allgäuALTERNATIV - Sommerausgabe 2-2017

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Klima Regionale Vielfalt... ...oder globale Monopole? Die Natur im Allgäu – eine heile Welt? Trotz Klimawandel und globaler Erwärmung? Artenvielfalt in Fauna und Flora? Lebensmittel aus der Region? Der Schein trügt oft. Viele Pflanzen, Früchte und Tiere, die wir als »heimisch« betrachten, sind in Wirklichkeit »gleichgeschaltet« und auf höchsten Nutzen getrimmt. Wo ist die Artenvielfalt früherer Zeiten geblieben? Wie kann man sie zurückgewinnen? Der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt versucht gegenzusteuern. Nur selten dürfen sich Obstbäume noch so »frei entfalten«, wie dieser Apfelbaum auf einer Streuwiese
Dieser Anblick eines üppig blühenden Apferbaums erfreut nicht nur die Bienen Vor 30 Jahren, als der »erein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN) gegründet wurde, waren es wenige Menschen, und sie galten als »verrückte Spinner«. Mit unendlicher Geduld sammelte diese Gruppe Saatgut von traditionellen Sorten und vergessenen Arten, lernte die Kunst der Samengärtnerei aus verstaubten Büchern und von betagten Gärtnerinnen und Gärtnern, wertete alte Kataloge aus, tauschte Saatgut und Erfahrungen. »Dazu angestiftet hatte uns zum einen die Nachricht der Vereinten Nationen zum Ende der 1970er-Jahre, dass weltweit bereits drei Viertel der Kulturpflanzensorten verloren waren, in Industrieländern sogar neunzig Prozent. Zum anderen hatte der Kanadier Pat Mooney diese Nachricht mit der Konzentration der Anbieter auf dem weltweiten Saatgutmarkt in Verbindung gebracht und gewarnt, dass Chemiekonzerne sich der Grundlage unserer Ernährung bemächtigen«, sagt eine VEN-Sprecherin. Konzerne werden immer übermächtiger Die Situation damals: Die zehn größten Saatgutfirmen kontrollierten ein Viertel des Weltmarkts. Pat Mooney erhielt den Alternativen Nobelpreis für seine Warnung. Heute kontrollieren besagte Firmen drei Viertel des Weltmarktes; fünf davon sind Chemiekonzerne. Drei weitere Großfusionen werden von den Kartellämtern vieler Länder geprüft, darunter die Übernahme von Monsanto durch Bayer. Mit der Markt-Konzentration wurden »samen - feste« Sorten, die man selbst sortenrein vermehren kann, nach und nach durch Hybride ersetzt, die jedes Jahr neu gekauft werden müssen. Sie werden aus zwei Zuchtlinien gekreuzt, deren Eigenschaften zuvor über mehrere Generationen per Inzucht verstärkt wurden. Die Hybride selbst erben beide Eigenschaften, die Nachkommen der Hybride jedoch nicht. Die Inzuchtlinien sind Betriebsgeheimnis der Konzerne. Hinzu kommt: Die Hybride haben zwar hohe Erträge, aber durch die Inzucht verlieren sie viele andere nützliche Erbanlagen. Sie können sich weniger gut an ihre Umgebung anpassen und brauchen agrochemische Krü - cken, um die versprochenen Erträge zu liefern. Ökolandbau wird wieder stärker Der ökologische Landbau ist stark angewachsen, sodass eine eigene Züchtung samenfester Sorten interessant wird und weniger Hybride im Ökolandbau ausgesät werden. Für den Erwerbsanbau müssen die Sorten amtlich angemeldet werden. 2010 wurden eigene gesetzliche Regelungen für »Erhaltungssorten« geschaffen. Sie sind ein Anfang, aber viel zu schwach. Der Versuch der Industrie, das Saatgutrecht dennoch zu verschärfen, scheiterte 2015 am Widerstand vieler Ökolandbau-Organisationen und Öko-Züchter und an den Erhalterorganisationen, die im vergangenen Jahrzehnt viele Hobbygärtnerinnen und -gärtner vom Wert der traditionellen Arten und Sorten überzeugen konnten. Geschmack, Schönheit und Ökologie sind nur ein Teil der Attraktion. Das Erbe der Menschheit erhalten und an Jüngere weitergeben, Wissen und Fertigkeiten mit vielen Gleichgesinnten lernen und austauschen, sowie die Verteidigung von Ernährungssouveränität kommen als wichtige Motive hinzu. Ernährungssouveränität bedeutet nicht etwa Selbstversorgung des Einzelnen, sondern Unabhängigkeit der Gesellschaft, z.B. von Agrarkonzernen. Vielfalt erhalten ist viel mehr als ein simples Hobby, nämlich eine gesellschaftliche Daueraufgabe. Dass dies auch ohne den Staat funktioniert, zeigen ehrenamtlich arbeitende Gruppierungen wie der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt. Vielfalt erhalten – mehr als ein Hobby »Wir haben es satt!« rufen deshalb seit Jahren mehrere Zehntausend Demonstrierende immer wieder im Januar am Rande der Grünen Woche in Berlin, der weltweit größten Agrarmesse. Sie wollen raus aus der Natur- und Klimakrise, in die uns die industrielle Landwirtschaft mit Agrarchemie, quälerischer Tierhaltung, Gentechnik und Patenten auf Leben geführt <strong>allgäuALTERNATIV</strong> 63
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