Wochen-Kurier 17/2017 - Lokalzeitung für Weiterstadt und Büttelborn
Lokalzeitung für die Stadt Weiterstadt und die Stadtteile Braunshardt, Schneppenhausen, Gräfenhausen und Riedbahn sowie Gemeinde Büttelborn mit Ortsteilen Klein-Gerau und Worfelden. Amtliches Bekanntmachungsorgan der Stadt Weiterstadt.
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Mittwoch, den 26. April 20<strong>17</strong> Seite 8<br />
THEMA<br />
Karl von Drais erfand 18<strong>17</strong> das hölzerne Laufrad <strong>und</strong> revolutionierte die Fortbewegung<br />
Das Fahrrad wird 200 Jahre alt<br />
Von W O L F G A N G B A S S E N A U E R<br />
Das Denkmal des Pierre <strong>und</strong> Ernest Michaux steht im französischen<br />
Bar-le-Duc, der Partnerstadt Griesheims. Pierre Michaux<br />
<strong>und</strong> sein Sohn gelten als die Erfinder des Pedalantriebs beim<br />
Fahrrad. Das Bild im Text zeigt den Erfinder Michaux auf seinem<br />
Rad.<br />
wb-foto<br />
Das Geburtshaus Pierre Michaux in der 32 rue du Roat in Barle-Duc.<br />
Hier wurde der Erfinder des Fahrrades am 25. Juni 1813<br />
geboren.<br />
gf-foto<br />
Vor 200 Jahren erfand Karl<br />
Friedrich Freiherr von Drais<br />
(<strong>17</strong>85 bis 1851) das hölzerne<br />
Laufrad, die sogenannte<br />
Draisine, <strong>und</strong> fuhr damit erstmals<br />
durch Mannheim. Das<br />
Ur-Laufrad, die sogenannte<br />
Laufmaschine, gilt als die bedeutendste<br />
Erfindung des in<br />
Karlsruhe geborenen Adeligen.<br />
Mit ihr wurde zum ersten<br />
Mal das Zweiradprinzip, die<br />
Bewegung eines Fahrzeugs<br />
mit zwei Rädern auf einer Spur<br />
<strong>und</strong> die Stabilität des Fahrens<br />
bei einer gewissen Geschwindigkeit<br />
verwirklicht. Die Laufmaschine<br />
revolutionierte<br />
denn auch die individuelle<br />
Fortbewegung. Und heute –<br />
200 Jahre später – ist das Fahrrad<br />
weltweit das am meisten<br />
genutzte Transportmittel <strong>und</strong><br />
ein zentrales Element <strong>für</strong> die<br />
Entwicklung einer nachhaltigen<br />
<strong>und</strong> zukunftsfähigen Mobilität.<br />
Dass man mit dem Fahrrad<br />
auch zur Arbeit fahren kann,<br />
hatten die Städte bereits Anfang<br />
des zwanzigsten Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
erkannt <strong>und</strong> warben<br />
bei Firmen <strong>und</strong> Mitarbeitern<br />
da<strong>für</strong>. Denn man sparte Geld<br />
<strong>und</strong> förderte die Ges<strong>und</strong>heit<br />
– zeitlose Argumente. Heute<br />
rücken Aspekte wie der<br />
„Zeitfaktor“ oder „schont die<br />
Umwelt“, immer mehr in den<br />
Fokus. Bereits 1913 hatte die<br />
Stadt Houston in Texas zum<br />
„Bike to Work Day“ aufgerufen.<br />
Man sprach von „Fun –<br />
Healthy – Green“.<br />
Als Ergänzung zum Laufrad<br />
von Karl Friedrich Drais<br />
gesellte sich die Erfindung<br />
von Pierre Michaux (1813 bis<br />
1883), der in Griesheims französischer<br />
Partnerstadt Barle-Duc<br />
geboren wurde. Pierre<br />
Michaux <strong>und</strong> sein Sohn Ernest<br />
gelten nämlich als die Erfinder<br />
des Pedalantriebs beim Fahrrad.<br />
Ihnen ist in Bar-le-Duc<br />
ein großes Denkmal mitten in<br />
der Stadt gewidmet. Doch davon<br />
später.<br />
Karl Friedrich Drais arbeitete<br />
zunächst als Forstbeamter,<br />
war aber bereits 1809 vom<br />
Dienst freigestellt worden, um<br />
seiner Tätigkeit als Erfinder –<br />
auch zu Lebzeiten Goethes –<br />
nachzugehen. 1818 wurde er<br />
