Vertrauen
Credit Suisse bulletin, 2000/04
Credit Suisse bulletin, 2000/04
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VERTRAUEN<br />
Das Internet lockt. Aber viele schrecken<br />
zurück vor dem Klick ins Ungewisse.<strong>Vertrauen</strong><br />
bleibt ein knappes Gut im Cyberspace.<br />
VERTRAUEN<br />
VON ANDREAS THOMANN,<br />
REDAKTION BULLETIN<br />
Max gehört zu den Internetsurfern der ersten<br />
Stunde; darauf ist er mächtig stolz.<br />
Der Samstagseinkauf, die Einzahlungen<br />
am Postschalter, das Blättern im Fahrplan:<br />
alles passé. Online ist besser, schneller<br />
und aktueller, sagt Max. In seinem Freundeskreis<br />
konnte er schon viele von seiner<br />
Botschaft überzeugen. Und im Chat-Room<br />
schmiedet er unter dem Pseudonym E-<br />
Max mit seinesgleichen an fantastischen<br />
Visionen einer vernetzten Welt.<br />
Das Netz hat Lücken<br />
Doch kommt es vor, dass das Netz sogar<br />
den euphorischen E-Max auf den Boden<br />
der Realität zurückholt und ihm<br />
das «E» aus seinem Pseudonym<br />
löscht. Neulich, da wollte sich der<br />
Formel-1-Fan einen Traum verwirklichen:<br />
zwei Tickets für den Grand Prix<br />
in Monte Carlo im kommenden Jahr für<br />
sich und seine Verlobte.<br />
Computer angeworfen, Modem eingestellt,<br />
Provider angewählt. «Fünf, maximal<br />
zehn Minuten, und ich habe die Dinger»,<br />
denkt sich Max. Er wählt seine Lieblings-<br />
suchmaschine, tippt «+ Formula + 1 + Tickets»<br />
ein, und im Handumdrehen spuckt<br />
ihm das System fünfzehn Adressen aus.<br />
Die Vorfreude auf den schnellen Deal ist<br />
grenzenlos. Doch bald folgt der Netzkater.<br />
Der Kater lauert überall<br />
Die Adresse Nummer eins führt<br />
zu einer Fehlermeldung, die Nummern<br />
zwei und fünf bieten nur Pauschalangebote<br />
mit teuren Hotels, Nummer drei,<br />
vier, sechs und sieben wiederum verkaufen<br />
zwar Tickets, doch nur für die laufende<br />
Saison. Endlich, Nummer acht bietet den<br />
gewünschten Service: übersichtliche Streckenpläne<br />
mit eingezeichneten Tribünen<br />
und Angabe der Preise für jeden Platz.<br />
Max hat sich mit dem Netz wieder versöhnt.<br />
Jetzt nur noch die gewünschten<br />
Daten eingeben und<br />
die Bestellung abschicken. Es<br />
erscheint ein Formular:<br />
Zahlung im Voraus, per Kreditkarte.<br />
Schon ist Max misstrauisch. Er<br />
findet keinen Hinweis auf besondere<br />
Sicherheitsvorkehrungen. Wie kann<br />
er wissen, ob er die Tickets, die zusammen<br />
immerhin 1000 Franken kosten,<br />
überhaupt kriegt ? Den Verkäufer kennt er<br />
nicht. Und plötzlich scheint ihm auch der<br />
ganze Internet-Auftritt der Firma nicht<br />
mehr besonders professionell. Max kriegt<br />
kalte Füsse. Tags darauf trottet er zur<br />
nächsten offiziellen Verkaufsstelle und erhält<br />
im Nu, was er wünscht. Eine<br />
Schmach für den gläubigen Cyberfreak.<br />
Max hat kein <strong>Vertrauen</strong><br />
Gescheitert ist der Deal letztlich an der<br />
wichtigsten Voraussetzung für jede Form<br />
des Geschäfts: <strong>Vertrauen</strong>. <strong>Vertrauen</strong> in die<br />
Sicherheit der Übertragung, die sorgfältige<br />
Aufbewahrung der Daten, die Echtheit<br />
des Angebots, die Lieferbereitschaft der<br />
Firma. Kurz: <strong>Vertrauen</strong> ins Internet.<br />
358 Milliarden Dollar. So hoch schätzt<br />
die amerikanische Research-Firma «eMarketer»<br />
im Jahr 2003 den europaweiten<br />
Umsatz im E-Commerce, dem Handel mit<br />
Gütern und Dienstleistungen<br />
übers Internet. Das ist mehr als<br />
20 mal so viel wie im letzten<br />
Jahr. Noch aber ist der Damm<br />
nicht gebrochen, sind die Massen nicht<br />
auf das digitale Fussballfeld, das Internet,<br />
gestürmt. Erst etwa zehn Prozent der<br />
Europäer spielen mit. «Es sind die tech-<br />
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