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139-173_Orpund - DigiBern

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ORPUND<br />

Die Gemeinde östlich von Biel-Mett erstreckt sich<br />

vom Nidau–Büren-Kanal bis hinauf auf die Mitte des<br />

Büttenbergs. Grossbrände des 19. Jh., bäuerlich-gewerbliche<br />

Entwicklung, teilweise Wandlung zum<br />

Vorort, dann eine mässige Industrialisierung brachten<br />

die Durchmischung von Bauarten und Bautypen<br />

hervor. Mit dem Klosterbezirk Gottstatt besitzt die<br />

Ortschaft ein wohl erhaltenes, landschaftlich eingebettetes<br />

Ensemble und ein Hauptmonument der Region.<br />

Nebst den zahlreichen, in der Juragewässerkorrektionszeit<br />

gehobenen Objekten ergaben sich im<br />

Moos- und Waldgebiet Streufunde von der Jungstein-<br />

und Bronzezeit an, ferner weiss man von latènezeitlichen<br />

Gräbern. 1 Beim unerklärten Ortsnamen<br />

dürfte es sich um eine romanische Bildung handeln.<br />

2<br />

Die mittelalterliche Pfarrei Büttenberg (S. 180)<br />

umfasste wohl bereits wie die reformatorische<br />

<strong>139</strong><br />

Kirchhöre Gottstatt die Dorfschaften <strong>Orpund</strong>, Safnern,<br />

Scheuren. Jedoch, wie jedenfalls seit Anfang<br />

15. Jh. belegt, gehörte das Gros des Ortes («halb <strong>Orpund</strong>»,<br />

«<strong>Orpund</strong> äusserer Teil», «<strong>Orpund</strong>-Mettseite»)<br />

bis 1864 zur Kirchhöre Mett. 3 Die namentlich hinsichtlich<br />

Zehnten wichtige March verlief anscheinend<br />

in der Strassenmitte durch den Hohlenweg bis<br />

in die heutige Hauptstrasse, bog vor dem alten<br />

Schulhaus (Nr. 201) zihlwärts ab und erreichte quer<br />

durch ein Doppelhaus einen Schiffsanlegeplatz.<br />

Ostwärts sprach man – offensichtlich von Gottstatt<br />

aus gesehen – von «<strong>Orpund</strong> innerer Teil». Beide<br />

Ortshälften bildeten zusammen eine Dorfgemeinde<br />

(wie Zilwil), nach der im vorgerückten 18. Jh. festgehaltenen<br />

Einteilung der «Grafschaft» im Viertel<br />

Scheuren. Das Moos innerhalb des einstigen Zihlbogens<br />

Zilwil–<strong>Orpund</strong>–Gottstatt 4 war bis zum Kanalbau<br />

als Allmend Teil der Gemeinde Schwadernau.<br />

176<br />

<strong>Orpund</strong>. Blick von der Ziegelmatte zihlaufwärts. Federskizze von Johann Joseph Hartmann, um 1800? MSch (Pl/BiD 7a).


140 ORPUND/GOTTSTATT<br />

Uhrmacherei war um 1860 präsent. Aus der weit<br />

zurückreichenden Schmiede ging 1916 eine Sägenund<br />

Maschinenfabrik hervor, ähnliche Betriebe folgten,<br />

so 1940 eine Juweliersägenfabrik. 5<br />

GEMEINDEWAPPEN<br />

In Rot ein goldener Flösserhaken, gekreuzt mit einem<br />

goldenen Ruder. 6 1924 lehnte die Gemeinde einen Vorschlag<br />

mit zwei gekreuzten Rudern ab; es sei eine Skizze<br />

vorhanden, neben dem Ruder wünschte man zunächst einen<br />

Schifferstachel («Chräiel», «Chräbel»), dann aber einen<br />

Flösserhaken. Anlass zur Bereinigung gaben ohne Zweifel<br />

die Wappenreliefs an den Schulhaus-Türstürzen.<br />

SIEDLUNGSGESCHICHTE<br />

UND ORTSGESTALT<br />

Es bleibt Spekulation, ob die Klostergründung<br />

auf die erwähnten territorialen Zuordnungen Einfluss<br />

hatte. Wahrscheinlich ist jedenfalls, dass sich<br />

die Ortschaft erst nach dem Erstarken der Abtei ostwärts<br />

entwickelte. Der Zihlbogen, heute noch am<br />

Verlauf der Brüggstrasse ablesbar, führte hart am<br />

Dorfkern vorbei, wo es vier bis fünf Anlegestellen<br />

gab. Dieser rückte mit dem Kanalbau vom Element<br />

Wasser ab.<br />

Nach OHM 1808 7 lagen die «vielleicht 40 Häuser»<br />

des Dorfes «so zerstreut, dass es sich eine halbe<br />

Stunde ausdehnt». Auch am Hohlenweg senkrecht<br />

zum Büttenberghang hatte unten dichte, weiter<br />

oben lockere Bebauung damals bereits eingesetzt.<br />

Die alten Binnenmatten sind teilweise noch erhalten.<br />

Bei derjenigen östlich des alten Schulhauses<br />

(Nr. 201) ist nicht ausgemacht, wann sich gegenüber<br />

dem Plan von 1785/86 der Bestand lichtete, vielleicht<br />

mit den Brandfällen von 1868.<br />

Am 8.5.1778 8 brannten acht Häuser (von sieben<br />

Besitzern) ab; der Landvogt liess einen Plan zeichnen,<br />

um diese «bey wieder aufbauung beßer aus einander<br />

zusetzen». Tief herabreichende Vollwalmdächer,<br />

Strohdächer und Doppelhausprinzip herrschten<br />

noch vor, als am 24.2.1868 drei Wohngebäude,<br />

am 28.6.1868 9 vom Schulhaus westwärts 26 Häuser,<br />

insgesamt über 30 Firste verbrannten. Von der Brandstifterin<br />

in einem Haus am Gässli hiess es, sie hätte<br />

eben lieber auf der Anhöhe wohnen wollen. Sogleich<br />

tauchte der Gedanke einer Strassenkorrektion zwischen<br />

Hohlenweg und Breitenrain West auf; die Gemeinde<br />

erwarb Landabschnitte und Hausplätze, teils<br />

durch Expropriation. Das Abschnüren hangseitiger<br />

Wege hatte neue Schrägmündungen und Strassendreiecke<br />

zur Folge. Die Stellung mehrerer Bauten<br />

zwischen dem alten Schulhaus und Breitenrain erinnert<br />

noch an den früheren, «zusammengewürfelten»<br />

Dorfplan. Tief greifende Veränderungen fielen<br />

zeitlich zusammen: Damals begann der Kanalbau.<br />

177–178<br />

<strong>Orpund</strong> 1:25 000. Topographischer Atlas 1876 und Landeskarte 2000.<br />

Statistikauszug inkl. Mettseite und Zilwil: 1764 45 Feuerstätten. – 1798 57 bewohnte Häuser, 24 übrige Gebäude. –<br />

1850er Jahre 71 Wohnhäuser (darunter wohl 4 Doppelhäuser, 1 Wohnstock, 3 Wohnstöckli), 11 Ofenhäuser, 4 Speicher,<br />

1 Schmiede. – 1900 87 bewohnte Gebäude, 1941 143, 1950 164, 1970 323, 1990 492, 2000 542.


179 –180<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Pfarrhaus. Ausschnitt<br />

aus der Vedute von Karl Ludwig Zehender,<br />

1794 (wie Abb. 181, Pl/BiD 28).<br />

Situationsplan Gottstatt. 1:2500 (Gesamtlegende<br />

vgl. Faltblatt S. 409, dort<br />

generelle Erläuterungen). Starker<br />

Strich: Baubestand 1785/1795. Grauraster:<br />

Baubestand 1871/1878. Etwas<br />

dunkler gerastert: Kirche und Konvent.<br />

Zwei hellere Rasterungen: Nidau–Büren-Kanal<br />

(Böschungen, Strassenbrücke),<br />

einstige Zihl (gestrichelte Begleitung,<br />

Inseli, Fährschiffandeutung).<br />

Gartenanlagen: 1795.<br />

1 Pfarrhaus.<br />

2 Gemeindehaus<br />

(«neues Kornhaus», «Waisenhaus»).<br />

3 Bauernhaus Gottstattstrasse 24.<br />

a Brückenzufahrt Scheuren<br />

um 1925.<br />

b Einstige «Schwelli» (Landeplatz)<br />

und Klosterscheune.<br />

c Klosterseitige Fährstelle.<br />

d Einstiger Landeplatz.<br />

e «Metzg», «alte Mühle».<br />

f Haberhaus oder Remise.<br />

g Scheune, später Bauernhaus;<br />

zihlseitig ehem. Pfarrgarten.<br />

h Ehem. Friedhof.<br />

i Tulpenbaum.<br />

k Ziegelmatt oder -äcker.<br />

l Einstiger Abkürzungsweg<br />

zur Bürenstrasse.<br />

w Weiher.<br />

SIEDLUNGSGESCHICHTE UND ORTSGESTALT 141<br />

Hauptstrasse<br />

Gottstattstrasse<br />

N<br />

0 50 m<br />

Scheuren


142 ORPUND/GOTTSTATT<br />

Ein isolierter Wohnstock auf der Breiten (spätes<br />

18. Jh.) und der hölzerne, strohgedeckte Gemeindespittel<br />

(erbaut 1807/1818, stillgelegt 1872) lassen<br />

sich bis jetzt nicht lokalisieren. 1952 sollen noch drei<br />

Bauernhäuser aus der Zeit um 1820 von Zimmermeister<br />

PETER ANTENEN mit beschrifteten Tennstorstürzen<br />

und Bügen bestanden haben. Um 1890/1910<br />

kamen «städtische» Einzelbauten auf. 10<br />

Zur ab etwa 1960 intensiven Bautätigkeit gehören<br />

auch diverse öffentliche und gewerbliche Anlagen<br />

im einstigen Zihlbogen (Bifangstrasse usw.).<br />

Einiger Freiraum, Kirchturm und heutiges Gemeindehaus<br />

machen Gottstatt von weitem kenntlich.<br />

GOTTSTATT<br />

Dank Kirche, Kirchgemeindehaus und -name,<br />

Verwaltungssitz der Einwohnergemeinde (im ehemaligen<br />

Kornhaus des Landvogts) und Pfarrhaus besteht<br />

der Charakter als zentraler Ort weiter. Ziegelmatte<br />

und Pfrundmatte schaffen etwas Distanz zum<br />

modernisierten Strassendorf, gegen Osten und teils<br />

auch gegen Westen dehnt sich Kulturland aus.<br />

Der heutige Nidau–Büren-Kanal lässt die einstige<br />

Situation am Wasserweg noch ahnen. In überschwemmungsgefährdetem<br />

Gebiet stand die Gebäudegruppe<br />

neben dem östlichen Knie einer markanten<br />

Flussschlaufe (nicht auf einer Halbinsel, wie<br />

man oft liest), das Kloster selbst erhöht auf hartem<br />

Felssporn 3–4 m über der Zihl. An dieser Stelle verläuft<br />

ein Molassefelsband vom Büttenberg gegen Süden.<br />

11 Hier waren auch eingetiefte Keller möglich.<br />

Trinkwasser liess sich vom Hang oberhalb des Dorfes<br />

leicht zuleiten.<br />

Der ummauerte ehemalige Totenhof nördlich der<br />

Kirche entstand sicherlich bald nach der Reformation;<br />

vielleicht ging er aus einem bestehenden Laienfriedhof<br />

hervor; Klosterherren und sonst Privilegierte<br />

waren ohne Zweifel im Kreuzgang, im Hof,<br />

gegebenenfalls in der Kirche bestattet worden, Laien<br />

vielleicht auch aussenher. 12 Das teilweise stark aufgeschüttete<br />

Areal wurde im 18. Jh. und namentlich<br />

1868 vergrössert, aber 1883 durch den jetzigen<br />

Friedhof am Ortsrand Richtung Safnern ersetzt. 13<br />

Mehrere Kloster-Nebenbauten sind verschwunden<br />

(S. 168). Die letzte einschneidende Lockerung<br />

der Baugruppe trat ein mit dem Brand (10.12.1966)<br />

des um 1930 mit einem Ründi-Kreuzfirst versehenen<br />

Bauernhauses hart an der Strasse, der einstigen Landvogtsscheune.<br />

Beim Parkplatz ist übrig der mächtige<br />

Monolith-Brunnen mit klassizistischem Stock, wohl<br />

aus der Zeit der Zehender (ab 1807); Trog-Medailloninschrift<br />

unleserlich. Hier lag zwischen Garten,<br />

Westflügel, Kirche, Scheune und Haberhaus oder<br />

Remise der «äussere Hof» im Gegensatz zum «inneren»,<br />

dem Klosterhof.<br />

Die Strassenführung Richtung Kanal stammt aus<br />

dessen Bauzeit. Parkplatz und Trottoirbau 1989/90.<br />

Der Bauernhof bei der Brücke befindet sich südlich<br />

der verschwundenen landvögtlichen Wirtschaftsbauten;<br />

das Haus (Gottstattstrasse 24) 14 geht auf eine<br />

Scheune der Burgergemeinde Biel von 1906 zurück,<br />

wurde in den 1920er Jahren ausgebaut und erhielt<br />

gegen Westen eine eigenwillige Frontgestaltung.<br />

Kanalbrücke. 15 Die einstige Zihl-Fährstelle lag etwas<br />

flussabwärts. Nachdem sich 1858 und 1898 Bauwünsche<br />

nicht hatten durchsetzen können (Safnern<br />

erhielt 1875 seine Flurbrücke), bestand weiterhin<br />

eine Fähre nach Scheuren (ab 1889/90 an einer<br />

Drahtleine, ein «Limmefahr»), bis am 11.7.1926 ein<br />

Sappeurübergang eingeweiht werden konnte: fünfjochige<br />

Holzkonstruktion auf Eichenpfählen, Spannweite<br />

83 m, Breite 3,3 m. Teilneubau 1956 (Entfernung<br />

der Hängewerke über den drei mittleren, breiteren<br />

Jochen). 1988 fünfjochiger, aufgebogener Betonverbund-Neubau<br />

auf Eisenpfeilern.<br />

EHEMALIGES KLOSTER<br />

UND REFORMIERTE KIRCHE<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. 16 Geschichte und Baugeschichte<br />

1247/1255 Rudolf I. von Neuenburg-Nidau<br />

übergibt den Ort dem Prämonstratenserorden<br />

zum Bau einer Abtei<br />

1295 Erwähnung des Kirchweihfests<br />

1314/15 Neubauten sind im Gang, 1345<br />

Neuweihe der Kirche<br />

1375 Guglerkrieg, Zerstörungen unbekannten<br />

Ausmasses<br />

1450er Jahre Südostrisalit-Helmdach<br />

1510er Jahre Kapitelsaal<br />

1528/1533 Reformation, Schaffnerei, Teilabbrüche,<br />

Aufhebung der Kirche<br />

Büttenberg, Predigt in Gottstatt<br />

Ab 1600 Bau des Kirchturms, oberstes<br />

Geschoss 1605<br />

<strong>173</strong>0, 1795 «Schloss»: neue Südbefensterung<br />

<strong>173</strong>8 Formelle Umwandlung der Schaffnerei<br />

in eine Landvogtei


EHEMALIGES KLOSTER UND REFORMIERTE KIRCHE 143<br />

181–183<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Lavierte Tuschzeichnung<br />

von Karl Ludwig Zehender, 1794,<br />

starker Ausschnitt. Vom südlichen Klostereingang<br />

führt ein Weg zur Scheurenfähre.<br />

Berner Wappen am Südostrisalit<br />

wohl noch in der Renovierung durch<br />

Samuel Herrmann <strong>173</strong>9/40. Weiterer<br />

Ausschnitt, Pfarrhaus: Abb. 179. BHM<br />

(Pl/BiD 28).<br />

Gottstatt von Südwesten. Aquarellierte<br />

Federzeichnung, 1. Drittel 19. Jh., Ausschnitt.<br />

Kunsthandel 2002 (vgl. Pl/BiD<br />

29 Schluss).<br />

Radierung von Johann Ludwig Nöthiger,<br />

1743, Exemplar mit handschriftlichen<br />

Einträgen. KKBS (Pl/BiD 25).


