh.<br />
zurückging; grössere «Reparationen» am «Schnegg»<br />
1617/18 70 deuten darauf hin, dass er bereits längere<br />
Zeit existierte. Um 1614/1620 erfolgten mehrere Neuund<br />
Umbauten; unter DANIEL HEINTZ II wurden im<br />
«Hof-Nordflügel» das Waschhaus und für die Spendenausteilung<br />
«an einem kumlichen Ort» die Pfisterei<br />
(Pfisterstube, Backofen) neu eingerichtet. Das<br />
Waschhaus wurde <strong>173</strong>0/31 wohl nachträglich eingewölbt.<br />
Annexe im Hof, dann auch aussen sind seit<br />
den 1700er Jahren belegt.<br />
Über den Südflügel, das «Schloss», urteilte NI-<br />
KLAUS SCHILTKNECHT 1728: 71 «dieses gebäüw wirt<br />
über zehen Jahre kaum mehr Halten mögen.» Nebst<br />
der Empfehlung, auf dem Estrich kein Korn mehr zu<br />
lagern, sah der erste Devis provisorische Massnahmen<br />
vor: Der «face gegen garten, von schlechter<br />
Construction, auch gantz krumm», sollte eine An-
schüttung die Fundament-Gefriergefahr minimieren.<br />
SCHILTKNECHT erstellte dann <strong>173</strong>0/31 72 den westlichen<br />
Abschnitt der Fassade unter Belassung von<br />
Erdgeschossöffnungen weitgehend neu («13 neüwe<br />
große Englische Fenster»); gleichzeitig wurden<br />
Wohn-, Venner- und Landvögtinnenstube ausgetäfert,<br />
teils wohl erstmals.<br />
Unter Landvogt Carl [Anton] von Gingins und<br />
Werkmeister NIKLAUS HEBLER kam es 1769/70 73 zum<br />
Teilneubau des Südtrakts: Abbruch des Schneggen,<br />
Umwandlung des Kreuzgangarms zum Wohnungs-<br />
Längskorridor, hinausversetzte neue Hoffassade,<br />
Einbezug des südlichen Westflügels, Dachanpassung,<br />
Innenausstattung, ausgiebige Gipserarbeiten<br />
(Kosten bei 5300 Pfund). 1793/1796 wurden wiederum<br />
grössere Reparationen notwendig. Plünderungsschäden<br />
1798: 74 «die Fenster sind beynahe alle<br />
zerschmettert, selbst die Einfassungen zerschlagen,<br />
die Tapezereyen abgerissen …» Nach den nicht<br />
näher bekannten Wiederherstellungsarbeiten schritt<br />
Gottlieb Samuel Zehender zu Modernisierungen<br />
und realisierte im Ostflügel Zimmereinbauten, die<br />
dortige Aufstockung ging aber wohl bereits weiter<br />
zurück (Dendrochronologie Dach-Südteil: Winter<br />
1805/06; Brandversicherungserhöhung: 1811).<br />
Ein zusammenhängendes baugeschichtliches Bild<br />
quer durch die nachklösterlichen Epochen ist über<br />
den Westflügel-Teil nördlich des Hofportals zu gewinnen<br />
(nach der Privatisierung in den 1920er Jahren<br />
Umbau zur bäuerlichen Wohnung und für gewerbliche<br />
Tätigkeiten eines Landwirtschaftsbetriebs;<br />
Erwerbung durch die Kirchgemeinde 2004). Die Verwendung<br />
des Erdgeschosses als Pfarrhaus 75 dürfte<br />
bald nach 1533 eingesetzt haben, während obrigkeitliche<br />
Kornhausräumlichkeiten im Oberbau (nach<br />
üblichem Gebrauch) wohl bereits in der Klosterzeit<br />
bestanden hatten. Der Neubau von 1618/1620 wurde<br />
1669/70 und 1675/76 verbessert. Das Pfrundhaus<br />
galt in den <strong>173</strong>0er Jahren als finster und klein, wurde<br />
aber 1747/48 nochmals instand gestellt. 1777 entstand<br />
das neue, frei stehende Pfarrhaus (S. 169).<br />
Das alte wurde 1780/81 76 durch einen sehr weit<br />
gehenden Neubau ersetzt (Zimmermeister JAKOB<br />
SPAREN, wohl Generalunternehmer; Kosten etwas<br />
über 1100 Kronen): im Erdgeschoss Trinkstube,<br />
Wasch- und Ofenhaus, im Obergeschoss Kornhaus<br />
– das «neue Kornhaus» von 1759 (Gemeindehaus,<br />
S. 168f.), Weiterbenutzung des alten im Ostflügel, improvisierte<br />
Lagerestriche scheinen bei Grossernten<br />
KIRCHE UND KONVENT, BAUGESCHICHTLICHE HAUPTPHASEN 149<br />
188<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt von Südosten. Foto 2003.<br />
immer noch nicht genügt zu haben. Gleichzeitig<br />
entstand die Kirchenvorhalle neu. Die wohl noch<br />
ins 16. Jh. hinaufreichende Pfrundscheune «nächst<br />
aussenher» verschwand, ebenso der ummauerte<br />
Garten Richtung Zihlbogen.<br />
Über die in erster Linie nutzungsbedingten baulichen<br />
Interventionen der Eigentümer des 19. Jh., 77<br />
unterdessen vielfach wieder gelöscht, ist man mangelhaft<br />
unterrichtet, ebenso über ihre weiteren Anund<br />
Hofeinbauten. Das Zehender’sche Institut war<br />
zur Hauptsache im «Schloss»-Flügel untergebracht:<br />
im Erdgeschoss Familienwohnung und Essstube, im<br />
Obergeschoss neun Zimmer, nämlich Lehrstube und<br />
aneinander grenzend je vier Zimmer für Lehrer und<br />
Knaben (1807 78 ).<br />
1926 nahmen die Gebrüder KÄSTLI, Bauunternehmer<br />
in Münchenbuchsee, die Aufteilung in drei<br />
Wohngebäude vor. Damals entstand in der Mitte des<br />
Ostflügels – vielleicht regte NÖTHIGERS Ansicht von<br />
1743 dazu an – ein heimatstilmässiger Turm, der<br />
nicht eine Wendeltreppe, sondern (eliminiert 1971/<br />
72) gerade Treppenläufe aufnahm. Der Südteil wurde<br />
in den 1950er bzw. 1970er Jahren mit anschlies-
150 ORPUND/GOTTSTATT<br />
0 10 m<br />
N
190<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt von Osten. Foto 2004.<br />
senden Partien des Ost- und des Westflügels zu drei<br />
zweigeschossigen Wohnungen eingerichtet. 1971/<br />
72 (Architekt ANDRÉ MEIER) und 1995/96 (MEIER,<br />
BACHOFNER, HÄCHLER ARCHITEKTEN) folgte der Umbau<br />
des Ostflügels zum Kirchgemeindehaus.<br />
REKONSTRUKTIONSFRAGEN<br />
Es ist auf die ältere Baugeschichte zurückzukommen.<br />
79 Bald nach 1528/1533, vielleicht wenig später,<br />
189<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kirche und Kloster bzw. Landvogtei.<br />
Erdgeschossplan 1:300.<br />
Nicht dargestellt: Hoftreppenturm Süd (bis 1769), diverse<br />
Einbauten 19. Jh. (im Hofraum: dünn gestrichelt),<br />
vorübergehende Hofbrunnenplatzierungen. Dick gestrichelt<br />
seitlich: einstige Vorbauten 18. Jh.<br />
Hauptsächlich 2. H. 13./1. H. 14. Jh., mit späteren<br />
Öffnungseinbauten<br />
Ausdehnung der einstigen Ostpartie der Kirche<br />
Ausdehnung des einstigen Kreuzgangs (Westen:<br />
unklar)<br />
Vorgerücktes 14. sowie 15. Jh.<br />
Spätmittelalter und 16./17. Jh., bis jetzt schlecht<br />
bestimmbar<br />
Kapitelsaal: 1510er Jahre<br />
Predigtkirche: Mitteldrittel 16. Jh.<br />
Turm: 1603/1605<br />
1741/42? (Westtor), 1769/70 (Süd), 1780/81<br />
(West), 1795/96 (Süd)<br />
1920er Jahre und seither<br />
KIRCHE UND KONVENT, REKONSTRUKTIONSFRAGEN 151<br />
wurden Querhaus und Chor abgebrochen. Der südliche<br />
Querhausarm ist durch die Arkade vom «Hof-<br />
Nordflügel» her bezeugt, der nördliche – seinerzeit<br />
vollendet oder nicht – bloss durch den entsprechenden<br />
Pfeilerstumpf an der Nordostecke der Kirche.<br />
Diese Chorpartie, ähnlich Bellelay I/II, lag etwa<br />
zwei Stufen über dem Langhaus. Im Unterschied zu<br />
RAHN und dann GANTNER, die den fragmentarischen<br />
Charakter der Kirche übergehen, sagt EDUARD V.<br />
RODT 1912 richtig und neutral: Gottstatt besteht<br />
noch aus vier Jochen und muss ursprünglich länger<br />
gewesen sein. AESCHBACHER ergrub Fundamente<br />
des südlichen Querhauses, nahm aufgrund äusserst<br />
vager Befunde ein polygonales Altarhaus an, ebenso<br />
ein nördliches Seitenschiff, da er den «Hof-Nordflügel»<br />
als wirkliches Seitenschiff vermutete. Das<br />
Altarhaus kann, mit dem Querhaus fluchtend oder<br />
ausspringend, gerade geschlossen gewesen sein<br />
(Bellelay I/II; Pfarrkirchen: Saint-Martin in St-Imier,<br />
Pieterlen, Kappelen, Radelfingen, Bürglen, sofern<br />
der Chor um 1622 zum mittelalterlichen analog).<br />
Es wurden auch Planungsphasen erwogen, die<br />
Flacheindeckungen vorsahen, doch gibt es dafür<br />
keine genügenden Anhaltspunkte. Über Turm oder<br />
Dachreiter (etwa über der Vierung) weiss man<br />
nichts.<br />
Höchstwahrscheinlich wurde ein südliches Seitenschiff<br />
begonnen, früh zugunsten der Einschiffigkeit<br />
aufgegeben und diente eine Zeit lang als eine
152 ORPUND/GOTTSTATT<br />
Art Korridor 80 unklarer Bestimmung; die Vermutung<br />
eines Konversengangs wie gelegentlich im prämonstratensischen<br />
Westen und häufig bei Zisterzen ist lokalhistorisch<br />
kaum zu stützen – in Anbetracht der<br />
Entfernung der Pfarrkirche Büttenberg könnte man<br />
sonst an einen Laiengang denken, der von unbekanntem<br />
Zeitpunkt an nicht mehr benutzt wurde.<br />
Der eigenartige Bauteil, den man «Hof-Nordflügel»<br />
nennen kann (EGGENBERGER verwendet aus typologischen<br />
Herleitungserwägungen den Ausdruck<br />
«Korridor»), wurde dann für allerlei Nebenräume unterteilt,<br />
vielleicht auch solche gewerblicher Art. Zwei<br />
wichtige Feststellungen: Spuren von Arkaturen fehlen;<br />
es bestanden Tuff-Strebepfeiler 81 wie an der<br />
Nordflanke.<br />
191–192<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Klosterhof und<br />
Kirche. Foto 2004. – Klosterhof:<br />
Landvogtei-Südflügel, Mitteleingangsachse,<br />
1769/70. Foto 2003.<br />
Die Kirche besass bis ins 15./16. Jh. über dem Eingang<br />
ein stattliches Westfenster.<br />
Erwähnte archivalische Bauhinweise, Anomalien,<br />
ungeklärte Punkte (Unregelmässigkeiten im Nordosten<br />
und beim erhaltenen Querhausbogen, Sakristeierschliessung,<br />
kein südliches Hochfenster im<br />
Emporenbereich) deuten auf langen Bauvorgang,<br />
Absichtsänderungen, vielleicht auch auf Wiederaufbauverzichte<br />
nach dem Guglerkrieg. So kann<br />
die Uneinheitlichkeit des Westflügels (Abb. 183)<br />
auf mehrere, auch landvögtliche Bauphasen zurückgehen.<br />
AESCHBACHERS Vermutung einer (zwar<br />
üblichen) Westpforte in der Flucht des Kreuzgangs<br />
scheint unnötig, die Lage des (erneuerten) Eingangs<br />
in der Flügelmitte ist dieselbe wie beispiels-
weise in Fraubrunnen (ab 1246) oder La Lance VD<br />
(ab 1320).<br />
Es ist mit einem Kreuzgang 82 von knapp 4 m Breite<br />
zu rechnen; zumindest unter der Pultdachabschleppung<br />
im Norden erhielt er spät ein sechsjochiges<br />
Kreuzrippengewölbe (vier Ansatzreste). 1926<br />
wurden vor dem Ostflügel «Pfeilerfundamente» beobachtet.<br />
Ost- und Nordarm bestanden im ausgehenden<br />
18. Jh. noch; der Westarm war bereits verschwunden,<br />
sofern man nicht die Ausnahmemöglichkeit<br />
eines bloss dreiseitigen Kreuzgangs in Betracht<br />
zieht.<br />
Das von BODMER 1704/1709 83 skizzierte, sonst<br />
nicht bezeugte Tor nördlich der Kirche oder an der<br />
engen Stelle zwischen Turm und einstiger Scheune<br />
ist glaubhaft oder könnte zutreffende Erinnerung<br />
gewesen sein.<br />
BAUSTOFFE<br />
Wasserwege begünstigten auch Baumaterialienbeschaffung.<br />
Namentlich die Amtsrechnungen ab 1560<br />
nennen: Holz von den Sägereien in Bözingen, aus<br />
Biel, Lengnau (wo auch Kalkstein und Kalk herkamen),<br />
Jurakalkstein vom linken Bielerseeufer, Tuff aus<br />
