KulturFenster Nr. 04/2015 - August 2015
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ins Bild gerückt<br />
Heimatpflege<br />
Nachahmen erwünscht<br />
Ein kleines Paradies für Selbstversorger im Südtiroler Unterland<br />
ren einer komplexen Infrastruktur und Logistik<br />
angewiesen“ (Grundsatzpapier der<br />
Arbeitsgruppe). Diese Tatsache hat bei<br />
den Heimatpflegern in Kurtatsch einige<br />
grundlegende Fragen aufgeworfen: Wie<br />
lange könnte sich der Südtiroler Durchschnittshaushalt<br />
ohne Lebensmittelnachschub<br />
versorgen? Welche Lösungsansätze<br />
sind für uns möglich? Die Idee der Selbstversorgung<br />
war geboren. Obwohl das Vorhaben<br />
sehr umfassend und schwierig war,<br />
ist es aufgrund fachkundiger Anleitung<br />
und ungebrochener Motivation zu einer<br />
nachahmenswerten Institution im Unterland<br />
gewachsen.<br />
Die Anfänge<br />
Othmar Sanin erklärt einer Grundschulklasse die Grundzüge des Maisanbaus. (Foto:<br />
Arbeitsgemeinschaft Selbstversorgung)<br />
„Schulacker“ nennt sich das Projekt,<br />
welches 2009 auf Initiative der Ortsgruppe<br />
Heimatpflege Kurtatsch in die Wege geleitet<br />
wurde. Von der Gemeinde wurde hierfür<br />
ein Grundstück in der Talsohle zur Verfügung<br />
gestellt, die Arbeitsgruppe „Selbstversorgung“<br />
wurde ins Leben gerufen und die<br />
Zusammenarbeit mit den örtlichen Grundschulen<br />
angepeilt. Heute, sechs Jahre später,<br />
erzählt das Projekt eine erstaunliche Erfolgsgeschichte<br />
und wird nicht nur von den<br />
Initiatoren, sondern von zahlreichen Mitgliedern<br />
der Gesellschaft getragen.<br />
Der moderne Mensch im 21. Jahrhundert<br />
ist verwöhnt von der Vielzahl an Möglichkeiten<br />
in sämtlichen Bereichen und Lebenslagen.<br />
Viele davon sind untrennbar<br />
gekoppelt an materielle Ressourcen. Nur die<br />
wenigsten erkennen dahinter eine krankhafte<br />
Abhängigkeit, eine Abhängigkeit, die<br />
auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist,<br />
schließlich haben wir ja alles. Eben! Aber:<br />
„Strom, Wasser, Treibstoff, Heizöl, Essen<br />
– bei allem ist er (der Mensch) auf das reibungslose<br />
und kontinuierliche Funktionie-<br />
Franz Hauser, Ortsbeauftragter der Heimatpflege<br />
in Kurtatsch, ist passionierter<br />
Bauer – das Zügeln von Reben ist eine seiner<br />
Leidenschaften –, er ist Fotograf und<br />
Buchautor. Nach dem Erscheinen der Bücher<br />
„Europaregion Tirol“ und „Welt der<br />
Väter“ entstand der Wunsch, die zu Papier<br />
gebrachten Praktiken alter Generationen<br />
in die Tat umzusetzen. Mit Othmar<br />
Sanin hatte er auch bald einen Verbündeten<br />
gefunden. Letztgenannter ist besonders<br />
engagiert im Umgang mit den Schülern,<br />
weist die Projektgruppen in die einzelnen<br />
Arbeitsschritte ein und erzählt über Nutzen<br />
und Wirkung der selbst angebauten Produkte.<br />
Auch in Karl-Heinz Peer hat Franz<br />
Hauser nicht nur einen ehrgeizigen Mitarbeiter,<br />
sondern in naher Zukunft auch einen<br />
würdigen Nachfolger.<br />
„Wenn wir heute mit vollem Bauch nicht<br />
an morgen denken, werden wir morgen<br />
mit leerem Bauch an gestern denken.“<br />
Franz Hauser<br />
Grundidee<br />
Die Schülerinnen und Schüler erfahren<br />
bei jedem Arbeitsschritt – hier bei<br />
der Ernte – Wissenswertes. (Foto:<br />
Arbeitsgemeinschaft Selbstversorgung)<br />
Ausgewogener Anbau von<br />
Grundnahrungsmitteln<br />
Noch vor wenigen Jahrzehnten bauten<br />
die Bauernfamilien die wichtigsten Grundnahrungsmittel<br />
selbst an, meist nur für den<br />
eigenen Hausbedarf. Im Südtiroler Unterland<br />
stand an erster Stelle der Maisanbau;<br />
der „Türgg“ musste für Mensch und<br />
Vieh ausreichen. An zweiter Stelle folgten<br />
schließlich Kartoffeln, dann Weizen und<br />
vielerlei Arten von Obst und Gemüse. Um<br />
Zucker zu gewinnen, pflanzten manche<br />
Bauern gar Zuckerrüben an.<br />
<strong>Nr</strong>. <strong>04</strong> | <strong>August</strong> <strong>2015</strong> 37