144 ORPUND/GOTTSTATT<br />

1759 Neues Kornhaus (heute Gemeindehaus)<br />

1769 Umbau des Südflügels, neue Hoffassade<br />

1777/1780 Pfarrhausneubau, Teilneubau des<br />

Kloster-Westflügels<br />

1807 Veräusserung der Domäne an Pfarrer<br />

Zehender, der ein Knabeninstitut<br />

eingerichtet hatte (bis 1833);<br />

1855: F.-L. Bovet<br />

1873–1919 Burgergemeinde Biel: Pfründeranstalt,<br />

Waisenhaus<br />

1919/1926 Besitzesaufteilung, Umbauten<br />

1905, 1955/56, 1965 Renovationen Kirche, Kapitelsaal,<br />

Turm<br />

1971/72, 1995/96 Einrichtung des Kirchgemeindehauses<br />

im Ostflügel<br />

GESCHICHTE<br />

Mittelalter. Urkundliche oder chronikalische Hinweise<br />

besagen häufig, dass Klostergründungen mehrerer<br />

Anläufe bedurften, bauliche Realisierung schleppend<br />

vorankam und ausreichende wirtschaftliche<br />

Dotierung sich erst nach längerer Zeit abrundete.<br />

Ein Muster hiefür ist auch die späte Stiftung Gottstatt.<br />

17 Im Einverständnis mit seinen Brüdern (v. Aarberg,<br />

v. Strassberg und Heinrich, Probst, später Bischof<br />

von Basel) übergab Rudolf I. von Neuenburg-<br />

Nidau 1247/48 dem Prämonstratenserorden den Ort<br />

Gottstatt, der früher «Stadholz» hiess, um dort oder<br />

in der Nähe eine Abtei zu bauen. 18 Der vom Stifter<br />

oder vor seinen Beratern festgeschriebene Name<br />

Gottstatt (Locus Dei), 19 «Gottes Stätte», bezeichnet<br />

einen Ort, an dem ein Gotteshaus (Kloster) steht. Es<br />

sollte ein Hauskloster werden. 20 Welche Einflüsse<br />

bei der Wahl des bedeutendsten Priesterordens regulierter<br />

Chorherren nach Augustinerregel wirksam<br />

waren, bleibt Spekulation: vielleicht wünschte es der<br />

Basler Bischof, vielleicht dachte man an Fontaine-<br />

André (La Coudre NE) 21 der welschneuenburgischen<br />

Vorfahren und Verwandten. Als Mutterkloster<br />

war zunächst Weissenau bei Ravensburg vorgesehen.<br />

Die Neuenburger kamen weit herum. Durch<br />

Rudolf I. allein wurde der Gründungsakt acht Jahre<br />

später zweimal wiederholt und die Unterstellung<br />

unter Bellelay stipuliert. 22 Die Örtlichkeit hiess jetzt<br />

«Stadau», 23 wiederum bestimmt zum Klosterbau «dort<br />

oder in der Nähe», mit den Wassern von <strong>Orpund</strong> bis<br />

Meienried als ausdrücklicher Zugehörde.<br />

Detailliertere Überlieferung war im 17. Jh. 24 noch<br />

lebendig; sie wirft Licht auf die zögernde Standort-<br />

wahl und die Ursprünge des Dörfchens Scheuren:<br />

«Als das Graff Rudolff von Nüwenburg Herr zu˚ Nydauw<br />

das Erdtrich zwüschen beiden wasseren, da Jetzunder<br />

Schüren stadt, dem Orden von Praemonstrentz<br />

für frey ledig eigen vergabet, Alda ein Abtey<br />

vfzurichten. Wyl aber das ort von den wasseren wegen<br />

nitt füglich wellen syn, haben sy das Closter vff<br />

die andere sytten gesetzt, da es Jetzunder ist, vnd<br />

ehnethalb Ire Schüren davon es denn nammen bekommen,<br />

gehept …».<br />

Die in der Historiographie des 18./19. Jh. aufgekommene<br />

Vorstellung einer ersten Niederlassung<br />

auf dem Büttenberg (Namen Klostermatte, Klosterhubel,<br />

Klosterhohlen, Staldholz, auch «Stadelholz»,<br />

«Stattholz», «Stadtholz», Interpretation der Kirchenoder<br />

auch der Burgruine als Klosterrest; S. 180f.) ist<br />

fallen zu lassen.<br />

Die Widmung 1247/48 an die Dreifaltigkeit, Maria<br />

und alle Heiligen ist wohl formelhaft zu verstehen.<br />

Patronin war Maria. 25<br />

Die neuenburgische Abtei Erlach (St. Johannsen)<br />

lag von Nidau ziemlich entfernt; die dortige Kastvogtei<br />

verblieb den beiden Hauptzweigen des Hauses<br />

gemeinsam. Nach dessen Teilung ging es Rudolf<br />

in einer letzten Phase hochmittelalterlichen Landesausbaus<br />

wohl darum, in einer «strukturschwachen<br />

Region» zwischen den Burgsitzen der Brüder einen<br />

Mittelpunkt zu schaffen an einer Nord-Süd-Verbindung<br />

26 unweit des Zusammenflusses von Zihl und<br />

Aare und der Strassenachse Murten–Aarberg–Solothurn.<br />

Wirtschaftliche Entfaltung von Gottstatt durch anderweitige<br />

Schenkungen («aliorum») erfolgte langsam,<br />

27 die Abtei blieb verhältnismässig bescheiden.<br />

Die nachfolgenden, vielbeschäftigten Nidauer waren<br />

kirchlichen Schenkungen unterschiedlich zugeneigt,<br />

hatten anderweitige «Prioritäten» (Stadt Nidau,<br />

Laupenkrieg) oder waren fehdelustig und prunkliebend.<br />

Rudolf III. verbriefte Zollprivilegien für die<br />

Weintransporte grosser Abteien, an deren Wasserroute<br />

Gottstatt lag (St. Urban LU 1322, Engelberg<br />

OW 1326, Fraubrunnen 1327). 28<br />

Das Kloster gelangte in den Besitz der Patronatsrechte<br />

29 der Kirchen von Bürglen, Kappelen (beide<br />

1247/48 und 1255; als Tochter von Bürglen dann<br />

auch Nidau bis 1482), Büttenberg (1258; bis 1533),<br />

Sutz (1289), Mett (1305), Dotzigen (1336; bis 1531),<br />

Täuffelen (1357), Arch, Selzach/SO (1368, zusammen<br />

anstelle einer erwogenen Übergabe von Grenchen;<br />

Selzach bis 1539). Burgrechte bestanden mit


Biel, Nidau, Solothurn, vermutlich auch mit Büren<br />

a.A. (Hausbesitz).<br />

Wie Fraubrunnen, St. Urban LU oder Fontaine-<br />

André NE erlitt Gottstatt im Guglerkrieg 1375 Besetzung<br />

und Verwüstung. Der einschneidende Rückschlag<br />

wird noch 1385 beklagt. 30 Die Bestattung des<br />

vor Büren gefallenen Rudolf IV. erfolgte nicht bei<br />

seinen Vätern, sondern in der Stiftskirche Neuenburg,<br />

31 wobei man auch beachtet, dass seine Frau<br />

Isabella von Welschneuenburg war. Gottstatt ging<br />

seiner Funktion als gräfliche Grablege verlustig,<br />

nachdem Rudolf noch in seinem Testament 1368 eine<br />

Garantie von 12 residierenden Chorherren (nebst<br />

dem Abt) angestrebt hatte. Rund hundert Jahre später<br />

wurde das Haus «mehr Landkapitel als Mönchskonvent»<br />

in einer Art Unterscheidung «innerer» und<br />

«äusserer» Chorherren (UTZ). 32<br />

Im 13. Jh. war neben der Bestimmung zum Begräbnisort<br />

noch offen gewesen, ob sich Gottstatt<br />

(1357 33 : «plantula») stärker in der Richtung Gutswirtschaft<br />

oder Pfarrdienste entwickeln würde. Mit den<br />

schliesslich neun bis zehn Kirchensätzen war dann<br />

letzteres der Fall. Landwirtschaft: Kolonisationsspielraum<br />

war in altbesiedelter Gegend begrenzt,<br />

ausser in Scheuren (Erblehen <strong>139</strong>8) und in Safnern<br />

sind keine Hofgüter bekannt, 1276 wird ein Acker<br />

innerhalb des Klosterzauns erwähnt, Laienbrüder<br />

(Konversen) kommen ein einziges Mal 1297 formelhaft<br />

vor 34 – man weiss also nicht, ob solche einmal<br />

eine wichtigere Rolle spielen sollten oder vorgesehen<br />

waren. Im Kornland hatte Mühlenwirtschaft einige<br />

Bedeutung.<br />

Als Nacherbin der Grafen von Neuenburg-Nidau<br />

gelangte Bern 1388/<strong>139</strong>3 in den Besitz der Kastvogtei,<br />

ausgeübt durch den Landvogt von Nidau.<br />

Wie andere Abteien wurde Gottstatt von der Stadt<br />

für wichtige Beitragsleistungen herangezogen. Unter<br />

den späten Äbten seien genannt Niklaus Krebs<br />

1478–1502/03, zuvor Kirchherr zu Sutz, Backsteinfliesenproduzent,<br />

und Konrad Meyer 1503/04 bis<br />

jedenfalls 1516, der Bau- und Ausstattungsfreudigkeit<br />

seiner Epoche teilte. 35<br />

Reformation. Für die damals sieben «Mönchspfarrer»<br />

verlief der Umbruch glimpflich. 36 Anfang<br />

Mai 1528 kam es kurz zu Bauernunruhen wie in Interlaken<br />

(jedenfalls sah es VALERIUS ANSHELM so),<br />

ein gutes Vierteljahr verspätet sollten Ende Mai die<br />

Altäre liquidiert werden, 1529 gelangten Abtstab,<br />

Kelche, Becher, Schalen in die Silberschmelze. 37 Der<br />

EHEMALIGES KLOSTER, GESCHICHTE 145<br />

letzte Abt, Konrad Schilling 38 aus Solothurn, einer<br />

der vier Präsidenten der Berner Disputation vom<br />

Januar, wurde obrigkeitlicher Klosterschaffner, baute<br />

1533 in Nidau ein Haus (S. 58) und ging wohl<br />

1538/39 als Pfarrer nach Twann.<br />

Mit der Klosterkirche in der Ebene und der alten<br />

Patronatskirche auf dem Büttenberg verfügte das<br />

Kirchspiel faktisch über zwei Kultorte, wahrscheinlich<br />

gab es vorübergehend auch beiderorts Predigt,<br />

bis der Kirchensatz Büttenberg 1533 formell aufgehoben<br />

und Gottstatt alleinige Predigtkirche wurde<br />

(S. 180).<br />

Neuzeit. 39 Administrativ hielt man die Rechts-,<br />

Wirtschafts- und Gebäudeeinheiten «Kloster» (Schaffnerei<br />

bzw. Landvogtei; später auch «Schloss») und<br />

Pfarrpfrund (Westflügel bis 1777) auseinander. Die<br />

1720/1726 einkünftemässig aufgebesserte Schaffnerei<br />

wurde <strong>173</strong>8 in eine Landvogtei dritter Klasse (wie<br />

Nidau) umgewandelt, doch führte der Schaffner<br />

oder Amtmann schon vorher oft den Titel «Vogt»,<br />

und Gottstatt, die bescheidenste unter den bernischen<br />

Klosterlandvogteien, erschien mit dem Neuenburgerschild<br />

in Ämterwappenreihen (S. 23, 146).<br />

Die hohen Gerichte lagen in Nidau. Die mittlere und<br />

niedere Gottstatt-Gerichtsbarkeit beschränkte sich<br />

auf die Ausdehnung des Klosterhofs und der Dominialgüter<br />

(1714).<br />

Unter den Amtleuten des 17. Jh. sind hervorzuheben<br />

der Glasmaler Hans Rudolf Lando 1626–1632<br />

und der Gartenkunde-Pionier Daniel Rhagor 1612–<br />

1620, der sich die milde klimatische Lage des Ortes<br />

für Versuche und Beobachtungen zunutze machte, 40<br />

wie später die agrarischen Zehender.<br />

1798 waren Plünderungsschäden beträchtlich. 41<br />

Die Nationalschaffnerei wurde 1801 in eine Nidauer<br />

Unterschaffnerei umgewandelt, deren Funktionen<br />

erst 1831 ganz erloschen. Verkaufsabsichten der helvetischen<br />

Regierung 1801 führten im Falle der Klosterdomäne<br />

zu keinem Erfolg. Diese wurde weiterhin<br />

Pfarrer Gottlieb Samuel Zehender verpachtet,<br />

der sie 1808 kaufte und hier ein Knabeninstitut führte.<br />

1855 gelangte Gottstatt zur Einrichtung einer<br />

Heimpension an den Neuenburger Arzt François-<br />

Louis Bovet, 1872/73 (diesmal samt dem Kornhaus)<br />

zu Anstaltszwecken an die Burgergemeinde Biel,<br />

1919/1922/1923/1926 wieder an Private. Sie nahmen<br />

Aufteilungen vor. Seit 1965 konnte die Kirchgemeinde<br />

nach und nach Abschnitte des Klosters erwerben.


146 ORPUND/GOTTSTATT<br />

184 –187<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Siegelbeispiele (alle StAB): links ein Abtssiegel von 1306 (Vorder- und Rückseite); rechts wie häufig<br />

gebräuchlich Konvents- und Abtssiegel nebeneinander, 1370.<br />

WAPPEN, SIEGEL<br />

Abtei- und Landvogteiwappen war der Nidauerschild<br />

(S. 23). 42 – Siegel. 43 Gegen 50 Belege, meist StAB. Konvents-<br />

und Abtssiegel nebeneinander bereits 1279 (FRB III<br />

Nr. 287). Konventssiegel (14./15. Jh.): sitzende Madonna.<br />

Abtsstempel, in der Regel ohne Name («S. ABBATIS ECCLE-<br />

SIE LOCI DEI»), wiederholt ausgewechselt; Bild: stehender<br />

Abt mit dem Stab, seit etwa 1370 auf Damast-Hintergrund.<br />

Vereinzelt ist ein kleines rückseitiges Siegel erhalten<br />

(Kontrasigill, 1306). – Schaffner, Landvögte: die jeweiligen<br />

Privatsiegel.<br />

FUNKTIONEN<br />

Die Begräbniskirche der drei Rudolfe (Standort und<br />

Form der Grablege sind völlig offen) diente auch Bestattungen<br />

von Ministerialen und Stadtbürgern; Jahrzeiten<br />

waren anscheinend zahlreich, Rudolf IV. testierte eine tägliche<br />

Seelenmesse. 44 1300 wird ein Schüler erwähnt. 45<br />

Nach der Reformation wurde das Laienhaus zur Predigtkirche.<br />

Almosnerei und Spendausteilung, insbesondere von<br />

Brotmütschen aus der Pfisterei im Nordflügel, wurden<br />

von den Schaffnern und Landvögten fortgeführt (1806:<br />

«das Schloss mit beiden Flügeln und Bekerey» im Norden<br />

des Hofes). 46 Sie betrieben eine umfangreiche Mattland-,<br />

Heu-, Kornzehnt- und Naturalzinswirtschaft, im 18. Jh.<br />

auch eine Küherei. Ihnen verblieb das Stubenrecht des<br />

Klosters; die Pinte47 befand sich im 17. Jh. sehr wahrscheinlich<br />

über der Kirchenvorhalle, ab 1780 bis zur Aufhebung<br />

1809 im nördlichen Westflügel.<br />

Anfänglich im Pfarrhaus, ab 1801 mietweise im «Schloss»<br />

führten der landesökonomisch interessierte Pfarrer Gottlieb<br />

Samuel Zehender (1756–1840) und sein Sohn Friedrich<br />

Emanuel (1791–1870), hervorragender Obstbaumzüchter,<br />

bis 1833 ein angesehenes Erziehungsinstitut, das<br />

Berner, Waadtländer, Neuenburger Patriziersöhnen und<br />

auch Ausländern eine Alternative zum liberalen Hofwil<br />

bot. 48 Hier war der später berühmte Physiker Georg Simon<br />

Ohm von 1806 bis 1811 Lehrer.<br />

Weniger weiss man über die Heiminstitution des Arztes<br />

François Louis Bovet ab 1855 und die burgerlichen Anstalten<br />

der Stadt Biel von 1873 bis in die 1910er Jahre, 49 im<br />

Kloster das Pfründerhaus, im «neuen» Kornhaus das Waisenhaus;<br />

Letzteres löste die Armenerziehungsanstalt im<br />

Berghaus bei Leubringen ab, die auf das Legat von Schultheiss<br />

Charles Neuhaus zurückging. Nach 1920 kam es zu<br />

aufgeteilten Wohnnutzungen, im Erdgeschoss des Westflügels<br />

auch zu landwirtschaftlichen Schlachthauseinrichtungen.<br />

Der Ostflügel dient seit 1972 als Kirchgemeindehaus.<br />

KLOSTER- UND SCHLOSSDOMÄNEN 50<br />

Streubesitz und recht umfangreiche Zehntrechte verteilten<br />

sich im Raum der Zihl, sonst im unteren Seeland<br />

und in der solothurnischen Nachbarschaft. Dazu gehörten<br />

Mühlen in Brüttelen (1256), Safnern (1295, nebst dem<br />

späteren Hof), Gottstatt und Brügg (1333, nebst Stampfen),<br />

Mett (1351), Hauseigentum in Biel, Vingelz, Alfermee,<br />

Nidau, Sutz, Büren a.A., Kappelen, Bern. Reben, begünstigt<br />

durch den kurzen Wasserweg, lagen in Alfermee,<br />

Tüscherz, Vingelz (bis 1801), Biel, im 14. Jh. auch in<br />

Neuenstadt. 1450 wurden Güter in Klosternähe arrondiert,<br />

wohl das späterhin erwähnte Mattland von sechs Mähdern<br />

auf der Ostseite. Äbte und Landvögte wussten ihre<br />

Fischenzen in der Zihl samt der Insel gegen die Dorfleute<br />

zu verteidigen. Dem Vogt verblieben ausser den Nebengebäuden<br />

im Westen auch die Scheune in Scheuren und<br />

der Hof in Safnern. Auch nach den Umwälzungen blieben<br />

Konvent und mehrere Nebengebäude in ein und derselben<br />

Hand bis 1919; das Kornhaus veräusserte der Staat<br />

erst 1872/73.


