bull_02_06_Perspektive
Credit Suisse bulletin, 2002/06
Credit Suisse bulletin, 2002/06
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
WEALTH MANAGEMENT PLANNING<br />
Fotos: Martin Stollenwerk, Rainer Wolfsberger<br />
Marktumfeld für traditionelle Anlagen der<br />
Nährboden für eine Renaissance der Immobilienanlage?<br />
Die Antwort lautet eindeutig<br />
«Nein». Für indirekte Immobilienanlagen –<br />
allerdings nicht für alle – mag dies allenfalls<br />
zutreffen, aber nur gemessen an den gehandelten<br />
Volumen. Immobilienfonds beispielsweise<br />
erfreuen sich hoher Beliebtheit und<br />
sind inzwischen auch recht hoch bewertet.<br />
Doch die Immobilienaktiengesellschaften<br />
konnten bisher kaum profitieren, was eigentlich<br />
nicht ganz einfach nachvollziehbar ist.<br />
Offensichtlich wird der Kauf von Aktien einer<br />
kotierten Immobilienfirma in erster Linie als<br />
ein Engagement in Aktien selbst wahrgenommen<br />
und erst sekundär als eine Investition<br />
im Immobilienmarkt.<br />
Obwohl also die Vorzeichen gerade anders<br />
lauten müssten, wird obige Wahrnehmung<br />
in der Praxis bestätigt. Denn wer beispielsweise<br />
Anfang 20<strong>02</strong> in Immobilienfonds<br />
investierte, hat mittlerweile ansprechende<br />
Renditen erzielt. Ganz im Gegensatz dazu fiel<br />
währenddessen die Performance von Immobilienaktiengesellschaften<br />
sehr bescheiden<br />
aus. Zwar waren diese Aktiengesellschaften<br />
Outperformer – das heisst, ihre Kurse entwickelten<br />
sich besser als der gesamte<br />
(Aktien-)Markt – insgesamt verlief die Kursentwicklung<br />
letztendlich aber lediglich flach<br />
in einem stark nach unten korrigierenden<br />
Aktienmarkt.<br />
Kaufen, halten oder verkaufen?<br />
Wie sieht es nun mit direkten Engagements<br />
in Immobilien aus? Im Prinzip kommt ein<br />
Engagement nur für grössere Investoren in<br />
Frage. Denn hält man sich vor Augen, dass<br />
es sich häufig um Investitionen in der Höhe<br />
zweistelliger Millionenbeträge und mehr handelt,<br />
scheiden die meisten privaten Investoren<br />
aus – es sei denn, sie nehmen ganz<br />
bewusst Klumpenrisiken in Kauf.<br />
Seit geraumer Zeit werden Investitionen<br />
in kommerzielle Immobilien – dabei handelt<br />
es sich hauptsächlich um Büroliegenschaften<br />
und Detailhandelsflächen – wegen den<br />
deutlich sichtbaren gesamtwirtschaftlichen<br />
Bremsspuren bereits wieder recht skeptisch<br />
beurteilt. Doch geschieht das zu Recht?<br />
Die Risiken haben gegenüber den zurückliegenden,<br />
guten Jahren seit 1995 deutlich<br />
zugenommen, insbesondere seit Mitte 2001,<br />
als der Konjunktur allmählich der Atem ausging.<br />
Die grössten Ängste betreffen heute<br />
allfällige Überkapazitäten und die daraus<br />
resultierenden Preisrückgänge und damit<br />
letztendlich Einnahmeausfälle.<br />
Die Skepsis konzentriert sich vornehmlich<br />
auf die mit Abstand grössten und wichtigsten<br />
Märkte Zürich, Genf und Basel. Sie ist aber<br />
nur zum Teil gerechtfertigt. So zeichnen<br />
sich zwar durchaus Überkapazitäten ab, der<br />
Markt ist jedoch weit von den Leerstandsquoten<br />
der frühen Neunzigerjahre entfernt.<br />
Und er wird diese auch kaum jemals wieder<br />
erreichen. Als Beispiel eignet sich der<br />
Wirtschaftsraum Zürich. Zu Beginn des letzten<br />
Immobiliencrashs standen bereits etwa<br />
3,5 Millionen Quadratmeter Bürofläche leer,<br />
trotzdem wurde damals noch munter weitergebaut.<br />
