22.09.2017 Aufrufe

Vertrauen

Credit Suisse bulletin, 2000/04

Credit Suisse bulletin, 2000/04

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

VERTRAUEN<br />

Die Babylonier kannten es schon. Die Römer<br />

haben es weiterentwickelt und verfeinert.<br />

Die Christen mussten es aus religiösen Gründen<br />

bis ins Mittelalter den Juden überlassen:<br />

das Kreditgeschäft.<br />

VON RUTH HAFEN,<br />

REDAKTION BULLETIN<br />

Foto: Pia Zanetti<br />

Der Begriff «Kredit» wird abgeleitet von<br />

Glauben, <strong>Vertrauen</strong>. Ist <strong>Vertrauen</strong> in der<br />

heutigen Bankenwelt, in der man alles bis<br />

ins kleinste Detail mit Verträgen und Absicherungen<br />

aller Art regelt, überhaupt noch<br />

angesagt ? Für Franz-Josef Groth, Leiter<br />

Kreditmanagement der Credit Suisse, ist<br />

und bleibt <strong>Vertrauen</strong> ein zentraler Bestandteil<br />

des Kreditgeschäfts. Als er vor<br />

Jahren in Beirut eine Tochterbank revidierte,<br />

hatte er ein Schlüsselerlebnis: «Es<br />

herrschte Krieg, nach Einbruch der Dunkelheit<br />

war es sehr gefährlich. Ich erlebte,<br />

wie Leute, die bei uns einen Kredit bezogen<br />

hatten, das Geld und die Zinsen unter<br />

Einsatz ihres Lebens zurückbezahlt haben.<br />

Es gab damals keine Kreditverträge.<br />

Das Geschäft basierte auf <strong>Vertrauen</strong> und<br />

wurde per Handschlag abgeschlossen.<br />

Die Bedeutung des Wortes «credere»<br />

(glauben) wurde mir dort so richtig bewusst.<br />

Ohne ein Blatt Papier – eigentlich<br />

der Idealzustand – haben die Leute die<br />

Verpflichtungen erfüllt, die sie gegenüber<br />

einem Vertreter der Bank eingegangen<br />

waren.»<br />

<strong>Vertrauen</strong> ist nicht wegzudenken aus<br />

einer Beziehung zwischen zwei Menschen,<br />

geschäftlich oder privat. Verträge können<br />

<strong>Vertrauen</strong> nicht ersetzen. Schon J.Paul<br />

Getty, einer der reichsten Männer des<br />

zwanzigsten Jahrhunderts, lebte und arbeitete<br />

nach der Devise: «Wenn man einem<br />

Menschen trauen kann, erübrigt sich ein<br />

Vertrag. Wenn man ihm nicht trauen kann,<br />

ist ein Vertrag nutzlos.» Ein solches Vorgehen<br />

kann sich eine Bank heute natürlich<br />

nicht mehr leisten. Trotzdem ist <strong>Vertrauen</strong><br />

ein Grundpfeiler jeder Bankbeziehung.<br />

Banken bezogen Prügel<br />

Solange alles gut läuft, ist <strong>Vertrauen</strong> kein<br />

Problem. In den Neunzigerjahren jedoch<br />

wurde die Wirtschaft von einer tiefen, lange<br />

andauernden Rezession durchgeschüttelt.<br />

Für die Banken entwickelte sich die<br />

schlechte wirtschaftliche Lage zu einem<br />

Kreditdebakel. Rückstellungen in Milliardenhöhe<br />

waren die Folge. Öffentlich Prügel<br />

bezogen sie zudem vor allem von den<br />

KMUs, den kleinen und mittleren Unternehmen,<br />

die ihnen vorwarfen, manches<br />

Kleinunternehmen durch Kündigungen<br />

oder Kürzungen von Krediten an den Rand<br />

des finanziellen Ruins getrieben zu haben.<br />

Auch die Credit Suisse musste sich massive<br />

Vorwürfe gefallen lassen.<br />

Für Hans Geiger, Professor am Institut<br />

für schweizerisches Bankwesen der Universität<br />

Zürich, war die mangelhafte Prüfung<br />

der Bonität einer der Hauptfehler, die<br />

während der Hochkonjunktur auf der Ban-<br />

kenseite begangen wurden. Es sei nicht<br />

geprüft worden, ob der Kunde das Geld<br />

zurückbezahlen könne, sondern man habe<br />

sich vielfach auf Immobilien als Sicherung<br />

verlassen. «Das Hauptproblem war, dass<br />

man nicht den Kunden bewertete, sondern<br />

sein Haus.» Schätzungsweise zwei<br />

Drittel der kommerziellen Kredite in der<br />

Schweiz seien hypothekarisch gedeckt<br />

gewesen. Das sollte sich als fatal herausstellen.<br />

In den Achtzigerjahren wütete in Amerika<br />

eine Immobilienkrise, die über England<br />

auch nach Europa schwappte. Die<br />

Schweizer Wirtschaft und die Banken<br />

wähnten sich in Sicherheit. Man vertrat die<br />

Einschätzung, diese Krise sei typisch<br />

angelsächsisch und helvetische Gefilde<br />

seien dagegen gefeit.<br />

Frei nach Voltaires «Candide» lebte man<br />

vertrauensvoll «in der besten aller möglichen<br />

Welten», in der die Immobilienpreise<br />

immer nur weiter steigen konnten. Doch<br />

das genaue Gegenteil geschah. Bruno<br />

Bohlhalter, Leiter Credit-Recovery, dem<br />

Sanitätstrupp für «kranke Kredite» bei der<br />

Credit Suisse, blickt zurück: «In der Hochkonjunktur<br />

haben wir alle, die Kunden<br />

und die Banken, in einer Euphorie gelebt.<br />

In diesem Umfeld wurden auch Finanzierungen<br />

gemacht, die man im Nachhinein<br />

13<br />

CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |00

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!