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Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald- AugenBLICKE

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52 KARIN GÜNDISCH<br />

KARIN GÜNDISCH<br />

geb. 1948 in Heltau /Rumänien I Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache I arbeitete<br />

für die Presse und das Fernsehen und schrieb Kinderbücher I 1984 Auswanderung<br />

mit ihrer Familie nach Deutschland I wohnt als freischaffende Schriftstellerin in Bad<br />

Krozingen I ihre Bücher wurden in mehrere Sprachen (Französisch, Englisch, Japanisch,<br />

Koreanisch, Slowenisch, Kroatisch, Rumänisch) übersetzt I Auszeichnung mit vielen<br />

Literaturpreisen: Peter-Härtling-Preis für Kinderliteratur, Stipendium des Ministeriums<br />

für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Baden-Württemberg; Mildred L. Batchelder<br />

Award in den USA, Stipendium des Kulturministeriums in Luxemburg<br />

Ausgewandert – Eingewandert<br />

Am Abend des 11. November 1984 ist meine Familie in<br />

Deutschland eingewandert. Wir hatten ein finsteres Land<br />

verlassen und standen nun ziemlich verloren auf dem Bahnhof<br />

in Nürnberg: unsere siebenjährige Tochter mit ihrer<br />

neuen Schultasche auf dem Rücken und der Puppe im Arm,<br />

unser fast zehnjähriger Sohn mit der Schultasche und seinem<br />

Kissen, mein Mann und ich, jeder einen Koffer mit<br />

dem Allernotwendigsten in der Hand.<br />

Die vorhergehenden Wochen waren schwierig gewesen.<br />

Wir hatten unseren Hausstand aufgelöst, Kisten mit Hausrat<br />

für die Reise gepackt und die Wohnung für einen Spottpreis<br />

an den Staat verkaufen müssen. Wir hatten von vielen<br />

lieben Menschen Abschied nehmen müssen, ohne zu wissen,<br />

ob wir sie jemals wiedersehen würden.<br />

Während der langen Zugreise waren wir in Aufbruchstimmung,<br />

aber schon im Übergangswohnheim in Nürnberg<br />

kamen uns erste Zweifel, ob wir mit dem Weggehen von zu Hause gut getan hatten. Wir<br />

standen an der Haltestelle der Straßenbahn, überlegten, was eine Fahrt für vier Personen<br />

kostete und kamen zu dem Schluss, dass wir zu Fuß gehen mussten. So arm waren wir<br />

noch nie gewesen. Als wir nach einem langen Fußmarsch in der Stadtmitte ankamen, waren<br />

wir von der weihnachtlich geschmückten Stadt, von dem vielen Licht, verzaubert. Der<br />

Heimweg war dann wieder sehr lang und mühselig, besonders für die Kinder. Um die Zeit<br />

zu verkürzen, haben wir uns überlegt, was sich ein jeder in Deutschland als Erstes kaufen<br />

würde. Wenn man nichts besitzt, ist das ein guter Zeitvertreib. Ingrid wünschte sich ein<br />

Märchenbuch und Malstifte, Uwe einen echten Fußball und ein Fahrrad, mein Mann ein<br />

Auto und ich? Ich erinnere mich nicht mehr daran, was ich mir gewünscht habe, aber der

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