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Mehr als nur Kleidung Global Investor, 01/2016 Credit Suisse
Mehr als nur Kleidung
Global Investor, 01/2016
Credit Suisse
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GLOBAL INVESTOR 1.<strong>16</strong> — 40<br />
CLAUDIA BANZ Um alles. Um nachhaltige<br />
Materialien, nachhaltige Produktion<br />
und natürlich auch um die soziale Nachhaltigkeit,<br />
also eine faire Entlöhnung.<br />
Aber nachhaltige Mode hat auch den Ruf,<br />
ein bisschen handgestrickt zu sein, oder?<br />
CLAUDIA BANZ Tatsächlich kommen<br />
schnell Erinnerungen an die 1970er-Jahre<br />
auf, Jute statt Plastik. Dadurch wird dieser<br />
Modezweig in die Aschenbrödel-Ecke<br />
gedrängt. Zu Unrecht, es hat sich viel getan.<br />
Zum Beispiel?<br />
CLAUDIA BANZ Im Rahmen der Berliner<br />
<strong>Fashion</strong> Week gibt es seit 2006 den<br />
Greenshowroom. Dort wird offensichtlich,<br />
dass beim Look die nachhaltige Mode<br />
der ursprünglichen Mode in nichts nachsteht.<br />
Ausserdem wird an den Modehochschulen<br />
das Thema Nachhaltigkeit<br />
immer<br />
stärker in die Ausbildung<br />
integriert.<br />
Das ist eine sehr<br />
erfreuliche Entwicklung,<br />
denn auch<br />
die Designer haben<br />
eine Verantwortung.<br />
Steht Mode<br />
nicht ohnehin im<br />
Widerspruch<br />
zu Nachhaltigkeit?<br />
Immerhin benötigt<br />
sie im Vergleich zur<br />
überlebensnotwendigen Kleidung<br />
zusätzliche Ressourcen und<br />
Arbeitsleistung.<br />
CLAUDIA BANZ Die Notwendigkeit,<br />
sich zu kleiden, und den Wunsch, dabei<br />
modisch auszusehen und daher permanent<br />
zu konsumieren, also Mode und Kapitalismus,<br />
das haben grosse Soziologen wie<br />
Werner Sombart seit Beginn des 20. Jahrhunderts<br />
immer zusammen gedacht.<br />
Aber natürlich müssen wir uns die Frage<br />
stellen: Wie wichtig ist Mode überhaupt? Ist<br />
sie nicht eigentlich überflüssig?<br />
Fragen, die sich vor allem die<br />
Gesellschaftstellen muss, oder?<br />
CLAUDIA BANZ Tatsächlich ist auch ein<br />
Umdenken seitens der Designer angesagt,<br />
und dieses Umdenken muss sich dann<br />
wieder in der Gesellschaft verbreiten. Gerade<br />
im Hinblick auf die «Fast <strong>Fashion</strong>»,<br />
die fast alle zehn Tage eine neue Kollektion<br />
herausbringt, müssen wir entscheiden:<br />
Wie viel brauche ich wirklich?<br />
Es werden laufend neue Bedürfnisse<br />
geschaffen.<br />
«Wir sind<br />
der Frage<br />
nachgegangen,<br />
warum Kleidung<br />
so günstig<br />
sein kann.»<br />
CLAUDIA BANZ Ja, umso wichtiger ist<br />
die Frage, ob ich jeden Monat ein komplett<br />
neues Outfit brauche. Die Devise könnte<br />
auch heissen: Weniger ist mehr! Die<br />
bekannte niederländische Trendforscherin<br />
Li Edelkoort sagte einmal: «Mode ist tot.»<br />
Damit hat sie ihre Kollegen sehr schockiert.<br />
Ihrer Meinung nach müssten die Designer<br />
wieder mehr über Bekleidung und weniger<br />
über Mode nachdenken.<br />
«Mangel und Überfluss» war auch<br />
ein Thema der Ausstellung. Was haben<br />
Sie gezeigt?<br />
CLAUDIA BANZ Wir haben veranschaulicht,<br />
wie viel Kleidung wir kaufen und<br />
wie viel wir entsorgen. In Deutschland beispielsweise<br />
beträgt der Neukonsum pro<br />
Person jährlich 27 Kilogramm, gleichzeitig<br />
werden knapp 15 Kilo<br />
Kleidung entsorgt.<br />
Im europäischen<br />
Durchschnitt sind es<br />
20 Kilo Neukonsum<br />
gegenüber knapp<br />
8 Kilo Altkleidung.<br />
Was passiert<br />
mit den<br />
Altkleidern?<br />
CLAUDIA BANZ<br />
Die Entsorgung ist<br />
inzwischen zu einem<br />
globalen Handel geworden.<br />
Eindrücklich<br />
zeigt das der wunderbare Film «Unravel»<br />
von Meghna Gupta. Darin geht es um<br />
Panipat, eine Stadt nördlich von Delhi, wo<br />
sich der weltweit grösste Sammelplatz<br />
für Altkleidung befindet. In Panipat findet<br />
Downcycling im grossen Stil statt. Noch<br />
tragfähige Secondhandkleidung wird zu<br />
billigsten Hilfsdecken verarbeitet.<br />
Wie Sie bereits gesagt haben: Die<br />
dunkle Seite der Mode geht uns alle etwas<br />
an. Welche Reaktionen der<br />
Ausstellungsbesucher haben Sie am<br />
meisten überrascht?<br />
CLAUDIA BANZ Das Feedback war<br />
durchwegs extrem positiv. Am meisten<br />
beeindruckt hat mich jedoch eine ältere<br />
Dame. Sie war sehr berührt von der Ausstellung,<br />
vor allem vom Schicksal der Textilarbeiterinnen,<br />
die sehr wenig verdienen.<br />
Deshalb hat sie zusammen mit Freundinnen<br />
rund 70 000 Euro gesammelt und einer<br />
NGO gespendet, die sich dafür einsetzt,<br />
die sozialen Bedingungen der Textilarbeiterinnen<br />
zu verbessern. Das hat mich ganz<br />
enorm beeindruckt und gefreut.