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Mehr als nur Kleidung Global Investor, 01/2016 Credit Suisse

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GLOBAL INVESTOR 1.<strong>16</strong> — 29<br />

faktor und Flagship stores mit Vorzeigecharakter<br />

auf.<br />

Wie beeinflusst die Entwicklung<br />

des Massenmarktes das Luxussegment?<br />

ROGER TREDRE Das Luxussegment<br />

steht unter dem Konkurrenzdruck des<br />

Massensegments, das mittlerweile auch<br />

höherwertige Stoffe verarbeitet und trendbewusste<br />

Mode entwirft. Es ist inzwischen<br />

sogar in der Lage, handgefertigte Elemente<br />

«Verbraucher haben<br />

dank des Internets<br />

und der Möglichkeit,<br />

über den ‹Like›- oder<br />

‹Dislike›-Button ihr<br />

Urteil zu fällen, mehr<br />

Macht als je zuvor.»<br />

einfliessen zu lassen, was ja zuvor ein Alleinstellungsmerkmal<br />

des Luxussektors war.<br />

Luxusmarken sind jedoch auch Life style-<br />

Marken und sich dessen sehr wohl bewusst.<br />

Und sie wollen ein Stück des Kuchens vom<br />

Massenmarkt abbekommen. Häufig war daher<br />

in den letzten Jahren der Begriff «Masstige»<br />

zu hören, der sich aus den Wörtern<br />

Massenmarkt und Prestige zusammensetzt.<br />

1992 schrieben Sie, dass die Unsicherheit<br />

weltweit viele wilde Geister in der Branche<br />

ausgebremst habe. Was war da los?<br />

ROGER TREDRE In Japan – damals ein<br />

wichtiger Exportmarkt für Luxusmode –<br />

verlor das Wachstum an Fahrt. Man suchte<br />

nach neuen Wachstumsquellen und fand<br />

sie in China. Es dauerte aber noch rund<br />

zehn Jahre, bis China die Entwicklung zeigte,<br />

die man sich erhofft hatte.<br />

Welchen Herausforderungen sieht sich<br />

die Modeindustrie gegenüber?<br />

ROGER TREDRE Die wichtigste Frage,<br />

die sich die Branche derzeit stellt, lautet:<br />

Muss der Modezyklus geändert werden? In<br />

den späten 1990er-Jahren führte Inditex, die<br />

spanische Muttergesellschaft von Zara, das<br />

Konzept Fast <strong>Fashion</strong> ein. Dabei werden<br />

die Modeläden fast wöchentlich mit neuen<br />

Produkten bestückt. Dies stellte die Modebranche<br />

vor eine grosse Herausforderung,<br />

da alle Akteure – Unternehmen, Designer<br />

und Hersteller – sofort nachziehen mussten.<br />

Und heute?<br />

ROGER TREDRE Mittlerweile ist es so<br />

weit, dass einige Luxusanbieter wie Burberry<br />

Roger Tredre<br />

ist Pathway Leader im Bereich Modejournalismus<br />

(MA <strong>Fashion</strong> Communication)<br />

am Central Saint Martins College der<br />

Kunsthochschule London (University of<br />

the Arts London) und Senior Consultant<br />

der Beijing Academy of Creative Arts. Von<br />

1999 bis 2007 war er Chefredakteur des<br />

Worth Global Style Network (wgsn.com),<br />

der Onlinetrendforschungsagentur für die<br />

internationale Modeindustrie.<br />

(vor allem auf der Londoner <strong>Fashion</strong> Week)<br />

ein «See now/Buy now»-Konzept für ihre<br />

Modenschauen planen. Kunden sollen<br />

die Show live im Netz verfolgen und im<br />

Anschluss gleich bestellen können.<br />

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass es dazu kommen wird?<br />

ROGER TREDRE Wird dieses Konzept<br />

branchenweit umgesetzt, müssen die<br />

Produktionsprozesse komplett verändert<br />

werden. Ich glaube nicht, dass es dazu<br />

kommt. Viele grosse kontinentaleuropäische<br />

Marken haben gesagt, dass es sich um<br />

eine Spielerei handle. Die Idee der Modebranche,<br />

Träume zu verkaufen, erhalte<br />

ihren Reiz und Zauber nämlich auch dadurch,<br />

dass man die Kollektion während der<br />

Modenschau bereits zu sehen bekomme,<br />

dann aber noch warten müsse, bis man das<br />

Objekt der Begierde endlich kaufen kann.<br />

Besteht ein nennenswerter Unterschied<br />

zwischen Mode und Bekleidung?<br />

ROGER TREDRE Bekleidung funktioniert<br />

nicht ohne Mode. Bekleidung an<br />

sich umfasst doch nur Basic-Teile. Nehmen<br />

wir mal das Beispiel von Uniqlo, einem<br />

japanischen Einzelhändler mit grossen<br />

Ambitionen, der in den letzten Jahren einen<br />

kometenhaften Aufstieg hingelegt hat. Bei<br />

seinem Markteintritt in Grossbritannien<br />

war er ausschliesslich auf Bekleidung ausgerichtet.<br />

Hatte man ein Teil gekauft, war<br />

man auf sehr lange Zeit erstmal versorgt.<br />

Das Unternehmen erkannte aber, dass<br />

Bekleidung ohne einen Funken Mode<br />

uninteressant ist. Seitdem arbeitet Uniqlo<br />

mit einer Reihe von Designern zusammen,<br />

um sein Angebot an Basics mit einem<br />

Modeelement aufzupeppen.<br />

Wie ist das gesellschaftliche Verständnis<br />

oder auch Missverständnis von Mode?<br />

ROGER TREDRE Schenkt man der<br />

Filmkomödie «Zoolander» Glauben, tummeln<br />

sich in der Modebranche nur skurrile Typen,<br />

die unablässig Champagner schlürfen,<br />

Drogen nehmen und sich ständig völlig<br />

daneben benehmen. Von aussen betrachtet<br />

ist die Laufstegsaison wahnsinnig glamourös.<br />

Hinter den Kulissen gibt es jedoch<br />

viele Menschen, die extrem hart arbeiten.<br />

Es beeindruckt mich immer wieder aufs<br />

Neue, mit wie viel Engagement und Ausdauer<br />

sie sich ihrer Arbeit in der Modeindustrie<br />

widmen. Wenn man weiss, wie<br />

Mode funktioniert, kann man dieses Wissen<br />

auch allgemeiner auf andere Branchen<br />

wie beispielsweise Autos, Nahrungsmittel<br />

und den Einzelhandel anwenden.

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