Leuzigen, Pieterlen, Sandstein vom Büttenberg (im<br />
Falle der Kapitelsaal-Kreuzgangfenster offensichtlich<br />
auch aus Bern), Kalk von Vauffelin, Ziegelware aus<br />
Biel, Nidau, Pieterlen, Ziegelried (Schüpfen).<br />
ZERSTREUTE STEINMETZARBEITEN<br />
Zwei Weinlaubkapitelle, aus der Ostpartie, 1904 oder<br />
1905 aufgefunden und laut Protokoll im Chor wieder eingemauert.<br />
84 – AESCHBACHER 1926/1928: 85 Fund eines<br />
Kreuzgang-«Eckschlusssteins», der in den Westflügel «gelangte»;<br />
Ost- oder Nordkreuzgang: «In der nordwestlichen<br />
und nordöstlichen Ecke sind, heute in verborgenen Winkeln,<br />
noch die Reste einstiger Ecksäulen mit Muschelornament<br />
und Abteiwappen zu erkennen» (Fächerrosetten<br />
deuten auf das 16. Jh.; der an Ort und Stelle erhaltene<br />
Dienst-Rest im Nordosten ist schmucklos); «einige Säulentrümmer<br />
vom Kreuzgang im Kapitelsaal aufbewahrt». –<br />
Zweifach gefalzter und gekehlter Gewölberippenanfänger<br />
der Nordostecke des Kreuzgangs in situ (Ostkorridor neben<br />
Aufgang und Lift). – Im Dachraum des Hof-Nordflügels<br />
aufgefundene Rippen- und Masswerkfragmente<br />
(ADB). 86 – Hoher Sturz mit Blendkielbogen und reliefiertem<br />
Stern, 87 vielleicht frühes 16. Jh. (wiederverwendet über<br />
dem Fenster des Hof-Nordflügel-Kellers West; Abb. 193). –<br />
Teil eines Kielbogen-Fenstersturzes, frühes 16. Jh. Neuenburgerstein<br />
(Ostfassade des Ostflügels, letztes EG-Schmalfenster<br />
rechts).<br />
KIRCHE, BAUGESCHICHTE 153<br />
FLIESEN- UND ZIEGELPRODUKTION<br />
Sie dürfte in den 1480er Jahren unter Abt Niklaus Krebs<br />
eingesetzt, aber kaum lange gedauert haben. 88 Die Einrichtungen<br />
standen wahrscheinlich im Nordwesten des<br />
Konvents (Ziegelmatte). Seit GERSTER 1916 werden der<br />
Hütte zu zahlreiche Stempel zugeschrieben; für Gottstatt<br />
als gesichert gelten können einzig ein Löwenmedaillon<br />
von 1491 und vier Varianten mit Krebs und Abtstab, besonders<br />
verbreitet diejenigen von 1485 und 1486. In Gottstatt<br />
selbst fanden sich gestempelte Tonplatten 1875<br />
(«früher») und 1916/1920 an diversen Stellen, insbesondere<br />
im Kreuzgangbereich Ost und in der Küche Südost,<br />
noch 1955 im Mittelgang der Kirche; heute sind welche<br />
im Kapitelsaal, im Ostraum neben der Kirche und vor<br />
dem Cheminée im Mittelsalon Südflügel 1. Stock mitverwendet.<br />
VERSCHIEDENE OBJEKTE<br />
Ofenkachel. BHM Inv. 21 766. – Zwei gotische Truhen-<br />
Schnappschlösser, evtl. aus der Kirche (?) Gottstatt. HSBi<br />
Inv. MS 202, 203. – Windfahne (Sonne/Mond), 19. Jh., auf<br />
dem Kirchturm ausgewechselt 1965. Kirchgemeindehaus.<br />
– Bedruckter Kornsack «Pfründeranstalt Gottstatt 1906».<br />
Kirchgemeindehaus.<br />
BILDERSTURM-ÜBERLIEFERUNGEN<br />
IN SOLOTHURN<br />
Angeblich aus Gottstatt stammende «Bilder» 1528 aus<br />
der Aare gerettet: Meister des Paradiesgärtleins, Madonna<br />
in den Erdbeeren, Tafelmalerei um 1425, aus dem Kloster<br />
St. Joseph. 145,5 × 87 cm. KM Solothurn Inv. A 32 (erworben<br />
1865). 89 Ungewiss; bei zwei weiteren Werken ist gottstattische<br />
Herkunft jedenfalls unwahrscheinlich: Mariae<br />
Tod, polychrom gefasstes Schnitzrelief, um 1525, Museum<br />
Blumenstein, dep. KM, MARTIN HOFFMANN zugeschrieben;<br />
monumentales Kruzifix, 90 1461, Höhe 4 m 70, Kapuzinerinnenkloster<br />
Nominis Jesu, ehemals St. Ursen, HANS<br />
TUSSMANN zugeschrieben.<br />
KIRCHE<br />
BAUGESCHICHTE<br />
Die Schriftquellen deuten an, dass nach dem<br />
zweiten Gründungsanlauf bald einmal eine Kirche<br />
zur Verfügung stand: Grab Rudolfs I. (wenn man<br />
Translation oder Kenotaph ausschliesst), Weihe vor<br />
1295. Abschluss, Bauunterbrüche, Ausbau der Gesamtanlage<br />
dauerten scheinbar bis in die 1330er Jahre.<br />
Nach häufigem Vorgang kann die Weihe 1345<br />
auch reichlich verspätet erfolgt sein.<br />
Mögliche Abfolge: um 1260, noch im Blick auf<br />
eine dreischiffige Kirche, Südquerhaus als proviso-
154 ORPUND/GOTTSTATT<br />
193<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Blendmasswerkfragment mit Stern,<br />
Nordwestecke des Klosterhofs. Foto 1967. – Text S. 153.<br />
rischer Chor, mit Westarkade (diese erhalten), dann<br />
zögernder Ostbau, Südwand-Baubeginn eines südlichen,<br />
wahrscheinlich gewölbt 91 gedachten Seitenschiffs,<br />
eventuell Absicht einer Doppelfunktion Seitenschiff/Kreuzgang;<br />
noch im 13. Jh. Fertigstellung<br />
einer Teilkirche, Verzicht auf eine Basilika; bald<br />
nach 1300 gewölbtes Langhaus, äussere Strebepfeiler,<br />
vielleicht verspäteter Einbau vorbereiteter Dienstkapitelle,<br />
Fertigstellung des «Hof-Nordflügels» («Korridor»),<br />
weil Südwand bereits weit fortgeschritten.<br />
Im vorgerückten 15. Jh. erfolgte der Einbau eines<br />
neuen Westportals; aus dieser Zeit stammte möglicherweise<br />
auch das 1955 auf der Südseite des<br />
Westjochs aufgedeckte Konsekrationskreuz. Eine<br />
erste, noch schmale Vorhalle entstand vielleicht<br />
vor oder kurz nach der Reformation; das Pultdach<br />
überdeckte das Westfenster.<br />
16./17. Jahrhundert. Wohl im Mitteldrittel des<br />
16. Jh. wurde der Friedhof um mehr als 1 m gehoben,<br />
das ehemalige Laienhaus als verkürzte Predigtkirche<br />
mit neuen Nordfenstern und dem heutigen<br />
Chorfenster versehen. Zerstreute Baudaten und<br />
-nachrichten des nachreformatorischen 16. Jh.: 92 an<br />
der West-Innenwand war 1955 vorübergehend die<br />
Jahreszahl 1567 sichtbar, 1588/89 verzeichnet der<br />
Schaffner Auslagen für die Überholung des Chordachs,<br />
von 1598 datiert die Kanzel.<br />
Als 1533 die Predigtkirche stipuliert wurde, war<br />
Unterhalt schlechthin durch die Gemeinde Bedingung,<br />
bei anderen Referenten ist von «irem teil» die<br />
Rede (S. 180). Obwohl der Schaffner in grösseren<br />
Zeitabständen kleinen Chorunterhalt finanzierte, 93<br />
berichtet PAGAN, dass in den gottstattischen Kirchen<br />
erst zwischen 1670 und 1680 (Variante: «1680») obrigkeitliche<br />
Chöre ausgeschieden («gebaut») worden<br />
seien 94 – in der Endepoche der Kirchenumwandlungen<br />
nach den Grundsätzen von ABRAHAM DÜNZ<br />
I. Damals dürfte die Chorstufe 95 entstanden sein.<br />
1686/87 wurde der Kalkputz erneuert und die «Kirchtüre<br />
an dem Chor» vermauert (unter Entfernung des<br />
Gewändes; grösser neu 1965/66), 1687/88 der Maler<br />
entschädigt, «die in der Kirche zum Closter gehörige<br />
Stüel mit bleiweisfarb anzeßtreichen Ihr g. Ehrenwappen<br />
daran zemachen».<br />
Diverse barocke Malereireste 96 konstatierte man<br />
1955.<br />
Turm von 1603/1605. 97 Ob und wo ein mittelalterlicher<br />
Turm bestand oder ob sich die Abtei mit einem<br />
Dachreiter begnügte, weiss man nicht. 1547 ist<br />
wenig klar von einem Turm und seinen Glocken die<br />
Rede (S. 160 zu Glocke 1) – handelte es sich um einen<br />
Dachreiter über Vierung/Altarhaus, also der<br />
staatlichen Chorzone, läge ein vager Hinweis auf<br />
den Zeitpunkt jenes Abbruchs vor. Jedenfalls benötigte<br />
die Predigtkirche ein ausreichendes Geläute<br />
(in der weiteren Region kamen auch ebenerdige,<br />
frei stehende Glockenstühle vor, S. 104).<br />
Die Errichtung des Turms aus einem Guss am<br />
neu gewählten, heutigen Standort 98 nördlich der<br />
Vorhalle übereck zur Kirche lässt sich – eigentliche<br />
Bauuntersuchung vorbehalten – nach Indizien, Teil-<br />
Dendrochronologie, staatlichen Archivnachrichten<br />
und Inschrifttafel (S. 156) umreissen: Gemeinde-<br />
Unternehmung der 1600er Jahre, 99 dabei Abbruch<br />
der Vorhallen-Nordwand oder Friedhofmauer, im<br />
2. Obergeschoss bereits Erstellung der Schallöffnungsnischen,<br />
aber noch keine Fertigstellung der<br />
Giebelwände; dieser Turm hätte die Kirche nur sehr<br />
knapp überragt und war ab Dezember 1604 auf obrigkeitliche<br />
Intervention und Kostenbestreitung<br />
(und Gemeinde-Unterhaltsüberbund) «vmb einn gemach<br />
Höcher vffürenn» und «in gebürlich nothwendig<br />
wesen stellen zelaßenn»; Umwandlung der vorbereiteten<br />
Schallöffnungsbreiten zu Schmalfenstern,<br />
Bodenniveauhebungen, über einem weiteren Wasserschlag<br />
hohes Glockengeschoss analog zu den
194<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kirchturm, Kirchenvorhalle, Kloster-Westflügel. Foto um 1990.<br />
unteren, Hinaufversetzung der vorbereiteten Schallöffnungseinfassungen<br />
(möglicherweise ergänzt, da<br />
in zwei Jurakalksteinarten) und der Gemeinde-Uhr.<br />
Die Erhöhungsinschrift 1605 (S. 156) ist also mit dem<br />
Turmbau überhaupt zeitlich fast gleichzusetzen. Die<br />
Obrigkeit übernahm den neuen Glockenstuhl, Böden<br />
und Treppen, schindelgedecktes Uhr-Vordächlein<br />
und -Gehäuse, Helmstange («Sternen vnd<br />
mon»), Verputz. Tuff beschaffte man von Leuzigen,<br />
«Läbergestein zu denn eggen» von Twann: Jurakalk<br />
wohl aus Wingreis, namentlich für die nötige<br />
Höherführung des 2. Obergeschosses.<br />
Gleichzeitig wurde der Vorbau verändert, wenig<br />
später verbreitert und in der Oberstube dekorativ<br />
ausgemalt.<br />
18./20. Jahrhundert. 1747/48 wurde ein neuer<br />
Abendmahlstisch angeschafft und der Taufstein versetzt;<br />
Letzterer erhielt ein «fein schwarz Holländisch<br />
Tuch»; hernach kam im Chor ein acht Schuh langer<br />
KIRCHE, BAUGESCHICHTE 155<br />
Lehnenstuhl hinzu. 100 1780/81 ersetzte man die Vorhalle<br />
(S. 149).<br />
1830 erstellte der einheimische Mechanikus AB-<br />
RAHAM RIHS auf einer neuen, höher gesetzten Empore<br />
die erste Orgel von acht Registern, welche 1889<br />
durch WEIGLE junior völlig erneuert und 1910 durch<br />
ZIMMERMANN ersetzt wurde. 101<br />
1883/84 (Übergang des Chors vom Staat an die<br />
Gemeinde) kam es zur Erneuerung des gesamten<br />
Aussenputzes. Im Chor wurden 1897/98 anstelle der<br />
Tonplatten des 16./17. Jh. Zementplättli verlegt, die<br />
Grabtafeln ausgebaut. 102 Gesamtrenovierung 1905: 103<br />
Experte HERMANN KASSER (wie schon 1897), Fallenlassen<br />
kostpieligerer Vorschläge EMANUEL JIRKA<br />
PROPPERS mit Rekonstruktionsgedanken und reicheren<br />
Ausmalungen. Aussenerneuerung 1942 ohne<br />
Südfassade. Anlässlich der Innenrenovierung<br />
1955/56 (Architekt PETER INDERMÜHLE; Münsterbauhütte<br />
Bern), 104 als auch diverse geringe Malereireste<br />
zum Vorschein kamen, wurde als erster Schritt
156 ORPUND/GOTTSTATT<br />
195<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kirche. Farbfassungen und Dekors<br />
von 1905 (bis 1955). Foto 1939.<br />
Richtung Gesamtrenovation nach damaliger Auffassung<br />
«der prächtige Sandstein hervorgeholt». 1965/<br />
66 105 Turmrestaurierung und weitere Teilmassnahmen<br />
im Inneren (Architekt ALFRED SCHAETZLE): vergrössernde<br />
