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Bestandsaufnahmen zu Inklusion

SCHRIFTEN ZU DISABILITY & DIVERSITY VOL. 1 | 04/2017 Im Rahmen der Lehrveranstaltung Bildung: Teilhabe und Inklusion

SCHRIFTEN ZU DISABILITY & DIVERSITY
VOL. 1 | 04/2017
Im Rahmen der Lehrveranstaltung Bildung: Teilhabe und Inklusion

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MUSIK VERBINDET<br />

schen tätig. Im Buch beschreibt Schörkmayr<br />

nicht nur das erfolgsversprechende<br />

Musik-Konzept, sondern berichtet auch<br />

über die weltweiten Auftritte des Orchesters<br />

in der Öffentlichkeit. (Schörkmayr, 2009)<br />

Schörkmayr befasste sich bereits 1982 mit<br />

der Idee, Menschen mit Behinderungen das<br />

Musizieren näher <strong>zu</strong> bringen. Er stellte in<br />

der Behinderten-Therapiearbeit fest, dass<br />

jeder Einzelne einen eigenen Rhythmus in<br />

sich trägt. Dieser Eigenrhythmus wurde<br />

verstärkt, indem das Therapieteam Gruppen<br />

von behinderten Menschen geformt und <strong>zu</strong><br />

einem Gruppenrhythmus <strong>zu</strong>sammengeführt<br />

hat. Der Sinn ist, die Gruppe so <strong>zu</strong>sammen<strong>zu</strong>stellen,<br />

dass nur Menschen mit gleicher<br />

oder ähnlicher Eigenschwingung <strong>zu</strong>sammenspielen.<br />

In diesem Sinne kommt es <strong>zu</strong><br />

einer rhythmischen Geschlossenheit, besser<br />

gesagt, die Band groovt. „Groove“, ein Begriff<br />

aus der Welt des Jazz, ist eine Stimmung,<br />

ein elektrisierendes Gefühl. Das Orchester<br />

hatte <strong>zu</strong>nächst nur ein Stück von den<br />

Beatles, „Norwegian wood“, eingeübt. Genau<br />

dieses Musikstück wurde <strong>zu</strong>m Erfolg<br />

des Orchesters, da ein reales Stück präsentiert<br />

wurde und nicht bloß eine Abfolge von<br />

Geräuschen aller Art. Das war der erste<br />

Meilenstein auf dem Weg <strong>zu</strong>m 20 Jahr-Jubiläum.<br />

Das neu geformte Orchester produzierte<br />

keine chaotischen Geräusche, sondern<br />

professionelle Musik. Für das Publikum<br />

war der Auftritt des Orchesters natürlich<br />

etwas ungewöhnlich, da erstmals Menschen<br />

mit Behinderung auf der Bühne standen,<br />

die etwas besser konnten als die meisten<br />

Zuhörer. Die MusikerInnen präsentierten<br />

sich selbstbewusst, verhielten sich frei<br />

und ungehemmt. (Schörkmayr, 2009, S.14)<br />

Für Schörkmayr war dies der ganz persönliche<br />

Anfangserfolg. Mit der stetig wachsenden<br />

Berühmtheit eines mehr als außergewöhnlichen<br />

Orchesters stellte sich auch<br />

wachsender Neid und Vorurteile vieler<br />

nicht behinderter Menschen, egal ob aus<br />

Politik oder Pädagogik, ein. Jeder auch nur<br />

kleine Erfolg des Orchesters zog negative<br />

Reaktionen nach sich. Beispielsweise<br />

wurde das Orchester bei Konzertveranstaltungen<br />

schlecht gemacht oder es wurde davon<br />

abgeraten das Orchester <strong>zu</strong> engagieren.<br />

Dies ließ sich nur aus Angst vor dem Neuen,<br />

und Unbekannten erklären. Dass Menschen<br />

mit Behinderung dermaßen denunziert wurden,<br />

ist unverständlich. (Schörkmayr, 2009,<br />

S.15)<br />

Aller Widerstände <strong>zu</strong>m Trotz trat das Orchester<br />

weiterhin auf und der Einsatz lohnte<br />

sich. Der Europäischen Kommission fiel im<br />

Jahr 1995 der Paradigmenwechsel in der<br />

Musikpädagogik positiv auf: Für die Mitglieder<br />

der Europäischen Kommission war<br />

es erstaunlich, dass Menschen mit Behinderung<br />

bei öffentlichen Veranstaltungen auftraten<br />

und nicht ausschließlich bei Benefiz-<br />

Veranstaltungen. Das Orchester wurde für<br />

Kongresseröffnungen oder in Hollywood<br />

von US-Kinostars gebucht. (Schörkmayr,<br />

2009, S. 17).<br />

1995 wurde Schörkmayr der EU-Preis für<br />

funktionelle Rehabilitation in Brüssel verliehen.<br />

Sogar im Europäischen Leitfaden<br />

für empfehlenswerte Praktiken 2 wird das<br />

„No Problem Orchester“ als hervorragendes<br />

Modell <strong>zu</strong>r Förderung und Eingliederung<br />

von Menschen mit Behinderung in der Alltagsgesellschaft<br />

bezeichnet. (Schörkmayr,<br />

2009, S. 80).<br />

2 HELIOS II ist das einzige Programm der Europäischen Gemeinschaft, das ausschließlich<br />

Menschen mit Behinderung gewidmet ist. Ziel ist die Chancengleichheit<br />

und Eingliederung von Menschen mit Behinderung <strong>zu</strong> fördern. Das Programm<br />

versucht da<strong>zu</strong> innovative und effektive Praktiken <strong>zu</strong> ermitteln und die<br />

Kooperation zwischen den Regierungen der Mitgliedstaaten, den Organen der<br />

Europäischen Gemeinschaft, internationalen Organisationen usw. <strong>zu</strong> verbessern.<br />

(Europäische Kommission 1996)<br />

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