KIRCHE UND KONVENT<br />

ALS GANZES<br />

INTERPRETATIONEN UND FORSCHUNGEN:<br />

RÜCKBLICK<br />

Baugeschichtliche Zusammenfassung und Detaillierung<br />

(vgl. auch den Abschnitt «Rekonstruktionsfragen»)<br />

51 sind erschwert durch mannigfaltige, dokumentarisch<br />

nicht oder zu wenig genutzte Eingriffe<br />

der letzten 50 oder 150 Jahre in den meisten Teilen<br />

des Ensembles. Aus manchen Teilbefunden lassen<br />

sich vor weiteren allenfalls möglichen Untersuchungen<br />

bloss begrenzte Einblicke gewinnen.<br />

Man hat den Eindruck, dass RAHN 1881 (der die<br />

dann oft wiederholte Datierung der Kirche «um<br />

1295» nach dem Akt dieses Jahres ZEERLEDERS Urkundenbuch<br />

entnahm) das Äussere der Ostpartie<br />

aus irgendwelchen Gründen nicht besuchte. Für ihn<br />

war die Prämonstratenserkirche vierjochig, so dann<br />

auch für GANTNER, der sie unter einem anderen Gesichtspunkt<br />

zerstreuten Vergleichsbeispielen gerader,<br />

äusserlich nicht ausgeschiedener Chorschlüsse<br />

zur Seite stellt. Beide Autoren kannten ohne Zweifel<br />

Rüti ZH (ab 1208/um 1298). 52<br />

Die Handänderung 1919 veranlasste die Kunstaltertümerkommission<br />

zur Berichterstattung und zur<br />

Bekräftigung der 1909 erfolgten Unterschutzstellung<br />

des Kapitelsaals; das Technikum in Biel wurde beauftragt,<br />

«Pläne der gesamten einstigen Klosteranlage<br />

in ihrem jetzigen Zustande aufzunehmen» und «auf<br />

einem besonderen Plan den Versuch einer Rekonstruktion<br />

des ursprünglichen Klosters zu machen». 53<br />

1923 lancierte RAOUL NICOLAS im «Kleinen Bund» einen<br />

Aufruf zur Erhaltung, insbesondere des Kapitelsaals;<br />

eine grossrätliche Interpellation, der Staat<br />

möge den Komplex erwerben, wurde abgelehnt.<br />

1926 nahmen PAUL AESCHBACHER und sein Kreis<br />

– in erster Linie sollte es um Auffindung der gräflichen<br />

Grablege gehen – Sondierungen im Ostbereich<br />

der Kirche vor. 54 Sie sind praktisch nicht dokumentiert,<br />

obwohl Geometer BENDICHT MOSER beigezogen<br />

wurde, dessen Rekonstruktionsgrundriss und<br />

-isometrie Verbreitung fanden. Die angenommene<br />

Dreischiffigkeit, von ALFRED WYSS aus Anlass von<br />

Bellelay I/II schon 1960 bezweifelt, wurde seither<br />

ausreichend widerlegt.<br />

Eine weitere bevorstehende Handänderung des<br />

Ostflügels mit dem Kapitelsaal führte 1949/1952<br />

zur Gründung der Vereinigung «Pro Gottstatt» (bis<br />

KIRCHE UND KONVENT, INTERPRETATIONEN UND FORSCHUNGEN 147<br />

1985), 55 die auch dokumentarisch interessiert war.<br />

Erstmals ausreichend fotografiert wurde 1955/56<br />

(Kapitelsaal). Die Arbeiten von Architekt ALFRED<br />

SCHAETZLE in der Kirche 1965/66 waren mit Teilgrabungen<br />

verbunden.<br />

Die Sanierung des «Hof-Nordflügels» 1991, Treppenhausumbau<br />

und Liftinstallation im Osttrakt 1995<br />

gaben Anlass zu eigentlichen, allerdings sektoriellen<br />

archäologischen Erfassungen, über die PETER EG-<br />

GENBERGER berichtete; dazu erarbeitete GABRIELE<br />

KECK namentlich anhand der Bauskulptur Erwägungen<br />

zu Baugeschichte und Datierung der Kirche.<br />

2003 untersuchte URS BERTSCHINGER, unterstützt<br />

durch einige dendrochronologische Analysen HEINZ<br />

EGGERS, unberührte, bis jetzt übergangene Abschnitte,<br />

insbesondere den Estrich des Vorhallenbaus;<br />

über diesen ist man jetzt sehr genau unterrichtet,<br />

anderweitige Beobachtungen bleiben provisorisch.<br />

2003/04 nahm HANS-JÖRG GERBER eine<br />

technische Neuuntersuchung des Kapitelsaals und<br />

des Chors an die Hand.<br />

KATHRIN UTZ TREMP legte 2001/2003 in der «Helvetia<br />

Sacra» und in einem wichtigen Aufsatz historische<br />

Neuinterpretationen und einige bisher unbeachtete,<br />

baugeschichtlich relevante Schriftquellen vor.<br />

Die Vorliebe der Altertumsfreunde und Regionalhistoriker<br />

für den klosterzeitlichen Zustand führte<br />

vielfach zu wenig kritischer Übertragung bekannter<br />

Normen, etwa betreffend möglicher Raumfunktionen.<br />

56 Allenfalls aufschlussreichen nachreformatorischen<br />

Nachrichten ging man kaum nach. Die Amtsrechnungen<br />

der Vögte und Schaffner geben zahlreiche,<br />

allerdings vielfach wenig sicher lokalisierbare<br />

Bauteil- und Raumbezeichnungen. Die Privatbesitz-<br />

Zeitabschnitte seit 1808 bedeuten faktisch eine Archivquellenlücke.<br />

Gemeinde- und Kirchgemeindearchivalien<br />

setzen erst im 18. Jh. allmählich ein.<br />

BAUGESCHICHTLICHE HAUPTPHASEN<br />

1255 sollte der Bau, sobald genügend wirtschaftliche<br />

Mittel beieinander wären, unter dem Ratschlag<br />

der Äbte von Lac-de-Joux, Bellelay, Fontaine-André<br />

(aufgezählt in der Anciennitätsreihenfolge der Häuser)<br />

und des Stifters selbst verwirklicht werden,<br />

nach der dritten Gründungsurkunde unter dem Mutterkloster<br />

Bellelay allein. 57<br />

Der Kirchweihtag bzw. der damit verbundene<br />

Ablass werden 1295 erwähnt; 1300 wird das Grab<br />

Rudolfs I. genannt (verstorben 1258 oder kurz vor-


148 ORPUND/GOTTSTATT<br />

her). 58 Möglicherweise waren Fertigstellung und<br />

Ausstattung der Kirche in vielem noch behelfsmässig.<br />

1295 und bei nachfolgenden Nachrichten ist offen,<br />

ob Kirchen- oder Konventsbauten unterstützt<br />

werden sollten. 1314/15 59 lösen «bereits begonnene,<br />

umfangreiche Bauten» Ablassprivilegien aus. 1326/<br />

1333 steht der Steinmetz AYMO, Burger von Büren<br />

a.A., mit dem Kloster in Verbindung, 1333 treten<br />

Zimmermann SIMON, Steinmetz KONRAD sowie<br />

Meister BURKHARD, der Werkmeister von Bern, als<br />

Zeugen auf, 1343 wurden zwei Steinhauer aus Altreu<br />

SO, BURKHARD und JOHANNES, als Pfründer aufgenommen.<br />

60 Man kann daraus schliessen, dass immer<br />

noch oder wieder gebaut wurde; waren die Erwähnten<br />

teils Laienbrüder? Die Weihe der Kirche<br />

mit drei (nicht benannten) Altären erfolgte 1345. 61<br />

Ein Augustinusaltar kommt <strong>139</strong>8 vor. 62<br />

Der Ostflügel hatte jedenfalls im Norden einen<br />

Vorgängerbau. 63<br />

Isolierte Information: Der Keller des Kloster-Südostrisalits<br />

ergab dendrochronologische Daten um<br />

1370/1380. Gleicher Zeitraum: Im Nekrolog von<br />

Humilimont FR 64 erscheint die Jahrzeit des Gottstatter<br />

Abts «Johannes von Solothurn, der das Kloster<br />

dieses Ortes gebaut hat», aller Wahrscheinlichkeit<br />

nach Johannes Schoebinhut 1354–1381; «claustrum»<br />

bedeutet Kloster-Wohngebäude gesamthaft oder<br />

einzeln. 65 Ausmass und Lokalisierung der Zerstörungen<br />

und Beschädigungen im Guglerkrieg 1375<br />

(S. 145) sind nicht zu fassen; sie wurden anscheinend<br />

bis gegen 1385 behoben; eigentliche Brandschatzungen<br />

sind archäologisch bis jetzt nicht festgestellt.<br />

Nebengebäude befanden sich vielleicht<br />

wie späterhin westlich des Klostergevierts, und es<br />

wäre denkbar, dass vor allem auch diese betroffen<br />

waren. AESCHBACHERS Annahme ist unbelegbar, dass<br />

die Kirche besonders zu Schaden kam, eventuell<br />

sogar die Nidauer Grabstätten bereits damals verschwanden.<br />

Auch spätgotische Bautätigkeit verteilte sich über<br />

mehrere Jahrzehnte. Die Hölzer für das Südostrisalit-Helmdach<br />

wurden im Herbst/Winter 1452/53 gefällt.<br />

Fliesen mit dem Abtwappen Krebs 1486 fanden<br />

sich an diversen Stellen, namentlich auch im Kreuzgang,<br />

dessen nachträgliche Einwölbung (EGGEN-<br />

BERGER) in diesen Zeitraum fallen könnte. 1490 66<br />

stiftete Solothurn ein Glasgemälde von HANS NOLL<br />

«in das closter». 1505 67 beabsichtigte die Abtei, «im<br />

büttenberg an der halden» einen Steinbruch zu «suchen».<br />

Das Westportal der Kirche dürfte dem vorgerückten<br />

15. Jh. angehören, die Neugestaltung des<br />

Kapitelsaals folgte wohl in den 1510er Jahren.<br />

Die so genannte Klosterreformation 1533/34 bedeutete<br />

die Liquidation der nicht als Predigtorte benutzten<br />

Klosterkirchen und gleichzeitig der noch<br />

verbliebenen unnötigen Kapellen sowie der Beinhäuser;<br />

der Seckelmeister sollte «mitt dem werchmeyster<br />

In die clöster rytten vnd anschlachen was<br />

man nitt bedarf schlissen etc.». 68 Dadurch wurde<br />

zweifelsohne auch die Aufhebung der Büttenbergkirche<br />

ausgelöst. Im Gegensatz zu weitaus den meisten<br />

anderen säkularisierten Häusern blieb in Gottstatt<br />

dank der Nutzungskombination Schaffnerei,<br />

Kornwirtschaft, Pfarrpfrund, Kirche das ganze Klostergeviert<br />

bestehen, samt Kreuzgang. Hingegen erfuhr<br />

die auf das ehemalige Laienhaus verkürzte Kirche<br />

einschneidende Änderungen: sie verlor Querhaus<br />

und Chor, erhielt teilweise eine neue Befensterung<br />

und später einen Westturm. Dass zwischen<br />

jenen Abbrüchen und den Terrainaufschüttungen im<br />

Norden und Nordosten ein Zusammenhang bestanden<br />

hätte, ist Spekulation; Letztere können durchaus<br />

andere Gründe gehabt haben. Ob 1535/1537 69 «der<br />

buw» für über 1300 Pfund weitgehend Ufersicherung<br />

betraf («landtveste»), ist nicht auszumachen.<br />

Offen ist auch, ob der hofseitige Treppenturm in<br />

der Mitte des Südflügels (Abb. 183) auf einen spätgotischen<br />

Umbau oder ins nachreformatorische 16. Jh.<br />

zurückging; grössere «Reparationen» am «Schnegg»<br />

1617/18 70 deuten darauf hin, dass er bereits längere<br />

Zeit existierte. Um 1614/1620 erfolgten mehrere Neuund<br />

Umbauten; unter DANIEL HEINTZ II wurden im<br />

«Hof-Nordflügel» das Waschhaus und für die Spendenausteilung<br />

«an einem kumlichen Ort» die Pfisterei<br />

(Pfisterstube, Backofen) neu eingerichtet. Das<br />

Waschhaus wurde <strong>173</strong>0/31 wohl nachträglich eingewölbt.<br />

Annexe im Hof, dann auch aussen sind seit<br />

den 1700er Jahren belegt.<br />

Über den Südflügel, das «Schloss», urteilte NI-<br />

KLAUS SCHILTKNECHT 1728: 71 «dieses gebäüw wirt<br />

über zehen Jahre kaum mehr Halten mögen.» Nebst<br />

der Empfehlung, auf dem Estrich kein Korn mehr zu<br />

lagern, sah der erste Devis provisorische Massnahmen<br />

vor: Der «face gegen garten, von schlechter<br />

Construction, auch gantz krumm», sollte eine An-


schüttung die Fundament-Gefriergefahr minimieren.<br />

SCHILTKNECHT erstellte dann <strong>173</strong>0/31 72 den westlichen<br />

Abschnitt der Fassade unter Belassung von<br />

Erdgeschossöffnungen weitgehend neu («13 neüwe<br />

große Englische Fenster»); gleichzeitig wurden<br />

Wohn-, Venner- und Landvögtinnenstube ausgetäfert,<br />

teils wohl erstmals.<br />

Unter Landvogt Carl [Anton] von Gingins und<br />

Werkmeister NIKLAUS HEBLER kam es 1769/70 73 zum<br />

Teilneubau des Südtrakts: Abbruch des Schneggen,<br />

Umwandlung des Kreuzgangarms zum Wohnungs-<br />

Längskorridor, hinausversetzte neue Hoffassade,<br />

Einbezug des südlichen Westflügels, Dachanpassung,<br />

Innenausstattung, ausgiebige Gipserarbeiten<br />

(Kosten bei 5300 Pfund). 1793/1796 wurden wiederum<br />

grössere Reparationen notwendig. Plünderungsschäden<br />

1798: 74 «die Fenster sind beynahe alle<br />

zerschmettert, selbst die Einfassungen zerschlagen,<br />

die Tapezereyen abgerissen …» Nach den nicht<br />

näher bekannten Wiederherstellungsarbeiten schritt<br />

Gottlieb Samuel Zehender zu Modernisierungen<br />

und realisierte im Ostflügel Zimmereinbauten, die<br />

dortige Aufstockung ging aber wohl bereits weiter<br />

zurück (Dendrochronologie Dach-Südteil: Winter<br />

1805/06; Brandversicherungserhöhung: 1811).<br />

Ein zusammenhängendes baugeschichtliches Bild<br />

quer durch die nachklösterlichen Epochen ist über<br />

den Westflügel-Teil nördlich des Hofportals zu gewinnen<br />

(nach der Privatisierung in den 1920er Jahren<br />

Umbau zur bäuerlichen Wohnung und für gewerbliche<br />

Tätigkeiten eines Landwirtschaftsbetriebs;<br />

Erwerbung durch die Kirchgemeinde 2004). Die Verwendung<br />

des Erdgeschosses als Pfarrhaus 75 dürfte<br />

bald nach 1533 eingesetzt haben, während obrigkeitliche<br />

Kornhausräumlichkeiten im Oberbau (nach<br />

üblichem Gebrauch) wohl bereits in der Klosterzeit<br />

bestanden hatten. Der Neubau von 1618/1620 wurde<br />

1669/70 und 1675/76 verbessert. Das Pfrundhaus<br />

galt in den <strong>173</strong>0er Jahren als finster und klein, wurde<br />

aber 1747/48 nochmals instand gestellt. 1777 entstand<br />

das neue, frei stehende Pfarrhaus (S. 169).<br />

Das alte wurde 1780/81 76 durch einen sehr weit<br />

gehenden Neubau ersetzt (Zimmermeister JAKOB<br />

SPAREN, wohl Generalunternehmer; Kosten etwas<br />

über 1100 Kronen): im Erdgeschoss Trinkstube,<br />

Wasch- und Ofenhaus, im Obergeschoss Kornhaus<br />

– das «neue Kornhaus» von 1759 (Gemeindehaus,<br />

S. 168f.), Weiterbenutzung des alten im Ostflügel, improvisierte<br />

Lagerestriche scheinen bei Grossernten<br />

KIRCHE UND KONVENT, BAUGESCHICHTLICHE HAUPTPHASEN 149<br />

188<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt von Südosten. Foto 2003.<br />

immer noch nicht genügt zu haben. Gleichzeitig<br />

entstand die Kirchenvorhalle neu. Die wohl noch<br />

ins 16. Jh. hinaufreichende Pfrundscheune «nächst<br />

aussenher» verschwand, ebenso der ummauerte<br />

Garten Richtung Zihlbogen.<br />

Über die in erster Linie nutzungsbedingten baulichen<br />

Interventionen der Eigentümer des 19. Jh., 77<br />

unterdessen vielfach wieder gelöscht, ist man mangelhaft<br />

unterrichtet, ebenso über ihre weiteren Anund<br />

Hofeinbauten. Das Zehender’sche Institut war<br />

zur Hauptsache im «Schloss»-Flügel untergebracht:<br />

im Erdgeschoss Familienwohnung und Essstube, im<br />

Obergeschoss neun Zimmer, nämlich Lehrstube und<br />

aneinander grenzend je vier Zimmer für Lehrer und<br />

Knaben (1807 78 ).<br />

1926 nahmen die Gebrüder KÄSTLI, Bauunternehmer<br />

in Münchenbuchsee, die Aufteilung in drei<br />

Wohngebäude vor. Damals entstand in der Mitte des<br />

Ostflügels – vielleicht regte NÖTHIGERS Ansicht von<br />

1743 dazu an – ein heimatstilmässiger Turm, der<br />

nicht eine Wendeltreppe, sondern (eliminiert 1971/<br />

72) gerade Treppenläufe aufnahm. Der Südteil wurde<br />

in den 1950er bzw. 1970er Jahren mit anschlies-


150 ORPUND/GOTTSTATT<br />

0 10 m<br />

N


190<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt von Osten. Foto 2004.<br />

senden Partien des Ost- und des Westflügels zu drei<br />

zweigeschossigen Wohnungen eingerichtet. 1971/<br />

72 (Architekt ANDRÉ MEIER) und 1995/96 (MEIER,<br />

BACHOFNER, HÄCHLER ARCHITEKTEN) folgte der Umbau<br />

des Ostflügels zum Kirchgemeindehaus.<br />

REKONSTRUKTIONSFRAGEN<br />

Es ist auf die ältere Baugeschichte zurückzukommen.<br />

79 Bald nach 1528/1533, vielleicht wenig später,<br />

189<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kirche und Kloster bzw. Landvogtei.<br />

Erdgeschossplan 1:300.<br />

Nicht dargestellt: Hoftreppenturm Süd (bis 1769), diverse<br />

Einbauten 19. Jh. (im Hofraum: dünn gestrichelt),<br />

vorübergehende Hofbrunnenplatzierungen. Dick gestrichelt<br />

seitlich: einstige Vorbauten 18. Jh.<br />

Hauptsächlich 2. H. 13./1. H. 14. Jh., mit späteren<br />

Öffnungseinbauten<br />

Ausdehnung der einstigen Ostpartie der Kirche<br />

Ausdehnung des einstigen Kreuzgangs (Westen:<br />

unklar)<br />

Vorgerücktes 14. sowie 15. Jh.<br />

Spätmittelalter und 16./17. Jh., bis jetzt schlecht<br />

bestimmbar<br />

Kapitelsaal: 1510er Jahre<br />

Predigtkirche: Mitteldrittel 16. Jh.<br />

Turm: 1603/1605<br />

1741/42? (Westtor), 1769/70 (Süd), 1780/81<br />

(West), 1795/96 (Süd)<br />

1920er Jahre und seither<br />

KIRCHE UND KONVENT, REKONSTRUKTIONSFRAGEN 151<br />

wurden Querhaus und Chor abgebrochen. Der südliche<br />

Querhausarm ist durch die Arkade vom «Hof-<br />

Nordflügel» her bezeugt, der nördliche – seinerzeit<br />

vollendet oder nicht – bloss durch den entsprechenden<br />

Pfeilerstumpf an der Nordostecke der Kirche.<br />

Diese Chorpartie, ähnlich Bellelay I/II, lag etwa<br />

zwei Stufen über dem Langhaus. Im Unterschied zu<br />

RAHN und dann GANTNER, die den fragmentarischen<br />

Charakter der Kirche übergehen, sagt EDUARD V.<br />

RODT 1912 richtig und neutral: Gottstatt besteht<br />

noch aus vier Jochen und muss ursprünglich länger<br />

gewesen sein. AESCHBACHER ergrub Fundamente<br />

des südlichen Querhauses, nahm aufgrund äusserst<br />

vager Befunde ein polygonales Altarhaus an, ebenso<br />

ein nördliches Seitenschiff, da er den «Hof-Nordflügel»<br />

als wirkliches Seitenschiff vermutete. Das<br />

Altarhaus kann, mit dem Querhaus fluchtend oder<br />

ausspringend, gerade geschlossen gewesen sein<br />

(Bellelay I/II; Pfarrkirchen: Saint-Martin in St-Imier,<br />

Pieterlen, Kappelen, Radelfingen, Bürglen, sofern<br />

der Chor um 1622 zum mittelalterlichen analog).<br />

Es wurden auch Planungsphasen erwogen, die<br />

Flacheindeckungen vorsahen, doch gibt es dafür<br />

keine genügenden Anhaltspunkte. Über Turm oder<br />

Dachreiter (etwa über der Vierung) weiss man<br />

nichts.<br />

Höchstwahrscheinlich wurde ein südliches Seitenschiff<br />

begonnen, früh zugunsten der Einschiffigkeit<br />

aufgegeben und diente eine Zeit lang als eine


152 ORPUND/GOTTSTATT<br />

Art Korridor 80 unklarer Bestimmung; die Vermutung<br />

eines Konversengangs wie gelegentlich im prämonstratensischen<br />

Westen und häufig bei Zisterzen ist lokalhistorisch<br />

kaum zu stützen – in Anbetracht der<br />

Entfernung der Pfarrkirche Büttenberg könnte man<br />

sonst an einen Laiengang denken, der von unbekanntem<br />

Zeitpunkt an nicht mehr benutzt wurde.<br />

Der eigenartige Bauteil, den man «Hof-Nordflügel»<br />

nennen kann (EGGENBERGER verwendet aus typologischen<br />

Herleitungserwägungen den Ausdruck<br />

«Korridor»), wurde dann für allerlei Nebenräume unterteilt,<br />

vielleicht auch solche gewerblicher Art. Zwei<br />

wichtige Feststellungen: Spuren von Arkaturen fehlen;<br />

es bestanden Tuff-Strebepfeiler 81 wie an der<br />

Nordflanke.<br />

191–192<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Klosterhof und<br />