Wiederöffnung der Chor-Südtüre, Tonplattenböden,<br />
Bänke, Ersatz des Chorgestühls mit<br />
niedrigeren Rückwänden, untere Turmtreppen, Änderung<br />
des Orgelemporenzugangs, Sitzungszimmer<br />
über der Vorhalle, Technik.<br />
Zustand 1905 –1955. Säulenvorlagen, Rippen, Schlusssteine,<br />
Gurten, Westportal waren im Sinne des Basler<br />
Sandsteins tiefrot bemalt und mit weissen, differenzierten<br />
Fugen, Filets, Kreuzblütenornamenten versehen, in Nachbildung<br />
106 von noch erkennbaren Malereiüberresten in<br />
der «Sakristei» (?). Bollenblättchen begleiteten die Rippen<br />
(auf ein Gewölbekappen-Blau war verzichtet worden).<br />
An der Chor-Ostwand Apostelkreuz-Rad. Der Chor-Plättliboden<br />
von 1897/98 verblieb bis 1965 (Variantenvorschlag<br />
1958: Sandsteinplatten). Herzblattfriese säumten<br />
die dunkel gefassten Balken der Gewölbekappen in der<br />
Vorhalle. Über dem Westportal waren die Jahreszahlen<br />
1247/1905/1528 aufgemalt.<br />
BESCHREIBUNG<br />
ÄUSSERES. Die spätbarocke Front der pultdachgedeckten<br />
Vorhalle («Vorkirche», 107 «Vorlaube») zwischen<br />
Turm und Kloster-Westflügel zeigt ein breites<br />
Portal, flankiert von zwei hochovalen Öffnungen<br />
und überhöht von drei Schmalfenstern.<br />
Der viergeschossige Käsbissenturm weist nachgotisch<br />
gefaste Öffnungen auf: Portal in der Kirchenvorhalle,<br />
achsiale Schlitzfenster, am überhohen<br />
Glockengeschoss gegen Norden und Süden Zwillings-Schallöffnungen,<br />
gegen Osten, ebenfalls spitzbogig,<br />
das Aufzugstor. In der Erscheinung trotz<br />
Etappierung aus einem Guss, zählt der Turm zu den<br />
ausgezeichneten, grosszügigen Jurakalk- und Tuffsteinarbeiten<br />
in der Region.<br />
Die Zifferblattplatzierung in den Giebeln ist jung.<br />
Nebst einer Sonnenuhr108 prangte die einzige Zeittafel<br />
auf der Westseite; davon zeugen noch die Achsöffnung,<br />
darüber das Konsolenpaar für das Klebdach<br />
und unter der verschwundenen Uhr die Jurakalksteintafel<br />
mit Inschrift: «ERHOCHT • VNDER • H<br />
• CRI/STIAN WILENDING BVWHER/VND DES • RATS<br />
DER STAT BERN/VND H DETRICH • BINTHEMER/<br />
DER ZIT VOGT ZV GOTST MDCV». Dietrich Bindhemmer<br />
war Schaffner von 1602 bis 1606.<br />
Nordfassade. Drei Tuff-Ziegelpultdach-Strebepfeiler<br />
(frontal mit Sockel-, Kaff- und Kranzgesims) aus<br />
der Hauptbauzeit der Kirche, ehemals gut 1 m tiefer<br />
hinabführend, beseiten vier Tuff-Spitzbogenfenster;<br />
109 Verputz oder Schlemmung entfernt. Einfachste<br />
Sandstein-Masswerkfüllungen – GABRIELE KECK argumentiert<br />
für eine Frühform statt der Vermutung<br />
nachreformatorisches 16. Jh. – sind für Zweilanzettigkeit<br />
konzipiert; hölzerne Mittelstützen bestanden<br />
bis 1904/05. Die beiden Abschlüsse rechts möglicherweise<br />
original, modern in Sandstein ersetzt die<br />
Bänke, der masswerklose Spitzbogenabschluss links<br />
(Chor) sowie das Masswerk nebenan. An der Nordund<br />
der Ostfassade in gegendiagonalem Kratzmuster<br />
strukturierter, «expressiver» Zementputz von 1942. 110<br />
Ostfassade. 111 Die nur im oberen Teil (seit 1904?)<br />
frei liegende Aussenseite des ehemaligen Vierungsbogens<br />
aus Tuff ist gekehlt und den Gurten im Schiff<br />
unähnlich – Hinweis auf eine Etappierung? Es könnte<br />
sich aber auch um eine Entlastungskonstruktion<br />
der reformatorischen Vermauerung handeln. In die-
ser öffnet sich das aussen doppelt, innen einfach gekehlte<br />
Sandstein-Chorfenster, beim Spitzbogenansatz<br />
«ohren-» oder «flügelartig» beseitet von zwei freigelegten,<br />
dreieckigen Elementen mit blendwerkartiger<br />
Vertiefung, ehemals über Lanzettstäben zu denken<br />
– offensichtlich (mit Ausnahme der Bank) als Ganzes<br />
Mittelteilspolie eines einst mindestens dreilanzettigen<br />
Fensters, 112 das, beinahe ausser Zweifel, vom abgebrochenen<br />
Chor herrühren dürfte (Abb. 197).<br />
Niedrige Reste der Vierungspfeiler sind als Eckvorlagen<br />
breitfasig zurechtgestutzt. Diejenige im<br />
Süden ist mit dem ebenfalls sandsteinernen, noch<br />
1920 vermauerten und seither bloss teilrestaurierten<br />
Querhausbogen gegen den «Hof-Nordflügel» verbunden.<br />
Der Spitzbogen mit breitem Steg zeigt zwei<br />
KIRCHE, BESCHREIBUNG 157<br />
196<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kirchturm von Nordosten.<br />
Gebäudeecke rechts: einstige Landvogtsscheune.<br />
– Foto 1965.<br />
generöse Kehlen, in denen sich die Säulenvorlagen<br />
(über «attischen» Basen und kantigen Plättchen 113)<br />
verschleifen; rechts, oben beschnitten, ist ein dünner<br />
Rundstab auf polygonaler Basis vorgestellt<br />
(Abb. 198).<br />
Hofseitig sitzen über dem niedrigen «Nordflügel»<br />
drei rundbogige, vom jetzigen Pultdach leicht überschnittene<br />
Hochfensterchen (ein viertes fehlt) 114 und<br />
bis vor die Chor-Ostmauer ein gekehltes, fragmentiertes<br />
Tuff-Kranzgesims; letzteres ist auf der Nordseite<br />
eliminiert.<br />
INNERES. In der Vorhalle mit heute tief sitzender<br />
Gewölbekappen-Balkendecke das nur leicht spitzbogige,<br />
stark restaurierte Hauptportal 115 mit zweifa-
158 ORPUND/GOTTSTATT<br />
197<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kirche, aussen, Ostfenster. Foto 2005.<br />
198<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kirche, aussen, Ost. Ehemaliger Bogen<br />
zum Südquerschiff, Bogenrest Altarhausseite: Basen.<br />
Foto 2005. – Text S. 157.<br />
cher Birnstabprofilierung und krallenartigem Profilaufstand,<br />
die doppelflüglige Türe mit 1905 kopiertem<br />
spätgotischem Strahlen-Beschläg und links über<br />
drei Stufen das massige, breit gefaste Rundbogenportal<br />
zum Turm.<br />
Auf dem Dachboden unter dem Pultdach sind<br />
vermutlich von der landvögtlichen Pintennutzung<br />
des 16./18. Jh. herrührende Wandmalereifragmente<br />
in ihrer oberen Partie verblieben: Arabesken, dann<br />
um 1610/1620 figürlich. Dort der oberste Teil des<br />
masswerklosen, eine Zeit lang der Abwitterung ausgesetzten<br />
einstigen Westfensters des Schiffs.<br />
Im Turminneren sieht man, dass nach der Erhöhungsverfügung<br />
von 1604 die vorgesehenen Bodenniveaus<br />
angehoben wurden, um zwischen Glockenund<br />
Läuterboden ein geeignetes Verhältnis zu erzielen;<br />
im 2. Obergeschoss ablesbar geblieben die von<br />
der Gemeinde begonnenen Schallöffnungsnischen<br />
(Baugeschichte).<br />
Fällzeit der Hölzer des liegenden Dachstuhls und<br />
der Bundbalken von Schiff und Chor: 1805/06. Archivnachrichten<br />
fehlen.<br />
Schiff und Chor: ehemaliges Laienhaus. Die vier<br />
heutigen Joche sind mit Kreuzrippengewölben versehen;<br />
sie ruhen auf massigen Halbsäulenpaaren<br />
mit Kapitellen 116 und schlicht abgefasten, unterschiedlich<br />
hohen Basen (rund 3,75 m, ehemals etwa<br />
4,25 m); im Westen stehen schlanke Runddienste,<br />
der Schildbogen Ost (heutiger Chor) ist bloss optisch:<br />
eine Sandsteinmalerei. Auf der Kelchform der<br />
Kapitelle mit Eckknollen sitzt eine mehrfache Profilierung.<br />
Der Sandstein ist gründlich zurückgearbeitet,<br />
teils kopierend ergänzt. Unberührt, d.h. immer<br />
noch mehrfach überstrichen sind die übereckgestellten,<br />
knollenlosen Eckkapitelle, 117 deren obere<br />
Partien aus dem Orgelemporenboden hervorlugen.<br />
Die schwerfälligen Gurten, Schildbögen und Rippen<br />
118 sind breit und verhältnismässig schwach gekehlt;<br />
sie könnten von Steinhauern stammen, die<br />
beispielsweise Turmchöre zu bauen gewohnt waren.<br />
Die kreisrunden Schlusssteine, 119 einst farbig<br />
gefasst, zeigen von Westen nach Osten: eine flächigere<br />
vier-, dann eine fleischige fünfblättrige Rose,<br />
Nidauer Wappen (vor der jetzigen Chorstufe), Wirbelrosette<br />
(im jetzigen Chor).<br />
Unter der Kanzeltreppe setzt die Chorstufe an.<br />
Chor und (wie schon zuvor) Mittelgang des Schiffs<br />
wurden (wie die Vorhalle 120 ) 1965/66 mit grossteils<br />
von anderwärts beschafften alten Tonplatten neu
elegt. Durch zwei unterschiedliche Eichensäulenpaare<br />
gestützte Empore mit massiver Brüstung ohne<br />
Zweifel 1830 zusammen mit der ersten Orgel.<br />
AUSSTATTUNG<br />
1955 wurden zerstreute Wandmalereireste 121 des<br />
15./18. Jh. festgestellt: ein Konsekrationskreuz, Fragment<br />
mit einem «Landsknecht» auf der Südseite des<br />
ersten Jochs, Jahreszahl 1567, schwarze bzw. rote<br />
Ornamente bei der Kanzel und oben beim Ostfenster<br />
(Vorhallenestrich: S. 158).<br />
Glasgemälde 122 von FERNANDO DELLA CHIESA,<br />
1942/43 und 1953. Aus Dickglas gehauene Mosaik-<br />
Betonverglasungen in Eisenrahmen ähnlich wie in<br />
der Kirche Madretsch. Chor: gegen Osten Christus<br />
als Guter Hirte und Licht der Welt, gegen Norden<br />
Kreuzigung. Schiff-Nordseite, von rechts nach links:<br />
Staatswappen, Evangelistensymbole des Johannes<br />
und Matthäus; Gemeindewappen (von oben nach<br />
unten <strong>Orpund</strong>, Safnern, Scheuren, zugeordnete dekorative<br />
Elemente aus Fischerei, Rebbau, Kornbau);<br />
auf der Orgelempore Pilger nach Psalm 121 (1953).<br />
Runder Taufstein 123 eher spät- oder nachgotisch<br />
als 13./14. Jh., aber «romanisierend», auf geschweiftem<br />
Fuss sicherlich des 19. Jh.<br />
Kanzel von 1598 (Abb. 205), 124 dreiseitig (ideell<br />
achteckig), Tanne, Formteile und Intarsien Eiche.<br />
«Spätgotische» Konsole mit feinen Rippen, als Abschluss<br />
schmale, liegende Diamanten. Am Korb<br />
Basis-Kassetten, Rundbogenfelder, ionische Säulen<br />
über Beschlägwerk-Sockeln, Attika («IESVS •/EIN •<br />
HEI/LAND • D[ER WELT?]»). Schalldeckel der Fensterleibung<br />
angepasst, gefelderte Untersicht mit Sternen;<br />
«VERBVM/DOMINI/1598/MANET/IN AETE/RNVM»<br />
(«Gottes Wort bleibt in Ewigkeit», 1. Petr. 1, 25a), bei<br />
der Jahreszahl Bärenpaar. Zweites, seitliches Kanzelbrett<br />
1689 (zu denken ist an die Piscator-Foliobibel<br />
von 1684). Treppenwange wohl 1770.<br />
Bestuhlung modern, auch im Chor. Die Orgel<br />
von 1947/48 mit 14 Registern (METZLER) löste diejenige<br />
von 1910 ab. 125 Dreiteiliger Prospekt mit Zinnen;<br />
Felderzwickel-Durchbruchzier von Holzbildhauer<br />
H. ZOBRIST.<br />
Glocken. 126 Zweistöckiger Stuhl. – 1./2. Möglicherweise<br />
gleichzeitig, jedenfalls teilweise analoge Giessermodel;<br />
Worte geschieden durch 7- oder 8-strahlige<br />
Sterne. Holzjoche wohl 1605. – 1. «Hofmeister-<br />
KIRCHE, BESCHREIBUNG/AUSSTATTUNG 159<br />
199<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Inneres der Kirche gegen Osten. Foto<br />
2003.<br />
200<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kirche. Das Kapitell im Nordwesten<br />
(Orgelempore) blieb das einzige nicht überarbeitete.<br />
Foto 2003.
