TONALi goes Hollywood JOURNAL TONALi 17 44
ERZÄHLEN Amadeus Templeton „Wir wissen nicht, ob die Spurensicherung unserer Filmvorführung heute Abend einen knallharten Strich durch die Rechnung macht. Alles steht hier gerade Kopf“. Mit dieser Ansage wurden wir am Nachmittag des 18. Mai 2016 – ein Mittwoch war es – in der feinen Beverly-Hills-Residenz des deutschen Generalkonsuls in Los Angeles vom ziemlich aufgeregten Hausteam begrüßt. Was war passiert? Der Konsul war auf Deutschlandreise, das Haus einige Tage unbewohnt. Über die Terrassentüre, über die Mauer, wohl über eine mit Gerüsten ausgestattete Baustelle im Nachbargrundstück waren Einbrecher gekommen, um sich Zugang zur schmucken Konsulatsvilla zu verschaffen. Der Wohnbereich war heftig durchwühlt worden. „Wir dürfen nicht in den oberen Stock, da wir auf diplomatischem Boden sind und gegebenenfalls der Staatsschutz ermitteln wird.“ „Drei Sheriffs steigen aus“ Ein typisch amerikanischer Polizeiwagen fuhr vor. Drei Sheriffs stiegen aus: Der eine klein, der andere schrankgroß, der dritte – auch groß. Man schaute sich um, machte Notizen, fragte, prüfte, nutzte den Funk zur Zentrale. Wir fühlten uns durch diese obskure Situation „wie im Film“. Keiner wusste so genau, was sich hier gerade abspielte. Wir waren in einer Hollywood-Villa, wir waren mittendrin. Klick - und ein schnelles Foto vom Sheriff, der eben die Einbruchstüre inspizierte, ward geschossen. Was für eine Szenerie. Passt doch, dachten wir. Der Abend kam. Die Gäste kamen. Keiner sollte was merken. Und keiner merkte was. Sekt und Häppchen wurden zum Smalltalk gereicht. Ein unbedeutender Plausch mit Prinz Frederic von Anhalt fand auf gut gepflegtem Rasen statt. Deutsche Hollywood-Größen – oder jene, die sich als solche fühlten – waren gekommen. Auch ein paar angereiste Freunde durften wir begrüßen. Die Liste mit gut 40 Personen war nicht spektakulär, aber für unsere Maßstäbe stattlich. TONALi in Hollywood. Unser dritter TONALi-Film „Jung + Piano“ auf der Leinwand, genau 9.074,88 km von Hamburg entfernt. Plötzlich war das Realität. Wie war es dazu gekommen? Cellist Konstantin Bruns rief irgendwann im Februar an. „Ich habe eine Idee: TONALi goes Hollywood – was denkt ihr?“ Konstantin hatte mitbekommen, dass wir über unsere Sankt Petersburger Konsulatskontakte eine Person kannten, die jetzt in Los Angeles war. „Könnt ihr das Konsulat in Los Angeles nicht dafür begeistern, dass wir ein Konzert spielen, dass euer Film gezeigt wird, dass wir eine Schule besuchen? Vier von uns TONALi-Cellisten sind beim Piatigorsky International Cello Festival. Wir sind damit so oder so vor Ort. Auf! – Bringen wir TONALi in die USA, nach Kalifornien, nach Hollywood.“ Die Idee war so ansteckend, dass wir Knall auf Fall entschieden, dieses Ziel zu erreichen. Einige Tage, bevor wir den knapp 15-stündigen Fernflug via Paris in das faszinierende „Land der Sonne“ antraten, waren wir mit einem weiteren Konzert (und unseren genial gut spielenden Los-Angeles- Cellisten) zu Gast im „Little White House“ an der Alster, dem Hamburger US-Konsulat. Man begrüßte uns herzlich, fragte, war neugierig, wollte wissen, was, wie und warum uns dorthin gebracht hatte. Der Abend machte Spaß, war kurzweilig, sehr musikantisch und: amerikanisch. In L.A. gab es das besagte Konzert, die Filmvorführung, den VIP-Empfang. Und es gab ein vom Konsulat organisiertes Schulhappening: Eine übergroß wirkende Aula, einige hundert Schüler, ein paar Lehrer, verdutzte Blicke, die sich zu fragen schienen, „was die da aus Europa mit ihrer Klassik wohl in unserer Schule wollen?“ Unser Fazit: Wir kennen emotionalere Schulbegegnungen – die Welt tickt eben unterschiedlich. Aber das Land der Palmen, die gutgelaunten Leute, das schmackhaft-exotische Essen, die ausgedehnten Spaziergänge am unendlichen Pazifikstrand, das Licht, Santa Barbara, die Villen von Malibu, die Kormorane, die Promis, das schäbige L.A. Downtown, der Rodeo Drive, der Sunset Boulevard – der Schriftzug von Hollywood. Wir waren da. Wir kommen wieder. 45 JOURNAL TONALi 17