Kirche. Foto 2004. – Klosterhof:<br />

Landvogtei-Südflügel, Mitteleingangsachse,<br />

1769/70. Foto 2003.<br />

Die Kirche besass bis ins 15./16. Jh. über dem Eingang<br />

ein stattliches Westfenster.<br />

Erwähnte archivalische Bauhinweise, Anomalien,<br />

ungeklärte Punkte (Unregelmässigkeiten im Nordosten<br />

und beim erhaltenen Querhausbogen, Sakristeierschliessung,<br />

kein südliches Hochfenster im<br />

Emporenbereich) deuten auf langen Bauvorgang,<br />

Absichtsänderungen, vielleicht auch auf Wiederaufbauverzichte<br />

nach dem Guglerkrieg. So kann<br />

die Uneinheitlichkeit des Westflügels (Abb. 183)<br />

auf mehrere, auch landvögtliche Bauphasen zurückgehen.<br />

AESCHBACHERS Vermutung einer (zwar<br />

üblichen) Westpforte in der Flucht des Kreuzgangs<br />

scheint unnötig, die Lage des (erneuerten) Eingangs<br />

in der Flügelmitte ist dieselbe wie beispiels-


weise in Fraubrunnen (ab 1246) oder La Lance VD<br />

(ab 1320).<br />

Es ist mit einem Kreuzgang 82 von knapp 4 m Breite<br />

zu rechnen; zumindest unter der Pultdachabschleppung<br />

im Norden erhielt er spät ein sechsjochiges<br />

Kreuzrippengewölbe (vier Ansatzreste). 1926<br />

wurden vor dem Ostflügel «Pfeilerfundamente» beobachtet.<br />

Ost- und Nordarm bestanden im ausgehenden<br />

18. Jh. noch; der Westarm war bereits verschwunden,<br />

sofern man nicht die Ausnahmemöglichkeit<br />

eines bloss dreiseitigen Kreuzgangs in Betracht<br />

zieht.<br />

Das von BODMER 1704/1709 83 skizzierte, sonst<br />

nicht bezeugte Tor nördlich der Kirche oder an der<br />

engen Stelle zwischen Turm und einstiger Scheune<br />

ist glaubhaft oder könnte zutreffende Erinnerung<br />

gewesen sein.<br />

BAUSTOFFE<br />

Wasserwege begünstigten auch Baumaterialienbeschaffung.<br />

Namentlich die Amtsrechnungen ab 1560<br />

nennen: Holz von den Sägereien in Bözingen, aus<br />

Biel, Lengnau (wo auch Kalkstein und Kalk herkamen),<br />

Jurakalkstein vom linken Bielerseeufer, Tuff aus<br />

Leuzigen, Pieterlen, Sandstein vom Büttenberg (im<br />

Falle der Kapitelsaal-Kreuzgangfenster offensichtlich<br />

auch aus Bern), Kalk von Vauffelin, Ziegelware aus<br />

Biel, Nidau, Pieterlen, Ziegelried (Schüpfen).<br />

ZERSTREUTE STEINMETZARBEITEN<br />

Zwei Weinlaubkapitelle, aus der Ostpartie, 1904 oder<br />

1905 aufgefunden und laut Protokoll im Chor wieder eingemauert.<br />

84 – AESCHBACHER 1926/1928: 85 Fund eines<br />

Kreuzgang-«Eckschlusssteins», der in den Westflügel «gelangte»;<br />

Ost- oder Nordkreuzgang: «In der nordwestlichen<br />

und nordöstlichen Ecke sind, heute in verborgenen Winkeln,<br />

noch die Reste einstiger Ecksäulen mit Muschelornament<br />

und Abteiwappen zu erkennen» (Fächerrosetten<br />

deuten auf das 16. Jh.; der an Ort und Stelle erhaltene<br />

Dienst-Rest im Nordosten ist schmucklos); «einige Säulentrümmer<br />

vom Kreuzgang im Kapitelsaal aufbewahrt». –<br />

Zweifach gefalzter und gekehlter Gewölberippenanfänger<br />

der Nordostecke des Kreuzgangs in situ (Ostkorridor neben<br />

Aufgang und Lift). – Im Dachraum des Hof-Nordflügels<br />

aufgefundene Rippen- und Masswerkfragmente<br />

(ADB). 86 – Hoher Sturz mit Blendkielbogen und reliefiertem<br />

Stern, 87 vielleicht frühes 16. Jh. (wiederverwendet über<br />

dem Fenster des Hof-Nordflügel-Kellers West; Abb. 193). –<br />

Teil eines Kielbogen-Fenstersturzes, frühes 16. Jh. Neuenburgerstein<br />

(Ostfassade des Ostflügels, letztes EG-Schmalfenster<br />

rechts).<br />

KIRCHE, BAUGESCHICHTE 153<br />

FLIESEN- UND ZIEGELPRODUKTION<br />

Sie dürfte in den 1480er Jahren unter Abt Niklaus Krebs<br />

eingesetzt, aber kaum lange gedauert haben. 88 Die Einrichtungen<br />

standen wahrscheinlich im Nordwesten des<br />

Konvents (Ziegelmatte). Seit GERSTER 1916 werden der<br />

Hütte zu zahlreiche Stempel zugeschrieben; für Gottstatt<br />

als gesichert gelten können einzig ein Löwenmedaillon<br />

von 1491 und vier Varianten mit Krebs und Abtstab, besonders<br />

verbreitet diejenigen von 1485 und 1486. In Gottstatt<br />

selbst fanden sich gestempelte Tonplatten 1875<br />

(«früher») und 1916/1920 an diversen Stellen, insbesondere<br />

im Kreuzgangbereich Ost und in der Küche Südost,<br />

noch 1955 im Mittelgang der Kirche; heute sind welche<br />

im Kapitelsaal, im Ostraum neben der Kirche und vor<br />

dem Cheminée im Mittelsalon Südflügel 1. Stock mitverwendet.<br />

VERSCHIEDENE OBJEKTE<br />

Ofenkachel. BHM Inv. 21 766. – Zwei gotische Truhen-<br />

Schnappschlösser, evtl. aus der Kirche (?) Gottstatt. HSBi<br />

Inv. MS 202, 203. – Windfahne (Sonne/Mond), 19. Jh., auf<br />

dem Kirchturm ausgewechselt 1965. Kirchgemeindehaus.<br />

– Bedruckter Kornsack «Pfründeranstalt Gottstatt 1906».<br />

Kirchgemeindehaus.<br />

BILDERSTURM-ÜBERLIEFERUNGEN<br />

IN SOLOTHURN<br />

Angeblich aus Gottstatt stammende «Bilder» 1528 aus<br />

der Aare gerettet: Meister des Paradiesgärtleins, Madonna<br />

in den Erdbeeren, Tafelmalerei um 1425, aus dem Kloster<br />

St. Joseph. 145,5 × 87 cm. KM Solothurn Inv. A 32 (erworben<br />

1865). 89 Ungewiss; bei zwei weiteren Werken ist gottstattische<br />

Herkunft jedenfalls unwahrscheinlich: Mariae<br />

Tod, polychrom gefasstes Schnitzrelief, um 1525, Museum<br />

Blumenstein, dep. KM, MARTIN HOFFMANN zugeschrieben;<br />

monumentales Kruzifix, 90 1461, Höhe 4 m 70, Kapuzinerinnenkloster<br />

Nominis Jesu, ehemals St. Ursen, HANS<br />

TUSSMANN zugeschrieben.<br />

KIRCHE<br />

BAUGESCHICHTE<br />

Die Schriftquellen deuten an, dass nach dem<br />

zweiten Gründungsanlauf bald einmal eine Kirche<br />

zur Verfügung stand: Grab Rudolfs I. (wenn man<br />

Translation oder Kenotaph ausschliesst), Weihe vor<br />

1295. Abschluss, Bauunterbrüche, Ausbau der Gesamtanlage<br />

dauerten scheinbar bis in die 1330er Jahre.<br />

Nach häufigem Vorgang kann die Weihe 1345<br />

auch reichlich verspätet erfolgt sein.<br />

Mögliche Abfolge: um 1260, noch im Blick auf<br />

eine dreischiffige Kirche, Südquerhaus als proviso-


154 ORPUND/GOTTSTATT<br />

193<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Blendmasswerkfragment mit Stern,<br />

Nordwestecke des Klosterhofs. Foto 1967. – Text S. 153.<br />

rischer Chor, mit Westarkade (diese erhalten), dann<br />

zögernder Ostbau, Südwand-Baubeginn eines südlichen,<br />

wahrscheinlich gewölbt 91 gedachten Seitenschiffs,<br />

eventuell Absicht einer Doppelfunktion Seitenschiff/Kreuzgang;<br />

noch im 13. Jh. Fertigstellung<br />

einer Teilkirche, Verzicht auf eine Basilika; bald<br />

nach 1300 gewölbtes Langhaus, äussere Strebepfeiler,<br />

vielleicht verspäteter Einbau vorbereiteter Dienstkapitelle,<br />

Fertigstellung des «Hof-Nordflügels» («Korridor»),<br />

weil Südwand bereits weit fortgeschritten.<br />

Im vorgerückten 15. Jh. erfolgte der Einbau eines<br />

neuen Westportals; aus dieser Zeit stammte möglicherweise<br />

auch das 1955 auf der Südseite des<br />

Westjochs aufgedeckte Konsekrationskreuz. Eine<br />

erste, noch schmale Vorhalle entstand vielleicht<br />

vor oder kurz nach der Reformation; das Pultdach<br />

überdeckte das Westfenster.<br />

16./17. Jahrhundert. Wohl im Mitteldrittel des<br />

16. Jh. wurde der Friedhof um mehr als 1 m gehoben,<br />

das ehemalige Laienhaus als verkürzte Predigtkirche<br />

mit neuen Nordfenstern und dem heutigen<br />

Chorfenster versehen. Zerstreute Baudaten und<br />

-nachrichten des nachreformatorischen 16. Jh.: 92 an<br />

der West-Innenwand war 1955 vorübergehend die<br />

Jahreszahl 1567 sichtbar, 1588/89 verzeichnet der<br />

Schaffner Auslagen für die Überholung des Chordachs,<br />

von 1598 datiert die Kanzel.<br />

Als 1533 die Predigtkirche stipuliert wurde, war<br />

Unterhalt schlechthin durch die Gemeinde Bedingung,<br />

bei anderen Referenten ist von «irem teil» die<br />

Rede (S. 180). Obwohl der Schaffner in grösseren<br />

Zeitabständen kleinen Chorunterhalt finanzierte, 93<br />

berichtet PAGAN, dass in den gottstattischen Kirchen<br />

erst zwischen 1670 und 1680 (Variante: «1680») obrigkeitliche<br />

Chöre ausgeschieden («gebaut») worden<br />

seien 94 – in der Endepoche der Kirchenumwandlungen<br />

nach den Grundsätzen von ABRAHAM DÜNZ<br />

I. Damals dürfte die Chorstufe 95 entstanden sein.<br />

1686/87 wurde der Kalkputz erneuert und die «Kirchtüre<br />

an dem Chor» vermauert (unter Entfernung des<br />

Gewändes; grösser neu 1965/66), 1687/88 der Maler<br />

entschädigt, «die in der Kirche zum Closter gehörige<br />

Stüel mit bleiweisfarb anzeßtreichen Ihr g. Ehrenwappen<br />

daran zemachen».<br />

Diverse barocke Malereireste 96 konstatierte man<br />

1955.<br />

Turm von 1603/1605. 97 Ob und wo ein mittelalterlicher<br />

Turm bestand oder ob sich die Abtei mit einem<br />

Dachreiter begnügte, weiss man nicht. 1547 ist<br />

wenig klar von einem Turm und seinen Glocken die<br />

Rede (S. 160 zu Glocke 1) – handelte es sich um einen<br />

Dachreiter über Vierung/Altarhaus, also der<br />

staatlichen Chorzone, läge ein vager Hinweis auf<br />

den Zeitpunkt jenes Abbruchs vor. Jedenfalls benötigte<br />

die Predigtkirche ein ausreichendes Geläute<br />

(in der weiteren Region kamen auch ebenerdige,<br />

frei stehende Glockenstühle vor, S. 104).<br />

Die Errichtung des Turms aus einem Guss am<br />

neu gewählten, heutigen Standort 98 nördlich der<br />

Vorhalle übereck zur Kirche lässt sich – eigentliche<br />

Bauuntersuchung vorbehalten – nach Indizien, Teil-<br />

Dendrochronologie, staatlichen Archivnachrichten<br />

und Inschrifttafel (S. 156) umreissen: Gemeinde-<br />

Unternehmung der 1600er Jahre, 99 dabei Abbruch<br />

der Vorhallen-Nordwand oder Friedhofmauer, im<br />

2. Obergeschoss bereits Erstellung der Schallöffnungsnischen,<br />

aber noch keine Fertigstellung der<br />

Giebelwände; dieser Turm hätte die Kirche nur sehr<br />

knapp überragt und war ab Dezember 1604 auf obrigkeitliche<br />

Intervention und Kostenbestreitung<br />

(und Gemeinde-Unterhaltsüberbund) «vmb einn gemach<br />

Höcher vffürenn» und «in gebürlich nothwendig<br />

wesen stellen zelaßenn»; Umwandlung der vorbereiteten<br />

Schallöffnungsbreiten zu Schmalfenstern,<br />

Bodenniveauhebungen, über einem weiteren Wasserschlag<br />

hohes Glockengeschoss analog zu den


194<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kirchturm, Kirchenvorhalle, Kloster-Westflügel. Foto um 1990.<br />

unteren, Hinaufversetzung der vorbereiteten Schallöffnungseinfassungen<br />

(möglicherweise ergänzt, da<br />

in zwei Jurakalksteinarten) und der Gemeinde-Uhr.<br />

Die Erhöhungsinschrift 1605 (S. 156) ist also mit dem<br />

Turmbau überhaupt zeitlich fast gleichzusetzen. Die<br />

Obrigkeit übernahm den neuen Glockenstuhl, Böden<br />

und Treppen, schindelgedecktes Uhr-Vordächlein<br />

und -Gehäuse, Helmstange («Sternen vnd<br />

mon»), Verputz. Tuff beschaffte man von Leuzigen,<br />

«Läbergestein zu denn eggen» von Twann: Jurakalk<br />

wohl aus Wingreis, namentlich für die nötige<br />

Höherführung des 2. Obergeschosses.<br />

Gleichzeitig wurde der Vorbau verändert, wenig<br />

später verbreitert und in der Oberstube dekorativ<br />

ausgemalt.<br />

18./20. Jahrhundert. 1747/48 wurde ein neuer<br />

Abendmahlstisch angeschafft und der Taufstein versetzt;<br />

Letzterer erhielt ein «fein schwarz Holländisch<br />

Tuch»; hernach kam im Chor ein acht Schuh langer<br />

KIRCHE, BAUGESCHICHTE 155<br />

Lehnenstuhl hinzu. 100 1780/81 ersetzte man die Vorhalle<br />

(S. 149).<br />

1830 erstellte der einheimische Mechanikus AB-<br />

RAHAM RIHS auf einer neuen, höher gesetzten Empore<br />

die erste Orgel von acht Registern, welche 1889<br />

durch WEIGLE junior völlig erneuert und 1910 durch<br />

ZIMMERMANN ersetzt wurde. 101<br />

1883/84 (Übergang des Chors vom Staat an die<br />

Gemeinde) kam es zur Erneuerung des gesamten<br />

Aussenputzes. Im Chor wurden 1897/98 anstelle der<br />

Tonplatten des 16./17. Jh. Zementplättli verlegt, die<br />

Grabtafeln ausgebaut. 102 Gesamtrenovierung 1905: 103<br />

Experte HERMANN KASSER (wie schon 1897), Fallenlassen<br />

kostpieligerer Vorschläge EMANUEL JIRKA<br />

PROPPERS mit Rekonstruktionsgedanken und reicheren<br />

Ausmalungen. Aussenerneuerung 1942 ohne<br />

Südfassade. Anlässlich der Innenrenovierung<br />

1955/56 (Architekt PETER INDERMÜHLE; Münsterbauhütte<br />

Bern), 104 als auch diverse geringe Malereireste<br />

zum Vorschein kamen, wurde als erster Schritt


156 ORPUND/GOTTSTATT<br />

195<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kirche. Farbfassungen und Dekors<br />

von 1905 (bis 1955). Foto 1939.<br />

Richtung Gesamtrenovation nach damaliger Auffassung<br />

«der prächtige Sandstein hervorgeholt». 1965/<br />

66 105 Turmrestaurierung und weitere Teilmassnahmen<br />

im Inneren (Architekt ALFRED SCHAETZLE): vergrössernde<br />

Wiederöffnung der Chor-Südtüre, Tonplattenböden,<br />

Bänke, Ersatz des Chorgestühls mit<br />

niedrigeren Rückwänden, untere Turmtreppen, Änderung<br />

des Orgelemporenzugangs, Sitzungszimmer<br />

über der Vorhalle, Technik.<br />

Zustand 1905 –1955. Säulenvorlagen, Rippen, Schlusssteine,<br />

Gurten, Westportal waren im Sinne des Basler<br />

Sandsteins tiefrot bemalt und mit weissen, differenzierten<br />

Fugen, Filets, Kreuzblütenornamenten versehen, in Nachbildung<br />

106 von noch erkennbaren Malereiüberresten in<br />

der «Sakristei» (?). Bollenblättchen begleiteten die Rippen<br />

(auf ein Gewölbekappen-Blau war verzichtet worden).<br />

An der Chor-Ostwand Apostelkreuz-Rad. Der Chor-Plättliboden<br />

von 1897/98 verblieb bis 1965 (Variantenvorschlag<br />

1958: Sandsteinplatten). Herzblattfriese säumten<br />

die dunkel gefassten Balken der Gewölbekappen in der<br />

Vorhalle. Über dem Westportal waren die Jahreszahlen<br />

1247/1905/1528 aufgemalt.<br />

BESCHREIBUNG<br />

ÄUSSERES. Die spätbarocke Front der pultdachgedeckten<br />

Vorhalle («Vorkirche», 107 «Vorlaube») zwischen<br />

Turm und Kloster-Westflügel zeigt ein breites<br />

Portal, flankiert von zwei hochovalen Öffnungen<br />

und überhöht von drei Schmalfenstern.<br />

Der viergeschossige Käsbissenturm weist nachgotisch<br />

gefaste Öffnungen auf: Portal in der Kirchenvorhalle,<br />

achsiale Schlitzfenster, am überhohen<br />

Glockengeschoss gegen Norden und Süden Zwillings-Schallöffnungen,<br />

gegen Osten, ebenfalls spitzbogig,<br />

das Aufzugstor. In der Erscheinung trotz<br />

Etappierung aus einem Guss, zählt der Turm zu den<br />

ausgezeichneten, grosszügigen Jurakalk- und Tuffsteinarbeiten<br />

in der Region.<br />

Die Zifferblattplatzierung in den Giebeln ist jung.<br />

Nebst einer Sonnenuhr108 prangte die einzige Zeittafel<br />

auf der Westseite; davon zeugen noch die Achsöffnung,<br />

darüber das Konsolenpaar für das Klebdach<br />

und unter der verschwundenen Uhr die Jurakalksteintafel<br />

mit Inschrift: «ERHOCHT • VNDER • H<br />

• CRI/STIAN WILENDING BVWHER/VND DES • RATS<br />

DER STAT BERN/VND H DETRICH • BINTHEMER/<br />

DER ZIT VOGT ZV GOTST MDCV». Dietrich Bindhemmer<br />

war Schaffner von 1602 bis 1606.<br />

Nordfassade. Drei Tuff-Ziegelpultdach-Strebepfeiler<br />

(frontal mit Sockel-, Kaff- und Kranzgesims) aus<br />

der Hauptbauzeit der Kirche, ehemals gut 1 m tiefer<br />

hinabführend, beseiten vier Tuff-Spitzbogenfenster;<br />

109 Verputz oder Schlemmung entfernt. Einfachste<br />

Sandstein-Masswerkfüllungen – GABRIELE KECK argumentiert<br />

für eine Frühform statt der Vermutung<br />

nachreformatorisches 16. Jh. – sind für Zweilanzettigkeit<br />

konzipiert; hölzerne Mittelstützen bestanden<br />

bis 1904/05. Die beiden Abschlüsse rechts möglicherweise<br />

original, modern in Sandstein ersetzt die<br />

Bänke, der masswerklose Spitzbogenabschluss links<br />

(Chor) sowie das Masswerk nebenan. An der Nordund<br />

der Ostfassade in gegendiagonalem Kratzmuster<br />

strukturierter, «expressiver» Zementputz von 1942. 110<br />

Ostfassade. 111 Die nur im oberen Teil (seit 1904?)<br />

frei liegende Aussenseite des ehemaligen Vierungsbogens<br />

aus Tuff ist gekehlt und den Gurten im Schiff<br />

unähnlich – Hinweis auf eine Etappierung? Es könnte<br />

sich aber auch um eine Entlastungskonstruktion<br />

der reformatorischen Vermauerung handeln. In die-


ser öffnet sich das aussen doppelt, innen einfach gekehlte<br />

Sandstein-Chorfenster, beim Spitzbogenansatz<br />

«ohren-» oder «flügelartig» beseitet von zwei freigelegten,<br />

dreieckigen Elementen mit blendwerkartiger<br />

Vertiefung, ehemals über Lanzettstäben zu denken<br />

– offensichtlich (mit Ausnahme der Bank) als Ganzes<br />

Mittelteilspolie eines einst mindestens dreilanzettigen<br />

Fensters, 112 das, beinahe ausser Zweifel, vom abgebrochenen<br />

Chor herrühren dürfte (Abb. 197).<br />

Niedrige Reste der Vierungspfeiler sind als Eckvorlagen<br />

breitfasig zurechtgestutzt. Diejenige im<br />

Süden ist mit dem ebenfalls sandsteinernen, noch<br />

1920 vermauerten und seither bloss teilrestaurierten<br />

Querhausbogen gegen den «Hof-Nordflügel» verbunden.<br />

Der Spitzbogen mit breitem Steg zeigt zwei<br />

KIRCHE, BESCHREIBUNG 157<br />

196<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kirchturm von Nordosten.<br />