160 ORPUND/GOTTSTATT<br />
Glocke 1434». Minuskelinschriften an der Schulter:<br />
zwischen zwei Würfelfries- oder Zinnenringen (der<br />
obere am Übergang zur Haube) der Englische Gruss,<br />
erweitert durch den Gruss der Elisabeth (Luk. 1, 28b,<br />
42b), darunter «• her • rvaolf • hofmeiser • ein • ritter<br />
• schulthes • ze • bern • her • ze • tvvann • mo •<br />
cccco • xxxiiiio •». Unmittelbar darunter an den Flanken:<br />
frei stehende, recht grosse Figuren einer Kreuzigungsgruppe,<br />
gegenüber nebeneinander zwei eingesetzte<br />
Stücke mit Wappenschild Frienisberg (ohne<br />
den Stern) heraldisch rechts, schräg gestellt Hofmeister<br />
(weibliche Helmzier) links. Dm. 95,5 cm.<br />
Ton b. Die Geschichte der wichtigen Glocke ist<br />
ungewiss. Rudolf Hofmeister127 , aus und in Biel,<br />
könnte durchaus in Gottstatt als Schenker aufgetreten<br />
sein; die Hervorhebung der Herrschaft Twann<br />
überrascht nicht. Stand am Anfang eine Bestellung<br />
für Frienisberg, die dann entfiel? Eine naheliegendere<br />
Erklärungsmöglichkeit wäre, dass die Gottstatter<br />
Glocken in der Reformationszeit entfernt wurden<br />
und bei der Umwandlung zur Predigtkirche 1533,<br />
eventuell wenig später neu beschafft werden mussten,<br />
als welche aus Frienisberg zu haben waren. In<br />
Gottstatt wurden 1547 «des Turns halb die gloggen<br />
druss» genommen oder «abgenommen» (?). 128 Auch<br />
Neubeschaffung oder Ergänzung 1605 wären denkbar,<br />
obwohl die Archivalien schweigen. – 2. Kleine<br />
Glocke, 15. Jh. Englischer Gruss in Minuskeln, zwei<br />
glatte Ringe. Dm. 66 cm. Ton es. – 3. An grossem<br />
durchbrochenem Gusseisenjoch (bez. «E») RÜETSCHI-<br />
Glocke von 1926. Schulter-Antiqua-Inschrift «Ehre<br />
sei …» (Lukas 2, 14a), darüber breiter, dreizoniger<br />
Fries: Kornähren, Wasserwellen, Schilfrohrkolben.<br />
Flanken: Gottstatt Wappen, Berner Wappen, Giesserplakette.<br />
Dm 120 cm. Ton f.<br />
Grabdenkmäler. 129 Landvogtsfamilien. Nur Nr. 1<br />
an alter Stelle, Nrn. 2, 5, 6 vom Chorboden entfernt<br />
1897/98. – Kircheninneres; Sandstein: 1. Chor-Nordwand,<br />
rechts neben der letzten Säule Epitaph Maria<br />
Magdalena v. Graffenried, †1741, Mutter von Vogt<br />
Gottfried, Erwerber des Rockhall in Biel. JOHANN<br />
FRIEDRICH FUNK I zugeschrieben. 130 Unterer und<br />
oberer Abschluss (ehemals Draperie, wohl gemalt)<br />
201–204<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kirche. Gewölbeschlusssteine von<br />
Westen nach Osten, an dritter Stelle das Sparrenwappen<br />
der Grafen von Neuenburg-Nidau, gleichzeitig Abteiwappen.<br />
Fotos 1995.
erheblich verändert. 1956 sandsteinfarben gestrichen:<br />
Grund ehemals schwarz, Bildhauerei als Alabasterimitation<br />
weiss, Buchstaben golden gefasst.<br />
Unten Vorlage mit gekröntem Wappenarrangement<br />
über Memento mori; Inschriftfeld beseitet von den<br />
Ganzfiguren Glaube und Hoffnung, auf dem stichbogig<br />
aufgekröpften Konsolgebälk sitzender Chronos<br />
und Flammenschalen (Abb. 207). – 2. Seit 1898<br />
an der Schiff-Südwand Vogt Gabriel Rodt, † <strong>173</strong>6.<br />
Inschrift auf Hängetuch, neben Memento-mori-<br />
Schädel, Fackel und Seifenblasrohr trauernder Putto<br />
als Wappenkartuschenhalter auf Konsolgesims. Ehemals<br />
auf dem Chorboden unter einem Holzdeckel.<br />
131 – 3. Unter dem Taufstein 132 lag einst eine reiche,<br />
dann verstümmelte und offensichtlich 1897/98<br />
ausgeschiedene Platte für Anna Knecht, † 1671 (Bartlome,<br />
Vogt 1668–1672). – 4. Gleichfalls auf dem Chorboden,<br />
verloren: Platte von 1621 (nicht bestimmtes<br />
Wappen: von zwei Sternen flankierte Muschel über<br />
KIRCHE, AUSSTATTUNG 161<br />
205 –206<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kirche. – Kanzel von 1598. – Mittelpartie der Orgelempore aus der Zeit um 1830. – Fotos 2003.<br />
Dreiberg). – 5./7. Verloren: Bartlome Knecht, † 1673;<br />
als stark beschädigt erwähnt 1893: Haller, 1660er<br />
Jahre, und evtl. v. Graffenried, wohl 2. V. 18. Jh. – Seit<br />
1905 in der Vorhalle; mit Umschriften: 8. links der<br />
Turmtüre Esther v. Graffenried, † 1677. Sandstein.<br />
Ehemals neben Nr. 3 beim Taufstein. – 9. links der<br />
Kirchtüre Ursula Michel geb. Fels mit ihrem Frauenwappen,<br />
† 1685 (David Michel, Vogt 1684–1690).<br />
Jurakalkstein. – Nordfassade: 10. Pfarrer Gottlieb<br />
Samuel Zehender, † 1840. Solothurnerstein, Giebelabschluss.<br />
Beseitet von 11./13., roter Kunststein:<br />
Kreuz für Anna Hugi, † 1923, kleine Platte für Pfarrer<br />
Emil Hugi, † 1928; Gedenktafel für Pfarrer Max<br />
Räber, † 1981.<br />
Abendmahls- und Taufgerät. 133 1./2. Grosse prismatische<br />
Bügelkannen. Die eine 1940 noch vorhanden,<br />
die andere seit der Zwischenkriegszeit im MSch<br />
(HSBi Inv. MS 51). Zinn, beweglicher Traghenkel Ei-
162 ORPUND/GOTTSTATT<br />
207<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kirche. Nicht überarbeiteter Zustand:<br />
Grabmal Maria Magdalena v. Graffenried, 1741; Dienstsäule.<br />
Foto vor 1906. BHM. – Text S. 160f.<br />
sen. Inschrift «KIRCHEN/GOTTSTATT/ANNO 1706».<br />
Untenauf zwei Marken des DAVID WITZ II, Biel.<br />
Sechsseitig, gedrungene Überkuppelung, Henkel an<br />
blattähnlichen Schilden; runder, schnabelstitzenartiger<br />
Aufsatz, am Griff Rankenwerk, am Drücker<br />
Maskaron. – 3./4. Zwei Kelche, Silber, teilvergoldet,<br />
17. Jh.? Steiler Fuss, Schaft genoppt, Nodus gerippt<br />
und mit Ritzdekors; beim einen Stück Kuppa und<br />
Fuss modern (vor 1940) ersetzt. – 5./9. Versilbert:<br />
Kanne und zwei Kelche 1963, SPITZEBARTH; zwei<br />
gleichartige Kelche 1987, 1994, JEZLER. – 10./11. Zinnenes<br />
Taufgerät, modern, MOSER. – 12./17. Verbleib<br />
unbekannt. – 12. Zinnene «Bernerkanne», nach<br />
BOURQUIN 1922 von DAVID WITZ III. – 13. Zinnplatte,<br />
1909 und evtl. noch 1940 vorhanden. – 14./17.<br />
Noch vorhanden 1940: silberne Schnabelkanne und<br />
zinnenes Taufgerät, spätes 18./frühes 19. Jh.<br />
KLOSTER<br />
BAUGESCHICHTE<br />
Im Nachgang zu den skizzierten «Hauptphasen<br />
der Baugeschichte» ist eine beschränkte Auswahl<br />
von Einzelnachrichten 134 zu treffen.<br />
Anscheinend weitgehend geschlossen und mit<br />
Fenstern versehen, hiessen die Kreuzgangarme im<br />
17./18. Jh. gegen Westen «Kirchgang» (aufgehoben<br />
1769/70 und 1780/81), längs des Hof-Nordflügels offenbar<br />
«Crützgang» (so 1662/63), im Osten («altes<br />
Kornhaus» im Dormitoriumsflügel) «Pfaffengang», im<br />
Süden (bis 1769) «Klostergang» oder ebenfalls «Pfaffengang».<br />
Der Übersichtsplan von 1795 135 gibt die<br />
Kreuzgang-Pultdächer im Norden und Osten wieder.<br />
Die oft erwähnte, überdachte Laube «ob dem<br />
Thor» 136 befand sich auf der Hofseite des südlichen<br />
Westflügelteils und verschwand mit dem Süd-Südwest-Neubau<br />
von 1769/70.<br />
Für die «Reparation» des Schneggen 1664/65 wurde<br />
beim Ziegler in Thun frischer Spiezer Kalk bezogen.<br />
137 Die Haustein-Wetterseite des Südflügels (dahinter<br />
die «Herrenstube») wurde 1649 und bereits<br />
wieder 1795/96 neu erstellt. 138 Das Westportal mit<br />
dem Stübli darauf (1757/58) erhielt 1741/42 eine<br />
neue Einfassung. Dort prangte das Staatswappen<br />
(1742, 1758) wie auch an der Flussfront des Südostrisalits<br />
(1721 usw.).<br />
BESCHREIBUNG<br />
ÄUSSERES. LANDSEITE. Westflügel. Am vierachsigen<br />
Teil nördlich des Hofportals (Gottstattstrasse 21)<br />
sind nebst den Kunststeinöffnungen der 1920er Jahre<br />
am Obergeschoss einzelne verbliebene Kornhaus-<br />
Schlitzfenster von 1780/81 noch zu sehen (ehemals<br />
ihrer neun). – Hofportal und südlicher Teil (Gottstattstrasse<br />
23). «Konservativer» Jurakalkstein-Rundbogen<br />
von 1741/42 (wie auch gegen den Hof), darüber<br />
ein Fenster des 18. oder frühen 19. Jh. Aus der<br />
Pfründerhauszeit hölzerne Schrifttafel «GOTTSTATT»<br />
in perspektivischen Relieflettern. Bei der Wetterseite<br />
des Südflügels fällt das Terrain leicht ab. Hausteinfassade<br />
von 1795/96 mit breiter, heute geschlossener<br />
Aufzugsöffnung, auf dem von der früheren Neuerstellung<br />
wieder verwendeten Sturz Jahreszahl 1649;<br />
Berner Wappen in der Art von PAUL BOESCH.<br />
Am Südflügel (Gottstattstrasse 23, 25, 27) sind die<br />
drei Stützpfeiler rechts eine sichernde Zutat von
1796. <strong>139</strong> Öffnungen 1795/96, <strong>173</strong>0, spätgotisch, am<br />
zweiachsigen, wenig vorspringenden Südostrisalit<br />
wohl 1769.<br />
Der Ostflügel (Gottstattstrasse 27 Südostwohnung,<br />
29 Kirchgemeindehaus; zum Querhausbogen am<br />
«Hof-Nordflügel» S. 157) zeigt Öffnungen unterschiedlicher<br />
Epochen: in den beiden Obergeschossen<br />
vier grosszügige Fenster-Zweiergruppen, vermutlich<br />
um oder bald nach 1800 (im 2. Stock verputztes<br />
Fachwerk); im Erdgeschoss Schmalfenster, rechts zur<br />
Sakristei, breit gefast, aus Neuenburgerstein-Wiederverwendungsstücken;<br />
zum Kapitelsaal gehören drei<br />
pyramidal angeordnete Schlitzfenster aus drei Bauphasen,<br />
links vermutlich das älteste (vielleicht 14. Jh.),<br />
in der Mitte (Neuenburgerstein) 1955/56. Neben dem<br />
Südostrisalit öffnet sich in der Flucht des einstigen<br />
Kreuzgangs eine Spitzbogenpforte.<br />
HOF. Er wird, obwohl ein Zusammenspiel heterogener<br />
Elemente, als Ganzes empfunden. Das Niveau<br />
hat sich seit dem Spätmittelalter leicht angehoben.<br />
Gegen Süden die fünfachsige Schlossfassade<br />
von 1769 mit hohen, im Erdgeschoss 140 schwach<br />
stichbogigen Öffnungen aus Jurakalkstein. Neben<br />
den beiden schmucklosen seitlichen Türen ist der<br />
Mitteleingang als mehrzoniger Portalrisalit ausgebildet:<br />
genutete Einfassung, glatter Sturz mit Schlussstein-Wappen<br />
141 des Landvogts Carl [Anton] von<br />
Gingins, überhöht von dünner Verdachung, gekrönter<br />
Rocaille und Mittelfenster mit Anläufen. Die<br />
gleiche Befensterung setzt sich am südlichen Westflügel<br />
zweiachsig fort.<br />
Der Ostflügel ist dreigeschossig, 19. Jh. und 1926,<br />
in der Mitte des niedrigen Pultdach-Korridors polygonaler<br />
Turm mit verrandeten Fachwerk-Obergeschossen.<br />
Der eingeschossige Pultdach-Nordflügel 142 zeigt<br />
unterschiedliche Öffnungen – teils in Wiederverwendung<br />
– aus der langen Nutzungsgeschichte als<br />
Ökonomie- und Nebengebäude, ferner zurückgearbeitete<br />
Ansätze des einstigen (sekundären) Kreuzgang-Rippengewölbes.<br />
Schöpfe und Laubenwerk des nördlichen Westflügels<br />
teilweise 19. Jh., meistenteils aber um 1920;<br />
seitlich beim Durchgang (1741/42) zwei vermauerte<br />
Sandstein-Kragsturzpforten, die auf ein wesentlich<br />
tieferes Niveau Bezug nehmen, 15./frühes 16. Jh.<br />
Der südliche Abschnitt des Westflügels mit zwei, im<br />
Obergeschoss 2 + 1 Fenstern (teilweise vermauert)<br />
gehörte, wie erwähnt, zum Süd-Neubau von 1769.<br />
KLOSTER, BAUGESCHICHTE/BESCHREIBUNG 163<br />
Der ovale, konkav gerippte Schalenbrunnen von<br />
1769/70 143 in der Hofmitte (um 90° gedreht 1956) erhielt<br />
in den 1920er Jahren einen gefelderten Stock<br />
aus Zement, bewahrte aber die Aufsatzurne.<br />
INNERES. OSTFLÜGEL. Den fünf Erdgeschoss-Räumen<br />
ist am Platz des einstigen Kreuzgangs der etwas<br />
abgetiefte, 1971 modernisierte Korridor von 1926<br />
mit heute leerem Treppenturm vorgelegt. Dort ist<br />
neben der Mitte des Traktes als heutiges klösterliches<br />
Hauptstück von Gottstatt der spätgotische Kapitelsaal<br />
erhalten.<br />
Kapitelsaal. 144 Spätgotische Neugestaltung (vielleicht<br />
um 1510, vielleicht erst Ende der 1510er Jahre)<br />
an alter Stelle, unter Beibehaltung jedenfalls der<br />
beiden flankierenden landseitigen Schlitzfenster.<br />
Wohl für die Nutzung als Keller zu unbekannter Zeit<br />
verengernde, inzwischen rückgängig gemachte Verbauung<br />
der Öffnungen gegen den Kreuzgang. Freilegungen<br />
und leichte Niveauabsenkung 1926. Erwerbung<br />
des damaligen Hauses Nr. 8 mit dem Kapitelsaal<br />
durch die Vereinigung «Pro Gottstatt» 1952,<br />
Restaurierung 1955/56; Übergang an die Kirchgemeinde<br />
1965. Rustikalgotisches Mobiliar 1975/76.<br />
Der Raum liegt rund 70 cm unter dem Hofniveau<br />
und dem Aussenterrain. Er öffnet sich gegen den<br />
Korridor spitzbogig in einer Mitteltüre und zwei seitlichen<br />
Fenstern mit Masswerkfüllungen und Stützenbasen,<br />
mehrheitlich stark restauriert. 145 Die Nischen<br />
der drei Schmalfenster gegen Osten (äussere<br />
Einfassungen aus drei Epochen, hievor) sind symmetrisierend<br />
pyramidal angeordnet und nahmen<br />
vielleicht auf einen erhöhten Sitz des Abtes Rücksicht.<br />
Undatierbar ist die wieder geöffnete und ganz<br />
erneuerte, sekundäre und höher gelegene Türe gegen<br />
die einstige Sakristei. Die alten Tonplatten<br />
(1956; S. 153) stammen zum grösseren Teil aus dem<br />
Südflügel-Estrich.<br />
Ein regelmässiges, achtteiliges Neuenburgerstein-<br />
Sterngewölbe (Dreistrahlgewölbe) überspannt elegant<br />
die kleine, rund 4 m hohe Halle von 1/2 +1+ 1/2<br />
Jochen und wächst aus einem achtseitigen, konkav<br />
profilierten Mittelpfeiler empor. Die schlicht gekehlten<br />
Rippen mit Riemchen und die ihrer Profilhälfte<br />
entsprechenden Schildbogen laufen in unterschiedlich<br />
gelösten Verschränkungen 146 an der Wand spitz<br />
aus, wo wahrscheinlich (mit den Farbfassungen)<br />
Fehlstellen-Aufmodellierungen der Bauzeit verloren<br />
sind. Die Rippen waren möglicherweise grau gefasst<br />
und jedenfalls mit schwarzen Begleitlinien versehen.
