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ERÖFFNEN<br />
Amadeus Templeton<br />
Boris Matchin<br />
Musik, die klingt, ist immer neu. Neue Konzertformate sind<br />
immer so neu, wie sie etwas „Suchendes“ haben, wie sie<br />
Grundsätzliches reflektieren, wie sie das zum Ausdruck bringen,<br />
was gerade Thema ist – ob Thema des Komponisten,<br />
des Musikers oder des Zuhörers.<br />
Der Grad des Neuen bemisst sich demnach durch die<br />
Schnittmenge ein und desselben Themas, das für die drei<br />
genannten von hervorgehobener Bedeutung ist; für die Komponisten,<br />
für die Musiker wie auch für die Hörer. Bildet das<br />
Thema im Dreieck der Akteure eine Schnittmenge, ist das<br />
gesuchte Format im besten Fall als „neu“ zu bewerten – was<br />
aber von keiner wirklichen Bedeutung ist. Oder doch?<br />
Und wenn nun eine TONALi-Woche entwickelt wurde, die<br />
so viele Menschen einbezieht, die so unkonventionelle Orte<br />
bespielt, die so viel unerhörte Musik beinhaltet, die in ein<br />
Fest einen Wettbewerb integriert, dann folgt die Woche<br />
einer übergeordneten Dramaturgie, dann hat sie ein großes<br />
gemeinsames Thema: Das Thema „Begegnung“.<br />
Kein Konzert dieser Woche wird bestuhlt sein (Ausnahme:<br />
Das Elbphilharmonie-Finale). Kein Ort wird das Publikum<br />
in üblicher Weise empfangen, immer wird das Publikum<br />
zum Akteur des Geschehens, immer werden sich die Menschen<br />
neu begegnen, ob auf einem pinken Teppich beim<br />
Eröffnungskonzert, beim Konzert in der Ritze inmitten eines<br />
Chores, in der Grundbuchhalle auf verschiedenen Ebenen eines<br />
Treppenfoyers, in der Halle 424 vor einem offenen Rolltor<br />
zum Hafenkanal, in der Elbphilharmonie mit einem Orchester,<br />
das sich selbst vom Hocker holt.<br />
Was aber bitte ist das Neue?<br />
Suchen wir also das Neue, müssen wir den Dialog über<br />
Themen anregen, dürfen wir fragen und zuhören, sollten wir<br />
streiten und verhandeln, müssten wir um Ecken denken und<br />
ein inspiriertes Interesse am Blickwinkel und an den Potenzialen<br />
des jeweils anderen entwickeln, würden wir Empathie<br />
aufbringen. Eine Empathie, die sich in Neues ebenso hineindenkt<br />
wie hineinfühlt. Die andere einbeziehende Selbständigkeit<br />
im Selbstdenken, Selbstfühlen und Selbsthandeln<br />
bildet Neues, Freies, Menschliches. In der Kammermusik<br />
geht es exakt darum: Jeder beherrscht seine eigene Stimme,<br />
bringt diese ein, damit ein größeres Ganzes entsteht, das<br />
ebenso klanglich homogen wie im Detail gerade sehr eigenständig<br />
ist.<br />
Diesen themensuchenden Dialog zum Prinzip einer „offenen<br />
Küche“ zu erheben, ist unser Bestreben. Wir setzen niemanden<br />
an den gedeckten Tisch. Wir geben keine Themen vor.<br />
Wir haben die berühmte Weisheit nicht mit Löffeln gefressen.<br />
Jedoch regen wir an, wir provozieren, wir positionieren, wir<br />
bringen Themen ins Gespräch.<br />
Neu ist, dass wir einem interessierten Publikum begegnen,<br />
dass wir junge Musiker in einem Wettbewerb erleben,<br />
der ihnen ein Maximum an kreativem wie künstlerischem<br />
Können abverlangt. Neu ist, dass das Fest und der Wettbewerb<br />
dem mit Spannung erwarteten G20-Gipfel trotzt, dass<br />
das Kulturleben hier einfach weiterläuft, unbekümmert,<br />
uneingeschränkt. Neu ist all das, was in monatelanger Arbeit<br />
vorbereitet wurde, was an Musik erklingen wird, was von<br />
allen Beteiligten ermöglicht wird - in dieser einen Woche.<br />
Wir haben dafür zu danken. Wir danken unseren Künstlern,<br />
der jungen norddeutschen philharmonie und ihrem Dirigenten,<br />
unseren engagierten Förderern und Sponsoren, den<br />
Partnern, den zahlreichen Helfern und allen, die TONALi<br />
erst zu dem machen, was es ist, eine Bewegung nämlich,<br />
die fragt, sucht und initiiert – immer im Sinne einer realen<br />
Begegnung.<br />
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JOURNAL TONALi 17