Gebäudeecke rechts: einstige Landvogtsscheune.<br />

– Foto 1965.<br />

generöse Kehlen, in denen sich die Säulenvorlagen<br />

(über «attischen» Basen und kantigen Plättchen 113)<br />

verschleifen; rechts, oben beschnitten, ist ein dünner<br />

Rundstab auf polygonaler Basis vorgestellt<br />

(Abb. 198).<br />

Hofseitig sitzen über dem niedrigen «Nordflügel»<br />

drei rundbogige, vom jetzigen Pultdach leicht überschnittene<br />

Hochfensterchen (ein viertes fehlt) 114 und<br />

bis vor die Chor-Ostmauer ein gekehltes, fragmentiertes<br />

Tuff-Kranzgesims; letzteres ist auf der Nordseite<br />

eliminiert.<br />

INNERES. In der Vorhalle mit heute tief sitzender<br />

Gewölbekappen-Balkendecke das nur leicht spitzbogige,<br />

stark restaurierte Hauptportal 115 mit zweifa-


158 ORPUND/GOTTSTATT<br />

197<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kirche, aussen, Ostfenster. Foto 2005.<br />

198<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kirche, aussen, Ost. Ehemaliger Bogen<br />

zum Südquerschiff, Bogenrest Altarhausseite: Basen.<br />

Foto 2005. – Text S. 157.<br />

cher Birnstabprofilierung und krallenartigem Profilaufstand,<br />

die doppelflüglige Türe mit 1905 kopiertem<br />

spätgotischem Strahlen-Beschläg und links über<br />

drei Stufen das massige, breit gefaste Rundbogenportal<br />

zum Turm.<br />

Auf dem Dachboden unter dem Pultdach sind<br />

vermutlich von der landvögtlichen Pintennutzung<br />

des 16./18. Jh. herrührende Wandmalereifragmente<br />

in ihrer oberen Partie verblieben: Arabesken, dann<br />

um 1610/1620 figürlich. Dort der oberste Teil des<br />

masswerklosen, eine Zeit lang der Abwitterung ausgesetzten<br />

einstigen Westfensters des Schiffs.<br />

Im Turminneren sieht man, dass nach der Erhöhungsverfügung<br />

von 1604 die vorgesehenen Bodenniveaus<br />

angehoben wurden, um zwischen Glockenund<br />

Läuterboden ein geeignetes Verhältnis zu erzielen;<br />

im 2. Obergeschoss ablesbar geblieben die von<br />

der Gemeinde begonnenen Schallöffnungsnischen<br />

(Baugeschichte).<br />

Fällzeit der Hölzer des liegenden Dachstuhls und<br />

der Bundbalken von Schiff und Chor: 1805/06. Archivnachrichten<br />

fehlen.<br />

Schiff und Chor: ehemaliges Laienhaus. Die vier<br />

heutigen Joche sind mit Kreuzrippengewölben versehen;<br />

sie ruhen auf massigen Halbsäulenpaaren<br />

mit Kapitellen 116 und schlicht abgefasten, unterschiedlich<br />

hohen Basen (rund 3,75 m, ehemals etwa<br />

4,25 m); im Westen stehen schlanke Runddienste,<br />

der Schildbogen Ost (heutiger Chor) ist bloss optisch:<br />

eine Sandsteinmalerei. Auf der Kelchform der<br />

Kapitelle mit Eckknollen sitzt eine mehrfache Profilierung.<br />

Der Sandstein ist gründlich zurückgearbeitet,<br />

teils kopierend ergänzt. Unberührt, d.h. immer<br />

noch mehrfach überstrichen sind die übereckgestellten,<br />

knollenlosen Eckkapitelle, 117 deren obere<br />

Partien aus dem Orgelemporenboden hervorlugen.<br />

Die schwerfälligen Gurten, Schildbögen und Rippen<br />

118 sind breit und verhältnismässig schwach gekehlt;<br />

sie könnten von Steinhauern stammen, die<br />

beispielsweise Turmchöre zu bauen gewohnt waren.<br />

Die kreisrunden Schlusssteine, 119 einst farbig<br />

gefasst, zeigen von Westen nach Osten: eine flächigere<br />

vier-, dann eine fleischige fünfblättrige Rose,<br />

Nidauer Wappen (vor der jetzigen Chorstufe), Wirbelrosette<br />

(im jetzigen Chor).<br />

Unter der Kanzeltreppe setzt die Chorstufe an.<br />

Chor und (wie schon zuvor) Mittelgang des Schiffs<br />

wurden (wie die Vorhalle 120 ) 1965/66 mit grossteils<br />

von anderwärts beschafften alten Tonplatten neu


elegt. Durch zwei unterschiedliche Eichensäulenpaare<br />

gestützte Empore mit massiver Brüstung ohne<br />

Zweifel 1830 zusammen mit der ersten Orgel.<br />

AUSSTATTUNG<br />

1955 wurden zerstreute Wandmalereireste 121 des<br />

15./18. Jh. festgestellt: ein Konsekrationskreuz, Fragment<br />

mit einem «Landsknecht» auf der Südseite des<br />

ersten Jochs, Jahreszahl 1567, schwarze bzw. rote<br />

Ornamente bei der Kanzel und oben beim Ostfenster<br />

(Vorhallenestrich: S. 158).<br />

Glasgemälde 122 von FERNANDO DELLA CHIESA,<br />

1942/43 und 1953. Aus Dickglas gehauene Mosaik-<br />

Betonverglasungen in Eisenrahmen ähnlich wie in<br />

der Kirche Madretsch. Chor: gegen Osten Christus<br />

als Guter Hirte und Licht der Welt, gegen Norden<br />

Kreuzigung. Schiff-Nordseite, von rechts nach links:<br />

Staatswappen, Evangelistensymbole des Johannes<br />

und Matthäus; Gemeindewappen (von oben nach<br />

unten <strong>Orpund</strong>, Safnern, Scheuren, zugeordnete dekorative<br />

Elemente aus Fischerei, Rebbau, Kornbau);<br />

auf der Orgelempore Pilger nach Psalm 121 (1953).<br />

Runder Taufstein 123 eher spät- oder nachgotisch<br />

als 13./14. Jh., aber «romanisierend», auf geschweiftem<br />

Fuss sicherlich des 19. Jh.<br />

Kanzel von 1598 (Abb. 205), 124 dreiseitig (ideell<br />

achteckig), Tanne, Formteile und Intarsien Eiche.<br />

«Spätgotische» Konsole mit feinen Rippen, als Abschluss<br />

schmale, liegende Diamanten. Am Korb<br />

Basis-Kassetten, Rundbogenfelder, ionische Säulen<br />

über Beschlägwerk-Sockeln, Attika («IESVS •/EIN •<br />

HEI/LAND • D[ER WELT?]»). Schalldeckel der Fensterleibung<br />

angepasst, gefelderte Untersicht mit Sternen;<br />

«VERBVM/DOMINI/1598/MANET/IN AETE/RNVM»<br />

(«Gottes Wort bleibt in Ewigkeit», 1. Petr. 1, 25a), bei<br />

der Jahreszahl Bärenpaar. Zweites, seitliches Kanzelbrett<br />

1689 (zu denken ist an die Piscator-Foliobibel<br />

von 1684). Treppenwange wohl 1770.<br />

Bestuhlung modern, auch im Chor. Die Orgel<br />

von 1947/48 mit 14 Registern (METZLER) löste diejenige<br />

von 1910 ab. 125 Dreiteiliger Prospekt mit Zinnen;<br />

Felderzwickel-Durchbruchzier von Holzbildhauer<br />

H. ZOBRIST.<br />

Glocken. 126 Zweistöckiger Stuhl. – 1./2. Möglicherweise<br />

gleichzeitig, jedenfalls teilweise analoge Giessermodel;<br />

Worte geschieden durch 7- oder 8-strahlige<br />

Sterne. Holzjoche wohl 1605. – 1. «Hofmeister-<br />

KIRCHE, BESCHREIBUNG/AUSSTATTUNG 159<br />

199<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Inneres der Kirche gegen Osten. Foto<br />

2003.<br />

200<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kirche. Das Kapitell im Nordwesten<br />

(Orgelempore) blieb das einzige nicht überarbeitete.<br />

Foto 2003.


160 ORPUND/GOTTSTATT<br />

Glocke 1434». Minuskelinschriften an der Schulter:<br />

zwischen zwei Würfelfries- oder Zinnenringen (der<br />

obere am Übergang zur Haube) der Englische Gruss,<br />

erweitert durch den Gruss der Elisabeth (Luk. 1, 28b,<br />

42b), darunter «• her • rvaolf • hofmeiser • ein • ritter<br />

• schulthes • ze • bern • her • ze • tvvann • mo •<br />

cccco • xxxiiiio •». Unmittelbar darunter an den Flanken:<br />

frei stehende, recht grosse Figuren einer Kreuzigungsgruppe,<br />

gegenüber nebeneinander zwei eingesetzte<br />

Stücke mit Wappenschild Frienisberg (ohne<br />

den Stern) heraldisch rechts, schräg gestellt Hofmeister<br />

(weibliche Helmzier) links. Dm. 95,5 cm.<br />

Ton b. Die Geschichte der wichtigen Glocke ist<br />

ungewiss. Rudolf Hofmeister127 , aus und in Biel,<br />

könnte durchaus in Gottstatt als Schenker aufgetreten<br />

sein; die Hervorhebung der Herrschaft Twann<br />

überrascht nicht. Stand am Anfang eine Bestellung<br />

für Frienisberg, die dann entfiel? Eine naheliegendere<br />

Erklärungsmöglichkeit wäre, dass die Gottstatter<br />

Glocken in der Reformationszeit entfernt wurden<br />

und bei der Umwandlung zur Predigtkirche 1533,<br />

eventuell wenig später neu beschafft werden mussten,<br />

als welche aus Frienisberg zu haben waren. In<br />

Gottstatt wurden 1547 «des Turns halb die gloggen<br />

druss» genommen oder «abgenommen» (?). 128 Auch<br />

Neubeschaffung oder Ergänzung 1605 wären denkbar,<br />

obwohl die Archivalien schweigen. – 2. Kleine<br />

Glocke, 15. Jh. Englischer Gruss in Minuskeln, zwei<br />

glatte Ringe. Dm. 66 cm. Ton es. – 3. An grossem<br />

durchbrochenem Gusseisenjoch (bez. «E») RÜETSCHI-<br />

Glocke von 1926. Schulter-Antiqua-Inschrift «Ehre<br />

sei …» (Lukas 2, 14a), darüber breiter, dreizoniger<br />

Fries: Kornähren, Wasserwellen, Schilfrohrkolben.<br />

Flanken: Gottstatt Wappen, Berner Wappen, Giesserplakette.<br />

Dm 120 cm. Ton f.<br />

Grabdenkmäler. 129 Landvogtsfamilien. Nur Nr. 1<br />

an alter Stelle, Nrn. 2, 5, 6 vom Chorboden entfernt<br />

1897/98. – Kircheninneres; Sandstein: 1. Chor-Nordwand,<br />

rechts neben der letzten Säule Epitaph Maria<br />

Magdalena v. Graffenried, †1741, Mutter von Vogt<br />

Gottfried, Erwerber des Rockhall in Biel. JOHANN<br />

FRIEDRICH FUNK I zugeschrieben. 130 Unterer und<br />

oberer Abschluss (ehemals Draperie, wohl gemalt)<br />

201–204<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kirche. Gewölbeschlusssteine von<br />

Westen nach Osten, an dritter Stelle das Sparrenwappen<br />

der Grafen von Neuenburg-Nidau, gleichzeitig Abteiwappen.<br />

Fotos 1995.


erheblich verändert. 1956 sandsteinfarben gestrichen:<br />

Grund ehemals schwarz, Bildhauerei als Alabasterimitation<br />

weiss, Buchstaben golden gefasst.<br />

Unten Vorlage mit gekröntem Wappenarrangement<br />

über Memento mori; Inschriftfeld beseitet von den<br />

Ganzfiguren Glaube und Hoffnung, auf dem stichbogig<br />

aufgekröpften Konsolgebälk sitzender Chronos<br />

und Flammenschalen (Abb. 207). – 2. Seit 1898<br />

an der Schiff-Südwand Vogt Gabriel Rodt, † <strong>173</strong>6.<br />

Inschrift auf Hängetuch, neben Memento-mori-<br />

Schädel, Fackel und Seifenblasrohr trauernder Putto<br />

als Wappenkartuschenhalter auf Konsolgesims. Ehemals<br />

auf dem Chorboden unter einem Holzdeckel.<br />

131 – 3. Unter dem Taufstein 132 lag einst eine reiche,<br />

dann verstümmelte und offensichtlich 1897/98<br />

ausgeschiedene Platte für Anna Knecht, † 1671 (Bartlome,<br />

Vogt 1668–1672). – 4. Gleichfalls auf dem Chorboden,<br />

verloren: Platte von 1621 (nicht bestimmtes<br />

Wappen: von zwei Sternen flankierte Muschel über<br />

KIRCHE, AUSSTATTUNG 161<br />

205 –206<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kirche. – Kanzel von 1598. – Mittelpartie der Orgelempore aus der Zeit um 1830. – Fotos 2003.<br />

Dreiberg). – 5./7. Verloren: Bartlome Knecht, † 1673;<br />

als stark beschädigt erwähnt 1893: Haller, 1660er<br />

Jahre, und evtl. v. Graffenried, wohl 2. V. 18. Jh. – Seit<br />

1905 in der Vorhalle; mit Umschriften: 8. links der<br />

Turmtüre Esther v. Graffenried, † 1677. Sandstein.<br />

Ehemals neben Nr. 3 beim Taufstein. – 9. links der<br />

Kirchtüre Ursula Michel geb. Fels mit ihrem Frauenwappen,<br />

† 1685 (David Michel, Vogt 1684–1690).<br />

Jurakalkstein. – Nordfassade: 10. Pfarrer Gottlieb<br />

Samuel Zehender, † 1840. Solothurnerstein, Giebelabschluss.<br />

Beseitet von 11./13., roter Kunststein:<br />

Kreuz für Anna Hugi, † 1923, kleine Platte für Pfarrer<br />

Emil Hugi, † 1928; Gedenktafel für Pfarrer Max<br />

Räber, † 1981.<br />

Abendmahls- und Taufgerät. 133 1./2. Grosse prismatische<br />

Bügelkannen. Die eine 1940 noch vorhanden,<br />

die andere seit der Zwischenkriegszeit im MSch<br />

(HSBi Inv. MS 51). Zinn, beweglicher Traghenkel Ei-


162 ORPUND/GOTTSTATT<br />

207<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kirche. Nicht überarbeiteter Zustand:<br />

Grabmal Maria Magdalena v. Graffenried, 1741; Dienstsäule.<br />

Foto vor 1906. BHM. – Text S. 160f.<br />

sen. Inschrift «KIRCHEN/GOTTSTATT/ANNO 1706».<br />

Untenauf zwei Marken des DAVID WITZ II, Biel.<br />

Sechsseitig, gedrungene Überkuppelung, Henkel an<br />

blattähnlichen Schilden; runder, schnabelstitzenartiger<br />

Aufsatz, am Griff Rankenwerk, am Drücker<br />

Maskaron. – 3./4. Zwei Kelche, Silber, teilvergoldet,<br />

17. Jh.? Steiler Fuss, Schaft genoppt, Nodus gerippt<br />

und mit Ritzdekors; beim einen Stück Kuppa und<br />

Fuss modern (vor 1940) ersetzt. – 5./9. Versilbert:<br />

Kanne und zwei Kelche 1963, SPITZEBARTH; zwei<br />

gleichartige Kelche 1987, 1994, JEZLER. – 10./11. Zinnenes<br />

Taufgerät, modern, MOSER. – 12./17. Verbleib<br />

unbekannt. – 12. Zinnene «Bernerkanne», nach<br />

BOURQUIN 1922 von DAVID WITZ III. – 13. Zinnplatte,<br />

1909 und evtl. noch 1940 vorhanden. – 14./17.<br />

Noch vorhanden 1940: silberne Schnabelkanne und<br />

zinnenes Taufgerät, spätes 18./frühes 19. Jh.<br />

KLOSTER<br />

BAUGESCHICHTE<br />

Im Nachgang zu den skizzierten «Hauptphasen<br />

der Baugeschichte» ist eine beschränkte Auswahl<br />

von Einzelnachrichten 134 zu treffen.<br />

Anscheinend weitgehend geschlossen und mit<br />

Fenstern versehen, hiessen die Kreuzgangarme im<br />

17./18. Jh. gegen Westen «Kirchgang» (aufgehoben<br />

1769/70 und 1780/81), längs des Hof-Nordflügels offenbar<br />

«Crützgang» (so 1662/63), im Osten («altes<br />

Kornhaus» im Dormitoriumsflügel) «Pfaffengang», im<br />

Süden (bis 1769) «Klostergang» oder ebenfalls «Pfaffengang».<br />

Der Übersichtsplan von 1795 135 gibt die<br />

Kreuzgang-Pultdächer im Norden und Osten wieder.<br />

Die oft erwähnte, überdachte Laube «ob dem<br />

Thor» 136 befand sich auf der Hofseite des südlichen<br />

Westflügelteils und verschwand mit dem Süd-Südwest-Neubau<br />

von 1769/70.<br />

Für die «Reparation» des Schneggen 1664/65 wurde<br />

beim Ziegler in Thun frischer Spiezer Kalk bezogen.<br />

137 Die Haustein-Wetterseite des Südflügels (dahinter<br />

die «Herrenstube») wurde 1649 und bereits<br />

wieder 1795/96 neu erstellt. 138 Das Westportal mit<br />

dem Stübli darauf (1757/58) erhielt 1741/42 eine<br />

neue Einfassung. Dort prangte das Staatswappen<br />

(1742, 1758) wie auch an der Flussfront des Südostrisalits<br />

(1721 usw.).<br />

BESCHREIBUNG<br />

ÄUSSERES. LANDSEITE. Westflügel. Am vierachsigen<br />

Teil nördlich des Hofportals (Gottstattstrasse 21)<br />

sind nebst den Kunststeinöffnungen der 1920er Jahre<br />

am Obergeschoss einzelne verbliebene Kornhaus-<br />

Schlitzfenster von 1780/81 noch zu sehen (ehemals<br />

ihrer neun). – Hofportal und südlicher Teil (Gottstattstrasse<br />

23). «Konservativer» Jurakalkstein-Rundbogen<br />

von 1741/42 (wie auch gegen den Hof), darüber<br />

ein Fenster des 18. oder frühen 19. Jh. Aus der<br />

Pfründerhauszeit hölzerne Schrifttafel «GOTTSTATT»<br />

in perspektivischen Relieflettern. Bei der Wetterseite<br />

des Südflügels fällt das Terrain leicht ab. Hausteinfassade<br />

von 1795/96 mit breiter, heute geschlossener<br />

Aufzugsöffnung, auf dem von der früheren Neuerstellung<br />

wieder verwendeten Sturz Jahreszahl 1649;<br />

Berner Wappen in der Art von PAUL BOESCH.<br />

Am Südflügel (Gottstattstrasse 23, 25, 27) sind die<br />

drei Stützpfeiler rechts eine sichernde Zutat von


1796. <strong>139</strong> Öffnungen 1795/96, <strong>173</strong>0, spätgotisch, am<br />

