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Mehr als nur Kleidung Global Investor, 01/2016 Credit Suisse

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Global Investor, 01/2016
Credit Suisse

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GLOBAL INVESTOR 1.<strong>16</strong> — 39<br />

Die meisten Branchen durchlaufen in<br />

ihrer Geschichte einen Prozess von einer<br />

«schmutzigen» hin zu einer aufgeklärteren<br />

und weniger verschmutzenden Produktion.<br />

Warum sollte das bei der Modebranche<br />

anders sein?<br />

CLAUDIA BANZ Ein Hemmnis ist<br />

mög licherweise, dass es sich bei der<br />

Textilindus trie um eine sogenannte Pionierindustrie<br />

handelt. Das heisst, man kann mit<br />

relativ geringem Aufwand ein Business<br />

aufbauen. Es reicht, ein paar Nähmaschinen<br />

in eine Halle zu stellen. Die positive Kehrseite<br />

davon: Die Textilindustrie gibt vielen<br />

Menschen die Möglichkeit, zu arbeiten<br />

und ein bisschen Geld zu verdienen, gerade<br />

auch den Frauen. Auch wird für mehr<br />

Sicherheitsstandards gekämpft, aber wie<br />

wir alle wissen, geht es am Ende doch<br />

immer um den Profit.<br />

Wer ist für die Exzesse der Massenmode<br />

verantwortlich?<br />

CLAUDIA BANZ Das ist eine sehr<br />

grosse Frage, die sich nicht auf die Schnelle<br />

beantworten lässt. Für mich sind vier<br />

Parteien relevant: die Produzenten beziehungsweise<br />

die Unternehmer, die Politiker,<br />

die Designer und natürlich haben auch die<br />

Konsumenten eine grosse Verantwortung.<br />

Der Konsument sollte seine Macht wesentlich<br />

stärker nutzen. Etwa, indem er mit<br />

den Füssen abstimmt, wie man im Englischen<br />

so schön sagt, und nicht in jenen<br />

Läden einkauft, die keine nachhaltigen<br />

Produkte führen. Für mich stehen nicht nur<br />

die Unternehmen in der Pflicht, sondern<br />

jeder trägt eine gewisse Mitschuld.<br />

Bei der Verantwortung der Konsumenten<br />

geht es vor allem um den Preis der<br />

Kleidung. Ist nachhaltig und günstig<br />

in Ihren Augen ein Gegensatz?<br />

CLAUDIA BANZ In unserer Ausstellung<br />

sind wir genau dieser Frage auch nachgegangen,<br />

warum Kleidung so günstig sein<br />

kann. Es ist ein Trugschluss, dass sich<br />

die Mode zwingendermassen verteuert,<br />

wenn die Löhne erhöht werden. Die Lohn-,<br />

Produktions- und Transportkosten machen<br />

bei der Kleidung nur einen sehr kleinen<br />

Teil des Endpreises aus. Den grössten Anteil<br />

haben Marketing und Profit. Es geht also<br />

vor allem um die Gewinnspanne. Insofern<br />

schliessen sich Nachhaltigkeit und günstige<br />

Preise meiner Meinung nach nicht aus.<br />

Doch man muss wirtschaftlich umdenken<br />

und genau das ist ein Problem.<br />

Gilt das für günstige Massenware wie<br />

auch für Luxusmode?<br />

Dr. Claudia Banz<br />

Die promovierte Kunsthistorikerin und<br />

Autorin zahlreicher Publikationen ist<br />

seit 2011 Leiterin der Sammlung Kunst<br />

und Design im Museum für Kunst und<br />

Gewerbe Hamburg. Zuvor war sie<br />

Kuratorin an international renommierten<br />

Museen, etwa den Staatlichen Museen<br />

zu Berlin, den Staatlichen Kunstsammlungen<br />

Dresden und dem Museum<br />

Kunstpalast in Düsseldorf.<br />

CLAUDIA BANZ Unsere Recherche hat<br />

gezeigt, dass zum Beispiel in Bangladesch<br />

in derselben Fabrik T-Shirts für die billige<br />

«Fast <strong>Fashion</strong>» und für Modeunternehmen<br />

aus dem oberen Preissegment gefertigt<br />

werden. Eine traurige Erkenntnis.<br />

Unterdessen messe die Luxusgüterindustrie<br />

dem Thema Nachhaltigkeit mehr<br />

Bedeutung zu, war kürzlich in der «New<br />

York Times» zu lesen. Stimmen Sie zu?<br />

CLAUDIA BANZ Ja, grundsätzlich setzen<br />

sich die Unternehmen immer stärker für<br />

«Grundsätzlich setzen<br />

sich die Unternehmen<br />

immer stärker für<br />

Transparenz ein.»<br />

Transparenz ein und in diesem Zusammenhang<br />

auch für eine nachhaltige Produktion<br />

auf allen Stufen der textilen Wertschöpfungskette.<br />

Mit dem Ziel «sauberere» Stoffe zu<br />

verwenden, das Arbeitsumfeld sicherer<br />

zu gestalten und den Klimawandel zu<br />

berücksichtigen, werden sogar sogenannte<br />

Direktoren für Nachhaltigkeit»<br />

eingestellt …<br />

CLAUDIA BANZ Wie ernsthaft diese<br />

Bemühungen tatsächlich sind, lässt<br />

sich wohl erst in etwa fünf Jahren beurteilen.<br />

Dann kann man Zwischenbilanz ziehen.<br />

Nicht zu vergessen ist auch, dass Nachhaltigkeit<br />

unterdessen zum Lifestyle gehört.<br />

Wie meinen Sie das?<br />

CLAUDIA BANZ Das Marketing hat<br />

längst erkannt, dass sich mit Nachhaltigkeit<br />

oder auch mit vermeintlich nachhaltig<br />

produ zierten Produkten viel Geld verdienen<br />

lässt. Es hört sich immer gut an, wenn<br />

ein Kleidungsstück «nachhaltig produziert»<br />

ist, doch leider taugen die wenigsten<br />

Güte siegel wirklich etwas. Aber wenn<br />

Nachhaltigkeit heute bei vielen zum Lifestyle<br />

gehört – und Mode ist ja ein wichtiger<br />

Bereich des Lifestyle –, dann würde sich<br />

das Modebusiness perfekt eignen, um<br />

mittelfristig eine echte nachhaltige Produktion<br />

zu schaffen. Das Wissen ist da, die<br />

Möglichkeiten sind da, es geht nur darum,<br />

ob die Unternehmen tatsächlich daran<br />

interessiert sind, das durchzusetzen.<br />

Wenn von Nachhaltigkeit die Rede ist,<br />

geht es dann vor allem um die Produktionsbedingungen<br />

oder um die Materialien?

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