22 - Flußmeister
22 - Flußmeister
22 - Flußmeister
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Bund der <strong>Flußmeister</strong> Bayerns Bund der <strong>Flußmeister</strong> Bayerns<br />
Dr. Ludwig Heller, Dipl. Chemiker<br />
Altlastenmanagement<br />
Das Werk Burghausen der Wacker-<br />
Chemie wurde im Frühjahr 1914, unter<br />
der Bezeichnung "Dr. Alexander<br />
Wacker Gesellschaft für elektrochemische<br />
Industrie mbH", ins Handelsregister<br />
eingetragen. Zu dieser<br />
Zeit galt noch des Kaisers Wort :<br />
"Herrlichen Zeiten führe ich euch<br />
entgegen."<br />
Man stellte damals auch an ein Chemiewerk<br />
hohe ästhetische Ansprüche,<br />
kenntlich zum Beispiel daran, dass das<br />
erste Gebäude-Ensemble vom bekannten<br />
Wiener Jugendstil-Architekten Joseph<br />
Hoffmann nach allen Regeln der<br />
Baukunst durchgebildet wurde, wovon<br />
heute noch einige Bauten beredtes<br />
Zeugnis geben.<br />
Andererseits gehörte zu dieser Ästhetik,<br />
dass „die Schlote rauchen“ mussten,<br />
was sinngemäß auch für das Medium<br />
Wasser galt, indem man nichts dabei<br />
fand, im Abwasser abtransportierte<br />
Stoffe der Natur, sprich dem Vorfluter,<br />
zur weiteren Behandlung zu überlassen.<br />
Umso bemerkenswerter ist die Tatsache,<br />
dass der Umweltschutz bei der<br />
Wacker-Chemie schon sehr früh eine<br />
große Rolle spielte. Beispielsweise ist<br />
in einem Protokoll vom 26.05.1916<br />
über ein Gespräch zur Abwassersituation,<br />
an dem Herr Geheimrat Haubenschmied<br />
und die Firmenleitung teilnahmen,<br />
folgendes festgehalten : Soweit<br />
die Betriebsabwässer schädlicher<br />
Natur sind, muß eine sinngemäße Behandlung<br />
vor Einleitung in den Hauptsammler<br />
stattfinden." Schon im Jahr<br />
1917 erklärte Herr Direktor Hess die<br />
"Abwasserfrage" in einem Schreiben<br />
an den damaligen Werkleiter, Herrn<br />
Dr. Pierstorff zur "Chefsache". Von<br />
Herrn Prof. Dr. Graf, dem damaligen<br />
Leiter der "Versuchsstation für Fischerei"<br />
in München, wurden regelmäßige<br />
Kontrollen des Abwassers durchg<br />
die <strong>Flußmeister</strong> 2000/2001<br />
eführt. Am Ende des Jahres 1917 hält<br />
Herr Prof. Dr. Graf in einem Untersuchungsbericht<br />
fest, dass im Vorfluter<br />
"ein Gewimmel von Larven der Köcherfliege"<br />
zu finden sei und attestiert<br />
"einwandfreies Abwasser".<br />
Im 1. Weltkrieg wurde das Werk in<br />
Windeseile zur Herstellung von Aceton<br />
aus Calciumcarbid aufgebaut und<br />
in Betrieb genommen. Bereits damals<br />
wurden ein Rechen und ein Sandfang<br />
für die Abwässer des Werkes gebaut,<br />
um gröbere Feststoffe nicht der Salzach<br />
zuzuführen. Dieses erste Klärbecken<br />
ist für das Regen-Kanalnetz bis<br />
heute in Betrieb. Es wurden weiterhin<br />
regelmäßige Kontrollen der Abwasserqualität<br />
durchgeführt. Die Unterlagen<br />
über Gespräche und Untersuchungen<br />
zur Situation der Salzach nach Einleitung<br />
der Fabrikabwässer füllen einen<br />
dicken Leitz-Ordner im Firmenarchiv.<br />
Nach dem 1.Weltkrieg kam dann das<br />
Wasserkraftwerk dazu, das den Höhenunterschied<br />
zwischen Alz und Salzach<br />
nutzt und die Produktion wurde<br />
auf chlorierte Kohlenwasserstoffe umgestellt,<br />
die als Lösungsmittel Verwendung<br />
finden. Im weiteren Verlauf<br />
wurde die Produktpalette um den<br />
Kunststoff PVC und um die Familie<br />
der Kunstharzdispersionen erweitert,<br />
die natürlich zu der für diese Produkte<br />
charakteristischen Belastung des Abwassers<br />
führten.<br />
In der schwierigen Zeit zwischen den<br />
beiden Weltkriegen, die durch die Inflation,<br />
die Weltwirtschaftskrise und<br />
die zunehmende Rüstungsindustrie geprägt<br />
war, "rauchten die Schlote" weiter<br />
und die Abwasseraktivitäten konzentrierten<br />
sich in erster Linie auf die<br />
regelmäßige Kontrolle und Analyse<br />
des Abwassers. Trotzdem wurden vereinzelte<br />
Maßnahmen zur Verringerung<br />
der Schadstofffracht im Abwasser erfolgreich<br />
umgesetzt. So wurde im Jahr<br />
WACKER<br />
Wacker-Chemie GmbH<br />
Geschichte der Abwasserreinigung im Werk Burghausen<br />
der Wacker-Chemie GmbH<br />
Die biologische Abwasserreinigungsanlage<br />
aus der Vogelperspektive<br />
1923 Quecksilber aus dem "Lutterwasser<br />
des Acetaldehyd-Betriebes" zurückgewonnen<br />
bei gleichzeitiger "Entquecksilberung<br />
der Abwässer" vor<br />
dem Einleiten in den Kanal.<br />
Auch während des 2. Weltkriegs war<br />
nicht an eine weitere Verbesserung des<br />
Gewässerschutzes zu denken und der<br />
Luftschutz hatte nichts mit der Reinhaltung<br />
von Luft zu tun.<br />
Im Jahr 1961 begann die systematische<br />
Untersuchung der Abwasser-<br />
Situation des stark gewachsenen Werkes<br />
und die Entwicklung geeigneter<br />
Reinigungsverfahren für die einzelnen<br />
Abwasserströme.<br />
In erstaunlich kurzer Zeit wurde ein<br />
Konzept für eine Trennkanalisation<br />
erarbeitet, das sich an den vorhandenen<br />
Anforderungen orientierte. Neben<br />
dem Niederschlagswasser fällt nämlich<br />
bei verschiedenen Produktionen,<br />
z.B. bei der Herstellung von Reinstsilicium<br />
für Computer-Chips, Abwasser<br />
an, das nur mechanisch belastet / verschlammt<br />
aber nicht organisch belastet<br />
ist. Dieses wird in einem eigenen,<br />
das ganze Werk umspannenden, Kanalnetz<br />
gesammelt und einer speziell<br />
dafür zugeschnittenen Kläranlage, der<br />
sog. CHEMARA (chemischmechanischeAbwasserreinigungsanlage)<br />
zugeführt.<br />
die <strong>Flußmeister</strong> 2000/2001<br />
<strong>22</strong> 27