164 ORPUND/GOTTSTATT<br />
An den Rippen-Vereinigungspunkten erscheinen<br />
acht Schlusssteine als aufgesetzte Wappenschilde in<br />
teilweise lebhaft, teilweise wenig variierten symmetrischen<br />
und asymmetrischen Formen; im Falle<br />
Nidau und Bubenberg sind es Tartschen. Dem Abtsschild<br />
ist eine zierlich fassonierte Stabkrümme hinterlegt.<br />
Die Anordnung der Wappenbilder 147 lässt sich in<br />
Dreier-, teils auch in Zweiergruppen lesen: beim<br />
Eingang legitimatorisch Bern als Kastvogt seit 1388/<br />
<strong>139</strong>3, seitlich die beerbten Grafen von Kiburg (genauer<br />
Rudolf von Neu-Kiburg, dessen Oheim der<br />
letzte Nidauer war) und Nidau; Bern axial gegenüber<br />
in der Ostmitte Abt Konrad Meyer (1503/04 bis<br />
jedenfalls 1516, spätestens 1520; drei Maiglöckchen,<br />
«Meieriisli»), seitlich Schilde v. Scharnachthal und<br />
v.Wabern, die Mittelsäule flankiert durch v. Erlach<br />
und v. Bubenberg. Man denkt an Urheber von Stiftungen<br />
irgendwelcher Form, indem Verstorbene, die<br />
im Jahrzeitbuch («nüw» 1502 oder bald hernach) 148<br />
figuriert haben dürften, erwogen werden müssen.<br />
Hans Rudolf v. Scharnachthal war 1507–1510 und<br />
1512 Schultheiss; er verstarb im gleichen Jahr; sein<br />
Sohn Hans Beat gelangte 1519 in den Grossen Rat.<br />
Petermann v. Wabern I und II (als Letzter des Geschlechts<br />
†1491) waren 1425 bzw. 1459 Vögte zu<br />
Nidau. Beim Bubenbergschild ist am ehesten an Adrian<br />
II (als Letzter legitimus †1506) zu denken. Drei<br />
v. Erlach amteten als Nidauer Vögte: Hans Rudolf<br />
1477, Burkharte 1423 und 1517.<br />
Von den Wappen her ergibt sich also keine präzisere<br />
Datierung der Kapitelsaalgestalt: unklar Abt<br />
Meyers Amtsende, ungewiss, ob das Wappen v. Erlach<br />
wie die anderen (wohl auch v. Scharnachthal)<br />
kommemorativ oder aber zeitgenössisch (ab 1517)<br />
zu verstehen ist.<br />
Wohl gleichzeitig in der Mitte der Nordwand die<br />
Grisaille einer linear-zeichnerischen Kreuzigungsgruppe<br />
mit expressiven Gesichtern (Restaurator<br />
HANS A. FISCHER 1955/56); ferner rötliche Wandbemalungsfragmente<br />
sowie Malereispuren an der Ostwand<br />
und in den dortigen Fensternischen.<br />
208<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kapitelsaal. Gewölbe. 1:100. Raster: einstiger Kreuzgang. – Wappenschlusssteine<br />
im Uhrzeigersinn vom Eingang hinweg: Bern, v. Kiburg (Abb. 211), v. Erlach, v. Scharnachthal,<br />
Abt Konrad Meyer in der Mittelachse gegen Osten (Abb. 212), v. Wabern, v. Bubenberg,<br />
v. Neuenburg-Nidau (Abb. 210).
209<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kapitelsaal, Blick gegen Nordwesten. Foto 2003.<br />
KLOSTER, BESCHREIBUNG 165
166 ORPUND/GOTTSTATT<br />
210 –212<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kapitelsaal Gewölbeschlusssteine: Grafen von Neuenburg-Nidau, Neu-Kiburg, Abt Konrad Meyer.<br />
Fotos 2004.<br />
Nördlich des Kapitelsaals in der Korridorecke ein<br />
Kreuzgang-Rippenanfänger, dann die Treppen- und<br />
Lifterschliessung der Kichgemeindelokalitäten in<br />
den Obergeschossen. Ein in der Nord-Süd-Wand<br />
freigelegter stichbogiger Mauerschrank 149 ist zweifelsohne<br />
Zeuge der einstigen Sakristei. Der Vorraum<br />
zur Kirche (Türe 1965/66 S. 154, 156; Querhausbogen<br />
S. 157) mit sekundär eingezogenem Tonnengewölbe<br />
liegt im «Hof-Nordflügel»; in der Ecke Stumpf<br />
eines Tuff-Strebepfeilers; er springt jedenfalls heute<br />
wesentlich weniger vor als diejenigen an der Nordfassade.<br />
Südlich des Kapitelsaals ein stark eingetiefter Keller,<br />
heute Jugendkeller.<br />
Im Inneren der anschliessenden Wohnung gelangt<br />
man durch eine Neuenburgerstein-Spitzbogentür<br />
wohl des 15. Jh. (gotisierende Heimatstil-Inschrift:<br />
«carpe diem» nach Horaz, «pflücke den Tag»)<br />
in einen schmalen, tonnengewölbten Querkorridor,<br />
der zum bescheidenen landseitigen Osteingang<br />
führt; rechts eine kurze, ebenfalls gewölbte Verbindung<br />
zum Südostrisalit. Das umschlossene, heute<br />
unterteilte tonnengewölbte Lokal nebenan wurde<br />
als einstige Abtkapelle aufgefasst.<br />
SÜDOSTRISALIT. Abgetiefter Keller (mit grossen<br />
Lichternischen) und zwei übereinander liegende<br />
Säle: im Erdgeschoss heute unterteilt und mit der anliegenden<br />
Stube verbunden, im Obergeschoss als<br />
Landvogts-Empfangszimmer von 1769/70 erhalten,<br />
das als Nachfolger der Abtsstube 150 anzusprechen<br />
ist. Die vierfeldrige, jedenfalls heute schmucklose<br />
Mulden-Gipsdecke, mit einer sichernden Unterzugskonstruktion<br />
des 19. Jh., überdeckt eine bemal-<br />
te Balkendecke wohl des 16./17. Jh., über welcher<br />
der Helmdachstuhl der 1450er Jahre vollständig erhalten<br />
ist. Der vergipste Saal ist versehen mit einem<br />
Rocaillensturz-Cheminée aus Solothurnerstein, einem<br />
vielleicht aus einem einstigen Fenster hervorgegangenen<br />
Wandschränkchen und doppelter Eingangstüre,<br />
deren mehrfeldrige Füllungen eigenwillige<br />
geschnitzte Eckmotive aufweisen (Tischmacher<br />
[ABRAHAM] MÄSCHI 151 ).<br />
SÜDFLÜGEL. Die Raumeinteilungen aus klösterlicher<br />
und landvögtlicher Zeit im Erdgeschoss mit<br />
sechs verhältnismässig starken Mauern, von 1769<br />
oder aus der Zeit der Institutionen des 19. Jh. im<br />
Obergeschoss mit schwachen Zwischenwänden,<br />
(Mittel-Enfiladetüren) sind weitgehend unverändert.<br />
Das einstige Refektorium dürfte im Erdgeschoss Ost<br />
gelegen haben und wurde wohl im nachreformatorischen<br />
16. Jh. unterteilt. Die heutigen Wohnungen<br />
am Ost- und Westende des Traktes greifen mit kleineren<br />
Räumen auch auf die anschliessenden Flügel.<br />
Der Erdgeschoss-Korridor längs der Hoffassade,<br />
mit einer älteren und zwei modernen Treppen sowie<br />
Nebenraumeinbauten, entspricht dem Kreuzgang<br />
vor 1769; der Obergeschoss-Korridor ist analog;<br />
die dortigen Zimmertüren öffnen sich also in<br />
der einstigen Konventsfassade über dem damaligen<br />
Kreuzdach. Der Ausbau 1769 dürfte vor allem das<br />
Obergeschoss betroffen haben. Dort vor einem Cheminée<br />
aus der Zeit um 1700/1720 Gruppierung aufgefundener<br />
Tonplatten von 1486 (Abt Krebs). In<br />
zwei Räumen grossfeldrige Täfer mit Flachfriesen.<br />
Neben dem abgetieften, gegen Süden (und die<br />
einstige Fähre) geöffneten Gewölbekeller lag wohl<br />
seit jeher die (ehemalige) Küche, von welcher noch
der mächtige Schüttstein zeugt. Im Erdgeschoss<br />
mehrere einfache Balkendecken des 17./18. Jh.<br />
WESTFLÜGEL. Der kleine, heute zur Südwestwohnung<br />
gehörende Bauteil neben und über dem Westdurchgang<br />
dürfte nach 1807 neu eingerichtet worden<br />
sein: im Obergeschoss zwei Räume mit Stuckmotiven,<br />
Kreuzböden, Cheminée. Im Dachgeschoss<br />
an der Nordwand polychrome Dekorationsmalerei<br />
des 17. Jh., es dürfte sich hier also um eine Saalnutzung<br />
gehandelt haben.<br />
WÜRDIGUNG<br />
Über die Rolle der Abtei Gottstatt als regionalpolitischer<br />
Mosaikstein und als Trägerin lokaler Kultur<br />
kann man bloss mutmassen. Als verhältnismässig<br />
späte Gründung erlangte sie nur langsam eine<br />
213 –215<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Landvogtei, Obergeschoss-Saal Südost, 1769/70. – Cheminée.<br />
– Innenseite der Eingangstüre. – Füllungsdetail der Wandschranktüre.<br />
– Fotos 2003.<br />
KLOSTER, BESCHREIBUNG/WÜRDIGUNG 167<br />
gefestigte Stellung. Gottstatt blieb zentraler Ort der<br />
Gemeinde und ist auch heute im Bewusstsein der<br />
Region verankert.<br />
Seit den 1920er Jahren hat sich die Formel «besterhaltene<br />
Klosteranlage im Kanton» eingelebt (oder,<br />
in Rücksicht auf das barocke Bellelay, «im alten Kantonsteil»):<br />
Trotz zahlreicher Veränderungen bis ins<br />
19./20. Jh. und obwohl der Schmuck eines transparenten<br />
Kreuzgangs fehlt, lassen die geschlossenen<br />
vier Flügel mit der Kirche klösterliche Stimmung<br />
aufkommen. Die landschaftliche Situation und der<br />
nachgotische, auf obrigkeitliches Betreiben höher<br />
geführte Kirchturm tragen dazu bei. Das Ensemble<br />
ist allerdings fragmentarischer, als es den Anschein<br />
hat. Über manche baugeschichtliche Punkte ist man<br />
unzulänglich unterrichtet, Hypothesen sind unvermeidlich.
