LEO April 2017
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
8 SZENE<br />
NACHGEFRAGT<br />
FOTO: ESTHER STOSCH_PIXELIO.DE<br />
Michael & Mahmud<br />
„Ich bin glücklich.“<br />
Michael (40) und Mahmud (30)<br />
sind seit über einem halben Jahr<br />
ein Paar – und zwar ein außergewöhnliches,<br />
denn Mahmud kam 2016 als<br />
syrischer Flüchtling nach München, die<br />
Heimatstadt seines Freundes. Das ist<br />
ihre Geschichte.<br />
Mahmud, wie hast du in Homs<br />
gelebt?<br />
Ich hatte in meiner Heimat ein Tourismusstudium<br />
begonnen und außerdem in der<br />
Bäckerei meiner Eltern gearbeitet. Dann<br />
kam der Krieg und unsere ganze Familie<br />
musste Syrien 2013 in Richtung Libanon<br />
verlassen.<br />
Wie erging es dir in Syrien als schwuler<br />
Mann?<br />
Schwul zu sein ist schlimm in Syrien.<br />
Homosexualität ist dort illegal, man kann<br />
mehrere Jahre ins Gefängnis kommen. Es<br />
gibt zwar eine Community, aber die trifft<br />
sich nur im Geheimen. Meiner Familie<br />
gegenüber möchte ich mich nicht outen,<br />
das wäre ein harter Schlag für sie. Auch<br />
das war ein Grund, das Land zu verlassen.<br />
Wie bist du nach Deutschland gekommen?<br />
Ich bin zunächst nach Jordanien gegangen<br />
und habe dort auch ein ordentliches<br />
Leben geführt, hatte Arbeit und einen<br />
Freundeskreis. Doch ich bin nicht glücklich<br />
geworden, schließlich wollte ich Perspektiven<br />
haben, und so verließ ich das Land<br />
wieder. Als einer der Letzten floh ich über<br />
die Balkanroute nach Deutschland. In Passau<br />
wurde ich von der Polizei kontrolliert<br />
und kam, nach Umwegen über Deggendorf<br />
und Landau, schließlich in der Münchner<br />
Bayernkaserne unter.<br />
Konntest du hier offen schwul<br />
leben?<br />
In der Bayernkaserne habe ich mich das<br />
nicht getraut. Ich hatte einen sehr tuntigen<br />
Mitbewohner, dem ist zwar nichts passiert,<br />
aber er war immer allein. Ich habe mir dann<br />
wenigstens ein GayRomeo-Profil zugelegt,<br />
um schwule Kontakte zu bekommen.<br />
Wie habt ihr euch kennengelernt?<br />
Michael: Ich hatte mich im Herbst 2015<br />
am Hauptbahnhof als ehrenamtlicher<br />
Helfer engagiert, mich mit einer Familie<br />
aus Aleppo angefreundet und daraufhin<br />
sogar begonnen, Arabisch zu lernen.<br />
Schließlich habe ich auf GayRomeo alle<br />
arabischen Profile durchforstet und auf<br />
diese Weise Mahmud getroffen. Wir haben<br />
uns ein paar Mal verabredet und es hat<br />
sehr schnell gefunkt. Schon beim dritten<br />
Treffen standen wir abends vor dem Sub<br />
und haben uns geküsst.<br />
Mahmud: Für mich war das ein unglaubliches<br />
Erlebnis – ich konnte zum ersten<br />
Mal in meinem Leben einen Mann küssen,<br />
ohne Angst haben zu müssen, dass mir<br />
etwas passiert!<br />
Wie organisiert ihr eure Beziehung?<br />
Michael: Solange sein Asylverfahren läuft,<br />
darf Mahmud nicht bei mir wohnen. Als er<br />
das einmal mehrere Wochen tat, mussten<br />
wir Urlaub beantragen. Immerhin wohnt<br />
er seit Oktober 2016 in einer Unterkunft<br />
am Olympia-Einkaufszentrum, da wird<br />
das alles lockerer gehandhabt. Unter der<br />
Woche sehen wir uns abends, da kommt<br />
er auch mit zu meinem Arabischkurs, am<br />
Wochenende sowieso.<br />
Mahmud: Ich hoffe auf meine Anerkennung<br />
– und das ist frustrierend, denn<br />
ich warte schon sehr lange auf meine<br />
Papiere. Die Chancen stehen aber offenbar<br />
sehr gut, dass die Anerkennung<br />
als Flüchtling kommen wird. Dann<br />
möchte ich gern in Deutschland bleiben.<br />
Ich bin glücklich in diesem Land und<br />
bleibe gern, lerne die Sprache und mag<br />
die Menschen. Nicht zuletzt: Mein Mann<br />
lebt ja hier!<br />
*Interview: Bernd Müller<br />
Das ganze Interview gibt es hier:<br />
www.blu.fm/topics/film