Falstaff Spezial Gut Purbach
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gut purbach / EINLEITUNG<br />
Wenn man Max Stiegl<br />
fragt, was denn das<br />
»<strong>Gut</strong> <strong>Purbach</strong>« eigentlich<br />
ist, dann sagt er<br />
völlig ernst und ohne<br />
Understatement: »Ein traditionelles burgenländisches<br />
Wirtshaus.« Das mag auf den ersten<br />
Blick etwas seltsam erscheinen: die gebügelten<br />
Tischtücher, die Kellner mit den weißen<br />
Handschuhen und die Champagner-<br />
Auswahl passen irgendwie nicht zum Klischee<br />
vom österreichischen Landgasthaus.<br />
Um solche Oberflächlichkeiten geht es Stiegl<br />
aber nicht. Er meint das mit dem traditionellen<br />
Wirtshaus grundsätzlicher.<br />
Im »<strong>Gut</strong> <strong>Purbach</strong>« wird jeden Tag in der<br />
Früh frisches Brot gebacken, und alle Saucen<br />
und Suppen werden selbst angesetzt, von<br />
Fisch über Huhn bis Rind. Regelmäßig gehen<br />
die Kühlschränke und Gefriertruhen über,<br />
weil der Chef wieder ein ganzes Rind und/<br />
oder zwei ganze Schweine gekauft hat und<br />
nicht bloß einzelne Teile. Im Herbst stapeln<br />
sich im Keller die Gläser mit der selbst<br />
gekochten Marmelade, dazwischen hängt<br />
Wildgeflügel ab. Und auf der Speisekarte<br />
stehen, neben Fohlensteak und Huhn in der<br />
Blase, stets auch etwas speziellere Köstlichkeiten<br />
wie Ziegenzungen, Lammnieren oder<br />
Beuschl. Einige Jahre lang hielt und schlachtete<br />
Stiegl sogar seine eigenen Schafe.<br />
Das mag nach Spitzengastronomie und viel<br />
Arbeit klingen. »Aber all diese Dinge, die wir<br />
hier machen – selber backen, Suppe aus Resten<br />
kochen, alle Teile vom Tier verwerten –;<br />
waren früher einmal in einem Wirtshaus<br />
ganz selbstverständlich. Schon allein, weil<br />
es sich anders gar nicht ausgegangen wäre,<br />
weder finanziell noch von den Ressourcen<br />
her«, sagt Stiegl. »Bei uns war das nicht<br />
anders. Wir haben ja vor zehn Jahren mit<br />
nichts als ein paar Tausend Euro Startkapital<br />
eröffnet.«<br />
KÜCHENCHEF MIT 18<br />
Stiegl wurde in Koper geboren, einer Hafenstadt<br />
an der slowenischen Küste. Als er ein<br />
Kind war, übersiedelte seine Familie nach<br />
Salzburg. Dort begann er auch seine Kochkarriere.<br />
Mit achtzehn Jahren wechselte der<br />
talentierte junge Mann als Küchenchef ins<br />
»Inamera« in Rust, wo er zwei Jahre später<br />
einen Michelin-Stern erkochte – als damals<br />
jüngster Koch, der je mit dieser Ehre bedacht<br />
worden war. Schließlich landete er in der<br />
Küche des »Mezzo« in Wien.<br />
12 falstaff<br />
Einer von Stiegls Stammgästen dort war der<br />
Wiener Anwalt Dr. Hans Bichler. Er mochte<br />
Stiegls Küche so sehr, dass dieser bald für seine<br />
Kanzlei die Caterings übernahm. Bichler<br />
hatte gerade einen alten Lesehof in <strong>Purbach</strong><br />
gekauft und liebevoll renovieren lassen: ein<br />
wunderschönes Haus mit dicken geweißten<br />
Steinwänden, herrlich schiefen Fenstern,<br />
mächtigen Holzbalken in der Decke, die<br />
einst Teil einer Weinpresse waren, und einem<br />
riesigen Innenhof mit schattenspendenden<br />
Bäumen und einem uralten Brunnen. Eines<br />
Abends kamen Bichler und Stiegl ins Reden<br />
– und seit 2007 befindet sich in diesem<br />
Lesehof nun das »<strong>Gut</strong> <strong>Purbach</strong>«. Vor einigen<br />
Jahren kam ein weiteres historisches Gebäude<br />
mit Gästezimmern zum Übernachten<br />
hinzu.<br />
Als jüngster Michelin-Stern-Träger aller<br />
Zeiten hatte Stiegl bei seinem ersten eigenen<br />
Lokal einen Ruf zu verlieren. Weil er aber als<br />
junger Selbstständiger kein Geld für teure<br />
Zutaten hatte, musste er sich etwas überlegen.<br />
Seine Lösung: Köstlichkeiten aus Dingen<br />
zaubern, die sonst keiner haben will. Kutteln<br />
und Euter, Hoden und Därme, Hirne, Zungen,<br />
Milzen und sogar Fischsperma standen<br />
bald auf der Karte, regelmäßig kochte Stiegl<br />
auch spezielle zehn-, zwölf-, zwanziggängige<br />
Innereien-Menüs.<br />
POP-UP<br />
NORTH BALKAN<br />
FOOD REVOLUTION<br />
Das Jubiläum feiert das »<strong>Gut</strong> <strong>Purbach</strong>«<br />
unter anderem mit einer kleinen<br />
Expansion in Form eines sommerlichen<br />
Pop-ups: Im Juli und August wird jedes<br />
Wochenende die »North Balkan Food<br />
Revolution« ausgerufen. In einer<br />
freundlichen Übernahme wird die »<strong>Gut</strong><br />
<strong>Purbach</strong>«-Crew im Garten des Kloster<br />
am Spitz einen riesigen Griller<br />
anwerfen und in bester Balkan-Manier<br />
große Braten rösten, dazu gibt’s<br />
Live-Musik, Salat und frisch gebackenes<br />
Brot. Und die einzigartige Location<br />
garantiert dabei den besten Blick auf<br />
den Neusiedler See.<br />
Fotos: Luzia Ellert, Rudi Froese