168 ORPUND/GOTTSTATT<br />
«Ordensbaukunst» haben die Prämonstratenser,<br />
die zisterziensische Modelle weiterführten, nicht<br />
hervorgebracht, 152 umso mehr gilt es, regionale Vergleichsmöglichkeiten<br />
zu beachten (Bellelay I/II,<br />
Saint-Martin in St-Imier, Pieterlen, Fille-Dieu in Romont,<br />
Montagny-les-Monts FR u.a.).<br />
Die einfache Kirche wird man am besten als eigenartig-regionalen,<br />
«stilverspäteten» Bau auffassen.<br />
Zumindest in der engeren Region unterscheiden ihn<br />
die durchgehenden Kreuzrippengewölbe von einer<br />
gewöhnlichen Dorfkirche des Spätmittelalters. «Romanische»<br />
Obergadenfensterchen liegen grossen<br />
Spitzbogenöffnungen des 16. Jh. gegenüber. Kernstück<br />
von Gottstatt als Baudenkmal ist der kleine,<br />
schmucke Kapitelsaal mit origineller spätgotischer<br />
Steinmetzarbeit. Von unverkennbar bernischem Gepräge<br />
sind Hof und Südfront.<br />
EINSTIGE NEBENGEBÄUDE<br />
UND NEBENANLAGEN<br />
1333153 zedierte Müller Rudolf von Altreu dem Kloster<br />
Wasserwerksrechte zu Gottstatt und bei Brügg. Mühle<br />
(1588: «zergangen»), mit Mauern eingefasster Mühlebach<br />
(sicherlich ein Zihl-Seitenkanal) sowie Wohnhaus des<br />
Müllers verschwinden bald nach 1600 aus den Unterhaltsrechnungen,<br />
doch wurde <strong>173</strong>6/37 die Fleischschal<br />
«ab dem alten platz in die alte Mühli» versetzt («Metzg»). 154<br />
Ein gutes halbes Dutzend155 Windfahnen markierte die<br />
obrigkeitlichen Bauten, deren Anfänge wohl meist in die<br />
Klosterzeit zurückgingen. Dem Landvogt standen zur Verfügung:<br />
die Scheune bei der Fährstelle zu Scheuren<br />
(S. 138), zwischen dem äusseren Hofplatz und dem einstigen<br />
Zihlbogen die quer gestellte, teilweise gemauerte,<br />
1719/20156 durch Zimmermann JAKOB SPAREN ersetzte<br />
Scheune gegenüber dem Kirchturm (das 1966 abgebrannte<br />
Bauernhaus), südlich davon das längs gestellte, hohe<br />
Haberhaus oder Remise mit Feuerspritzenschopf und Giebellaube<br />
sowie drei kleinere Gebäude, namentlich die<br />
«Metzg», 157 die ehemalige Mühle, ein giebelständiger, eingeschossiger<br />
und zweiachsiger Satteldachbau mit jüngerem<br />
Annex.<br />
Unweit lag der einstige Landeplatz; von dort gelangte<br />
man dem Zihlbogen entlang – jedenfalls im 18./19. Jh. –<br />
zum Scheurenfahr in der als Point-de-vue-Weg mit Allee<br />
angelegten Mittelachsflucht des Südflügels. Im Bereich<br />
der heutigen Kanalbrücke zog sich oberhalb der Fährroute<br />
eine schmale Zihlinsel hin.<br />
Der Garten hatte im 18. Jh. (mit zwei Kabinetten)<br />
ungefähr die heutige Westausdehnung. Damals lag im<br />
Südosten ein grosser Hühnerhof, bei der einstigen Landvogtsscheune<br />
der Pfarrgarten gegen die Zihl. Der Klosterhof<br />
wies als Garten ein weiteres Kabinett auf. Der<br />
Friedhof reichte bis in die Ecke zwischen Konvent und<br />
Kirche.<br />
WEITERE BAUTEN<br />
Gemeindehaus, ehemals «neues»<br />
Staatskornhaus (Gottstattstrasse 12)<br />
Das «alte» Kornhaus war der Kloster-Ostflügel, aber<br />
auch die anderen Trakte dienten von Fall zu Fall der<br />
Kornunterbringung. Seit 1750 berichtete der Vogt<br />
über prekäre Lagerverhältnisse (auch in Lattrigen und<br />
Nidau) und die Wünschbarkeit eines Neubaus. Der<br />
Vorschlag eines Gottstatt-Kornhauses in Nidau blieb<br />
auf dem Papier. 1759/60 entstand dann unter Werkmeister<br />
EMANUEL LUDWIG ZEHENDER durch vorwiegend<br />
einheimische Handwerker «le grand Grenier»,<br />
das neue Kornhaus (Aufwand rund 4300 Kronen). 158<br />
Die Standortwahl scheint auf NIKLAUS SPRÜNGLI<br />
zurückzugehen, der anfänglich ebenfalls mit Planungen<br />
beauftragt worden war und die abschliessende<br />
Bauabnahme besorgte. Es entstand ein landschaftlich<br />
überaus dominierender Solitärbau, einst mit Dachknöpfen<br />
oder -vasen. Vorgängig dachte man sogar an<br />
eine vierte Etage. Im Westteil wurde der eingetiefte<br />
Keller eines weit kleineren Vorgängerbaus integriert,<br />
dessen Luken in der Sockelzone gegen Süden und<br />
Westen noch zu sehen sind.<br />
Mehrmals suchte sich der Staat im 19. Jh. des Gebäudes<br />
zu entledigen. Ab 1873 als burgerliches Waisenhaus<br />
der Stadt Biel teilweise neu befenstert und<br />
stark unterteilt, ging es 1919 an Private, 1924 an die<br />
Gemeinde, welche diverse Nutzungen unterbrachte<br />
(Wohnungen, Schulräumlichkeiten, Büros). 1998/99<br />
Gesamtsanierung, Aussenrestaurierung, Unterkellerung<br />
des Ostteils, Um- und Ausbau zur Gemeindeverwaltung,<br />
Umgebungsgestaltung (Architekt HANS<br />
RIHS). Von der Innenmodernisierung ausgenommen<br />
blieben der Westkeller und der wohl erhaltene<br />
Dachstuhl.<br />
Der quer gestellte, dreigeschossige Bau mit markanten,<br />
intermittierenden Eckverbänden und knappem<br />
Haustein-Sockelband trägt ein gedrungenes<br />
Mansard-Walmdach und zeigt 3 + 1 + 3 auf zwei Achsen;<br />
rückseitig sind es 2 + 1 + 2 Öffnungen mit<br />
schwachem, heute verglastem Treppenhausrisalit.<br />
Zurückhaltend hervorgehoben ist der Portalrisalit<br />
gegen Süden mit dem rundbogigen, in ein verdachtes<br />
Rechteck eingeschriebenen Mitteleingang,<br />
gleichzeitig Sockelniveauversatz. Einziger Schmuck<br />
ist die (neu gefasste) Bildhauerei, die insgesamt von<br />
HENRI LAMBELET stammen dürfte, der für das Staatswappen<br />
erwähnt wird: im Scheitel der Türvorlage
Querovalkartusche «1759», im Fronton Frucht- und<br />
Blumen-Füllhörner, Palmwedel sowie bekrönte<br />
Hochovalkartusche, dort anstelle des sicherlich 1798<br />
abgeschlagenen Staatswappens seit 1924 Gemeindewappen<br />
analog dem Schulhaus-Türsturz (Hauptstrasse<br />
201). Dreiteiliges, verglastes und vergittertes<br />
Türblatt der 1870er oder 1880er Jahre.<br />
Pfarrhaus (Gottstattstrasse 7)<br />
Laut Dekan GRUNERS Urteil aus den <strong>173</strong>0er Jahren<br />
war das alte Pfrundhaus im Kloster-Westflügel wenig<br />
erfreulich (S. 149). Nach Terrainarrondierungen<br />
kam es 1777 von der Strasse zurückversetzt auf freiem<br />
Feld zum Neubau «samt angehängter Scheür»<br />
(Abb. 179). 159 Detaillierte staatliche Archivquellen<br />
fanden sich bis jetzt nicht, doch fällt Projektautorschaft<br />
des in diesen Jahren stark beschäftigten Werkmeisters<br />
NIKLAUS SPRÜNGLI oder des jungen CARL AHAS-<br />
VER VON SINNER kaum in Betracht; hingegen könnte<br />
man an den summarisch erwähnten, dann auch beim<br />
Kloster-Westflügel-Bau tätigen Nidauer Zimmermeister/Generalunternehmer<br />
JAKOB SPAREN denken.<br />
1795 trat nach Plan von JOHANN RUDOLF MÜLLER<br />
ein grosszügiges (mittlerweile gelöschtes und reduziertes)<br />
Gartengeviert hinzu, das den früheren Pfarrgarten<br />
(GRUNER: «… darin ein Sommerhaus am Wasser<br />
sehr angenehm») westlich der Klosterscheune an<br />
der Zihl ablöste. 160<br />
Der zweigeschossige, kubische Walmdachbau<br />
entspricht einem landläufigen spätbarocken Pfarrhaustypus.<br />
161 Eingreifende Erneuerungen 1958/1960<br />
und 1974. Südfront von 2 + 2 Achsen mit Türe links;<br />
Jurakalkstein-Einfassungen, im Obergeschoss stich-<br />
WEITERE BAUTEN 169<br />
216 –217<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Gemeindehaus, ehemaliges Staatskornhaus von 1759. Gemeindewappen am Tür-Fronton 1924.<br />
Fotos 2002.<br />
bogig. Geschlossenes, modernisiertes Laubenwerk<br />
gegen Osten. Winkelförmiger Eingangskorridor,<br />
Treppenhaus teilweise im Scheunenteil, im Obergeschoss<br />
Querkorridor. Gipsdecken aus der Bauzeit in<br />
den Korridoren und (mit grossem fassoniertem Spiegel)<br />
im Obergeschoss-Südwestzimmer.<br />
Die im Erdgeschoss gemauerte Scheune unter etwas<br />
niedrigerem, abgewalmtem Dach ist ein zurückspringender<br />
Anbau gegen Westen mit Gewölbekeller.<br />
Der Monolith-Brunnen mit behäbigem<br />
Kugelstock stand ursprünglich auf der anderen Zugangswegseite<br />
näher bei der Ökonomie-Trauffront.<br />
Ebenfalls gleichzeitig ist das dorfseitige Ofen- und<br />
Waschhaus 162 unter schwerem Mansardwalmdach;<br />
seit einer Verlängerung im 19. Jh. wurde daraus eine<br />
Art Mehrzweckbau.<br />
ÖSTLICHER ORTSRAND<br />
UND DORFMITTE<br />
Bei der Abzweigung der Gottstattstrasse (1786:<br />
«Weg ins Kloster») stehen das Restaurant Bären, ein<br />
grosser, mehrfach erneuerter Fachwerk-Kreuzfirstbau<br />
von 1884 mit langem Saaltrakt (Hauptstrasse<br />
211), 163 westlich nebenan eine nun unbewohnte Villa<br />
der 1890er Jahre und zurückversetzt ein massives<br />
Heimatstil-Bauernhaus (Nrn. 209, 207). Vor Nr. 214<br />
befand sich im 19. Jh. einer der Dorfbrunnen. 164 An<br />
der Abzweigung der Bürenstrasse (1786: «Weg nach<br />
Meienried») schloss das im Sinne des Heimatstils erneuerte<br />
Ründi-Kreuzfirst-Bauernhaus Nr. 226 einst<br />
die Ortschaft ab (1786: Doppelhaus); Nr. 226A ist ein<br />
Ofenhaus-Speicher des ausgehenden 18. Jh. 165 mit<br />
hölzernem Oberbau. Am Ortsrand Richtung Safnern
170 ORPUND/GOTTSTATT<br />
218 –219<br />
<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Pfarrhaus. Foto 2002. – Hauptstrasse 201. Ehemaliges Schulhaus, 1852/ 1854, heute «Vereinshaus»<br />
oder «Alte Verwaltung». Foto 2004.<br />
(Muntel, Muntal, «Muntu») liegt der Friedhof von 1883<br />
mit längs der Durchgangsstrasse erhaltener Einfriedung.<br />
166 Abdankungshalle von 1972 (Architekt<br />
CARLO FERRARIO; Hauptstrasse 244) mit grossformatigen<br />
Wappenfenstern von LUIGINO VOGRIN, in<br />
Wiederaufnahme expressiven Stils der Zwischenkriegszeit:<br />
Bern und die drei Gemeinden.<br />
Von der Gottstattstrasse westwärts dehnt sich der<br />
engere Ortskern nördlich der einstigen Zihl mit<br />
Hohlenweg, Gässli, Breitenrain als Zeugen älterer<br />
Siedlungsstruktur vor dem Grossbrand von 1868.<br />
Das ehemalige Schul- und Gemeindehaus, 167 seit<br />
der letzten Erneuerung 2001 «Vereinshaus» oder «Alte<br />
Verwaltung» (Hauptstrasse 201), ist ein Walmdachbau<br />
von 1852/1854 in sparsamen Biedermeierformen<br />
mit 2 + 1 + 2 auf drei Fensterachsen und<br />
rückwärtigem Laubenwerk. Wie landläufig, enthielt<br />
das Obergeschoss einst die Lehrerwohnungen.<br />
1849/1851 hatte die Gemeinde den Erwerb des<br />
staatlichen Kornhauses Gottstatt zu Schulzwecken<br />
erwogen, was sich aus hypothekartechnischen<br />
Gründen zerschlug. Das neue Schulhaus sollte anstelle<br />
des 1779 nach Brand errichteten alten etwas<br />
von der Strasse zurückversetzt werden. JOHANNES<br />
und HEINRICH KUNZ übernahmen die Maurerarbeiten,<br />
die Zimmerleute, mit denen es Auseinandersetzungen<br />
gab, waren ABRAHAM ANTENEN, ABRAHAM<br />
KOBEL und CHRISTEN WITTMER, Schreiner JOHANNES<br />
SCHNEEBERGER, Steinhauer hauptsächlich FRIEDRICH<br />
RITTER. Ziegel, Kalk, Kaminsteine, Tuff wurden in<br />
Pieterlen bezogen, Haustein in Bözingen. Aufrichte<br />
3.7.1852, doch zogen sich Verbesserungen und Ausstattung<br />
bis 1857 hin. Die Trennung von Unter- und<br />
Oberschule ein Vierteljahrhundert später und seitherige<br />
Gemeindenutzungen erforderten mehrere Innenveränderungen.<br />
Beispiel eines Arbeiter- oder Kleinbauernhauses<br />
ist Nr. 200 von 1912, ein gemauertes Einfamilienhaus<br />
als Kreuzfirst mit Balkon und winzigem, traditionellem<br />
Ökonomieteil.<br />
Die Lindenstrasse hinter dem Vereinshaus geht<br />
auf das Trassee der Biel–Meinisberg-Bahn zurück,<br />
das eingeschossige Mansarddach-Haus Nr. 8 ist das<br />
ehemalige Stationsgebäude 168 ähnlich wie in Safnern<br />
(Paul-Jenni-Strasse 22).<br />
Am Anstieg des Hohlenweg vertritt das kleine<br />
Walmdachhaus Nr. 13 in grünlich gefasstem Fachwerk<br />
mit zwei Vollgeschossen einen gegen die Mitte<br />
des 19. Jh. aufkommenden Typus (ähnlich: Gässli 1).<br />
Sonst herrschen hier bescheidene, oft mannigfaltig<br />
veränderte Fachwerk-Ründibauten vor, die nach<br />
den Bränden von 1868 entstanden sind. Die markante<br />
Schrägstellung des ehemaligen Bauernhauses<br />
Hauptstrasse 164 von 1860 169 ist ein Relikt des früheren<br />
Dorfplans. Der Heimatstilbau Nr. 155 über der<br />
Mündung des Breitenrain zeigt am Tennstorsturz die<br />
Jahreszahl 1800. 170<br />
Aus den 1890er/1900er Jahren sind neben einigen<br />
Wohn- und Geschäftshäusern die Nrn. 171 und 152<br />
als Villen zu bezeichnen: Zementstein-Instrumentierungen,<br />
Giebel-Holzstilelemente. Das Restaurant<br />
Kreuz (Nr. 148) ist ein erneuerter Fachwerk-Ründi-<br />
Kreuzfirstbau aus der Zeit um 1850/1860 mit Saalanbau;<br />
in den Gaststuben flache Feldertäfer und<br />
genutete Balkendecken. Zu den Fachwerk-Ründi-<br />
Bauten dieser Epoche zählt auch Nr. 142.
