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atw 2017-09

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<strong>atw</strong> Vol. 62 (<strong>2017</strong>) | Issue 8/9 ı August/September<br />

umgesetzt und weitergehende organisatorische und<br />

­administrative Vorkehrungen als Verbesserungen eingeführt<br />

und etabliert.<br />

Nach Fukushima wurde aber auch mehr als vorher<br />

­bewusst, dass das Kulturverständnis und die gelebte<br />

­Sicherheitskultur in den internationalen und nationalen<br />

nuklearen Communities, in den Institutionen von Hersteller,<br />

Betreibern, Gutachter und Behörden von beitragender<br />

hoher Bedeutung für die erreichbare Sicherheit<br />

und den sicheren Betrieb der Kernkraftwerke sind. Sicherheits-,<br />

Führungs-, Arbeits- und Leistungskultur in ihrer<br />

­Gesamtheit entlang der ganzen Wertschöpfungskette<br />

für den Betrieb der Kernkraftwerke bilden neben der<br />

­technischen Ausführung einen wesentlichen Beitrag zur<br />

erreichbaren Sicherheit.<br />

Zurück zum Philosophischen:<br />

Nach meinem persönlichen Verständnis sind die Entwicklungen<br />

in unseren Lebenswirklichkeiten getrieben von den<br />

Wert- und Wunschvorstellungen der Menschen in ihrer<br />

Zeit. Entwicklungen, neu orientiert, neu initiiert oder<br />

­beschleunigt, einerseits durch z. B. neue Möglichkeiten<br />

aus der Technologie, aus Kapital, Nachfrage usw., aber<br />

­andererseits auch durch neue Wünsche und Wertvorstellungen<br />

– ideologisch, politisch, sachlich oder gefühlt<br />

geprägt – zu Themen, die unser Lebensgefühl positiv<br />

zum persönlichen und/oder gemeinschaftlichen Nutzen<br />

­beeinflussen.<br />

Um insbesondere das Gefühl als gewichtiges Moment<br />

unseres Willens zu prägen, waren gestern und sind heute<br />

alle zeitgemäßen Mittel der Kommunikation recht,<br />

um Minderheitsmeinungen zu Mehrheitsmeinungen zu<br />

­machen. Wenn „Fake News“ das Gefühl als Entscheidungsgrundlage<br />

prägen, dann werden sie, der Macht wegen,<br />

­genutzt. Insbesondere das zeitbezogen beeinflusste und<br />

ggf. veränderte Gefühl der Menschen führt zu Verschiebungen<br />

in der Wichtung der persönlichen Werttreiber<br />

in unseren Köpfen.<br />

Liebe Leser,<br />

außerordentliche, „disruptive Ereignisse“ können aus<br />

sach­licher Wahrnehmung und Wertung, aber ­insbesondere<br />

auch initiiert aus dem Gefühl der Menschen, eine Massensehnsucht<br />

nach Anderem oder nach Veränderungen<br />

­erzeugen und fördern.<br />

Es bilden sich neue Wertvorstellungen aus, die uns<br />

­treiben und neuer Maßstab für unser Denken, Entscheiden<br />

und Handeln werden. Wir streben dann an, was wir als<br />

Einzelne, wir als Gemeinschaft oder wir als Gesellschaft –<br />

demokratisch gesetzt – als Wert und für gut und richtig zu<br />

finden haben, z. B. bei uns die Energiewende.<br />

Die Energiewende als Ausdruck für den menschlichen<br />

Traum, der Natur auf Erden in verträglicher Weise das<br />

­abgewinnen zu können, was uns zu einem komfortablen<br />

Leben in unserer Zeit und darüber hinaus führt. Dies im<br />

Einklang mit der Natur, im Sinne der Nachhaltigkeit nur so<br />

viel der Natur zu nehmen, das sie für uns in ­unerschöpflicher<br />

Weise und rückwirkungsfrei verfügbar bliebe.<br />

Wie viel wir entnehmen dürfen, wie hoch unser<br />

­Anspruch sein darf, um nachhaltig zu bleiben, ist uns<br />

bis heute nicht gewiss? Mehr Bescheidenheit scheint<br />