zum Professor <strong>für</strong> Mechanik<br />
ernannt <strong>und</strong> als Forstmeister<br />
pensioniert. Sein Gehalt wurde<br />
ihm weitergezahlt – quasi<br />
als eine Art Erfinderpension.<br />
Drais legte im Jahr 1800<br />
einen Realabschluss ab <strong>und</strong><br />
studierte von 1803 bis 1805<br />
Baukunst, Landwirtschaft <strong>und</strong><br />
Physik an der Ruprecht-Karls-<br />
Universität Heidelberg. Drais<br />
war überzeugter Demokrat<br />
<strong>und</strong> legte 1849 am Tag der Soldatenaufstände<br />
<strong>und</strong> im Zuge<br />
der Badischen Revolution öffentlich<br />
seinen Adelstitel ab<br />
<strong>und</strong> wollte nur noch Bürger<br />
Karl Drais genannt werden.<br />
Das Prinzip des Zweirads,<br />
auf dem sämtliche weiteren<br />
Erfindungen bis hin zum<br />
Motorrad basieren, kam ihm<br />
wohl als Idee beim Schlittschuhfahren,<br />
wie er selbst<br />
einräumte. Die dieser Idee<br />
entsprungene Laufmaschine<br />
verfügte über einen Holzrahmen,<br />
zwei gleich große<br />
hölzerne Räder, von denen<br />
das vordere – wie bei einem<br />
Pferdefuhrwerk – mit einer<br />
Deichsel als Lenker gesteuert<br />
werden konnte. Angetrieben<br />
wurde sie durch abwechselndes<br />
Abstoßen mit den<br />
Beinen, während der Fahrer<br />
auf einem Sitz zwischen den<br />
beiden Rädern saß. Die während<br />
der Fahrt aus der Rotation<br />
der Räder resultierenden<br />
Kreiselkräfte stabilisierten<br />
die Fahrt der Laufmaschine.<br />
Das war damals absolut neu!<br />
Die Fahrtrichtung wurde<br />
zudem sowohl durch den<br />
Deichsellenker als auch<br />
durch das Ausbalancieren<br />
des Gefährts,<br />
das heißt, ohne dass<br />
die Füße den Boden<br />
berührten,<br />
beeinflusst. Geschwindigkeiten<br />
von mehr als 15<br />
km/h waren damit<br />
möglich.<br />
Die erste<br />
Fahrt mit seiner<br />
Laufmaschine<br />
– später auch<br />
„Draisine“ oder<br />
nach französischer<br />
Ableitung<br />
auch „Veloziped“<br />
(Kurzform <strong>für</strong><br />
„Schnellfuß“) genannt<br />
– unternahm<br />
er am 12. Juni 18<strong>17</strong><br />
von seinem Wohnhaus<br />
in Mannheim zum etwa<br />
7 km entfernten Schwetzinger<br />
Relaishaus. Drais benötigte<br />
<strong>für</strong> die Hin- <strong>und</strong> Rückfahrt<br />
nur eine knappe St<strong>und</strong>e<br />
<strong>und</strong> erreichte damit auf seiner<br />
circa 22 kg schweren Laufmaschine<br />
eine Durchschnittsgeschwindigkeit<br />
von etwa 15<br />
km/h. Seine zweite Zweiradfahrt<br />
unternahm er am 28. Juli<br />
18<strong>17</strong> von Gernsbach über den<br />
Berg nach Baden-Baden.<br />
Um seine Erfindung bekannt<br />
zu machen, veranstaltete<br />
Drais öffentliche Fahrten.<br />
Gekrönt wurden diese Veranstaltungen<br />
durch eine Fernfahrt<br />
von Karlsruhe nach Kehl<br />
in der letzten Augustwoche.<br />
Zudem veröffentlichte er Artikel<br />
in Zeitschriften. Er erhielt<br />
am 12. Januar 1818 <strong>für</strong> seine<br />
Erfindung ein Großherzogliches<br />
Privileg, das mit einem<br />
heutigen Patent vergleichbar<br />
ist. Von da an musste in Baden<br />
jede Draisine mit einer Drais-<br />
Lizenzmarke<br />
auf der<br />
Lenkstange<br />
versehen<br />
sein. Drais<br />
erhielt auch ein Patent in<br />
Preußen <strong>und</strong> einen Prüfungsnachweis<br />
in Frankreich, wo<br />
ebenfalls intensiv in Sachen<br />
Fahrrad geforscht <strong>und</strong> getüftelt<br />
