8 K SEITENBLICK Geld schafft keine Ideen Unternehmen in China und Asien stocken ihre Forschungsbudgets kräftig auf. Das erhöht den Druck auf deutsche Firmen, die neuen Wettbewerber mit Innovationen auf Distanz zu halten. Mit Geld allein ist es dabei oft nicht getan. Wichtig ist es auch, ein Klima zu schaffen, in dem Ideen gedeihen. Und eine klare Fokussierung auf einige wenige Produkte. Mit der Gießkanne herumzulaufen, hat in der Forschung wenig Aussicht auf Erfolg. WWK Wenn es um Innovationen geht, erzählen Manager des US-Mischkonzerns 3M gerne die Geschichte von den selbstklebenden Notizzetteln, die in vielen Büros auch schlicht als »gelbe Zettel« bekannt sind. Die Idee dazu war einem ihrer Kollegen vor mehr als 25 Jahren gekommen. Arthur Frey, Chemiker bei 3M und begeisterter Sänger im Kirchenchor seiner Gemeinde im amerikanischen St. Paul, hatte sich immer wieder geärgert, dass die Zettel, mit denen er seine Einsätze im Notenbuch markiert hatte, zwischen den Seiten herausfielen. Da erinnerte er sich an einen Klebstoff, der bei einem missglückten Experiment eines Kollegen als Abfall verblieben war. Er besorgte sich Proben dieses Materials, schnitt kleine Zettel zurecht und trug ein wenig von der Klebmasse auf. Und siehe da, die Schnipsel hafteten nicht nur zuverlässig auf den Notenblättern. Sie ließen sich auch leicht wieder lösen. Erfunden war eines der bekanntesten Produkte von 3M. Die Geschichte lehrt, dass Erfindungen vornehmlich dort gemacht werden, wo die Mitarbeiter kreative Freiräume besitzen. Wo der Arbeitgeber die Eigeninitiative fördert. Und nicht zwingend dort, wo die Forschungsabteilung über den größten Etat verfügt. In einer Umfrage unter 700 Führungskräften, die vor Kurzem die Unternehmensberatung Booz & Company in Auftrag gegeben hatte, bezeichneten die Befragten 3M hinter Apple und Google als das innovativste Unternehmen der Welt. Dabei gibt der Gelbe-Zettel-Hersteller vergleichsweise wenig Geld für Forschung und Entwicklung (FuE) aus – sowohl in absoluten Beträgen als auch im Verhältnis zu seinem Umsatz. Die Höhe und Quote der FuE-Ausgaben sagen allerdings wenig darüber aus, wie innovativ und wirtschaftlich erfolgreich ein Unternehmen tatsächlich ist. Das zeigt auch das Beispiel Apple. Der Konzern steckt lediglich 2,2 % seines Umsatzes in die Forschung und Entwicklung neuer Produkte. Aber der » Deutsche Unternehmen stockten im vergangenen Jahr ihre Forschungsetats um knapp 15 % auf. iPhone-Hersteller läuft nicht mit der Gießkanne herum. Er konzentriert seine Gelder auf die Entwicklung einiger weniger Produkte – und überrascht den Markt immer wieder mit Neuheiten. Natürlich geht ohne Geld nichts. Da können die Arbeitsbedingungen in der Forschungsabteilung noch so kreativfördernd sein und die Produktpalette noch so fokussiert. Innovationen kosten. Und in dem Maße, in dem der Wettbewerb steigt, Produktzyklen kürzer werden und sich Technologien wandeln, sind die Unternehmen ge zwungen, ihr Budget für FuE aufzustocken. Sonst fallen sie im Wettbewerb zurück. Booz & Company zufolge waren deutsche Firmen zuletzt besonders spendabel. Um knapp 15 % stockten sie im vergangenen Jahr ihre Forschungsetats auf. Weltweit stiegen die Budgets um 9,6 %; in Europa sogar nur um 5,4 %. Verglichen mit den Steigerungsraten vieler Unternehmen aus Asien relativiert sich freilich das stolze Plus der deutschen Forscher. In China und Indien stiegen die Forschungsbudgets im Durchschnitt um gut 27 %. Nun lässt sich einwenden, das sei eine Folge des Basiseffekts: Die Unternehmen dort hätten in der Vergangenheit eben we - nig in die Entwicklung neuer Produkte in - vestiert, weshalb schon geringfügige Erhöhungen der Budgets enorme prozentuale Steigerungsraten produzierten. Aber es ist auch so, dass sich Firmen in Asien schon lange nicht mehr nur als verlängerte Werkbank westlicher Unternehmen verstehen. Sie holen auf, entwickeln selbst Produkte und steigen mitunter rasend schnell zu Konkurrenten der Konzerne in Europa und Amerika auf. Ein Beispiel ist die Entwicklung des koreanischen Elektronikproduzenten Samsung. Der steckte im vergangenen Jahr mehr Geld in die Forschung als Intel oder Nokia. Der Handyhersteller aus Finnland ist indes auch ein Beispiel dafür, dass Innovationen von heute keine Garantie für wirtschaftlichen Erfolg morgen sind. Nokia, einst die Nummer eins bei Mobiltelefonen mit einem Marktanteil von 40 %, hat den Trend zum Smartphone verpasst – mit der Folge, dass sich der Marktanteil binnen weniger Jahre halbierte. Allerdings: Weil sich die Halbwertzeit vieler Produkte verkürzt, aber die Finanzierung der nächsten technologischen Sprünge viel Geld kostet, stecken viele Firmen in einem Dilemma. Sie scheuen sich, das Risiko allein zu tragen. Deshalb suchen sie immer häufiger Forschungskooperationen. Pharmakonzerne schmieden Bündnisse mit Biotechfirmen und Autohersteller rücken bei der Entwicklung von Brennstoffzellen und Elektroantrieben mit Zulieferern und sogar Konkurrenten zusammen. Im Erfolgsfall müssen sie die Ernte teilen. Aber sie teilen auch das Risiko eines Fehlschlags, der möglicherweise an ihrer Existenz rüttelt. ber (sm 121204503) K <strong>stahlmarkt</strong> <strong>12.2012</strong>
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