­erforderlich!<br />

Aber eins ist mir aus der Erfahrung der Geschichte<br />

­gewiss, eine unstetige Veränderung in diesem Prozess –<br />

durch ein disruptives Ereignis - kann die Wertvor­stellungen<br />

der Menschen in unserer Gesellschaft relativ schnell<br />

­wieder verändern oder korrigieren. Ein Blackout z. B.<br />

ist somit unbedingt zu vermeiden. Er hätte aus meiner<br />

Sicht ein solches, disruptives Potential, wegen der ggf.<br />

­katastrophalen Folgen.<br />

Uns bleibt die Frage, was ist leistbar, was ist vernünftig,<br />

was und wieviel sind verträglich? Ein Thema, welches uns<br />

bleibt, für noch viele Stunden Diskussion, Diskurs und<br />

­Entscheidungen über unser Leben und unsere Lebensbedingungen<br />

und Möglichkeiten auf unserer Erde, über Philosophie,<br />

Wissenschaft und Technik, Soziologie, Politik,<br />

Werte und Normen, Religion usw.<br />

557<br />

KTG INSIDE<br />

Beispiel: Energiewende im Bereich<br />

der Stromerzeugung<br />

Im magischen Dreieck der drei Dimensionen Umweltverträglichkeit,<br />

Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit<br />

ist in den letzten zwanzig Jahren bei uns eine deutliche<br />

Verlagerung der gesellschaftlichen Wichtung in Richtung<br />

Umweltschutz und -verträglichkeit erkennbar, nach<br />

­Fukushima zu Lasten der Versorgungssicherheit und<br />

­Wirtschaftlichkeit. Mit der Vorstellung bzgl. der Folgen für<br />

die Versorgungssicherheit: „Das werden unsere Ingenieure<br />

schon schaffen!“, oder zur Wirtschaftlichkeit: „Das können<br />

wir uns als Gesellschaft schon leisten! Die Menge der<br />

Erneuerbaren wird zum Treiber für wesentliche Kosteneinsparungen<br />

führen!“<br />

Stabilitätsfragen im Potentialfeld dieser drei Dimensionen<br />

bleiben zunächst außer Acht. Die Stabilität wird<br />

heute mühsam erhalten, jeder Aufwand und jede ­Belastung<br />

scheint gerechtfertigt.<br />

Instabilitäten im Bereich der Versorgungssicherheit<br />

und Wirtschaftlichkeit wären aber wahrscheinlich<br />

­wiederum disruptive Ereignisse mit Folgewirkungen und<br />

korrektiven Entwicklungen.<br />

In einem persönlichen Resümee zum Thema<br />

stelle ich für mich fest:<br />

Unsere Entwicklungen sind getrieben von veränderten<br />

Wert- und Wunschvorstellungen der Menschen in ihrer<br />

Zeit, mit ihren Möglichkeiten, durch ihre Erfindungen und<br />

ihrem Verständnis zu bestimmten Themen.<br />

Das Verständnis gründet sich heute nicht immer auf<br />

Sachargumente und Fakten, aber scheinbar immer mehr –<br />

medial verstärkt – in nur gefühlter Weise. Ein Nachdenken<br />

in Richtung kritischer Balance ist unsere Herausforderung.<br />

„Disruptive Ereignisse“ beeinflussen sachlich bedingt<br />

oder gefühlt das menschliche Denken und Handeln und<br />

können Entwicklungen zu einer Massensehnsucht<br />

nach Anderem, Neuem und Verändertem initiieren. Sie<br />

­verändern unsere Wertvorstellungen und treiben uns mit<br />

immer wieder neu gesetzten Maßstäben als Menschen und<br />

Gesellschaft in wiederkehrender Weise durch die Zeit.<br />

Wir in der KTG sollten uns unsere „Faszination<br />

­Kerntechnik“ nicht ausreden lassen und in einem ehrlich<br />

geführten Diskurs unsere Sicht darstellen, im Rahmen<br />

­unserer Jahrestagung, in den Sektionsveranstaltungen<br />

und bei allen sonstigen Gelegenheiten.<br />

Ihr Dr. Erwin Fischer<br />

KTG-Vorstandsmitglied<br />

KTG Inside

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