zweiachsigen, wenig vorspringenden Südostrisalit<br />

wohl 1769.<br />

Der Ostflügel (Gottstattstrasse 27 Südostwohnung,<br />

29 Kirchgemeindehaus; zum Querhausbogen am<br />

«Hof-Nordflügel» S. 157) zeigt Öffnungen unterschiedlicher<br />

Epochen: in den beiden Obergeschossen<br />

vier grosszügige Fenster-Zweiergruppen, vermutlich<br />

um oder bald nach 1800 (im 2. Stock verputztes<br />

Fachwerk); im Erdgeschoss Schmalfenster, rechts zur<br />

Sakristei, breit gefast, aus Neuenburgerstein-Wiederverwendungsstücken;<br />

zum Kapitelsaal gehören drei<br />

pyramidal angeordnete Schlitzfenster aus drei Bauphasen,<br />

links vermutlich das älteste (vielleicht 14. Jh.),<br />

in der Mitte (Neuenburgerstein) 1955/56. Neben dem<br />

Südostrisalit öffnet sich in der Flucht des einstigen<br />

Kreuzgangs eine Spitzbogenpforte.<br />

HOF. Er wird, obwohl ein Zusammenspiel heterogener<br />

Elemente, als Ganzes empfunden. Das Niveau<br />

hat sich seit dem Spätmittelalter leicht angehoben.<br />

Gegen Süden die fünfachsige Schlossfassade<br />

von 1769 mit hohen, im Erdgeschoss 140 schwach<br />

stichbogigen Öffnungen aus Jurakalkstein. Neben<br />

den beiden schmucklosen seitlichen Türen ist der<br />

Mitteleingang als mehrzoniger Portalrisalit ausgebildet:<br />

genutete Einfassung, glatter Sturz mit Schlussstein-Wappen<br />

141 des Landvogts Carl [Anton] von<br />

Gingins, überhöht von dünner Verdachung, gekrönter<br />

Rocaille und Mittelfenster mit Anläufen. Die<br />

gleiche Befensterung setzt sich am südlichen Westflügel<br />

zweiachsig fort.<br />

Der Ostflügel ist dreigeschossig, 19. Jh. und 1926,<br />

in der Mitte des niedrigen Pultdach-Korridors polygonaler<br />

Turm mit verrandeten Fachwerk-Obergeschossen.<br />

Der eingeschossige Pultdach-Nordflügel 142 zeigt<br />

unterschiedliche Öffnungen – teils in Wiederverwendung<br />

– aus der langen Nutzungsgeschichte als<br />

Ökonomie- und Nebengebäude, ferner zurückgearbeitete<br />

Ansätze des einstigen (sekundären) Kreuzgang-Rippengewölbes.<br />

Schöpfe und Laubenwerk des nördlichen Westflügels<br />

teilweise 19. Jh., meistenteils aber um 1920;<br />

seitlich beim Durchgang (1741/42) zwei vermauerte<br />

Sandstein-Kragsturzpforten, die auf ein wesentlich<br />

tieferes Niveau Bezug nehmen, 15./frühes 16. Jh.<br />

Der südliche Abschnitt des Westflügels mit zwei, im<br />

Obergeschoss 2 + 1 Fenstern (teilweise vermauert)<br />

gehörte, wie erwähnt, zum Süd-Neubau von 1769.<br />

KLOSTER, BAUGESCHICHTE/BESCHREIBUNG 163<br />

Der ovale, konkav gerippte Schalenbrunnen von<br />

1769/70 143 in der Hofmitte (um 90° gedreht 1956) erhielt<br />

in den 1920er Jahren einen gefelderten Stock<br />

aus Zement, bewahrte aber die Aufsatzurne.<br />

INNERES. OSTFLÜGEL. Den fünf Erdgeschoss-Räumen<br />

ist am Platz des einstigen Kreuzgangs der etwas<br />

abgetiefte, 1971 modernisierte Korridor von 1926<br />

mit heute leerem Treppenturm vorgelegt. Dort ist<br />

neben der Mitte des Traktes als heutiges klösterliches<br />

Hauptstück von Gottstatt der spätgotische Kapitelsaal<br />

erhalten.<br />

Kapitelsaal. 144 Spätgotische Neugestaltung (vielleicht<br />

um 1510, vielleicht erst Ende der 1510er Jahre)<br />

an alter Stelle, unter Beibehaltung jedenfalls der<br />

beiden flankierenden landseitigen Schlitzfenster.<br />

Wohl für die Nutzung als Keller zu unbekannter Zeit<br />

verengernde, inzwischen rückgängig gemachte Verbauung<br />

der Öffnungen gegen den Kreuzgang. Freilegungen<br />

und leichte Niveauabsenkung 1926. Erwerbung<br />

des damaligen Hauses Nr. 8 mit dem Kapitelsaal<br />

durch die Vereinigung «Pro Gottstatt» 1952,<br />

Restaurierung 1955/56; Übergang an die Kirchgemeinde<br />

1965. Rustikalgotisches Mobiliar 1975/76.<br />

Der Raum liegt rund 70 cm unter dem Hofniveau<br />

und dem Aussenterrain. Er öffnet sich gegen den<br />

Korridor spitzbogig in einer Mitteltüre und zwei seitlichen<br />

Fenstern mit Masswerkfüllungen und Stützenbasen,<br />

mehrheitlich stark restauriert. 145 Die Nischen<br />

der drei Schmalfenster gegen Osten (äussere<br />

Einfassungen aus drei Epochen, hievor) sind symmetrisierend<br />

pyramidal angeordnet und nahmen<br />

vielleicht auf einen erhöhten Sitz des Abtes Rücksicht.<br />

Undatierbar ist die wieder geöffnete und ganz<br />

erneuerte, sekundäre und höher gelegene Türe gegen<br />

die einstige Sakristei. Die alten Tonplatten<br />

(1956; S. 153) stammen zum grösseren Teil aus dem<br />

Südflügel-Estrich.<br />

Ein regelmässiges, achtteiliges Neuenburgerstein-<br />

Sterngewölbe (Dreistrahlgewölbe) überspannt elegant<br />

die kleine, rund 4 m hohe Halle von 1/2 +1+ 1/2<br />

Jochen und wächst aus einem achtseitigen, konkav<br />

profilierten Mittelpfeiler empor. Die schlicht gekehlten<br />

Rippen mit Riemchen und die ihrer Profilhälfte<br />

entsprechenden Schildbogen laufen in unterschiedlich<br />

gelösten Verschränkungen 146 an der Wand spitz<br />

aus, wo wahrscheinlich (mit den Farbfassungen)<br />

Fehlstellen-Aufmodellierungen der Bauzeit verloren<br />

sind. Die Rippen waren möglicherweise grau gefasst<br />

und jedenfalls mit schwarzen Begleitlinien versehen.


164 ORPUND/GOTTSTATT<br />

An den Rippen-Vereinigungspunkten erscheinen<br />

acht Schlusssteine als aufgesetzte Wappenschilde in<br />

teilweise lebhaft, teilweise wenig variierten symmetrischen<br />

und asymmetrischen Formen; im Falle<br />

Nidau und Bubenberg sind es Tartschen. Dem Abtsschild<br />

ist eine zierlich fassonierte Stabkrümme hinterlegt.<br />

Die Anordnung der Wappenbilder 147 lässt sich in<br />

Dreier-, teils auch in Zweiergruppen lesen: beim<br />

Eingang legitimatorisch Bern als Kastvogt seit 1388/<br />

<strong>139</strong>3, seitlich die beerbten Grafen von Kiburg (genauer<br />

Rudolf von Neu-Kiburg, dessen Oheim der<br />

letzte Nidauer war) und Nidau; Bern axial gegenüber<br />

in der Ostmitte Abt Konrad Meyer (1503/04 bis<br />

jedenfalls 1516, spätestens 1520; drei Maiglöckchen,<br />

«Meieriisli»), seitlich Schilde v. Scharnachthal und<br />

v.Wabern, die Mittelsäule flankiert durch v. Erlach<br />

und v. Bubenberg. Man denkt an Urheber von Stiftungen<br />

irgendwelcher Form, indem Verstorbene, die<br />

im Jahrzeitbuch («nüw» 1502 oder bald hernach) 148<br />

figuriert haben dürften, erwogen werden müssen.<br />

Hans Rudolf v. Scharnachthal war 1507–1510 und<br />

1512 Schultheiss; er verstarb im gleichen Jahr; sein<br />

Sohn Hans Beat gelangte 1519 in den Grossen Rat.<br />

Petermann v. Wabern I und II (als Letzter des Geschlechts<br />

†1491) waren 1425 bzw. 1459 Vögte zu<br />

Nidau. Beim Bubenbergschild ist am ehesten an Adrian<br />

II (als Letzter legitimus †1506) zu denken. Drei<br />

v. Erlach amteten als Nidauer Vögte: Hans Rudolf<br />

1477, Burkharte 1423 und 1517.<br />

Von den Wappen her ergibt sich also keine präzisere<br />

Datierung der Kapitelsaalgestalt: unklar Abt<br />

Meyers Amtsende, ungewiss, ob das Wappen v. Erlach<br />

wie die anderen (wohl auch v. Scharnachthal)<br />

kommemorativ oder aber zeitgenössisch (ab 1517)<br />

zu verstehen ist.<br />

Wohl gleichzeitig in der Mitte der Nordwand die<br />

Grisaille einer linear-zeichnerischen Kreuzigungsgruppe<br />

mit expressiven Gesichtern (Restaurator<br />

HANS A. FISCHER 1955/56); ferner rötliche Wandbemalungsfragmente<br />

sowie Malereispuren an der Ostwand<br />

und in den dortigen Fensternischen.<br />

208<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kapitelsaal. Gewölbe. 1:100. Raster: einstiger Kreuzgang. – Wappenschlusssteine<br />

im Uhrzeigersinn vom Eingang hinweg: Bern, v. Kiburg (Abb. 211), v. Erlach, v. Scharnachthal,<br />

Abt Konrad Meyer in der Mittelachse gegen Osten (Abb. 212), v. Wabern, v. Bubenberg,<br />

v. Neuenburg-Nidau (Abb. 210).


209<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kapitelsaal, Blick gegen Nordwesten. Foto 2003.<br />

KLOSTER, BESCHREIBUNG 165


166 ORPUND/GOTTSTATT<br />

210 –212<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Kapitelsaal Gewölbeschlusssteine: Grafen von Neuenburg-Nidau, Neu-Kiburg, Abt Konrad Meyer.<br />

Fotos 2004.<br />

Nördlich des Kapitelsaals in der Korridorecke ein<br />

Kreuzgang-Rippenanfänger, dann die Treppen- und<br />

Lifterschliessung der Kichgemeindelokalitäten in<br />

den Obergeschossen. Ein in der Nord-Süd-Wand<br />

freigelegter stichbogiger Mauerschrank 149 ist zweifelsohne<br />

Zeuge der einstigen Sakristei. Der Vorraum<br />

zur Kirche (Türe 1965/66 S. 154, 156; Querhausbogen<br />

S. 157) mit sekundär eingezogenem Tonnengewölbe<br />

liegt im «Hof-Nordflügel»; in der Ecke Stumpf<br />

eines Tuff-Strebepfeilers; er springt jedenfalls heute<br />

wesentlich weniger vor als diejenigen an der Nordfassade.<br />

Südlich des Kapitelsaals ein stark eingetiefter Keller,<br />

heute Jugendkeller.<br />

Im Inneren der anschliessenden Wohnung gelangt<br />

man durch eine Neuenburgerstein-Spitzbogentür<br />

wohl des 15. Jh. (gotisierende Heimatstil-Inschrift:<br />

«carpe diem» nach Horaz, «pflücke den Tag»)<br />

in einen schmalen, tonnengewölbten Querkorridor,<br />

der zum bescheidenen landseitigen Osteingang<br />

führt; rechts eine kurze, ebenfalls gewölbte Verbindung<br />

zum Südostrisalit. Das umschlossene, heute<br />

unterteilte tonnengewölbte Lokal nebenan wurde<br />

als einstige Abtkapelle aufgefasst.<br />

SÜDOSTRISALIT. Abgetiefter Keller (mit grossen<br />

Lichternischen) und zwei übereinander liegende<br />

Säle: im Erdgeschoss heute unterteilt und mit der anliegenden<br />

Stube verbunden, im Obergeschoss als<br />

Landvogts-Empfangszimmer von 1769/70 erhalten,<br />

das als Nachfolger der Abtsstube 150 anzusprechen<br />

ist. Die vierfeldrige, jedenfalls heute schmucklose<br />

Mulden-Gipsdecke, mit einer sichernden Unterzugskonstruktion<br />

des 19. Jh., überdeckt eine bemal-<br />

te Balkendecke wohl des 16./17. Jh., über welcher<br />

der Helmdachstuhl der 1450er Jahre vollständig erhalten<br />

ist. Der vergipste Saal ist versehen mit einem<br />

Rocaillensturz-Cheminée aus Solothurnerstein, einem<br />

vielleicht aus einem einstigen Fenster hervorgegangenen<br />

Wandschränkchen und doppelter Eingangstüre,<br />

deren mehrfeldrige Füllungen eigenwillige<br />

geschnitzte Eckmotive aufweisen (Tischmacher<br />

[ABRAHAM] MÄSCHI 151 ).<br />

SÜDFLÜGEL. Die Raumeinteilungen aus klösterlicher<br />

und landvögtlicher Zeit im Erdgeschoss mit<br />

sechs verhältnismässig starken Mauern, von 1769<br />

oder aus der Zeit der Institutionen des 19. Jh. im<br />

Obergeschoss mit schwachen Zwischenwänden,<br />

(Mittel-Enfiladetüren) sind weitgehend unverändert.<br />

Das einstige Refektorium dürfte im Erdgeschoss Ost<br />

gelegen haben und wurde wohl im nachreformatorischen<br />

16. Jh. unterteilt. Die heutigen Wohnungen<br />

am Ost- und Westende des Traktes greifen mit kleineren<br />

Räumen auch auf die anschliessenden Flügel.<br />

Der Erdgeschoss-Korridor längs der Hoffassade,<br />

mit einer älteren und zwei modernen Treppen sowie<br />

Nebenraumeinbauten, entspricht dem Kreuzgang<br />

vor 1769; der Obergeschoss-Korridor ist analog;<br />

die dortigen Zimmertüren öffnen sich also in<br />

der einstigen Konventsfassade über dem damaligen<br />

Kreuzdach. Der Ausbau 1769 dürfte vor allem das<br />

Obergeschoss betroffen haben. Dort vor einem Cheminée<br />

aus der Zeit um 1700/1720 Gruppierung aufgefundener<br />

Tonplatten von 1486 (Abt Krebs). In<br />

zwei Räumen grossfeldrige Täfer mit Flachfriesen.<br />

Neben dem abgetieften, gegen Süden (und die<br />

einstige Fähre) geöffneten Gewölbekeller lag wohl<br />

seit jeher die (ehemalige) Küche, von welcher noch


der mächtige Schüttstein zeugt. Im Erdgeschoss<br />

mehrere einfache Balkendecken des 17./18. Jh.<br />

WESTFLÜGEL. Der kleine, heute zur Südwestwohnung<br />

gehörende Bauteil neben und über dem Westdurchgang<br />

dürfte nach 1807 neu eingerichtet worden<br />

sein: im Obergeschoss zwei Räume mit Stuckmotiven,<br />

Kreuzböden, Cheminée. Im Dachgeschoss<br />

an der Nordwand polychrome Dekorationsmalerei<br />

des 17. Jh., es dürfte sich hier also um eine Saalnutzung<br />

gehandelt haben.<br />

WÜRDIGUNG<br />

Über die Rolle der Abtei Gottstatt als regionalpolitischer<br />

Mosaikstein und als Trägerin lokaler Kultur<br />

kann man bloss mutmassen. Als verhältnismässig<br />

späte Gründung erlangte sie nur langsam eine<br />

213 –215<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Landvogtei, Obergeschoss-Saal Südost, 1769/70. – Cheminée.<br />

– Innenseite der Eingangstüre. – Füllungsdetail der Wandschranktüre.<br />

– Fotos 2003.<br />

KLOSTER, BESCHREIBUNG/WÜRDIGUNG 167<br />

gefestigte Stellung. Gottstatt blieb zentraler Ort der<br />

Gemeinde und ist auch heute im Bewusstsein der<br />

Region verankert.<br />

Seit den 1920er Jahren hat sich die Formel «besterhaltene<br />

Klosteranlage im Kanton» eingelebt (oder,<br />

in Rücksicht auf das barocke Bellelay, «im alten Kantonsteil»):<br />

Trotz zahlreicher Veränderungen bis ins<br />

19./20. Jh. und obwohl der Schmuck eines transparenten<br />

Kreuzgangs fehlt, lassen die geschlossenen<br />

vier Flügel mit der Kirche klösterliche Stimmung<br />

aufkommen. Die landschaftliche Situation und der<br />

nachgotische, auf obrigkeitliches Betreiben höher<br />

geführte Kirchturm tragen dazu bei. Das Ensemble<br />

ist allerdings fragmentarischer, als es den Anschein<br />

hat. Über manche baugeschichtliche Punkte ist man<br />

unzulänglich unterrichtet, Hypothesen sind unvermeidlich.


