Kultur Joker April 2017
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kunst kuLtuR JOkER 13<br />
Auch eine Globalisierung<br />
„Transitory Dwellings/Vorübergehende Behausungen“ im Freiburger E-Werk<br />
Karen Kramer: „The Eye That Articulates Belongs on Land“, 2016, Installation, 2-Kanal-Video,<br />
20.57 min, Filmstill Courtesy Karen Kramer, Jerwood Charitable Fondation and Film and Video Umbrella, London<br />
Flüchten ist keine<br />
Bewegung, die ihrem<br />
Ziel stetig näherkommt.<br />
Flüchten heißt Warten.<br />
Was warten bedeutet,<br />
wenn alle Hoffnungen<br />
sich in die Zukunft richten<br />
und die Gegenwart<br />
nur ein Übergangszustand<br />
ist, konnte man<br />
beim Flüchtlingscamp<br />
in Calais beobachten.<br />
Der französische Fotograf<br />
Bruno Serralongue<br />
reiste mehrfach zu „The<br />
Jungle“ und hat die provisorische<br />
Infrastruktur<br />
der Hütten und kleinen<br />
Shops festgehalten.<br />
Serralongue nahm seine<br />
Fotos, die er in großen<br />
Plexiglaskästen präsentiert,<br />
mit der Großformatkamera<br />
auf. Wer<br />
so arbeitet, investiert<br />
Zeit und macht sich<br />
durch seine Sichtbarkeit<br />
angreifbar. Seine<br />
Arbeiten unterscheiden<br />
sich von der flüchtigeren<br />
Pressefotografie durch<br />
die Kompositionen.<br />
Serralongue fing so etwa den<br />
Moment ein, in dem mehrere<br />
Flüchtlinge darauf warteten,<br />
auf die vorbeifahrenden LKWs<br />
Richtung Dover springen zu<br />
können. Das Anrücken der Polizei,<br />
so erzählte Serralongue<br />
während des Künstlergesprächs<br />
auf der Vernissage von<br />
„Transitory Dwellings/Vorübergehende<br />
Behausungen“, unterband<br />
alle weiteren Versuche.<br />
Auf der Aufnahme ist von den<br />
Polizisten noch nichts zu sehen,<br />
die Anspannung aber zu<br />
spüren. Auf einem LKW lässt<br />
sich der Aufdruck „Trans“ erahnen,<br />
er stellt so etwas wie die<br />
Leitidee einer Ausstellung dar,<br />
die sich mit dem 21. Jahrhundert<br />
als Zeitalter der Migration<br />
befasst.<br />
Wenn der Übergang die<br />
Leitidee dieser Gruppenschau<br />
ist, dann ist der Container<br />
ihr Leitmotiv. Allan Sekula<br />
und Noël Burch haben ihm<br />
die Hauptrolle in ihrem 2012<br />
erschienenen Film „The Forgotten<br />
Space“ eingeräumt. Die<br />
beiden Filmemacher sind Containern<br />
rund um die Welt gefolgt,<br />
um das Bild eines globalisierten<br />
Handels zu zeichnen,<br />
der allein auf Effizienz beruht<br />
und erst durch die Entwicklung<br />
des Containers in den<br />
50er Jahren möglich wurde.<br />
Sekula und Burch reisten nach<br />
Rotterdam, das im Zweiten<br />
Weltkrieg durch deutsche Angriffe<br />
stark zerstört wurde und<br />
durch den Handel einen neuen<br />
Auftrieb bekam.<br />
Sie reisen aber auch in ein<br />
belgisches Dorf, das der Erweiterung<br />
des Antwerpener<br />
Hafens weichen soll und in<br />
die USA, wo ganze Gruppen<br />
von Arbeitern vom Wohlstand<br />
ausgeschlossen bleiben und in<br />
Camps für Obdachlose leben.<br />
Die LKW-Fahrer, die vermutlich<br />
in den Augen der Flüchtlinge<br />
so etwas wie Feinde<br />
sind, erweisen sich in dieser<br />
Dokumentation als Opfer des<br />
Kapitalismus, die als Sub-Unternehmer<br />
einem gnadenlosen<br />
Wettbewerb unterliegen.<br />
„Transitory Dwellings“ ist<br />
eine sehr politische Ausstellung,<br />
die zeigt, wie unser Wirtschaftssystem<br />
sich auf den<br />
Alltag der Menschen auswirkt.<br />
Indem es für Waren für durchlässige,<br />
für Menschen eher für<br />
geschlossene Grenzen sorgt,<br />
wie in der Arbeit des chilenischen<br />
Künstlers Enrique<br />