AUSSERHALB DES DORFES<br />
Hoch über dem Dorfzentrum ist das so genannte<br />
Schlössli (Gässli 23) eine vergiebelte, oben in Fachwerk<br />
ausgeführte Villa der vorletzten Jahrhundertwende<br />
in einer Umgebung einiger traditioneller<br />
Bauten, beispielsweise des an der Hangkante dominierenden<br />
Heimatstil-Bauernhauses Hohlenweg 24.<br />
Nach einem Totalbrand am 28.11.1883 entstand<br />
das Bauernhaus Windegg neu (Hohlenweg 34). 171<br />
Das frühere Doppelhaus war 1798 bzw. 1801 abgebrannt;<br />
der «ander Teil» wurde damals nicht wiederhergestellt.<br />
Ganz am Ende des 18. Jh. liegen die<br />
Anfänge der Einzelsiedlung Luggischell (Nr. 68).<br />
Obenher ist das Wasserreservoir Nr. 80 172 ein kahler,<br />
zweckrationaler Kubus mit Attika und Rundbogenöffnungen;<br />
Zement-Inschrifttafel «ORPUND/<br />
J. 1907. K.», sicherlich Baumeister JOHANN KÄSTLI.<br />
In der Ebene vertreten Brüggstrasse 88 und 90,<br />
einst an der Zihl, bescheidenste Bauten, wie sie in<br />
der Gegend wohl häufig waren.<br />
Die Ein- und Zweifamilienhausbebauung westlich<br />
der Strassenbiegung bielwärts war einst recht<br />
locker: <strong>173</strong> um 1900/1930 (auf der Südseite etwas<br />
jünger), dichter gegen die Gemeindegrenze hin<br />
(Hauptstrasse 83/57, 82/58).<br />
ZILWIL 174 an der ansteigenden, von Zihlmatt- und<br />
Kanalweg gekreuzten S-Biegung der Brüggstrasse<br />
wurde ebenfalls von moderner Wohnbautätigkeit erfasst.<br />
Unter den knapp zehn Fachwerk-Ründi-Bauernhäusern<br />
und -Stöcklibauten des vorgerückten<br />
19. Jh. auf Halbkellersockeln ist Nr. 83 besonders<br />
stattlich, älter ist das originelle Ofenhaus Nr. 72A. Zu<br />
den zwei Häusern im vorgerückten 18. Jh. kamen<br />
um 1810/1830 vier neue, anderseits wurde eines etwas<br />
näher zum Dorf versetzt. Der Weiler galt im<br />
18. Jh. als eigene Dorfgemeinde, welche – nach PA-<br />
GAN – wie Scheuren auf ein Hofgut zurückging.<br />
Abgegangene Bauten. Die einstige Zihl bog hier um<br />
und floss unweit des nordöstlichen Strassenknies gegen<br />
Norden. Es scheint in Zilwil Perioden mit mehreren Wasserwerken<br />
und solche ohne Mühlen gegeben zu haben.<br />
Mühlenbauten erfolgten 1518 und 1556, vor allem «wegen<br />
dünne des wasserfurts» 1620 eine Versetzung nach Brügg;<br />
gleichzeitig sollte eine Bläue wieder aktiviert werden. Im<br />
Süden des Weilers lag die Schwadernauer Insel oder Gänsenmatt<br />
(Abb. 170), abgetrennt durch den kurzen Werkkanal<br />
Gänsenbach, ausgehoben 1680 durch «Ärgeüische<br />
graber», dann zerfallen. 175 Bergseitig genügte ein Steg,<br />
zihlseitig bestand eine Fussgänger-Fähre nach Schwader-<br />
AUSSERHALB DES DORFES/ DOKUMENTATION 171<br />
nau. 1801/02 176 liess [Abraham] Köhli von Biel, der sich<br />
wenig an Bewilligungsauflagen hielt, nach Plan von<br />
Werkmeister [LUDWIG FRIEDRICH?] SCHNYDER quer über<br />
den Gänsenbach anstelle einer alten Mühle eine kurzlebige<br />
Tabakstampfe errichten; 1816 war sie Walke.<br />
Zu den Zilwil-Neubauten des frühen 19. Jh. (anscheinend<br />
nach 1811) 177 gehörte auch eine Bleiche, bestehend<br />
aus hölzernem Wohnstöckli, Stallscheune, Bleiche-,<br />
Tröcknehaus; die Neueinrichtung um 1860 umfasste auch<br />
Garnbauche, Hanfreibe, Sägemühle. Abbruch beim Kanalaushub<br />
1870.<br />
DOKUMENTATION<br />
PLAN- UND BILDDOKUMENTE<br />
Vgl. Pl/BiDAmt 2, 9, 17, 18, 23 (Abb. 175), 25, 28a, 29,<br />
38. – 19./20. Jh. vgl. auch KKK und GdeA. – Einzelobjekte<br />
vgl. Anm.<br />
Gemeinde, Dorf (Dorfteil Ost vgl. auch Gottstatt)<br />
Pläne. Feder aq. – 1. J. R. MÜLLER, Planwerk, 1785/<br />
1789. StAB. Vgl. PfUrb. 1761 S. 67ff. mit Nachträgen 1785;<br />
KGdeA A 23 «Gemeind-Rodel»: Häuser- und Bewohnerverz.<br />
1791ff. (O. «innerer Teil»). – a: Safnern-Zehntplan,<br />
1785/86. Ostorientiert. AA IV 1133, Doppel 1627. KKK<br />
44b. <strong>Orpund</strong>-Dorf inkl. Mettseite (Grenzangabe; ohne<br />
Zilwil), Windegg, Gottstatt. b: Atlas, 1786. Atl. 275, Doppel<br />
106. KKK 44d. Inkl. Mettseite (Grenzangabe; ohne<br />
Zilwil). 11 Bll.: Plan I Windegg (1 Haus), IV Gottstatt und<br />
Teil Dorf, V Dorf, VI Riedermatten (1 Haus), VIII Breiten<br />
(1 Haus), IX Untere Zelg (3 Hsr.), X Mühlacherfeld (ein<br />
Haus), XI Mühlizelg (ein Häuschen und Insel). c: «Mett<br />
Zihlwihl und Wyger Zehnd Plan», 1789. AA IV 1131, Doppel<br />
1622. KKK44b. Dorf Ost nur in Teildarst. – 2. G. S.<br />
OHM, «Plan der Gegend um Gottstadt», 1809. Südorientiert.<br />
RITTER VON FÜCHTBAUER, BZGH 1939, Taf. S. 124/125<br />
(Text 124: ferner ein zweiter, idealisierender Plan OHMS;<br />
123: Zeichenmeister). Dorf, Scheuren, «Scheuren Hügel».<br />
BOURQUIN, Lexikon 293c, BiTgbl 31.10.1963. Vgl. 3. – 3.<br />
ED. REYNIER (1807: vgl. BZGH 1939, 125), «Plan von Gottstadt»,<br />
Feder aq. 33,5 × 41,5 cm. Offensichtl. Schülerarbeit<br />
im Sinne von 2. Zusätze und Weglassungen (vom Dorf etwas<br />
mehr, von Scheuren weniger). Pb. – 4. «Pfarrbrunnleitung<br />
von Gottstadt», d.h. Hang–Pfarrhaus, um 1827?<br />
StAB (vgl. PfUrb. 1809 S. 4f., 19–22 Nachtr. sowie A V 1141<br />
S. 88ff.). – 5. «Plan von Gottstadt», wohl 2. V. 19. Jh. Pb. Gesamtes<br />
Dorf, Teil Scheuren. – 6. F. FANKHAUSER (1871),<br />
F. MOSER (Revision, 1881), Vermessungen. Wenig nachgeführte,<br />
unvollst. Sätze: KreisgeomA. KKK 992. Ehem.<br />
Zihlbogen (1:1000): Originalplan 3 1871/[1881; nicht revidiert:<br />
Schwadernau Or. 1 1871], W. BENTELI Or. 16 1902.<br />
Bilddokumente. Vgl. Pl/BiDAmt 9. Zihl allg.: SINNER,<br />
Voyage I 125 (NiCh 6, 2000, 46). – 7. J. J HARTMANN, Blick
172 ORPUND/GOTTSTATT<br />
von Gottstatt (Ziegelmatt) gegen Westen auf Zihlbogen<br />
und Dorf, um 1800? – a: Umrisszeichnung, Feder. MSch<br />
(Abb. 176). b: Gouache. 29,8 × 43,7 cm. Auktion LAUBE,<br />
Zürich, Nov. 1976, Kat.-Nr. 88. c: Öl. 37 × 51,7 cm. Pb. –<br />
8. J. J. BIEDERMANN, um 1790, Aq. SLB Slg. Gugelmann<br />
469, 470 (Biedermann A 15, 16; Abb. 7– 8). – a (470): Blick<br />
von Norden (Windegg) auf Dorfmitte und Gottstatt. b:<br />
Pendant Gottstatt von Südwesten vgl. 29. – 9. Gezeichnete<br />
Gruppenpostkarte «Gruss aus …», 1900er Jahre. Verlag<br />
Handlung und Bäckerei Fritz Kasser. – 10. Ältere<br />
Fotografien: GdeA; KGdeA; VHBü; StAB; MKB; KDp;<br />
Pb.; KUNZ, BMB. Flugaufn.: Alpar 1934/1936.<br />
Gottstatt<br />
Situationspläne. Mit anstossendem Dorfteil. Feder aq.<br />
Vgl. hievor , Pl/BiDNi. 67 sowie Pl/BiDAmt 17, 23 (Abb.<br />
175), 25 und KdmBE Land II 36 Nrn. 1ff. Landschreiber<br />
PAGAN wird 5.2.1775 «für Verfertigung eines geometrischen<br />
Plans zu G.» entschädigt, StAB B VII 1428 S. 73. – 11. [J. R.<br />
MÜLLER] «Plan du Chateau et de la Cure de Gottstadt», 1795<br />
(neu abgesteckter Pfarrgarten) oder kurz hernach. StAB<br />
AA IV Ni. 22 (vgl. B VII 1436 S. 46). KKK 1315. Ausführl.<br />
Legende (AMACHER, SKF Nr. 773 [2005] Abb. S. 14). – 12.<br />
G. SCHUMACHER sen., Pfarrgut, 1847/48. StAB AA IV Ni. 23<br />
(vgl. PfUrb. 1848). KKK 1316. – 13. E. STUDER (?), Liegenschaft<br />
in <strong>Orpund</strong>, 1914. KKK 1318. Burgerratskanzlei Biel<br />
Plan 70.<br />
Monumentenpläne. – 14. GERSTER 98 sowie KDp<br />
Fotoslg.: Grundrissskizze der Kirche. – 15. Technikum<br />
Biel/H. SCHÖCHLIN, Gesamtpläne 1920/21, 8 Bll. KDp;<br />
StAB AA III Ni. 3 1–3 (vgl. BB X 1017 [1923]); KGdeA. –<br />
16. TAD, Gesamtpläne, Details, 1939, rund 75 Bll. KDp;<br />
KGdeA. – 17. B. MOSER, Grundriss (Hypothesen, Teilgrabung;<br />
Schraffuren unklar), isometr. Rekonstruktionsversuch<br />
«um 1320». AESCHBACHER, G. Taf. S. 24/25, 14/15;<br />
Stadt Taf. S. 256/259 (die Isometrie farbig). Wiederholt<br />
nachpubl. – 18. M. ADRIAN, Rekonstruktionsversuch. Schulpraxis<br />
58, 1968, 205. Analog (1981): «Schulpraxis»/SLZ<br />
20. 1.1983. – 19. A. SCHAETZLE, Kirche inkl. Ausstattung,<br />
1959/1966, rund 40 Bll. KDp; EAD; KGdeA. – 20. A. MEIER,<br />
Ostflügel, 1968/1971, rund 30 Bll. KDp; EAD; KGdeA;<br />
A. MEIER/F. BACHOFNER, weitere Teilpläne Ostflügel, 1987/<br />
88. KDp. – 21. Teilpläne: ADB und AAM Moudon 1991,<br />
1995/1998, rund 50 Bll. (Auswahlpubl.: EGGENBERGER/<br />
KECK (wie Anm. 16). – 22. Teilpläne: U. BERTSCHINGER,<br />
Vorhallen-, Kirchen-, Südostrisalit-Estrich, 2003, 10 Bll.<br />
KDp. – 23. R. BACHMANN, Erdgeschoss-Gesamtplan,<br />
2001/02. 1:50. KDp. – 24. Computergenerierte 24 Klosterbilder<br />
3D (CHRISTOPH HÜBSCHER) Homepage Kirchgemeinde<br />
www.Gottstatt.ch.<br />
Bilddokumente. Vgl. hievor sowie Pl/BiDAmt 9. – Von<br />
