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Wem gehört das Internet? - Journalistenakademie

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Mathias Schindler:<br />

Die Freiheit, die Wikipedia meint<br />

Ein kleiner Zusatz schmückt <strong>das</strong> Logo Wikipedia: „Die freie Enzyklopädie“<br />

– und ist die Quelle vieler Missverständnisse.<br />

Die relative Unschärfe des Wortes „frei“ (in der englischen Sprache<br />

genauso mehrdeutig mit free) lässt Raum für viele Wünsche:<br />

Frei im Sinne von kostenlos. Tatsächlich ist der Zugriff auf<br />

wikipedia.org für den Nutzer nicht mit zusätzlichen Gebühren verbunden,<br />

von den üblichen Kosten des <strong>Internet</strong>zugangs als solchen<br />

abgesehen.<br />

Frei im Sinne von geistiger Freiheit, alles dort veröffentlichen zu<br />

können, was auch noch halbwegs unter <strong>das</strong> Dach Enzyklopädie passen<br />

kann, frei von jeder Kontrollinstanz oder einem Zensor, der unliebsames<br />

Wissen aus niederen Gründen der Menschheit vorenthalten<br />

möchte. Dieser Annahme steht ein verhältnismäßig klares Profil der<br />

Wikipedia entgegen, <strong>das</strong> deutlich sagt, was es nicht sein will (Essaysammlung,<br />

Telefonbuch, Ort der Primärforschung) und wie Inhalte<br />

gerne formatiert und formuliert sein mögen.<br />

Frei im Sinne einer Erstellung durch Freiwillige, unentgeltlich und<br />

ohne Arbeitsverpflichtung. Wird zwar die größte Last der Arbeit<br />

durch Freiwillige erledigt, so wäre es per se kein Regelverstoß, wenn –<br />

wer auch immer – einem Autor seine Arbeitsleistung vergütete, sofern<br />

dies nicht in einem Interessenkonflikt mündete.<br />

Die eigentliche Freiheit (aus der sich hin und wieder andere ergeben),<br />

um die es den Gründern von Wikipedia, der Free Software Bewegung<br />

geht, bezieht sich auf einen vierten Weg, sich dem Wort frei<br />

zu nähern: Die Freiheit, die Inhalte zu beliebigen Zwecken zu verwenden.<br />

Analog zur GPL, einer Lizenz, die durch den Siegeszug des<br />

Betriebssystems Linux bekannt wurde, hat die Free Software Foundation<br />

einen rechtlichen Rahmen für die Veröffentlichung freier Texte<br />

Panel Journalismus & Kommunikationswissenschaft<br />

geschaffen, die Free Documentation License. Diese stellt sicher, <strong>das</strong>s<br />

jedermann ein Werk kopieren, verbreiten und bearbeiten kann, dies<br />

übrigens auch zu kommerziellen Zwecken. Es ist jedoch nicht erlaubt,<br />

anderen diese Rechte zu nehmen. Der copyleft-Gedanke versucht<br />

sicherzustellen, <strong>das</strong>s einmal von ihren Autoren unter die FDL gestellte<br />

Inhalte auch dann durch andere nutzbar bleiben, wenn sie von Dritten<br />

bearbeitet wurden, also beispielsweise übersetzt, gekürzt, redigiert<br />

oder aktualisiert.<br />

Wikipedias Wahl der Lizenz war mehr Zufall denn Planung, resultierte<br />

aus der hohen Reputation der Schwester GPL und vor allem<br />

aus der Ermangelung anderer passender existierender Lizenzen für<br />

den gewünschten Zweck. So klar auch der Geist der FDL definiert<br />

sein mag, so sperrig verhält sie sich in der Praxis – ihre Schöpfer konnten<br />

wohl nicht ahnen, <strong>das</strong>s einmal ein drei Milliarden Wörter großes,<br />

und von über 400.000 Autoren gespeistes Nachschlagewerk in Form<br />

eines Wikis davon Gebrauch machen könnte. Abhilfe ist geplant, ein<br />

Unterfangen, <strong>das</strong> vermutlich noch die nächsten Jahre von sich reden<br />

machen wird. Allen Widrigkeiten zum Trotz ist eine lizenzkonforme<br />

Nutzung machbar, bewiesen beispielsweise durch den Berliner Verlag<br />

Directmedia Publishing, der seit 2004 im jährlichen Abstand DVD-<br />

Ausgaben mit den Texten der Wikipedia herausgibt. Gleichzeitig zum<br />

Verkauf über den Buchhandel wird die DVD zum Selbstbrennen über<br />

Tauschbörsen und Universitäts-HTTP/FTP-Server verbreitet. In dieser<br />

Kooperation mit einem klassischen Verlagshaus entfaltet sich die<br />

volle Schönheit der Freiheit in dialektischer Form: Ohne die Erlaubnis,<br />

Inhalte auch kommerziell nutzen zu können, wären eine Reihe<br />

von dezidiert nichtkommerziellen Nutzungen nicht zustandegekommen.<br />

Zehntausenden verkauften DVDs stehen eine deutlich größere<br />

Anzahl an Downloads gegenüber, ungezählt sind Kopien der Datenträger<br />

für Freunde und Bekannte. Auch die ein oder andere Cover-<br />

DVD deutscher Computerzeitschriften enthielt schon einmal Wikipedia-Inhalte,<br />

zumeist unterstützt durch die Software der Digitalen<br />

Bibliothek von Directmedia.<br />

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