wurde.<br />
1842 hörte man von ihm,<br />
dass er in Karlsruhe mit Genehmigung<br />
der Staatseisenbahn<br />
eine vierrädrige Schienendraisine<br />
mit Fußantrieb<br />
erprobte. Das erste derartige<br />
Hilfsfahrzeug <strong>für</strong> Bahnbeamte<br />
war in Wien ein Zweirad<br />
auf nur einer Schiene gewesen<br />
– daher der Name „Draisine“.<br />
Wegen seiner demokratischen<br />
Gesinnung <strong>und</strong> der<br />
öffentlichen Niederlegung<br />
seines Adelstitel wurde<br />
Drais nach der Revolution<br />
von der<br />
preußischen<br />
Besatzung<br />
verfolgt<br />
– diese<br />
versuchte<br />
sogar,<br />
ihn zu entmündigen.<br />
Seine<br />
Geschwister konnten<br />
das zwar verhindern, aber<br />
seine Pension <strong>und</strong> sein Vermögen<br />
wurden konfisziert,<br />
um Revolutionskosten zu bezahlen.<br />
Karl Dreis starb mittellos<br />
am 10. Dezember 1851<br />
in Karlsruhe.<br />
Begeistert von der neuen<br />
Entwicklung auf dem Sektor<br />
der Fortbewegung war der in<br />
Frankreich in Bar-le-Duc ge-<br />
borene Pierre Michaux (* 26.<br />
Juni 1813; † 1883 in Paris). Er<br />
war Wagenbauer <strong>und</strong> Gründer<br />
der 1869 eröffneten Michaux<br />
Werke, einer Zweiradfabrik.<br />
Pierre Michaux <strong>und</strong> sein Sohn<br />
Ernest Michaux gelten als die<br />
vermutlichen Erfinder des<br />
Pedalantriebs beim Fahrrad.<br />
Eine Geschichte erzählt, dass<br />
Pierre Michaux an ein zu reparierendes<br />
Laufrad Kurbeln<br />
<strong>und</strong> Pedale montierte. Die<br />
Überlegung entstammte der<br />
Kurbel an einem Schleifstein.<br />
Dieser Kurbelantrieb wirkte<br />
direkt auf die Achse des Vorderrades<br />
der Draisine. Bei der<br />
Weltausstellung 1867 führte<br />
er zwei Exemplare seines Velocipedes<br />
vor <strong>und</strong> erregte damit<br />
internationale Aufmerksamkeit.<br />
Gemeinsam mit den<br />
Brüdern Olivier gründete er<br />
daraufhin die Firma Michaux<br />
& Co.<br />
Das erste Fahrrad mit<br />
Kettenantrieb des Hinterrads<br />
baute Harry John Lawson<br />
1879 <strong>und</strong> nannte es im<br />
Gegensatz zum Hochrad Bicyclette<br />
Ordinary („gewöhnliches<br />
Zweirad“). Das angetriebene<br />
Hinterrad dieser<br />
Maschine war noch deutlich<br />
kleiner als das Vorderrad, obwohl<br />
der Größenunterschied<br />
keinen Vorteil mehr bot. Den<br />
Durchbruch des kettengetriebenen<br />
Hinterrads erzielte<br />
jedoch erst John Kemp Starley<br />
1877 in Coventry/England<br />
unter dem Markennamen<br />
Rover (wörtlich: „Umherschweifer“).<br />
Sein erstes Zweirad<br />
mit Kettenantrieb des Hinterrades,<br />
das Rover I, stellte er<br />
1884 vor. Wie Lawsons Konstruktion<br />
hatte es noch ein größeres<br />
Vorderrad. Am 30. Januar<br />
1885 wurde es patentiert.<br />
Starley organisierte daraufhin<br />
1885 ein Rennen, auf dem mit<br />
einem neuen, deutlich verbesserten<br />
Gefährt, dem Rover<br />
II, die Schnelligkeit seines Antriebs<br />
bewiesen wurde. Damit<br />
markiert Rover II den Anfang<br />
des modernen Fahrrades.<br />
Die Draisine, gebaut von Karl Drais, ist der Vorläufer des Fahrrades. Das Rad war auch schon ein zweiachsiges Zweirad, hatte allerdings<br />
noch keine Drahtspeichen. Die hier abgebildete Draisine wurde aus Kirschbaum <strong>und</strong> Nadelholz angefertigt <strong>und</strong> befindet sich<br />
im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg.<br />
gpm-foto