Ramirez zu sehen<br />
ist, die sich mit Einwanderung<br />
und Aufbruch<br />
auseinander setzt, und<br />
in dem es Technologien<br />
präferiert, die Profit versprechen,<br />
aber nicht zu<br />
kontrollieren sind. Die<br />
amerikanische Künstlerin<br />
Karen Kramer reiste<br />
2015 nach Japan und<br />
filmte in der Gegend um<br />
Fukushima. Sie überblendet<br />
in ihrer Videoinstallation<br />
„The Eye That<br />
Articulates Belongs on<br />
Land“ die Aufnahmen,<br />
die sie von dem Areal<br />
um den verunglückten<br />
Reaktor machte - verfallende<br />
Häuser, verlassene<br />
Hütten, das Meer, das<br />
auf Wellbrecher brandet<br />
- mit fiktiven Dialogen.<br />
Die Protagonisten dieser<br />
kleinen Szenen sind tote<br />
Tiere und Objekte, die<br />
sie auf ihren Streifzügen<br />
fand. Kramer überblendet<br />
diese mit Mythen<br />
und der unbeherrschbaren Natur<br />
des Urans.<br />
Man muss ein bisschen Zeit<br />
für diese Ausstellung einplanen,<br />
sie ist nichts für den<br />
schnellen Konsum. Das Bild,<br />
das sie von unserer Gesellschaft<br />
zeichnet, mag unerfreulich<br />
sein, aber es ist in jedem<br />
Aspekt bedenkenswert.<br />
Transitory Dwellings.<br />
E-Werk, Eschholzstr. 77, Freiburg.<br />
Donnerstag bis Freitag<br />
17 bis 20 Uhr, Samstag 14 bis<br />
20 Uhr, Sonntag 14 bis 18 Uhr.<br />
Bis 23. <strong>April</strong><br />
Annette Hoffmann<br />
Breite Palette zeitgenössischer Kunst<br />
Künstler präsentieren im „Kunstsalon“ im Bürgerhaus in Freiburg-Tiengen ihre Werke<br />
Der Zeit ihre Kunst – der<br />
Kunst ihre Freiheit (Aufschrift<br />
auf der Wiener Session) – das<br />
aktuelle Kunstgeschehen ist<br />
untrennbar mit dem aktuellen<br />
Zeitgeschehen verknüpft.<br />
Künstler leben und wirken<br />
im kollektiven Geschehen<br />
ihres Umfeldes und werden<br />
bewusst oder unbewusst von<br />
Strömungen der Zeit in ihrer<br />
Ausdruckskraft beeinflusst.Um<br />
Gedanken, Gefühlen und Themen<br />
Ausdruck zu verleihen,<br />
nutzen Künstler die Sprache<br />
über das Bild oder die Skulptur.<br />
Farben und Formen eröffnen<br />
vielfältige Möglichkeiten<br />
für die Darstellung des Seins.<br />
Rund sechzig Künstlerinnen<br />
und Künstler präsentieren vom<br />
21. bis 23. <strong>April</strong> im „Kunstsalon“<br />
im Bürgerhaus in<br />
Kunst<br />
salon!<br />
21.04. - 23.04.<strong>2017</strong><br />
Tuniberghaus<br />
im Maierbrühl 2<br />
79112 Freiburg-Tiengen<br />
art<br />
stages<br />
Freiburg-Tiengen ihre Werke.<br />
Eine breite Palette zeitgenössischer<br />
Malereien, ob abstrakt,<br />
gegenständlich, surreal oder<br />
informell sowie Fotografien,<br />
Skulpturen und Lyrik werden<br />
Kunstinteressierten in einem<br />
passenden Ambiente gezeigt.<br />
Erstmals wird dieses Jahr ein<br />
jurierter Preis für Malerei und<br />
Bildhauerei vergeben sowie<br />
ein Publikumspreis.<br />
Im Rahmen des „Kunstsalons“<br />
wird es auch eine Benefizveranstaltung<br />
geben. Der<br />
Kunstverein artstage ist auf<br />
das Schicksal der 11-jährigen<br />
Dorothea und ihrer Familie<br />
aufmerksam geworden und<br />
möchte mit einer Spendenaktion<br />
helfen. Während des<br />
„Kunstsalons“ werden Lose<br />
in Höhe von 5 Euro angeboten.<br />
Hierzu spendeten teilnehmende<br />
Künstler Preise in Form<br />
von Bildern oder Skulpturen.<br />
Die Verlosung findet am 23.<br />
<strong>April</strong>, 17 Uhr statt.<br />
Geöffnet ist der „Kunstsalon“<br />
am 21. <strong>April</strong>, 19 Uhr (Vernissage),<br />
22. <strong>April</strong> 13 bis 20<br />
Uhr, 23. <strong>April</strong>, 11 bis 18 Uhr.<br />
Infos: www.artstages.eu