Süden und Südwesten. Scheurenufer wirklich oder fiktiv.<br />
Dilettantennachahmungen häufig. – 25. J. L. NÖTHIGER,<br />
1743, Rad. 10,3 × 18,8 cm. BOURQUIN, Graphik Nr. 174.<br />
KdmBE Land II 38 Nr. 74e. Das Expl. KKBS Slg. Falkeisen<br />
mit Feder-Legendeneinträgen Schloss, Kirche, Pfrundhaus,<br />
«Beckerey» (Buchstabenverwechslungen) (Abb. 183). Vgl.<br />
26. – 26. E. BÜCHEL (offensichtl. Umzeichnung nach 25)/<br />
D. HERRLIBERGER, 1754, Rad. 8,2 × 13,7 cm. BOURQUIN,<br />
Graphik Nr. 175. KdmBE Land II 38f. Nr. 75a (nachbildende<br />
Zeichnung bei APPENZELLER 1916/1963: Literatur).<br />
Landvogteiwappen. – 27. Dilettant, kühne Zuschreibung<br />
oder Vorbildbehauptung «dessiné d’après nature par<br />
H. Fuessli 1781» (HEINRICH FÜSSLI 1755–1829), Aq. Ca.<br />
24 × 42 cm. BHM Inv. 2355. AESCHBACHER, Grafen Taf.<br />
S. 158/159 («Blatt 27»). – 28. K. L. ZEHENDER, Landschafts-<br />
Familienporträt, 1794 (Abb.-Legenden AESCHBACHER, Grafen<br />
Taf. S. 90/91 [«Blatt 19»] und Region 1980, 187 zu korr.),<br />
Tusche lav. Ca. 119 × 74 cm. BHM Inv. 5333 (BÄCHTIGER<br />
1996, Prospekt Nr. 25). Abb. 181, 179. Alpenhorn-Kalender<br />
(Mittel- und Oberland) 76, 2001, 36–39. Ausschnitt Hintergrund<br />
KdmBE Land Abb. 18. Kloster, Pfarrhaus, Zihlübergang,<br />
Inseli, Scheurenseite. Danach Dilettant A. FORER,<br />
um 1800. Sepia. 23,4 × 33 cm. STUKER 120 (1973) Nr. 1698.<br />
– 29. J. J. BIEDERMANN, um 1790, Aq. SLB Slg. Gugelmann<br />
469 (Biedermann A 15; Abb. 8). Pendant: 8a. Von Südwesten,<br />
Blick zihlabwärts, Inseli. Danach Anonymus, Sammlerbeischrift<br />
«1815», BHM Slg. v. Rodt V 42. Abhängig weiterer<br />
Anonymus Feder aq., 25 × 37,3 cm, STUKER Mai 2002<br />
Nr. 9020 (Abb. 182). Ähnlich ebenfalls 33. – 30. WEIBEL,<br />
23.8.1824, Aquat. und (SLB Slg. Gugelmann SG 664a)<br />
Aq. BOURQUIN, Graphik Nr. 177. PITTET Nr. 276. – 31.<br />
F. E. ZEHENDER, von Südwesten, Blst. BBG 10, 1914, Taf.<br />
S. 136/137. Ähnlich 33. Vgl. V. MÜLINEN VI 244. –<br />
32. Von Süden, frühes 19. Jh., kol. Aquat. 6,8 × 10,5 cm.<br />
STUKER Herbst 1991 Nr. 4026. – 33. J. F. WAGNER/Lith.<br />
J. WÖLFFLE, «Gottstadt. Erziehungs Anstalt im Canton<br />
Bern», kurz vor 1833?, 27,3 × 36,9 cm. BOURQUIN, Graphik<br />
Nr. 176. AESCHBACHER, G. Taf. vor S. 1; Stadt Taf. S. 202/<br />
203. Ähnlich 29. – 34. Fantasievoller Dilettant, 19. Jh., Blst.<br />
gehöht: Foto 1929, BGdeA Burgdorf Bechst. Neg. 54 246<br />
(vgl. Anm. 159).<br />
Andere Blickrichtungen, Teilansichten. – 35. A.V.<br />
BÜREN zuschreibbar, von Osten, mit Pfarrhaus, um 1823?<br />
Drei Bll., Sepia. Ca. 16,5 × 34 cm. Pb. – 36. G. BAUER,<br />
Institut Zehender (evtl. aber nach dessen Auflösung<br />
1833), Lith. 9,5 × 15,3 cm. BOURQUIN, Graphik Nr. 178.<br />
Nicht eingesehen. – 37. F. E. ZEHENDER, «Kellerthür», effektiv<br />
Fenster Kapitelsaal, 1839: Pl/BiDAmt 9d. – 38.<br />
Blick vom Gartenhaus gegen Osten auf den Südflügel,<br />
M. 19. Jh., Blst. 15,2 × 24,1 cm. Pb. – 39. L. GERSTER, Kirche<br />
von Nordosten. Feder. GERSTER 97. – 40. H. KASSER,<br />
Kirchenvorhalle, 1905, Blst. BHM Inv. 42 909.1. Vermisst.<br />
– 41. H. BALMER, Hof-Nordwestecke. Feder. AESCHBA-<br />
CHER, Grafen 1924 Taf. S. 56/57 («Blatt 15»). – 42. M. JA-<br />
COBI, Blick in den Kapitelsaal, damaliger Eingangstürzustand,<br />
Rad. NICOLAS 1927 Taf. S. 16/17. – 43. P. WYSS,<br />
Westseite, Blst. Alpenhorn-Kal. 1942, 69.<br />
Ältere Fotografien. – 44. GdeA; KGdeA; VHBü; StAB;<br />
KDp (Kirchturm ca. 1905, Technikum Biel 1920, H. V.<br />
Fischer 1955/56, M. HESSE 1939/40, 1966, R. VON SIEBEN-<br />
THAL/A. SCHAETZLE 1965/66); EAD; BHM; SLB; Pb.;<br />
V.LERBER Fot. (1940); Hochwächter 6, 1950, 33–41; Fotoalbum<br />
1933–1941, Pb. G.; MEIER UND BACHOFNER 1971. –
Wichtig von Süden: BBG 10, 1914, Taf. S. 138/<strong>139</strong> (älter als<br />
KUNZ, BMB 25).<br />
ARCHIVE UND INVENTARE<br />
GdeA. – KGdeA Gottstatt (Inventar FRITZ SCHWENDE-<br />
NER 2000; «Gemeind-Rodel» 1791–1838 [A 23]: Häuser- und<br />
Bewohnervz. 1791 mit Nachführungen, tabellar. Typoskr.<br />
KDp). – GdeA Safnern (KMR Gottstatt 1723–1794). – Ortsgeschichtl.<br />
Dokumentenslg. FRITZ SCHWENDENER. – StAB.<br />
– BBB. – AAEB (Mett-Zehnturb. 1776, B 135/34ab; Marchen<br />
1727/1743, B 207/3 Pars II 3). – StadtABi/BGdeA<br />
Biel (Zeit burgerliche Pfründeranstalt und Waisenhaus). –<br />
KDp (BhfInv; BI-Liste 2003; Gottstatt vgl. Anm. 16). –<br />
EAD. – ADB (AHI). – ISOS (1994; Buchpubl. 1998 nur<br />
Gottstatt). – IVS.<br />
LITERATUR<br />
Gemeinde, Dorf<br />
BibliogrBE. – PAGAN. – LUTZ II ( 21827) 68f. – JAHN<br />
1850, 66f., 90–92, 94, 494; 1857, 603. – V.MÜLINEN VI 425–<br />
427. – HiBot 1907. – HBLS V 356. – AESCHBACHER, Grafen;<br />
Stadt; Fischerei; Gottstatt. – ChrGden I 739f. – MANUELA<br />
TRUDEN. Die Gemeinde O., wie hat sie sich entwickelt?<br />
Patentarbeit im Fach Geographie 1982 (vorh.: GdeA). –<br />
KUNZ, BMB. – ROLF HUBLER. 750 Jahre <strong>Orpund</strong>. Ein Geschichtenbuch.<br />
O. 2005. – HLS.<br />
Gottstatt<br />
BibliogrBE. – GRUNER, Topogr. II, <strong>173</strong>0, BBB Mss. h. h.<br />
XIV 55 S. 199–204. – PAGAN 1770 a 195–200, 214; 1770 c<br />
134–144, 162. – LEU IX 71–73; LEU/HOLZHALB II 574. –<br />
1794/95: STETTLER, NBTb 22, 1917, bes. 238f. – TILLIER III<br />
263. – JAHN 1857, 401–403. – LOHNER 488–492. – RAHN,<br />
Statistik, ASA (III) 9, 1876, 662; (IV) 14, 1881, 213f.; Gesch.<br />
der bild. Künste in der Schweiz. Zürich 1876, S. 800f.<br />
(«Nachlese»). – RAEMY 317. – V. MÜLINEN VI 234–245. –<br />
GERSTER 97–100. – PROPPER/TÜRLER 37. – GLS II 380f. –<br />
V.RODT, Kirchen 166. – ERNST JACKY. Emanuel Friedrich<br />
[Friedr. Em.] Zehender von G. 1791–1870 (BBG 10, 1914,<br />
133–142). – GOTTHOLD APPENZELLER/neu bearb. HERMANN<br />
SPECKER. Von alten bernischen Klöstern (BeH 27, 1916<br />
DOKUMENTATION <strong>173</strong><br />
Nr. 11 S. 87f./Berner Jb. 1963, unpag.). – RAOUL NICOLAS,<br />
KlBund 2.9.1923 Nr. 35; BeW 1923 Nr. 45 S. 572–574. –<br />
PAUL AESCHBACHER. Das Kloster G. einst und jetzt («Bund»<br />
4.9.1926 Nr. 376). – NICOLAS 1927, 17–32. – PAUL AESCH-<br />
BACHER. Das Kloster G. Eine kulturhist. Studie. Biel 1928<br />
(Sep. aus Berner Schulblatt 1928/29 Nrn. 14–16), 21949<br />
(identisch; bessere Abb.-Qualität in 1. Aufl.; zitiert: AESCH-<br />
BACHER, G.). – AESCHBACHER, Grafen; Stadt. – JOSEPH<br />
GANTNER. Kunstgeschichte der Schweiz II. Frauenfeld<br />
1947, S. 91f., 101f. – ALFRED WYSS. Die ehem. Prämonstratenserabtei<br />
Bellelay. Bern 1960 (Basler Studien zur Kunstgeschichte<br />
N.F. II), bes. S. 34ff., 61, 155ff. (1992 vgl. unten).<br />
– KDpBer 1962/63, 51 (Sept. 19); 1964–1967, 160<br />
(Sept. 24); 1968–1978 Ms. – MICHEL, Grenzziehung. – WAL-<br />
TER SCHÜTZ. Bernische Klöster II/2: Das Prämonstratenserkloster<br />
G. (Schulpraxis 58, 1968, 202–218; wiederholt:<br />
«Schulpraxis»/SLZ 20.1.1983; Das Hardermannli 85, 1986,<br />
Nrn. 7/8). – Region 1980, 186–188. – AEBERHARD 276–280<br />
(CHRISTOPH RÄBER). – KF 3, 593f. (stark zu korr.). – GIGAN-<br />
DET, Bellelay, Intervalles 15, 1986, 35–37, und Intervalles,<br />
Colloqium no 1, 1988, 24ff. – PAUL A. BÜHLER. Die «Weissen<br />
Mönche» von G. gestern und heute. Typoskr. 1988.<br />
KGdeA. – DERS. Die Geschichte der Prämonstratenser im<br />
Gebiet der heutigen Schweiz ([Stift] Schlägl intern 17,<br />
1991, Heft 1a, und Analecta praemonstr.). – ALFRED WYSS/<br />
DANIEL DE RAEMY. L’ancienne abbaye de Bellelay. Intervalles<br />
(o.O.) 1992, S. 16f., 19f., 27, 38f., 52f., 64. – ISOS<br />
1998, 141–147 (Übersichtsbd. 370). – PETER EGGENBERGER/<br />
GABRIELE KECK. <strong>Orpund</strong>, ehem. Prämonstratenserstift G.<br />
(heutige Pfarrkirche). Die Ergebnisse der archäol. Forschungen<br />
von 1991 und 1995 (AKBE 4B, 1999, 293–319).<br />
– DANIEL GUTSCHER u.a. St-Imier. Ancienne église St-Martin.<br />
Bern 1999, S. 46–49 zum Grundriss, 55–59 zum Turm<br />
(PETER EGGENBERGER; Schriften ADB). – JÜRG LEUZINGER.<br />
Berns Griff nach den Klöstern (BeGZ 360ff.). – KATHRIN<br />
UTZ TREMP. Mönche, Chorherren oder Pfarrer? Die Prämonstratenserstifte<br />
Humilimont und G. im Vergleich (ZSK<br />
95, 2001, 111–136). – KATHRIN UTZ TREMP/GEORG MO-<br />
DESTIN, HS IV/3 (2003), 383–410 (dort weitere Handbücher<br />
sowie ält. Lit.). – HEINZ RAUSCHER. Pieterlen und<br />
seine Nachbarn I (Hornerbll. 2002, bes. S. 92–95). – BeMZ<br />
bes. 316f. (UTZ TREMP), 357, 359 (EGGENBERGER), 433<br />
(KECK). – DORIS AMACHER/BETHI BLASER, SKF Nr. 773<br />
(2005) – HLS.