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Landshuter Mama Ausgabe 7

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Experten klären auf<br />

Geburtshilfe 2017<br />

1. Der Kaiserschnitt ist in Mode,<br />

jedes 3. Kind kommt in<br />

Deutschland so auf die Welt.<br />

Vor 20 Jahren waren es gerade<br />

mal halb so viele Geburten,<br />

die im OP stattfanden. Was<br />

sind die Gründe für diese Entwicklung<br />

und wie bewerten<br />

Sie diese?<br />

Dr. med. Ingo<br />

Bauerfeind:<br />

Chefarzt der<br />

Frauenklinik<br />

des Klinikums<br />

Landshut<br />

Ich würde den Kaiserschnitt nicht als<br />

Mode bezeichnen. In den letzten Jahren<br />

hat sich gezeigt, dass der Kaiserschnitt<br />

als operative Entbindung medizinisch<br />

sehr sicher geworden ist. Auch wenn ich<br />

nicht der Meinung bin, dass der Kaiserschnitt<br />

eine Alternative zur normalen<br />

Spontangeburt geworden ist, so ist auf<br />

jeden Fall die Anzahl von Saugglocken<br />

und Zangengeburten deutlich zurückgegangen.<br />

Dies ist sicherlich sehr vorteilhaft<br />

für die Frauen und Kinder, denn<br />

diese instrumentellen Entbindungen waren<br />

von jeher von einer hohen Nebenwirkungsrate<br />

gekennzeichnet. Da diese Art<br />

der instrumentellen Entbindung zurückgegangen<br />

ist, ist gleichzeitig die Anzahl<br />

der Kaiserschnitte hoch gegangen.<br />

Als Geburtshelfer geht es natürlich<br />

immer darum, gründlich abzuwägen,<br />

im Einklang mit der Mutter, wann ein<br />

Kaiserschnitt angezeigt ist. Wir versuchen,<br />

wenn nicht medizinisch notwenig,<br />

wenig Einfluss auf die bestehende<br />

Entscheidung der Mütter zu nehmen. In<br />

manchen Fällen ist es aber so, dass wir<br />

spüren, dass aufgrund von Erzählungen<br />

und Erfahrungsberichten einige werdende<br />

Mütter von Angst getrieben sind, so<br />

dass wir versuchen, hier die Ängste zu<br />

nehmen. Prinzipiell sind wir aber keine<br />

Richter, die darüber entscheiden, wer<br />

einen Kaiserschnitt haben darf und wer<br />

nicht, wenn er gewünscht wird.<br />

2. Viele Schwangere wünschen<br />

sich aber auch eine Geburt,<br />

die möglichst ungestört ihren<br />

natürlichen Verlauf nehmen<br />

kann. Die Klinik wählen sie<br />

als Geburtsort, um im Notfall<br />

bestmögliche medizinische Versorgung<br />

zu erhalten.<br />

Können Sie eine solche Geburt im<br />

Klinikum erleben?<br />

Selbstverständlich können unsere<br />

werdenden Mütter eine solche Geburt<br />

hier im Klinikum erleben. Unser Ziel ist,<br />

die Frauen vor, während und nach der<br />

Geburt optimal zu betreuen. Es geht uns<br />

darum, mit den Patientinnen, wenn dies<br />

möglich erscheint, eine Spontangeburt<br />

anzustreben. Aufgrund unserer Stellensituation<br />

mit den Hebammen gelingt uns<br />

auch häufig eine 1:1-Betreuung, so dass<br />

optimale Voraussetzungen vorliegen.<br />

Ich möchte aber immer wieder betonen,<br />

dass eine Geburt ein tatsächlich sehr<br />

natürlicher Verlauf ist. Es gibt jedoch<br />

auch Geburten, die nicht den natürlichen<br />

Verlauf nehmen, den wir uns alle<br />

wünschen, so dass dann die optimale<br />

Versorgung von Mutter und Kind im Klinikum<br />

gewährleistet sein muss.<br />

3. Kritiker sehen Fehler im<br />

System Klinik. Sie bemängeln,<br />

dass Zeitdruck und Personalmangel<br />

häufig zum unnötigen<br />

Einsatz von Medikamenten<br />

und operativen Eingriffen<br />

führt. Aus wirtschaftlicher Sicht<br />

sei es zudem lukrativer für die<br />

Kliniken als eine stundenlange<br />

natürliche Geburt. Wie<br />

ist diesbezüglich die Situation<br />

im Klinikum Landshut?<br />

Es steht außer Zweifel, dass das<br />

Vergütungssystem in der Deutschen<br />

Krankenhauslandschaft zu einer Arbeitsverdichtung<br />

für alle medizinischen Berufe<br />

geführt hat. Zusätzlich ist die Verdichtung<br />

von administrativen und organisatorischen<br />

Aufgaben ein weiterer Faktor,<br />

dass weniger Zeit für die betroffenen<br />

Patienten und werdenden Mütter übrig<br />

bleibt. Die Situation mit Personalknappheit<br />

ist sicherlich auch in der Geburtshilfe<br />

gegeben. Bis jetzt haben wir im Klinikum<br />

glücklicherweise ausreichend Personal<br />

für die Betreuung von gebärenden Frauen<br />

im Kreißsaal. Unsere selbstständigen<br />

Beleghebammen, können die Frauen<br />

unter der Geburt 1:1 oder maximal 2<br />

Frauen gleichzeitig betreuen.<br />

Der Vorwurf, dass aus finanziellen Gründen<br />

lieber ein Kaiserschnitt gemacht wird<br />

als eine spontane Geburt abzuwarten,<br />

wird immer wieder erhoben, ist aber<br />

nicht bewiesen. In meinen Augen halte<br />

ich dies nicht für möglich, da der finanzielle<br />

Anreiz dafür gar nicht gegeben ist<br />

und der Aufwand für einen Kaiserschnitt<br />

ja auch in der Gesamtlogistik und in der<br />

Beschäftigung von allen beteiligten Disziplinen<br />

wesentlich größer ist als bei einer<br />

normalen Geburt.<br />

Gerade in der Geburtshilfe besteht<br />

ein extrem hoher forensischer Druck.<br />

Wurden früher die Geburten ausgereizt,<br />

um einen Kaiserschnitt zu vermeiden, die<br />

dann häufig in instrumentellen Entbindungen<br />

endeten, so ist heute letztendlich<br />

die Indikation zum Kaiserschnitt schneller<br />

gestellt, um a) ein optimales Outcome<br />

für die Neugeborenen zu erzielen, b) um<br />

nicht im den Vorwurf eines Behandlungsfehlers<br />

zu geraten und c) um eben die in<br />

Verruf und auch nicht mehr praktizierten<br />

instrumentellen Entbindungen mittels<br />

Zange zu provozieren. Dies sind eher die<br />

Gründe dafür, dass mehr Kaiserschnitte<br />

gemachte werden als der meines Erachtens<br />

nicht bestehende Vorteil aus dem<br />

finanziellen Sektor.<br />

14 <strong>Landshuter</strong> <strong>Mama</strong> | ERLEBEN UND ENTDECKEN<br />

ERLEBEN ERZIEHEN UND UND ENTDECKEN FÖRDERN | <strong>Landshuter</strong> <strong>Mama</strong> 15

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