ALFRED SCHLACHER - Willingshofer EDV
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vom Arzt: Verloren. Und heute verlangt sie ein Frühlingslied. Harte<br />
Tragik. Und in der Stube daneben – am Lager duldets das Fieber nicht<br />
mehr – muss ich singen und geignen.... „Wanns Mailüfterl waht,<br />
z’geht im Wald draußt der Schnee...“ (1)<br />
Zum Abschied gab sie mir die Hand, brennheiß und schreckbar knöchern.<br />
Auf den Wangen glühten die letzten Rosen der Schwindsucht.<br />
Das Wiederkommen mit der Geige hab ich ihr das selbig Mal versprochen<br />
und heut – heut am Oswaldiabend werd ich’s einlösen.....<br />
Es wird meine erste Totenwacht.<br />
Durch einen elenden Karrenweg, in stockdunkler Nacht, steig ich dem<br />
Hofe zu. Ein mattes Licht schimmert mir hoch von der Gstättn herab<br />
entgegen. In der großen Stube sind schon etliche Leut zum „Aufbleiben“<br />
versammelt. Die Neukommenden aber gehen in die Nebenstube.<br />
Dort liegt die Tote. Ihr Leib ist auf die ebene Stubentür gebettet, die<br />
über das Totenbett gelegt wurde. Diese schlichte Aufbahrung – der<br />
Leichnam liegt wie zum letzten Besuch hergerichtet völlig frei – war<br />
die schönste, die ich je gesehen habe. Kniend weihen wir der Toten<br />
unser Gebet. Dann gehen wir hinaus zu der schwatzenden Schar der<br />
„Aufbleiber“. Gegen Mitternacht – es sind mittlerweile viele Leute<br />
gekommen – rüsten sie zum Beten. Der schmerzhafte Rosenkranz<br />
vorerst, die Allerheiligenlitanei mit den abgeänderten Responsorien:<br />
bitt für sie..., erbarme dich ihrer..., und schließlich eine Menge Fürbitten<br />
im Anschluss an eine eingehende Betrachtung der heiligen fünf<br />
Wunden. Es ist ein Uhr, als wir uns auf den Heimweg machen.<br />
Wie ich im Graben unten dorfzu schreite und hinter den östlichen<br />
Bergkämmen schon das erste Frühlicht heraufdämmert, da funkelt<br />
noch unendlich traurig das Totenlichtlein von der Gstättn in die Gasen<br />
herab.<br />
Geschrieben im frommen Gedenken an die Willingsbäurin, die in<br />
ihrem 27. Lebensjahr gestorben ist.<br />
1) Siehe „Gasen erzählt und singt“, Seite 154