Vertrauen
Credit Suisse bulletin, 2000/04
Credit Suisse bulletin, 2000/04
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VERTRAUEN<br />
Die Babylonier kannten es schon. Die Römer<br />
haben es weiterentwickelt und verfeinert.<br />
Die Christen mussten es aus religiösen Gründen<br />
bis ins Mittelalter den Juden überlassen:<br />
das Kreditgeschäft.<br />
VON RUTH HAFEN,<br />
REDAKTION BULLETIN<br />
Foto: Pia Zanetti<br />
Der Begriff «Kredit» wird abgeleitet von<br />
Glauben, <strong>Vertrauen</strong>. Ist <strong>Vertrauen</strong> in der<br />
heutigen Bankenwelt, in der man alles bis<br />
ins kleinste Detail mit Verträgen und Absicherungen<br />
aller Art regelt, überhaupt noch<br />
angesagt ? Für Franz-Josef Groth, Leiter<br />
Kreditmanagement der Credit Suisse, ist<br />
und bleibt <strong>Vertrauen</strong> ein zentraler Bestandteil<br />
des Kreditgeschäfts. Als er vor<br />
Jahren in Beirut eine Tochterbank revidierte,<br />
hatte er ein Schlüsselerlebnis: «Es<br />
herrschte Krieg, nach Einbruch der Dunkelheit<br />
war es sehr gefährlich. Ich erlebte,<br />
wie Leute, die bei uns einen Kredit bezogen<br />
hatten, das Geld und die Zinsen unter<br />
Einsatz ihres Lebens zurückbezahlt haben.<br />
Es gab damals keine Kreditverträge.<br />
Das Geschäft basierte auf <strong>Vertrauen</strong> und<br />
wurde per Handschlag abgeschlossen.<br />
Die Bedeutung des Wortes «credere»<br />
(glauben) wurde mir dort so richtig bewusst.<br />
Ohne ein Blatt Papier – eigentlich<br />
der Idealzustand – haben die Leute die<br />
Verpflichtungen erfüllt, die sie gegenüber<br />
einem Vertreter der Bank eingegangen<br />
waren.»<br />
<strong>Vertrauen</strong> ist nicht wegzudenken aus<br />
einer Beziehung zwischen zwei Menschen,<br />
geschäftlich oder privat. Verträge können<br />
<strong>Vertrauen</strong> nicht ersetzen. Schon J.Paul<br />
Getty, einer der reichsten Männer des<br />
zwanzigsten Jahrhunderts, lebte und arbeitete<br />
nach der Devise: «Wenn man einem<br />
Menschen trauen kann, erübrigt sich ein<br />
Vertrag. Wenn man ihm nicht trauen kann,<br />
ist ein Vertrag nutzlos.» Ein solches Vorgehen<br />
kann sich eine Bank heute natürlich<br />
nicht mehr leisten. Trotzdem ist <strong>Vertrauen</strong><br />
ein Grundpfeiler jeder Bankbeziehung.<br />
Banken bezogen Prügel<br />
Solange alles gut läuft, ist <strong>Vertrauen</strong> kein<br />
Problem. In den Neunzigerjahren jedoch<br />
wurde die Wirtschaft von einer tiefen, lange<br />
andauernden Rezession durchgeschüttelt.<br />
Für die Banken entwickelte sich die<br />
schlechte wirtschaftliche Lage zu einem<br />
Kreditdebakel. Rückstellungen in Milliardenhöhe<br />
waren die Folge. Öffentlich Prügel<br />
bezogen sie zudem vor allem von den<br />
KMUs, den kleinen und mittleren Unternehmen,<br />
die ihnen vorwarfen, manches<br />
Kleinunternehmen durch Kündigungen<br />
oder Kürzungen von Krediten an den Rand<br />
des finanziellen Ruins getrieben zu haben.<br />
Auch die Credit Suisse musste sich massive<br />
Vorwürfe gefallen lassen.<br />
Für Hans Geiger, Professor am Institut<br />
für schweizerisches Bankwesen der Universität<br />
Zürich, war die mangelhafte Prüfung<br />
der Bonität einer der Hauptfehler, die<br />
während der Hochkonjunktur auf der Ban-<br />
kenseite begangen wurden. Es sei nicht<br />
geprüft worden, ob der Kunde das Geld<br />
zurückbezahlen könne, sondern man habe<br />
sich vielfach auf Immobilien als Sicherung<br />
verlassen. «Das Hauptproblem war, dass<br />
man nicht den Kunden bewertete, sondern<br />
sein Haus.» Schätzungsweise zwei<br />
Drittel der kommerziellen Kredite in der<br />
Schweiz seien hypothekarisch gedeckt<br />
gewesen. Das sollte sich als fatal herausstellen.<br />
In den Achtzigerjahren wütete in Amerika<br />
eine Immobilienkrise, die über England<br />
auch nach Europa schwappte. Die<br />
Schweizer Wirtschaft und die Banken<br />
wähnten sich in Sicherheit. Man vertrat die<br />
Einschätzung, diese Krise sei typisch<br />
angelsächsisch und helvetische Gefilde<br />
seien dagegen gefeit.<br />
Frei nach Voltaires «Candide» lebte man<br />
vertrauensvoll «in der besten aller möglichen<br />
Welten», in der die Immobilienpreise<br />
immer nur weiter steigen konnten. Doch<br />
das genaue Gegenteil geschah. Bruno<br />
Bohlhalter, Leiter Credit-Recovery, dem<br />
Sanitätstrupp für «kranke Kredite» bei der<br />
Credit Suisse, blickt zurück: «In der Hochkonjunktur<br />
haben wir alle, die Kunden<br />
und die Banken, in einer Euphorie gelebt.<br />
In diesem Umfeld wurden auch Finanzierungen<br />
gemacht, die man im Nachhinein<br />
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