Nr. 19 (III-2017) - Osnabrücker Wissen
Nr. 19 (III-2017) - Osnabrücker Wissen Wir beantworten Fragen rund um die Osnabrücker Region. Alle drei Monate als Printausgabe. Kostenlos! Und online unter www.osnabruecker-wissen.de
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KUNST & KULTUR<br />
Ida Boy-Ed an ihrem 60. Geburtstag<br />
Ein gutes Jahr später kehrte Boy-Ed auf Druck der Familie nach Lübeck zurück<br />
und begann später eine leidenschaftliche Affäre mit dem rebellischen Naturalisten<br />
Georg Michael Conrad. Die Schriftstellerei gab sie nicht mehr auf. Im Gegenteil,<br />
nach dem Bankrott ihres Mannes sorgte Ida Boy-Ed für den Lebensunterhalt.<br />
„Wunderlicher Kreislauf der Dinge: Die einst so verhöhnte und verachtete Feder<br />
umschrieb nun die bürgerliche Existenz mit der Linie der Sicherheit“, notierte sie<br />
nicht ohne Genugtuung.<br />
Vergessene Bücher (7): Ida Boy-Eds Roman „Ein königlicher Kaufmann“<br />
Wie aristokratisch ist der Kapitalismus?<br />
Zwei Kaufleute bewerben sich in der altehrwürdigen Hansestadt Lübeck<br />
um die Nachfolge des verstorbenen Senators Leitolfs. Was die bessere<br />
Gesellschaft, die das Duell mit zunehmender Spannung verfolgt, nicht<br />
ahnt: Jakob Bording, der aussichtsreichste der beiden Kandidaten, unterhält seit sechs Jahren<br />
ein Verhältnis mit der Frau seines Konkurrenten.<br />
Allerdings nicht mehr lange. Noch vor der<br />
entscheidenden Wahl geht Bording daran,<br />
sein Leben neu zu ordnen. Er trennt sich<br />
von der Geliebten und heiratet aus wohlerwogenen<br />
strategischen Gründen die<br />
kluge und warmherzige, aber durchaus<br />
unscheinbare Therese. Dann widmet sich<br />
Bording wieder seinen Geschäften, die der<br />
passionierte Autofahrer, Fabrikbesitzer<br />
und Gründer von Aktiengesellschaften<br />
weit erfolgreicher betreibt als seine traditionsbewussten<br />
Mitbürger. Schließlich hat<br />
es der umtriebige Kapitalist „zu fürstlicher<br />
Größe“ gebracht, die ihm gesellschaftliches<br />
und soziales Engagement erlaubt –<br />
oder selbiges von ihm fordert. Alles läuft<br />
46<br />
Cover einer Buchausgabe von <strong>19</strong>20<br />
nach Plan. Bis Therese herausfindet, dass<br />
ihre Liebe gekauft wurde. Nun driften die<br />
Unternehmungen des Senators in schwieriges<br />
Fahrwasser …<br />
Im Leben mutiger<br />
als im Roman?<br />
„Ein königlicher Kaufmann“ erschien<br />
<strong>19</strong>10, erreichte eine Auflage<br />
von 60.000 Exemplaren und<br />
wurde nicht selten in einem<br />
Atemzug mit den „Buddenbrooks“<br />
genannt. Tatsächlich<br />
hat Ida Boy-Eds Roman mit<br />
dem weltberühmten Werk<br />
des von ihr geschätzten und<br />
lange Zeit protegierten Thomas Mann<br />
nicht nur Thematisches gemein. Auch<br />
ihr gelingt ein zwar sympathisierender,<br />
aber durchgehend kritischer Blick in eine<br />
Gesellschaft, die sich durch Selbstüberschätzung,<br />
Doppelmoral und zwielichtige<br />
Geschäftspraktiken auf gefährliches<br />
Terrain begibt. „Ein königlicher Kaufmann“<br />
überzeugt deshalb als souverän<br />
inszenierter, psychologisch interessanter<br />
und streckenweise höchst unterhaltsamer<br />
Roman. Und irritiert trotzdem. Denn das<br />
Frauenbild der Autorin kreist allzu oft um<br />
häusliche Fragen oder die anspruchslose<br />
Begleitung des gefeierten Gatten - und<br />
bleibt somit in Klischees stecken, die Ida<br />
Boy-Ed im „wirklichen Leben“ längst<br />
überwunden hatte.<br />
Immerhin sorgte die 1852 in Bergedorf<br />
geborene Tochter des Zeitungsverlegers<br />
und Reichstagsabgeordneten Christoph<br />
Marquard Ed einst selbst für handfeste<br />
Skandale. 1878 verließ sie ihren Mann Karl<br />
Johann Boy und drei gemeinsame Kinder,<br />
um mit ihrem Sohn Karl nach Berlin zu<br />
ziehen. Hier verkehrte sie in den von ihren<br />
Schwiegereltern verhassten Künstlerkreisen<br />
und tat, was ihr, der verheirateten Frau<br />
und Mutter, ausdrücklich untersagt worden<br />
war: Schreiben.<br />
Die Hanse<br />
Lübeck war lange Zeit die Führungsmacht<br />
der Hanse, die im Mittelalter zum mächtigen<br />
Handelsbündnis aufstieg. Osnabrück<br />
wurde 1482 Mitglied des Städtebundes<br />
und gehörte zu den Mitbegründern der "Internationalen<br />
Hanse der Neuzeit" im Jahr<br />
<strong>19</strong>80. 2006 fand hier des 26. Internationale<br />
Hansetag statt.<br />
Bilder © commons.wikimedia.org<br />
Außerdem machte sie sich als Förderin junger Künstler einen Namen und<br />
unterstützte neben dem bereits erwähnten Thomas Mann auch Dirigenten wie<br />
Wilhelm Furtwängler oder Hermann Abendroth. Als Ida Boy-Ed <strong>19</strong>28 in<br />
Travemünde starb, hinterließ sie rund 70 Romane und Erzählbände sowie biografische<br />
Studien über Charlotte von Kalb, Charlotte von Stein oder Germaine de Staël. |<br />
Thorsten Stegemann<br />
Ida Boy-Ed mit ihrem Sohn Karl<br />
WISSEN KOMPAKT<br />
IDA BOY-ED LESEN<br />
Das umfangreiche Werk der Autorin<br />
wurde teilweise digitalisiert<br />
und in Form (oft kostenloser<br />
eBooks) wieder zugänglich gemacht.<br />
Die Qualität dieser Neuausgaben<br />
lässt mitunter aber zu<br />
wünschen übrig. “Ein königlicher<br />
Kaufmann“ gibt es auch in einer<br />
Buch-Neuausgabe, allerdings weder<br />
in Uni-noch Stadtbibliothek.<br />
Gemälde von Max Slevogt aus Anlass des 75.<br />
Geburtstages von Ida Boy-Ed<br />
Gratis-<br />
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Die nächste Ausgabe von<br />
„<strong>Osnabrücker</strong> <strong>Wissen</strong>“ erscheint<br />
im Januar 2018.<br />
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Redaktions- und Anzeigenschluss:<br />
30. November 2018<br />
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Telefon: 0 54 05 / 80 83 216