168 ORPUND/GOTTSTATT<br />

«Ordensbaukunst» haben die Prämonstratenser,<br />

die zisterziensische Modelle weiterführten, nicht<br />

hervorgebracht, 152 umso mehr gilt es, regionale Vergleichsmöglichkeiten<br />

zu beachten (Bellelay I/II,<br />

Saint-Martin in St-Imier, Pieterlen, Fille-Dieu in Romont,<br />

Montagny-les-Monts FR u.a.).<br />

Die einfache Kirche wird man am besten als eigenartig-regionalen,<br />

«stilverspäteten» Bau auffassen.<br />

Zumindest in der engeren Region unterscheiden ihn<br />

die durchgehenden Kreuzrippengewölbe von einer<br />

gewöhnlichen Dorfkirche des Spätmittelalters. «Romanische»<br />

Obergadenfensterchen liegen grossen<br />

Spitzbogenöffnungen des 16. Jh. gegenüber. Kernstück<br />

von Gottstatt als Baudenkmal ist der kleine,<br />

schmucke Kapitelsaal mit origineller spätgotischer<br />

Steinmetzarbeit. Von unverkennbar bernischem Gepräge<br />

sind Hof und Südfront.<br />

EINSTIGE NEBENGEBÄUDE<br />

UND NEBENANLAGEN<br />

1333153 zedierte Müller Rudolf von Altreu dem Kloster<br />

Wasserwerksrechte zu Gottstatt und bei Brügg. Mühle<br />

(1588: «zergangen»), mit Mauern eingefasster Mühlebach<br />

(sicherlich ein Zihl-Seitenkanal) sowie Wohnhaus des<br />

Müllers verschwinden bald nach 1600 aus den Unterhaltsrechnungen,<br />

doch wurde <strong>173</strong>6/37 die Fleischschal<br />

«ab dem alten platz in die alte Mühli» versetzt («Metzg»). 154<br />

Ein gutes halbes Dutzend155 Windfahnen markierte die<br />

obrigkeitlichen Bauten, deren Anfänge wohl meist in die<br />

Klosterzeit zurückgingen. Dem Landvogt standen zur Verfügung:<br />

die Scheune bei der Fährstelle zu Scheuren<br />

(S. 138), zwischen dem äusseren Hofplatz und dem einstigen<br />

Zihlbogen die quer gestellte, teilweise gemauerte,<br />

1719/20156 durch Zimmermann JAKOB SPAREN ersetzte<br />

Scheune gegenüber dem Kirchturm (das 1966 abgebrannte<br />

Bauernhaus), südlich davon das längs gestellte, hohe<br />

Haberhaus oder Remise mit Feuerspritzenschopf und Giebellaube<br />

sowie drei kleinere Gebäude, namentlich die<br />

«Metzg», 157 die ehemalige Mühle, ein giebelständiger, eingeschossiger<br />

und zweiachsiger Satteldachbau mit jüngerem<br />

Annex.<br />

Unweit lag der einstige Landeplatz; von dort gelangte<br />

man dem Zihlbogen entlang – jedenfalls im 18./19. Jh. –<br />

zum Scheurenfahr in der als Point-de-vue-Weg mit Allee<br />

angelegten Mittelachsflucht des Südflügels. Im Bereich<br />

der heutigen Kanalbrücke zog sich oberhalb der Fährroute<br />

eine schmale Zihlinsel hin.<br />

Der Garten hatte im 18. Jh. (mit zwei Kabinetten)<br />

ungefähr die heutige Westausdehnung. Damals lag im<br />

Südosten ein grosser Hühnerhof, bei der einstigen Landvogtsscheune<br />

der Pfarrgarten gegen die Zihl. Der Klosterhof<br />

wies als Garten ein weiteres Kabinett auf. Der<br />

Friedhof reichte bis in die Ecke zwischen Konvent und<br />

Kirche.<br />

WEITERE BAUTEN<br />

Gemeindehaus, ehemals «neues»<br />

Staatskornhaus (Gottstattstrasse 12)<br />

Das «alte» Kornhaus war der Kloster-Ostflügel, aber<br />

auch die anderen Trakte dienten von Fall zu Fall der<br />

Kornunterbringung. Seit 1750 berichtete der Vogt<br />

über prekäre Lagerverhältnisse (auch in Lattrigen und<br />

Nidau) und die Wünschbarkeit eines Neubaus. Der<br />

Vorschlag eines Gottstatt-Kornhauses in Nidau blieb<br />

auf dem Papier. 1759/60 entstand dann unter Werkmeister<br />

EMANUEL LUDWIG ZEHENDER durch vorwiegend<br />

einheimische Handwerker «le grand Grenier»,<br />

das neue Kornhaus (Aufwand rund 4300 Kronen). 158<br />

Die Standortwahl scheint auf NIKLAUS SPRÜNGLI<br />

zurückzugehen, der anfänglich ebenfalls mit Planungen<br />

beauftragt worden war und die abschliessende<br />

Bauabnahme besorgte. Es entstand ein landschaftlich<br />

überaus dominierender Solitärbau, einst mit Dachknöpfen<br />

oder -vasen. Vorgängig dachte man sogar an<br />

eine vierte Etage. Im Westteil wurde der eingetiefte<br />

Keller eines weit kleineren Vorgängerbaus integriert,<br />

dessen Luken in der Sockelzone gegen Süden und<br />

Westen noch zu sehen sind.<br />

Mehrmals suchte sich der Staat im 19. Jh. des Gebäudes<br />

zu entledigen. Ab 1873 als burgerliches Waisenhaus<br />

der Stadt Biel teilweise neu befenstert und<br />

stark unterteilt, ging es 1919 an Private, 1924 an die<br />

Gemeinde, welche diverse Nutzungen unterbrachte<br />

(Wohnungen, Schulräumlichkeiten, Büros). 1998/99<br />

Gesamtsanierung, Aussenrestaurierung, Unterkellerung<br />

des Ostteils, Um- und Ausbau zur Gemeindeverwaltung,<br />

Umgebungsgestaltung (Architekt HANS<br />

RIHS). Von der Innenmodernisierung ausgenommen<br />

blieben der Westkeller und der wohl erhaltene<br />

Dachstuhl.<br />

Der quer gestellte, dreigeschossige Bau mit markanten,<br />

intermittierenden Eckverbänden und knappem<br />

Haustein-Sockelband trägt ein gedrungenes<br />

Mansard-Walmdach und zeigt 3 + 1 + 3 auf zwei Achsen;<br />

rückseitig sind es 2 + 1 + 2 Öffnungen mit<br />

schwachem, heute verglastem Treppenhausrisalit.<br />

Zurückhaltend hervorgehoben ist der Portalrisalit<br />

gegen Süden mit dem rundbogigen, in ein verdachtes<br />

Rechteck eingeschriebenen Mitteleingang,<br />

gleichzeitig Sockelniveauversatz. Einziger Schmuck<br />

ist die (neu gefasste) Bildhauerei, die insgesamt von<br />

HENRI LAMBELET stammen dürfte, der für das Staatswappen<br />

erwähnt wird: im Scheitel der Türvorlage


Querovalkartusche «1759», im Fronton Frucht- und<br />

Blumen-Füllhörner, Palmwedel sowie bekrönte<br />

Hochovalkartusche, dort anstelle des sicherlich 1798<br />

abgeschlagenen Staatswappens seit 1924 Gemeindewappen<br />

analog dem Schulhaus-Türsturz (Hauptstrasse<br />

201). Dreiteiliges, verglastes und vergittertes<br />

Türblatt der 1870er oder 1880er Jahre.<br />

Pfarrhaus (Gottstattstrasse 7)<br />

Laut Dekan GRUNERS Urteil aus den <strong>173</strong>0er Jahren<br />

war das alte Pfrundhaus im Kloster-Westflügel wenig<br />

erfreulich (S. 149). Nach Terrainarrondierungen<br />

kam es 1777 von der Strasse zurückversetzt auf freiem<br />

Feld zum Neubau «samt angehängter Scheür»<br />

(Abb. 179). 159 Detaillierte staatliche Archivquellen<br />

fanden sich bis jetzt nicht, doch fällt Projektautorschaft<br />

des in diesen Jahren stark beschäftigten Werkmeisters<br />

NIKLAUS SPRÜNGLI oder des jungen CARL AHAS-<br />

VER VON SINNER kaum in Betracht; hingegen könnte<br />

man an den summarisch erwähnten, dann auch beim<br />

Kloster-Westflügel-Bau tätigen Nidauer Zimmermeister/Generalunternehmer<br />

JAKOB SPAREN denken.<br />

1795 trat nach Plan von JOHANN RUDOLF MÜLLER<br />

ein grosszügiges (mittlerweile gelöschtes und reduziertes)<br />

Gartengeviert hinzu, das den früheren Pfarrgarten<br />

(GRUNER: «… darin ein Sommerhaus am Wasser<br />

sehr angenehm») westlich der Klosterscheune an<br />

der Zihl ablöste. 160<br />

Der zweigeschossige, kubische Walmdachbau<br />

entspricht einem landläufigen spätbarocken Pfarrhaustypus.<br />

161 Eingreifende Erneuerungen 1958/1960<br />

und 1974. Südfront von 2 + 2 Achsen mit Türe links;<br />

Jurakalkstein-Einfassungen, im Obergeschoss stich-<br />

WEITERE BAUTEN 169<br />

216 –217<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Gemeindehaus, ehemaliges Staatskornhaus von 1759. Gemeindewappen am Tür-Fronton 1924.<br />

Fotos 2002.<br />

bogig. Geschlossenes, modernisiertes Laubenwerk<br />

gegen Osten. Winkelförmiger Eingangskorridor,<br />

Treppenhaus teilweise im Scheunenteil, im Obergeschoss<br />

Querkorridor. Gipsdecken aus der Bauzeit in<br />

den Korridoren und (mit grossem fassoniertem Spiegel)<br />

im Obergeschoss-Südwestzimmer.<br />

Die im Erdgeschoss gemauerte Scheune unter etwas<br />

niedrigerem, abgewalmtem Dach ist ein zurückspringender<br />

Anbau gegen Westen mit Gewölbekeller.<br />

Der Monolith-Brunnen mit behäbigem<br />

Kugelstock stand ursprünglich auf der anderen Zugangswegseite<br />

näher bei der Ökonomie-Trauffront.<br />

Ebenfalls gleichzeitig ist das dorfseitige Ofen- und<br />

Waschhaus 162 unter schwerem Mansardwalmdach;<br />

seit einer Verlängerung im 19. Jh. wurde daraus eine<br />

Art Mehrzweckbau.<br />

ÖSTLICHER ORTSRAND<br />

UND DORFMITTE<br />

Bei der Abzweigung der Gottstattstrasse (1786:<br />

«Weg ins Kloster») stehen das Restaurant Bären, ein<br />

grosser, mehrfach erneuerter Fachwerk-Kreuzfirstbau<br />

von 1884 mit langem Saaltrakt (Hauptstrasse<br />

211), 163 westlich nebenan eine nun unbewohnte Villa<br />

der 1890er Jahre und zurückversetzt ein massives<br />

Heimatstil-Bauernhaus (Nrn. 209, 207). Vor Nr. 214<br />

befand sich im 19. Jh. einer der Dorfbrunnen. 164 An<br />

der Abzweigung der Bürenstrasse (1786: «Weg nach<br />

Meienried») schloss das im Sinne des Heimatstils erneuerte<br />

Ründi-Kreuzfirst-Bauernhaus Nr. 226 einst<br />

die Ortschaft ab (1786: Doppelhaus); Nr. 226A ist ein<br />

Ofenhaus-Speicher des ausgehenden 18. Jh. 165 mit<br />

hölzernem Oberbau. Am Ortsrand Richtung Safnern


170 ORPUND/GOTTSTATT<br />

218 –219<br />

<strong>Orpund</strong>. Gottstatt. Pfarrhaus. Foto 2002. – Hauptstrasse 201. Ehemaliges Schulhaus, 1852/ 1854, heute «Vereinshaus»<br />

oder «Alte Verwaltung». Foto 2004.<br />

(Muntel, Muntal, «Muntu») liegt der Friedhof von 1883<br />

mit längs der Durchgangsstrasse erhaltener Einfriedung.<br />

166 Abdankungshalle von 1972 (Architekt<br />

CARLO FERRARIO; Hauptstrasse 244) mit grossformatigen<br />

Wappenfenstern von LUIGINO VOGRIN, in<br />

Wiederaufnahme expressiven Stils der Zwischenkriegszeit:<br />

Bern und die drei Gemeinden.<br />

Von der Gottstattstrasse westwärts dehnt sich der<br />

engere Ortskern nördlich der einstigen Zihl mit<br />

Hohlenweg, Gässli, Breitenrain als Zeugen älterer<br />

Siedlungsstruktur vor dem Grossbrand von 1868.<br />

Das ehemalige Schul- und Gemeindehaus, 167 seit<br />

der letzten Erneuerung 2001 «Vereinshaus» oder «Alte<br />

Verwaltung» (Hauptstrasse 201), ist ein Walmdachbau<br />

von 1852/1854 in sparsamen Biedermeierformen<br />

mit 2 + 1 + 2 auf drei Fensterachsen und<br />

rückwärtigem Laubenwerk. Wie landläufig, enthielt<br />

das Obergeschoss einst die Lehrerwohnungen.<br />

1849/1851 hatte die Gemeinde den Erwerb des<br />

staatlichen Kornhauses Gottstatt zu Schulzwecken<br />

erwogen, was sich aus hypothekartechnischen<br />

Gründen zerschlug. Das neue Schulhaus sollte anstelle<br />

des 1779 nach Brand errichteten alten etwas<br />

von der Strasse zurückversetzt werden. JOHANNES<br />

und HEINRICH KUNZ übernahmen die Maurerarbeiten,<br />

die Zimmerleute, mit denen es Auseinandersetzungen<br />

gab, waren ABRAHAM ANTENEN, ABRAHAM<br />

KOBEL und CHRISTEN WITTMER, Schreiner JOHANNES<br />

SCHNEEBERGER, Steinhauer hauptsächlich FRIEDRICH<br />

RITTER. Ziegel, Kalk, Kaminsteine, Tuff wurden in<br />

Pieterlen bezogen, Haustein in Bözingen. Aufrichte<br />

3.7.1852, doch zogen sich Verbesserungen und Ausstattung<br />

bis 1857 hin. Die Trennung von Unter- und<br />

Oberschule ein Vierteljahrhundert später und seitherige<br />

Gemeindenutzungen erforderten mehrere Innenveränderungen.<br />

Beispiel eines Arbeiter- oder Kleinbauernhauses<br />

ist Nr. 200 von 1912, ein gemauertes Einfamilienhaus<br />

als Kreuzfirst mit Balkon und winzigem, traditionellem<br />

Ökonomieteil.<br />

Die Lindenstrasse hinter dem Vereinshaus geht<br />

auf das Trassee der Biel–Meinisberg-Bahn zurück,<br />

das eingeschossige Mansarddach-Haus Nr. 8 ist das<br />

ehemalige Stationsgebäude 168 ähnlich wie in Safnern<br />

(Paul-Jenni-Strasse 22).<br />

Am Anstieg des Hohlenweg vertritt das kleine<br />

Walmdachhaus Nr. 13 in grünlich gefasstem Fachwerk<br />

mit zwei Vollgeschossen einen gegen die Mitte<br />

des 19. Jh. aufkommenden Typus (ähnlich: Gässli 1).<br />

Sonst herrschen hier bescheidene, oft mannigfaltig<br />

veränderte Fachwerk-Ründibauten vor, die nach<br />

den Bränden von 1868 entstanden sind. Die markante<br />

Schrägstellung des ehemaligen Bauernhauses<br />

Hauptstrasse 164 von 1860 169 ist ein Relikt des früheren<br />

Dorfplans. Der Heimatstilbau Nr. 155 über der<br />

Mündung des Breitenrain zeigt am Tennstorsturz die<br />

Jahreszahl 1800. 170<br />

Aus den 1890er/1900er Jahren sind neben einigen<br />

Wohn- und Geschäftshäusern die Nrn. 171 und 152<br />

als Villen zu bezeichnen: Zementstein-Instrumentierungen,<br />

Giebel-Holzstilelemente. Das Restaurant<br />

Kreuz (Nr. 148) ist ein erneuerter Fachwerk-Ründi-<br />

Kreuzfirstbau aus der Zeit um 1850/1860 mit Saalanbau;<br />

in den Gaststuben flache Feldertäfer und<br />

genutete Balkendecken. Zu den Fachwerk-Ründi-<br />

Bauten dieser Epoche zählt auch Nr. 142.


