BLICKWECHSEL 2017
Journal für deutsche Kultur und Geschichte im östlichen Europa. Schwerpunkthema: »Mehr als Luther. Reformation im östlichen Europa«
Journal für deutsche Kultur und Geschichte im östlichen Europa. Schwerpunkthema: »Mehr als Luther. Reformation im östlichen Europa«
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HEILIGES BLAUKRAUT<br />
Die schlesisch-brandenburgische Fusionsküche<br />
von Agnes Furgol schmeckt auch ihrer Enkelin<br />
EIN MENSCH<br />
UND<br />
SEIN REZEPT<br />
✎ Kennen Sie einen Menschen mit Sinn<br />
für kulinarische Traditionen, den Sie gern<br />
porträtieren möchten? Schreiben Sie uns<br />
unter blickwechsel@kulturforum.info!<br />
»Sauerkraut, Haxe,<br />
Weißwurst, Kartoffeln«,<br />
zählt<br />
Julia Furgol,<br />
1997 in Oppeln/<br />
Opole (Polen)<br />
geboren, auf.<br />
Das waren die<br />
Hauptzutaten der<br />
bäuerlich-deftigen Küche,<br />
die ihre Oma ihr Leben lang wie ein Heiligtum<br />
gepflegt hat. Julias Großmutter<br />
Agnes Furgol kam 1918 im oberschlesischen<br />
Proskau/Prószków zur Welt, hat<br />
das Kochen als junge Frau in Brandenburg<br />
gelernt und gab ihre Traditionen<br />
an ihre Kinder und Enkel weiter.<br />
Julia, die mit ihren Geschwistern<br />
gemeinsam mit der Mutter bei der<br />
Großmutter in Proskau aufwuchs, verdankt<br />
ihr nicht nur die Zweisprachigkeit.<br />
Die eine oder andere kulinarische<br />
Verwandtschaft erkannte sie im<br />
nordrhein-westfälischen Emmerich, wo<br />
die Familie 2002 hinzog, wieder. »Meine<br />
Oma hat stoisch an den oberschlesisch-deutschen<br />
Traditionen festgehalten.<br />
Gewürzt wurde sparsam, ihrer<br />
Meinung nach war alles, was über Pfeffer<br />
und Salz hinausging, überflüssig«,<br />
beschreibt Julia die Kochkunst ihrer<br />
Großmutter.<br />
Neben polnischen Speisen wie Żurek<br />
und Pierogi kocht die Enkelin heute<br />
gerne selbst die Gerichte ihrer Kindheit.<br />
»Ich bin Deutsche, Polin und Schlesierin<br />
– das ist doch was Schönes und<br />
zuweilen auch sehr lecker!« Insbesondere<br />
Rotkohl (der natürlich Blaukraut<br />
genannt wurde) mit Knödeln und Rouladen<br />
ist immer noch das Sonntagsessen<br />
der ganzen Familie. »Damals<br />
wurde das selbstverständlich noch<br />
am Vortag zubereitet, der sonntägliche<br />
Kirchgang war ihr ebenso heilig<br />
wie ihre schlesische Hausmannskost!«<br />
Auf eine andere Tradition ihrer Großmutter<br />
verzichtet die Familie dann<br />
heute aber doch lieber: »Kartoffelsalat<br />
und weiße Würstchen zu Weihnachten!<br />
Darüber reden wir heute noch, das<br />
hat dann doch nicht zu uns gepasst!«<br />
Julia Göb<br />
Julia Göb ist als Marketing Assistant beim TÜV<br />
Rheinland Vietnam in Ho-Chi-Minh-Stadt tätig.<br />
100 JAHRE – 100 BILDER<br />
Eine Online-Ausstellung würdigt den deutsch-polnischen Fotografen Stefan Arczyński<br />
Mit mehr als 100 000 Negativen, Dias und Positiven ist die<br />
Sammlung Stefan Arczyński eine der größten im Herder-Institut.<br />
Am 31. Juli 2016 feierte der deutsch-polnische Fotograf<br />
seinen 100. Geburtstag. Mit einer Online-Ausstellung<br />
von 100 ausgewählten Fotografien würdigt das Herder-Institut<br />
seitdem das Schaffen Arczyńskis. Die Auswahl zeigt<br />
die Bandbreite seines fotografischen Interesses, darunter<br />
viele Motive aus seiner Wahl-Heimatstadt Breslau/Wrocław.<br />
Stefan Arczyński wurde 1916 in Essen geboren. Ab 1934<br />
machte er eine Fotografenlehre und wurde 1938 als Fototechniker<br />
zur Luftwaffe einberufen. Im Zweiten Weltkrieg<br />
nahm er an verschiedenen Feldzügen teil und geriet im<br />
Mai 1945 in Lettland in sowjetische Kriegsgefangenschaft.<br />
Dank seiner Mitgliedschaft im Polenbund kam er 1946<br />
nach Polen und eröffnete 1950 in Breslau ein Fotoatelier. In<br />
den nächsten Jahrzehnten arbeitete Arczyński für zahlreiche<br />
Verlage und Presseorgane, dokumentierte Kunst- und<br />
Baudenkmäler sowie das Kulturleben in Polen. Seit 1956 präsentierte<br />
er seine Werke in zahlreichen Ausstellungen und<br />
wurde dafür mehrmals ausgezeichnet.<br />
Die Fotografien von Stefan Arczyński spiegeln die<br />
Geschichte des 20. Jahrhunderts wider. Insbesondere Eindrücke<br />
aus Deutschland und Polen prägen das Werk des Fotografen.<br />
Frühe Aufnahmen zeigen die Olympischen Spiele<br />
Möwen am Ufer der Oderinsel Bürgerwerder/Kępa Mieszczańska<br />
in Breslau/Wrocław, Foto: Stefan Arczyński, 1953, © Herder-Institut<br />
in Berlin 1936, danach entstanden Dokumentationen von<br />
Kriegszerstörungen. Bei Auslandsreisen nahm er Motive<br />
auf, die von seinem besonderen Interesse an Menschen und<br />
ihrem Alltag zeugen. Seine Landschaftsbilder fangen die Faszination<br />
der Natur, ihre Kraft und Dynamik ein.<br />
Dietmar Popp<br />
Dr. Dietmar Popp ist Leiter des Bildarchivs und der Wissenschaftlichen Sammlungen<br />
am Herder-Institut in Marburg ( S. 56/57).<br />
www.herder-institut.de/go/QK-8d9b83<br />
www.herder-institut.de/bildkatalog/sml/<br />
arczynski