Die Situation heute sieht anders<br />
aus – zwar nicht gut, aber weitaus weniger<br />
kritisch. Grob überschlagen könnten Ende<br />
des nächsten Jahres maximal 1,5 Millionen<br />
Quadratmeter Büroflächen leer stehen,<br />
wovon knapp eine Million jetzt beziehungsweise<br />
in den folgenden Monaten neu auf den<br />
Markt kommen. Hinzu kommen noch etwa<br />
500 000 Quadratmeter, die durch Umstrukturierungen<br />
und den damit verbundenen<br />
Personalabbau vor allem in den so genannten<br />
FIRE-Branchen (Finance, Insurance, Real<br />
Estate) freigesetzt werden dürften. Allein<br />
diese Werte relativieren die aufgekommenen<br />
Ängste etwas. Zudem sind etliche Projekte<br />
bereits wieder in den Schubladen verschwunden<br />
oder zumindest vorübergehend sistiert.<br />
So klafft seit Mitte 2001 – also synchron<br />
zur konjunkturellen Verlangsamung – eine<br />
deutlich sichtbare Lücke zwischen Baugesuchen<br />
und Baubewilligungen oder auch<br />
zwischen Bauvorhaben und tatsächlicher<br />
Bautätigkeit. Es wird also weniger realisiert<br />
als ursprünglich geplant beziehungsweise<br />
auf Bewilligungen «verzichtet». Dies stützt die<br />
These, nach der die Immobilienschaffenden<br />
heute deutlich schneller und flexibler auf die<br />
Marktsignale reagieren als in der Vergangenheit.<br />
Für den Investor leitet sich daraus<br />
ab, dass er zunächst einmal ruhig Blut<br />
bewahren sollte, denn in einem langfristig<br />
ausgelegten Markt sind kurzfristige Reaktionen<br />
in der Regel kontraproduktiv. Im<br />
Analystenjargon ausgedrückt: Halten beziehungsweise<br />
selektiv kaufen. Oder, weniger<br />
professionell ausgedrückt: Bloss nicht aus<br />
Panik verkaufen!<br />
Martin Neff, Telefon 01 333 24 84<br />
martin.neff@credit-suisse.ch<br />
«Wohnbauten sind<br />
immer rentabel»<br />
Reinhard Giger,<br />
Head Real Estate Management der<br />
Credit Suisse Financial Services<br />
Wie geht es der Credit Suisse als<br />
Immobilienbesitzerin?<br />
Unser Departement trägt die<br />
Verantwortung für rund 2000<br />
Objekte mit einem Gesamtwert<br />
von 17 Milliarden Franken. Die<br />
meisten gehören nicht der Credit<br />
Suisse, sondern der Pensionskasse<br />
der Credit Suisse Group,<br />
der Winterthur Life and<br />
Pensions sowie der Winterthur<br />
Insurance. Wir streben eine<br />
Bruttorendite von 6,5 Prozent<br />
oder eine Performance von über<br />
5 Prozent an – mit Erfolg.<br />
Immobilien sind eine langfristige,<br />
sichere Wertanlage.<br />
Wirkt sich die Wirtschaftsbaisse<br />
negativ auf die Ertragslage aus?<br />
Bis jetzt kaum. Bei den neuen<br />
Wohnbauten sind die geräumigen<br />
und modern eingerichteten<br />
Wohnungen begehrt. Bei den<br />
Geschäftsflächen ist die Situation<br />
komplexer. Die meisten<br />
Gebäude liegen an strategisch<br />
günstiger Lage, so dass sich<br />
die Mieter einen Wechsel zweimal<br />
überlegen. Zudem sind wir<br />
durch langfristige Mietverträge<br />
gesichert; Neubauten realisieren<br />
wir nur, wenn der Grossteil<br />
der Bürofläche vermietet ist.<br />
Investiert die Credit Suisse mehr<br />
in Immobilien als früher?<br />
Tendenziell schon. Wir widerstehen<br />
aber der Versuchung,<br />
eine wesentlich tiefere Rendite<br />
bei Immobilienkäufen zu<br />
akzeptieren, nur weil die Performance<br />
bei Aktien heute tiefer<br />
als bei Immobilien ist. (schi)<br />
Credit Suisse Bulletin 6-<strong>02</strong> 63