AUSSERHALB DES DORFES<br />

Hoch über dem Dorfzentrum ist das so genannte<br />

Schlössli (Gässli 23) eine vergiebelte, oben in Fachwerk<br />

ausgeführte Villa der vorletzten Jahrhundertwende<br />

in einer Umgebung einiger traditioneller<br />

Bauten, beispielsweise des an der Hangkante dominierenden<br />

Heimatstil-Bauernhauses Hohlenweg 24.<br />

Nach einem Totalbrand am 28.11.1883 entstand<br />

das Bauernhaus Windegg neu (Hohlenweg 34). 171<br />

Das frühere Doppelhaus war 1798 bzw. 1801 abgebrannt;<br />

der «ander Teil» wurde damals nicht wiederhergestellt.<br />

Ganz am Ende des 18. Jh. liegen die<br />

Anfänge der Einzelsiedlung Luggischell (Nr. 68).<br />

Obenher ist das Wasserreservoir Nr. 80 172 ein kahler,<br />

zweckrationaler Kubus mit Attika und Rundbogenöffnungen;<br />

Zement-Inschrifttafel «ORPUND/<br />

J. 1907. K.», sicherlich Baumeister JOHANN KÄSTLI.<br />

In der Ebene vertreten Brüggstrasse 88 und 90,<br />

einst an der Zihl, bescheidenste Bauten, wie sie in<br />

der Gegend wohl häufig waren.<br />

Die Ein- und Zweifamilienhausbebauung westlich<br />

der Strassenbiegung bielwärts war einst recht<br />

locker: <strong>173</strong> um 1900/1930 (auf der Südseite etwas<br />

jünger), dichter gegen die Gemeindegrenze hin<br />

(Hauptstrasse 83/57, 82/58).<br />

ZILWIL 174 an der ansteigenden, von Zihlmatt- und<br />

Kanalweg gekreuzten S-Biegung der Brüggstrasse<br />

wurde ebenfalls von moderner Wohnbautätigkeit erfasst.<br />

Unter den knapp zehn Fachwerk-Ründi-Bauernhäusern<br />

und -Stöcklibauten des vorgerückten<br />

19. Jh. auf Halbkellersockeln ist Nr. 83 besonders<br />

stattlich, älter ist das originelle Ofenhaus Nr. 72A. Zu<br />

den zwei Häusern im vorgerückten 18. Jh. kamen<br />

um 1810/1830 vier neue, anderseits wurde eines etwas<br />

näher zum Dorf versetzt. Der Weiler galt im<br />

18. Jh. als eigene Dorfgemeinde, welche – nach PA-<br />

GAN – wie Scheuren auf ein Hofgut zurückging.<br />

Abgegangene Bauten. Die einstige Zihl bog hier um<br />

und floss unweit des nordöstlichen Strassenknies gegen<br />

Norden. Es scheint in Zilwil Perioden mit mehreren Wasserwerken<br />

und solche ohne Mühlen gegeben zu haben.<br />

Mühlenbauten erfolgten 1518 und 1556, vor allem «wegen<br />

dünne des wasserfurts» 1620 eine Versetzung nach Brügg;<br />

gleichzeitig sollte eine Bläue wieder aktiviert werden. Im<br />

Süden des Weilers lag die Schwadernauer Insel oder Gänsenmatt<br />

(Abb. 170), abgetrennt durch den kurzen Werkkanal<br />

Gänsenbach, ausgehoben 1680 durch «Ärgeüische<br />

graber», dann zerfallen. 175 Bergseitig genügte ein Steg,<br />

zihlseitig bestand eine Fussgänger-Fähre nach Schwader-<br />

AUSSERHALB DES DORFES/ DOKUMENTATION 171<br />

nau. 1801/02 176 liess [Abraham] Köhli von Biel, der sich<br />

wenig an Bewilligungsauflagen hielt, nach Plan von<br />

Werkmeister [LUDWIG FRIEDRICH?] SCHNYDER quer über<br />

den Gänsenbach anstelle einer alten Mühle eine kurzlebige<br />

Tabakstampfe errichten; 1816 war sie Walke.<br />

Zu den Zilwil-Neubauten des frühen 19. Jh. (anscheinend<br />

nach 1811) 177 gehörte auch eine Bleiche, bestehend<br />

aus hölzernem Wohnstöckli, Stallscheune, Bleiche-,<br />

Tröcknehaus; die Neueinrichtung um 1860 umfasste auch<br />

Garnbauche, Hanfreibe, Sägemühle. Abbruch beim Kanalaushub<br />

1870.<br />

DOKUMENTATION<br />

PLAN- UND BILDDOKUMENTE<br />

Vgl. Pl/BiDAmt 2, 9, 17, 18, 23 (Abb. 175), 25, 28a, 29,<br />

38. – 19./20. Jh. vgl. auch KKK und GdeA. – Einzelobjekte<br />

vgl. Anm.<br />

Gemeinde, Dorf (Dorfteil Ost vgl. auch Gottstatt)<br />

Pläne. Feder aq. – 1. J. R. MÜLLER, Planwerk, 1785/<br />

1789. StAB. Vgl. PfUrb. 1761 S. 67ff. mit Nachträgen 1785;<br />

KGdeA A 23 «Gemeind-Rodel»: Häuser- und Bewohnerverz.<br />

1791ff. (O. «innerer Teil»). – a: Safnern-Zehntplan,<br />

1785/86. Ostorientiert. AA IV 1133, Doppel 1627. KKK<br />

44b. <strong>Orpund</strong>-Dorf inkl. Mettseite (Grenzangabe; ohne<br />

Zilwil), Windegg, Gottstatt. b: Atlas, 1786. Atl. 275, Doppel<br />

106. KKK 44d. Inkl. Mettseite (Grenzangabe; ohne<br />

Zilwil). 11 Bll.: Plan I Windegg (1 Haus), IV Gottstatt und<br />

Teil Dorf, V Dorf, VI Riedermatten (1 Haus), VIII Breiten<br />

(1 Haus), IX Untere Zelg (3 Hsr.), X Mühlacherfeld (ein<br />

Haus), XI Mühlizelg (ein Häuschen und Insel). c: «Mett<br />

Zihlwihl und Wyger Zehnd Plan», 1789. AA IV 1131, Doppel<br />

1622. KKK44b. Dorf Ost nur in Teildarst. – 2. G. S.<br />

OHM, «Plan der Gegend um Gottstadt», 1809. Südorientiert.<br />

RITTER VON FÜCHTBAUER, BZGH 1939, Taf. S. 124/125<br />

(Text 124: ferner ein zweiter, idealisierender Plan OHMS;<br />

123: Zeichenmeister). Dorf, Scheuren, «Scheuren Hügel».<br />

BOURQUIN, Lexikon 293c, BiTgbl 31.10.1963. Vgl. 3. – 3.<br />

ED. REYNIER (1807: vgl. BZGH 1939, 125), «Plan von Gottstadt»,<br />

Feder aq. 33,5 × 41,5 cm. Offensichtl. Schülerarbeit<br />

im Sinne von 2. Zusätze und Weglassungen (vom Dorf etwas<br />

mehr, von Scheuren weniger). Pb. – 4. «Pfarrbrunnleitung<br />

von Gottstadt», d.h. Hang–Pfarrhaus, um 1827?<br />

StAB (vgl. PfUrb. 1809 S. 4f., 19–22 Nachtr. sowie A V 1141<br />

S. 88ff.). – 5. «Plan von Gottstadt», wohl 2. V. 19. Jh. Pb. Gesamtes<br />

Dorf, Teil Scheuren. – 6. F. FANKHAUSER (1871),<br />

F. MOSER (Revision, 1881), Vermessungen. Wenig nachgeführte,<br />

unvollst. Sätze: KreisgeomA. KKK 992. Ehem.<br />

Zihlbogen (1:1000): Originalplan 3 1871/[1881; nicht revidiert:<br />

Schwadernau Or. 1 1871], W. BENTELI Or. 16 1902.<br />

Bilddokumente. Vgl. Pl/BiDAmt 9. Zihl allg.: SINNER,<br />

Voyage I 125 (NiCh 6, 2000, 46). – 7. J. J HARTMANN, Blick


172 ORPUND/GOTTSTATT<br />

von Gottstatt (Ziegelmatt) gegen Westen auf Zihlbogen<br />

und Dorf, um 1800? – a: Umrisszeichnung, Feder. MSch<br />

(Abb. 176). b: Gouache. 29,8 × 43,7 cm. Auktion LAUBE,<br />

Zürich, Nov. 1976, Kat.-Nr. 88. c: Öl. 37 × 51,7 cm. Pb. –<br />

8. J. J. BIEDERMANN, um 1790, Aq. SLB Slg. Gugelmann<br />

469, 470 (Biedermann A 15, 16; Abb. 7– 8). – a (470): Blick<br />

von Norden (Windegg) auf Dorfmitte und Gottstatt. b:<br />

Pendant Gottstatt von Südwesten vgl. 29. – 9. Gezeichnete<br />

Gruppenpostkarte «Gruss aus …», 1900er Jahre. Verlag<br />

Handlung und Bäckerei Fritz Kasser. – 10. Ältere<br />

Fotografien: GdeA; KGdeA; VHBü; StAB; MKB; KDp;<br />

Pb.; KUNZ, BMB. Flugaufn.: Alpar 1934/1936.<br />

Gottstatt<br />

Situationspläne. Mit anstossendem Dorfteil. Feder aq.<br />

Vgl. hievor , Pl/BiDNi. 67 sowie Pl/BiDAmt 17, 23 (Abb.<br />

175), 25 und KdmBE Land II 36 Nrn. 1ff. Landschreiber<br />

PAGAN wird 5.2.1775 «für Verfertigung eines geometrischen<br />

Plans zu G.» entschädigt, StAB B VII 1428 S. 73. – 11. [J. R.<br />

MÜLLER] «Plan du Chateau et de la Cure de Gottstadt», 1795<br />

(neu abgesteckter Pfarrgarten) oder kurz hernach. StAB<br />

AA IV Ni. 22 (vgl. B VII 1436 S. 46). KKK 1315. Ausführl.<br />

Legende (AMACHER, SKF Nr. 773 [2005] Abb. S. 14). – 12.<br />

G. SCHUMACHER sen., Pfarrgut, 1847/48. StAB AA IV Ni. 23<br />

(vgl. PfUrb. 1848). KKK 1316. – 13. E. STUDER (?), Liegenschaft<br />

in <strong>Orpund</strong>, 1914. KKK 1318. Burgerratskanzlei Biel<br />

Plan 70.<br />

Monumentenpläne. – 14. GERSTER 98 sowie KDp<br />

Fotoslg.: Grundrissskizze der Kirche. – 15. Technikum<br />

Biel/H. SCHÖCHLIN, Gesamtpläne 1920/21, 8 Bll. KDp;<br />

StAB AA III Ni. 3 1–3 (vgl. BB X 1017 [1923]); KGdeA. –<br />

16. TAD, Gesamtpläne, Details, 1939, rund 75 Bll. KDp;<br />

KGdeA. – 17. B. MOSER, Grundriss (Hypothesen, Teilgrabung;<br />

Schraffuren unklar), isometr. Rekonstruktionsversuch<br />

«um 1320». AESCHBACHER, G. Taf. S. 24/25, 14/15;<br />

Stadt Taf. S. 256/259 (die Isometrie farbig). Wiederholt<br />

nachpubl. – 18. M. ADRIAN, Rekonstruktionsversuch. Schulpraxis<br />

58, 1968, 205. Analog (1981): «Schulpraxis»/SLZ<br />

20. 1.1983. – 19. A. SCHAETZLE, Kirche inkl. Ausstattung,<br />

1959/1966, rund 40 Bll. KDp; EAD; KGdeA. – 20. A. MEIER,<br />

Ostflügel, 1968/1971, rund 30 Bll. KDp; EAD; KGdeA;<br />

A. MEIER/F. BACHOFNER, weitere Teilpläne Ostflügel, 1987/<br />

88. KDp. – 21. Teilpläne: ADB und AAM Moudon 1991,<br />

1995/1998, rund 50 Bll. (Auswahlpubl.: EGGENBERGER/<br />

KECK (wie Anm. 16). – 22. Teilpläne: U. BERTSCHINGER,<br />

Vorhallen-, Kirchen-, Südostrisalit-Estrich, 2003, 10 Bll.<br />

KDp. – 23. R. BACHMANN, Erdgeschoss-Gesamtplan,<br />

2001/02. 1:50. KDp. – 24. Computergenerierte 24 Klosterbilder<br />

3D (CHRISTOPH HÜBSCHER) Homepage Kirchgemeinde<br />

www.Gottstatt.ch.<br />

Bilddokumente. Vgl. hievor sowie Pl/BiDAmt 9. – Von<br />

Süden und Südwesten. Scheurenufer wirklich oder fiktiv.<br />

Dilettantennachahmungen häufig. – 25. J. L. NÖTHIGER,<br />

1743, Rad. 10,3 × 18,8 cm. BOURQUIN, Graphik Nr. 174.<br />

KdmBE Land II 38 Nr. 74e. Das Expl. KKBS Slg. Falkeisen<br />

mit Feder-Legendeneinträgen Schloss, Kirche, Pfrundhaus,<br />

«Beckerey» (Buchstabenverwechslungen) (Abb. 183). Vgl.<br />

26. – 26. E. BÜCHEL (offensichtl. Umzeichnung nach 25)/<br />

D. HERRLIBERGER, 1754, Rad. 8,2 × 13,7 cm. BOURQUIN,<br />

Graphik Nr. 175. KdmBE Land II 38f. Nr. 75a (nachbildende<br />

Zeichnung bei APPENZELLER 1916/1963: Literatur).<br />

Landvogteiwappen. – 27. Dilettant, kühne Zuschreibung<br />

oder Vorbildbehauptung «dessiné d’après nature par<br />

H. Fuessli 1781» (HEINRICH FÜSSLI 1755–1829), Aq. Ca.<br />

24 × 42 cm. BHM Inv. 2355. AESCHBACHER, Grafen Taf.<br />

S. 158/159 («Blatt 27»). – 28. K. L. ZEHENDER, Landschafts-<br />

Familienporträt, 1794 (Abb.-Legenden AESCHBACHER, Grafen<br />

Taf. S. 90/91 [«Blatt 19»] und Region 1980, 187 zu korr.),<br />

Tusche lav. Ca. 119 × 74 cm. BHM Inv. 5333 (BÄCHTIGER<br />

1996, Prospekt Nr. 25). Abb. 181, 179. Alpenhorn-Kalender<br />

(Mittel- und Oberland) 76, 2001, 36–39. Ausschnitt Hintergrund<br />

KdmBE Land Abb. 18. Kloster, Pfarrhaus, Zihlübergang,<br />

Inseli, Scheurenseite. Danach Dilettant A. FORER,<br />

um 1800. Sepia. 23,4 × 33 cm. STUKER 120 (1973) Nr. 1698.<br />

– 29. J. J. BIEDERMANN, um 1790, Aq. SLB Slg. Gugelmann<br />

469 (Biedermann A 15; Abb. 8). Pendant: 8a. Von Südwesten,<br />

Blick zihlabwärts, Inseli. Danach Anonymus, Sammlerbeischrift<br />

«1815», BHM Slg. v. Rodt V 42. Abhängig weiterer<br />

Anonymus Feder aq., 25 × 37,3 cm, STUKER Mai 2002<br />

Nr. 9020 (Abb. 182). Ähnlich ebenfalls 33. – 30. WEIBEL,<br />

23.8.1824, Aquat. und (SLB Slg. Gugelmann SG 664a)<br />

Aq. BOURQUIN, Graphik Nr. 177. PITTET Nr. 276. – 31.<br />

F. E. ZEHENDER, von Südwesten, Blst. BBG 10, 1914, Taf.<br />

S. 136/137. Ähnlich 33. Vgl. V. MÜLINEN VI 244. –<br />

32. Von Süden, frühes 19. Jh., kol. Aquat. 6,8 × 10,5 cm.<br />

STUKER Herbst 1991 Nr. 4026. – 33. J. F. WAGNER/Lith.<br />

J. WÖLFFLE, «Gottstadt. Erziehungs Anstalt im Canton<br />

Bern», kurz vor 1833?, 27,3 × 36,9 cm. BOURQUIN, Graphik<br />

Nr. 176. AESCHBACHER, G. Taf. vor S. 1; Stadt Taf. S. 202/<br />

203. Ähnlich 29. – 34. Fantasievoller Dilettant, 19. Jh., Blst.<br />

gehöht: Foto 1929, BGdeA Burgdorf Bechst. Neg. 54 246<br />

(vgl. Anm. 159).<br />

Andere Blickrichtungen, Teilansichten. – 35. A.V.<br />

BÜREN zuschreibbar, von Osten, mit Pfarrhaus, um 1823?<br />

Drei Bll., Sepia. Ca. 16,5 × 34 cm. Pb. – 36. G. BAUER,<br />

Institut Zehender (evtl. aber nach dessen Auflösung<br />

1833), Lith. 9,5 × 15,3 cm. BOURQUIN, Graphik Nr. 178.<br />

Nicht eingesehen. – 37. F. E. ZEHENDER, «Kellerthür», effektiv<br />

Fenster Kapitelsaal, 1839: Pl/BiDAmt 9d. – 38.<br />

Blick vom Gartenhaus gegen Osten auf den Südflügel,<br />

M. 19. Jh., Blst. 15,2 × 24,1 cm. Pb. – 39. L. GERSTER, Kirche<br />

von Nordosten. Feder. GERSTER 97. – 40. H. KASSER,<br />

Kirchenvorhalle, 1905, Blst. BHM Inv. 42 909.1. Vermisst.<br />

– 41. H. BALMER, Hof-Nordwestecke. Feder. AESCHBA-<br />

CHER, Grafen 1924 Taf. S. 56/57 («Blatt 15»). – 42. M. JA-<br />

COBI, Blick in den Kapitelsaal, damaliger Eingangstürzustand,<br />

Rad. NICOLAS 1927 Taf. S. 16/17. – 43. P. WYSS,<br />

Westseite, Blst. Alpenhorn-Kal. 1942, 69.<br />

Ältere Fotografien. – 44. GdeA; KGdeA; VHBü; StAB;<br />

KDp (Kirchturm ca. 1905, Technikum Biel 1920, H. V.<br />

Fischer 1955/56, M. HESSE 1939/40, 1966, R. VON SIEBEN-<br />

THAL/A. SCHAETZLE 1965/66); EAD; BHM; SLB; Pb.;<br />

V.LERBER Fot. (1940); Hochwächter 6, 1950, 33–41; Fotoalbum<br />

1933–1941, Pb. G.; MEIER UND BACHOFNER 1971. –


Wichtig von Süden: BBG 10, 1914, Taf. S. 138/<strong>139</strong> (älter als<br />

KUNZ, BMB 25).<br />

ARCHIVE UND INVENTARE<br />

GdeA. – KGdeA Gottstatt (Inventar FRITZ SCHWENDE-<br />

NER 2000; «Gemeind-Rodel» 1791–1838 [A 23]: Häuser- und<br />

Bewohnervz. 1791 mit Nachführungen, tabellar. Typoskr.<br />

KDp). – GdeA Safnern (KMR Gottstatt 1723–1794). – Ortsgeschichtl.<br />

Dokumentenslg. FRITZ SCHWENDENER. – StAB.<br />

– BBB. – AAEB (Mett-Zehnturb. 1776, B 135/34ab; Marchen<br />

1727/1743, B 207/3 Pars II 3). – StadtABi/BGdeA<br />

Biel (Zeit burgerliche Pfründeranstalt und Waisenhaus). –<br />

KDp (BhfInv; BI-Liste 2003; Gottstatt vgl. Anm. 16). –<br />

EAD. – ADB (AHI). – ISOS (1994; Buchpubl. 1998 nur<br />

Gottstatt). – IVS.<br />

LITERATUR<br />

Gemeinde, Dorf<br />

BibliogrBE. – PAGAN. – LUTZ II ( 21827) 68f. – JAHN<br />

1850, 66f., 90–92, 94, 494; 1857, 603. – V.MÜLINEN VI 425–<br />

427. – HiBot 1907. – HBLS V 356. – AESCHBACHER, Grafen;<br />

Stadt; Fischerei; Gottstatt. – ChrGden I 739f. – MANUELA<br />

TRUDEN. Die Gemeinde O., wie hat sie sich entwickelt?<br />

Patentarbeit im Fach Geographie 1982 (vorh.: GdeA). –<br />

KUNZ, BMB. – ROLF HUBLER. 750 Jahre <strong>Orpund</strong>. Ein Geschichtenbuch.<br />

O. 2005. – HLS.<br />

Gottstatt<br />

BibliogrBE. – GRUNER, Topogr. II, <strong>173</strong>0, BBB Mss. h. h.<br />

XIV 55 S. 199–204. – PAGAN 1770 a 195–200, 214; 1770 c<br />

134–144, 162. – LEU IX 71–73; LEU/HOLZHALB II 574. –<br />

1794/95: STETTLER, NBTb 22, 1917, bes. 238f. – TILLIER III<br />

263. – JAHN 1857, 401–403. – LOHNER 488–492. – RAHN,<br />

Statistik, ASA (III) 9, 1876, 662; (IV) 14, 1881, 213f.; Gesch.<br />

der bild. Künste in der Schweiz. Zürich 1876, S. 800f.<br />

(«Nachlese»). – RAEMY 317. – V. MÜLINEN VI 234–245. –<br />

GERSTER 97–100. – PROPPER/TÜRLER 37. – GLS II 380f. –<br />

V.RODT, Kirchen 166. – ERNST JACKY. Emanuel Friedrich<br />

[Friedr. Em.] Zehender von G. 1791–1870 (BBG 10, 1914,<br />

133–142). – GOTTHOLD APPENZELLER/neu bearb. HERMANN<br />

SPECKER. Von alten bernischen Klöstern (BeH 27, 1916<br />

DOKUMENTATION <strong>173</strong><br />

Nr. 11 S. 87f./Berner Jb. 1963, unpag.). – RAOUL NICOLAS,<br />

KlBund 2.9.1923 Nr. 35; BeW 1923 Nr. 45 S. 572–574. –<br />

PAUL AESCHBACHER. Das Kloster G. einst und jetzt («Bund»<br />

4.9.1926 Nr. 376). – NICOLAS 1927, 17–32. – PAUL AESCH-<br />

BACHER. Das Kloster G. Eine kulturhist. Studie. Biel 1928<br />

(Sep. aus Berner Schulblatt 1928/29 Nrn. 14–16), 21949<br />

(identisch; bessere Abb.-Qualität in 1. Aufl.; zitiert: AESCH-<br />

BACHER, G.). – AESCHBACHER, Grafen; Stadt. – JOSEPH<br />

GANTNER. Kunstgeschichte der Schweiz II. Frauenfeld<br />

1947, S. 91f., 101f. – ALFRED WYSS. Die ehem. Prämonstratenserabtei<br />

Bellelay. Bern 1960 (Basler Studien zur Kunstgeschichte<br />

N.F. II), bes. S. 34ff., 61, 155ff. (1992 vgl. unten).<br />

– KDpBer 1962/63, 51 (Sept. 19); 1964–1967, 160<br />

(Sept. 24); 1968–1978 Ms. – MICHEL, Grenzziehung. – WAL-<br />

TER SCHÜTZ. Bernische Klöster II/2: Das Prämonstratenserkloster<br />

G. (Schulpraxis 58, 1968, 202–218; wiederholt:<br />

«Schulpraxis»/SLZ 20.1.1983; Das Hardermannli 85, 1986,<br />

Nrn. 7/8). – Region 1980, 186–188. – AEBERHARD 276–280<br />

(CHRISTOPH RÄBER). – KF 3, 593f. (stark zu korr.). – GIGAN-<br />

DET, Bellelay, Intervalles 15, 1986, 35–37, und Intervalles,<br />

Colloqium no 1, 1988, 24ff. – PAUL A. BÜHLER. Die «Weissen<br />

Mönche» von G. gestern und heute. Typoskr. 1988.<br />

KGdeA. – DERS. Die Geschichte der Prämonstratenser im<br />

Gebiet der heutigen Schweiz ([Stift] Schlägl intern 17,<br />

1991, Heft 1a, und Analecta praemonstr.). – ALFRED WYSS/<br />

DANIEL DE RAEMY. L’ancienne abbaye de Bellelay. Intervalles<br />

(o.O.) 1992, S. 16f., 19f., 27, 38f., 52f., 64. – ISOS<br />

1998, 141–147 (Übersichtsbd. 370). – PETER EGGENBERGER/<br />

GABRIELE KECK. <strong>Orpund</strong>, ehem. Prämonstratenserstift G.<br />

(heutige Pfarrkirche). Die Ergebnisse der archäol. Forschungen<br />

von 1991 und 1995 (AKBE 4B, 1999, 293–319).<br />

– DANIEL GUTSCHER u.a. St-Imier. Ancienne église St-Martin.<br />

Bern 1999, S. 46–49 zum Grundriss, 55–59 zum Turm<br />

(PETER EGGENBERGER; Schriften ADB). – JÜRG LEUZINGER.<br />

Berns Griff nach den Klöstern (BeGZ 360ff.). – KATHRIN<br />

UTZ TREMP. Mönche, Chorherren oder Pfarrer? Die Prämonstratenserstifte<br />

Humilimont und G. im Vergleich (ZSK<br />

95, 2001, 111–136). – KATHRIN UTZ TREMP/GEORG MO-<br />

DESTIN, HS IV/3 (2003), 383–410 (dort weitere Handbücher<br />

sowie ält. Lit.). – HEINZ RAUSCHER. Pieterlen und<br />

seine Nachbarn I (Hornerbll. 2002, bes. S. 92–95). – BeMZ<br />

bes. 316f. (UTZ TREMP), 357, 359 (EGGENBERGER), 433<br />

(KECK). – DORIS AMACHER/BETHI BLASER, SKF Nr. 773<br />

(2005) – HLS.

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