Vertrauen
Credit Suisse bulletin, 2000/04
Credit Suisse bulletin, 2000/04
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VERTRAUEN<br />
Ohne <strong>Vertrauen</strong> ist ihre Arbeit futsch:<br />
Sieben Porträts aus dem Alltag.<br />
Emmenegger, Sexexpertin.<br />
Marta weiss Rat, hiess<br />
Marta<br />
für viele «Blick»-Leserinnen und -Leser die<br />
Devise. Sie vertrauten der Sexexpertin ihre<br />
intimsten Nöte an.<br />
«Vor 20 Jahren begann ich im ‹Blick›,<br />
eine tägliche Kolumne über Probleme mit<br />
Liebe und Sex zu schreiben. Das schlug<br />
ein wie eine Bombe. Ich konnte mich vor<br />
Zuschriften kaum noch retten. So wurde<br />
ich als ‹liebe Marta› landesweit bekannt<br />
und unverhofft zu einer Institution, die über<br />
den ‹Blick› hinausging. Ich trat in Radio und<br />
Fernsehen auf und gehörte bald zu den<br />
so genannten Promis – mit dem Etikett<br />
‹Sextante›. Aber eigentlich ist das Etikett<br />
gerechtfertigt: Schliesslich befasse ich<br />
mich seit 20 Jahren intensiv mit sexuellen<br />
Fragen und ihren seelischen Zusammenhängen.<br />
Mittlerweile wurde daraus ein regelrechtes<br />
Selbststudium in Psychologie,<br />
das noch lange nicht fertig ist, denn je<br />
länger ich mich mit der Sexualität befasse,<br />
desto faszinierender finde ich das Thema.<br />
Warum vertrauten mir wildfremde Menschen<br />
Dinge über ihr Sexualleben an, die<br />
sie nicht einmal ihren engsten Freunden<br />
erzählen würden? Geschweige denn einem<br />
Arzt ? Einmal luden mich die Gynäkologen<br />
sogar zu einem Kongress ein, weil sie herausfinden<br />
wollten, warum man eher bei<br />
mir Rat suchte als bei ihnen.<br />
Erklärt habe ich das mit meiner Volkstümlichkeit.<br />
Schwellenangst gab es bei mir<br />
nicht. Ich war keine Respektsperson im<br />
weissen Kittel, mich konnte man ohne Um-<br />
schweife anrufen, und ich wohnte nicht im<br />
selben Dorf wie der Ratsuchende. Sicher<br />
schuf auch <strong>Vertrauen</strong>, dass ich Lebenserfahrung<br />
hatte. Als ich als ‹liebe Marta› anfing,<br />
war ich 56 Jahre alt. Ich hatte eine<br />
geschiedene Ehe hinter mir, drei Kinder<br />
grossgezogen und war auch sonst vom<br />
Schicksal nicht verwöhnt worden. Die Leser<br />
kannten mich, sie wussten, ‹die ist auch<br />
schon drangekommen›.Wäre ich eine junge,<br />
attraktive Frau gewesen, hätte man<br />
mir vielleicht nicht ohne weiteres das Herz<br />
geöffnet. Man kann auch andersherum<br />
fragen: Wie schaffe ich <strong>Vertrauen</strong> ? Indem<br />
ich die Menschen und ihr Problem ernst<br />
nehme. Gerade Menschen in heiklen Lebenssituationen<br />
will ich nicht das Gefühl<br />
vermitteln, ‹das hättest du anders machen<br />
Marta Emmenegger, Sexexpertin: «Die Leser<br />
wussten, ‹die ist auch schon drangekommen›.»