Nr. 19 (III-2017) - Osnabrücker Wissen
Nr. 19 (III-2017) - Osnabrücker Wissen Wir beantworten Fragen rund um die Osnabrücker Region. Alle drei Monate als Printausgabe. Kostenlos! Und online unter www.osnabruecker-wissen.de
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STADT- & LANDGESCHICHTEN<br />
Was suchte die Hase im Kanal?<br />
präsentiert: Osnabrück in den 50er und 60er Jahren<br />
Dezember <strong>19</strong>60: Nach tagelangen Regenfällen liegt der Pegelstand der Hase 2,50 Meter über<br />
dem Wasserspiegel des Stichkanals. Der Damm, der beide Gewässer voneinander trennen soll,<br />
bricht zusammen. Ein reißender Strom wälzt sich Richtung Hollager Schleuse.<br />
Die Fluten zerstören Böschungen und<br />
Uferbefestigungen und treffen mit voller<br />
Wucht auf die Schleuse, die den Wassermassen<br />
nichts entgegenzusetzen hat.<br />
Pumpenhaus und Betriebsgebäude werden<br />
weggerissen, das Wohnhaus des Schleusenwärters<br />
bricht auseinander - eine Hälfte<br />
versinkt in der Tiefe. Einen Tag später dokumentieren<br />
die <strong>Osnabrücker</strong> Zeitungen<br />
eine „Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes“<br />
und zitieren fassungslose Augenzeugen:<br />
„Wir wussten nicht, wo wir zuerst hinsehen<br />
sollten. Das Pumpenhaus brach zusammen.<br />
Das Reservetor wirbelte weg. Mauern<br />
platzen auseinander. Es war fast wie bei einem<br />
Erdbeben.“<br />
Bramsche – eine<br />
Siedlung am See?<br />
Durch die Niederschläge kam es in weiten<br />
Teilen Nord- und Westdeutschlands<br />
zu schweren Überschwemmungen. In<br />
der Region war folgerichtig nicht nur die<br />
Hollager Schleuse betroffen, denn neben<br />
der Hase traten auch Düte, Nette oder<br />
Wierau über die Ufer. Sowohl in der Altstadt,<br />
am Pappelgraben und in der Wüste<br />
als auch in vielen umliegenden Gemeinden<br />
verursachte das Wasser Schäden in Millionenhöhe.<br />
Die Große Straße in Dissen<br />
verwandelte sich laut „<strong>Osnabrücker</strong> Tagespost“<br />
in einen reißenden Fluss, aber auch<br />
in Oesede, Wissingen, Melle, Bad Rothenfelde<br />
oder Hilter liefen Straßen, Gärten,<br />
Ställe und Keller voll.<br />
Bild oben links © Unbekannt (<strong>19</strong>60-12-06) / Bundesanstalt für Wasserbau // Bilder rechts © Stadtwerke Osnabrück // Wohnzimmer © arcona LIVING<br />
Am Oberlauf der Hase wurden die Wiesen<br />
bis nach Malgarten überspült. Bramsche<br />
gleiche nun einer „Siedlung am Ufer eines<br />
Sees“, befand das „<strong>Osnabrücker</strong> Tageblatt“.<br />
Noch während des Hochwassers begann<br />
die Diskussion über die Ursachen und<br />
dabei spielten nicht nur Maulwurfsgänge<br />
und Kaninchenbauten eine Rolle, die möglicherweise<br />
den Damm zwischen Hase und<br />
Kanal unterminiert hatten. Nach der Verlegung<br />
von Flussläufen sei der Hochwasserschutz<br />
sträflich vernachlässigt worden,<br />
monierten Kritiker. Ein (technisch und<br />
geografisch allerdings kaum vermeidbarer)<br />
Fehler lag möglicherweise bereits<br />
ein halbes Jahrhundert zurück. Denn als<br />
der Stichkanal, die Verbindung zwischen<br />
Hafen und Mittellandkanal, gebaut wurde,<br />
verlegte man die Hase auf einer Länge von<br />
1,2 Kilometern. Im Dezember <strong>19</strong>60 strömte<br />
sie in ihr altes Flussbett zurück.<br />
Wann war der Hafen<br />
wieder betriebsbereit?<br />
Trotz der gewaltigen Schäden gab es auch<br />
positive Nachrichten. Das Hochwasser<br />
forderte kein Todesopfer und die Aufräumarbeiten<br />
kamen so schnell voran,<br />
wie man es in Zeiten des Wirtschaftswunders<br />
erwarten konnte. Feuerwehr, Polizei,<br />
Technisches Hilfswerk, Bauunternehmen,<br />
Belegschaften und Freiwillige waren im<br />
Dauereinsatz. Auch die britischen<br />
Streitkräfte, die beispielsweise<br />
3.000 Sandsäcke<br />
nach Oesede brachten, beteiligten<br />
sich am Kampf gegen<br />
die Fluten.<br />
So konnte der <strong>Osnabrücker</strong><br />
Hafen den Schifffahrtsbetrieb<br />
nur zwei Monate später, am 5.<br />
Februar <strong>19</strong>61, wiederaufnehmen.<br />
Es blieb nicht die einzige<br />
positive Schlagzeile dieses<br />
Jahres. Aber es gab auch andere<br />
… | Thorsten Stegemann<br />
WISSEN KOMPAKT<br />
KINDERGELD<br />
<strong>19</strong>61 wurde die Auszahlung des<br />
Kindergeldes in Deutschland<br />
ein weiteres Mal reformiert. Monatlich<br />
zahlte der Bund nun 25<br />
Deutsche Mark – allerdings erst<br />
ab dem zweiten Kind. Nicht bezugsberechtigt<br />
waren Familien<br />
mit einem Jahreseinkommen von<br />
mehr als 7.200 DM sowie Beschäftigte<br />
im öffentlichen Dienst. Erst<br />
14 Jahre später wurde die staatliche<br />
Zuwendung auch für das erstgeborene<br />
Kind gewährt. Aktuell<br />
liegt sie bei <strong>19</strong>2 Euro.<br />
Schlagzeilen<br />
des Jahres <strong>19</strong>61<br />
Das Wirtschaftswunder steht in voller<br />
Blüte: <strong>19</strong>61 beträgt die Arbeitslosenquote<br />
in Deutschland 0,8 %, die Löhne steigen um<br />
rund 9 %.<br />
6. März<br />
Die Deutsche Mark wird um 4,75 % aufgewertet,<br />
um die Wirtschaftsbeziehungen zwischen<br />
Deutschland und seinen wichtigsten Handelspartnern<br />
auszubalancieren.<br />
12. April<br />
Juri Gagarin fliegt als erster Mensch in den<br />
Weltraum.<br />
1. Juni<br />
In Deutschland wird die „Anti-Baby-Pille“<br />
zugelassen.<br />
13. August<br />
In Berlin beginnt die DDR mit dem Bau<br />
der Mauer.<br />
1. August<br />
Samstags geschlossen! Die Banken<br />
führen die Fünf-Tage-Woche ein.<br />
14. November<br />
Nach der Wahl im September bilden CDU,<br />
CSU und FDP die neue Bundesregierung.<br />
Mit Elisabeth Schwarzkopf, die das Gesundheitsressort<br />
übernimmt, wird erstmals eine<br />
Frau Ministerin.<br />
20<br />
Das "Wohnzimmer" im <strong>Osnabrücker</strong> acrona LIVING,<br />
eingerichtet im original Stil der Wirtschaftswunderzeit.<br />
Schleuse Hollage nach Hochwasser der Hase<br />
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